Einen Gang höher schalten! Neues von unseren Tarifverhandlungen

BFFS Geschäftsstelle
5. Juli 2011

Liebe Kollegen,
pro Drehtag kostet
• eine Kuh mindestens 450 €,
• eine Katze mindestens 400 €,
• ein Hund mindestens 350 €.

So begann vor einem Jahr unsere BFFS-Kampagne gegen hundeelende Dumpingga-gen. Es ist schlicht unwürdig, Schauspieler wie Filmtiere oder darunter zu entlohnen.
Was ist seit unserem „AufdenHundgekommen-Aufruf“ geschehen?
Der BFFS hatte schon Anfang 2010 seinen Tarifwillen in seiner Satzung verankert. Wir waren damals bereits mehr als 1.300 Mitglieder und fest entschlossen, nicht vor der uns zugewachsenen Verantwortung davonzulaufen.
Zugegeben, noch vor wenigen Jahren klang „Schauspieler-Gewerkschaft“ für viele deutsche Kollegen wie ein Fremdwort. Sie hatten vielleicht von der amerikanischen Screen Actors Gilde gehört, von der britischen Equity – aber funktioniert so was hier in Deutschland?
Auch heute noch reiben sich einige die Augen. Aber warum sollen wir uns verstecken? Unser Verband ist enorm gewachsen, er hat nun 1.800 Schauspieler in seinen Reihen, mehr als ein Drittel derer, die drehen. Viele von uns spielen in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft die Schlüsselrollen. Damit ist der BFFS die „sozial mächtige“ Arbeitnehmervertretung der Schauspieler.
Darum sitzt seit Juli 2010 unser Schauspielerverband als eigenständige Tarifpartei am Verhandlungstisch – das ist eine deutsche Premiere. Die berufsübergreifende Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sitzt auf derselben Seite, wir sind voneinander unabhängige Tarifpartner und agieren eng abgestimmt (für Konkurrenzgehabe verschwenden wir keine Energie 😉
Auf der anderen Seite hat die Produzentenallianz Platz genommen. Mit ihnen verhandeln wir
A) über die Beteiligung der Kreativen – auch Schauspielern – an den Erlösen der Filmwerke und
B) über Schauspielgagen.

Bisher existieren in Deutschland keinerlei tariflichen Honorarregeln für Film- und Fernsehschauspieler. Kein Wunder, dass ohne Untergrenze zunehmend Gagen auf den Hund kommen. Wohlgemerkt, wir reden hier auch von Profi-Schauspielern, viele mit Hochschulausbildung – nicht von Komparsen, deren Vergütungen übrigens im Gegensatz zu Schauspielergagen tariflich geregelt sind.
BFFS und ver.di fordern für Schauspieler eine „Anfängergage“, unter der kein Berufsanfänger und schon gar nicht erfahrene Kollegen abgespeist werden dürfen. Der Begriff „Anfängergage“ ist von uns bewusst gewählt. Wir wollen die Produzenten nicht ermuntern, eine „Mindestgage“ – der Lieblingsbegriff der Produzentenallianz – zur Regelgage für alle Schauspieler umzufunktionieren. Diese Anfängergage muss natürlich deutlich über dem Hunde-, Katzen, und Kuhgagenniveau liegen. Oberhalb dieser Anfängermarge sollen die Honorare auch weiterhin frei nach Marktwert verhandelbar bleiben und nicht durch die Untergrenze beeinflusst werden.
Wir sehen durchaus die schwierige wirtschaftliche Situation vieler mittelständischer Filmfirmen und haben von Anfang an die Produzentenallianz eingeladen, mit uns gemeinsam neben der üblichen Vergütung nach Drehtaganzahl alternative Honorierungssysteme zu gestalten, die den Produzenten mehr Planungssicherheit bieten könnten.
Viele von ihnen sind daran brennend interessiert, aber leider hat die Produzentenallianz unsere ausgestreckte Hand bis heute nicht ergriffen.
Stattdessen scheinen starke Kräfte innerhalb der Produzentenallianz auf Zeit zu spielen und dem Versuch nicht widerstehen zu können, genau die „tierischen“ Gagen, die wir unbedingt tariflich verhindern wollen, mithilfe eines Tarifvertrags absegnen zu lassen.
Ohne tarifliche Gagenregelung leben wir im wilden Westen, wie wir sehen: Schauspielergagen um 500 € und abwärts nehmen permanent zu. Das ist unerträglich genug. Aber wenn wir uns heute der tariflichen Wunschvorstellung der Produzenten von 400 oder 500 € nicht deutlich entgegenstemmen, werden sie morgen nicht mehr zu halten sein. Dann sprechen wir nicht mehr vom allgemeinen Gagenverfall – unten mehr als oben –, sondern von einem regelrechten Gagendurchfall unten und oben.
Die Verhandlungen geraten zurzeit in eine kritische Phase (die Fortschritte bei den Erlösbeteiligungsverhandlungen bewegen sich ebenfalls im Nanobereich).
BFFS und ver.di denken nicht daran, ernsthaft über Gagenuntergrenzen auf Tierniveau zu diskutieren. Aber wir werden auch nicht die Verhandlungen kampflos aufgeben, sondern einen Gang höher schalten. Die Zeit spielt auch für uns.
In diesem Sinne werden wir uns bald an Euch wenden.
Vorerst danken wir Euch für die zahlreichen Einsendungen und bitten Euch und Eure Agenten weiterhin, alle „Fouls“ an aufdenhundgekommen@bffs.de zu schicken.
Unter „Fouls“ verstehen wir alle illegalen oder illegitimen Vorkommnisse beim Dreh: Gagendumping aller Art, Arbeitszeit-, Jugendarbeitsschutz-, Tarifverletzungen, falsche Sozialversicherung usw. Wir behandeln die Informationen vertraulich und beabsichtigen nicht, Einzelpersonen an den Pranger zu stellen oder gar die Namen der Leidtragenden zu nennen.
Umgekehrt sendet uns bitte auch Vorbildliches aus der Branche an fair@bffs.de.
Wir brauchen Informationen, um handeln zu können und wir Schauspieler sitzen an der Quelle.

Mit vielen kollegialen Grüßen
Der BFFS-Vorstand