Stellungnahme des BFFS zum Gagendumping bei der sogenannten Nachwuchsförderung und Debütfilmen

BFFS Geschäftsstelle
22. September 2011

Sender fordern. Und fördern?
Zur unlauteren Nachwuchsförderung auf Kosten der Anderen

Die Kürzungen der Produktionsvolumina in allen fiktionalen Produktionsbereichen haben zu einem beispiellosen Gagendumping geführt. Die Einkünfte der Schauspieler sind in den letzten Jahren um bis zu 50 % gesunken. Ähnlich sieht es bei den anderen Filmschaffenden aus. Hinzu kommt, dass immer mehr Sender und Produktionsgesellschaften Beiträge in die Pensionskassen nicht mehr leisten wollen. Das Netz zur sozialen Absicherung und Vorsorge der kurz befristet beschäftigten Filmschaffenden wird immer löchriger. Diese Entwicklung erfüllt uns Filmschaffende mit größter Sorge.

In den letzten Jahren ist eine Schieflage bei der Entlohnung der Filmschaffenden entstanden, die inzwischen zu einer Umkehrung der Verhältnisse führt, die viele Filmschaffende gar nicht mehr als solche erkennen können, weil es für sie normal geworden ist, entweder für eine rein symbolische Gage oder gleich ganz umsonst zu arbeiten.

Die Rede ist von den sogenannten Nachwuchsproduktionen. Die öffentlich-rechtlichen Sender nennen sie „Kleines Fernsehspiel“ oder „Debüt im Ersten“. Ein frischgebackener Regisseur bekommt die Chance, seinen ersten abendfüllenden Spielfilm zu inszenieren, der dann in der Regel eine kleine Kinoauswertung und einen Sendeplatz spätabends erhält. Das Budget ist minimal, die Gagen ebenfalls. Und trotzdem arbeiten die meisten Filmschaffenden, auch namhafte Schauspieler, immer wieder in solchen Produktionen mit, sei es, weil sie ihnen die Möglichkeit bieten, sich jenseits des Quotendrucks auszuprobieren, sei es, weil sie sich noch gut an ihre eigene Zeit als Nachwuchstalent erinnern können.

Bisher gehörte es aber zum guten Ton, dass die eingesparte Gage zurückgestellt, also im Fall einer weiteren Verwertung, Wiederholung, eines Verkaufs bzw. Erfolgs im Kino nachträglich ausbezahlt wurde. Schon das ist eine Schieflage, weil damit die Arbeitnehmer eigentlich zu Koproduzenten werden, ohne allerdings Entscheidungsbefugnis zu besitzen. Aber zumindest bedeutete diese Praxis das Eingeständnis, dass diese Art der „Nachwuchsförderung“ nicht legitim ist und nur notgedrungen geduldet wird. Inzwischen aber gibt es Bemühungen, selbst diese Selbstverständlichkeit abzuschaffen.

Denn nun möchten auch Privatsender sich auf dem Gebiet der „Nachwuchsförderung“ profilieren. Anlässlich der FIRST STEPS Awards am 23. August 2011 forderte Joachim Kosack, SAT.1 Co-Geschäftsführer und Senior Vice President Deutsche Fiction der ProSiebenSat.1 TV, die Schauspieler auf, bei Debütfilmen, die in der Primetime laufen sollen, unter Verzicht des größten Teils ihres Gehalts mitzuspielen. Dass bei diesen Low-Budget-Filmen die Vergütung der anderen Filmschaffenden ebenfalls weit unter den Tariflohn gedrückt wird, versteht sich von selbst.

Die Großzügigkeit der Filmschaffenden, sich immer wieder für solche Nachwuchsproduktionen zur Verfügung zu stellen, die sie mit ihrer Nahezu-Gratisarbeitskraft mitfinanzieren, wird plötzlich öffentlich mit dem Argument eingefordert, dass der Privatsender sich „für den Nachwuchs“ engagiere und die Nachwuchsproduktion in der Primetime auszustrahlen gedenke, um den Nachwuchstalenten eine größere Öffentlichkeit zu ermöglichen. Damit hat die Schieflage einen Grad erreicht, bei dem man als Filmschaffender nicht mehr aufrecht stehen kann.

Man stelle sich vor, Mercedes-Benz würde ankündigen, die Kosten für die Entwicklung eines neuen Elektroautos oder die Ausbildungskosten der Lehrlinge von den Gehältern der anderen Mitarbeiter abzuziehen. Diese absurde Vorstellung wird in der Filmbranche zum allabendlichen Standardprogramm mit der pikanten Note, dass die Filmschaffenden gefordert sind, ihre Gage zu opfern, während die Sender sich als Förderer feiern.

Möglich ist diese Schieflage deswegen, weil sowohl Produzenten als auch Filmkreative ihren Beruf in der Regel aus Idealismus und Leidenschaft für den Film begonnen haben und im Zweifel immer ein Projekt lieber realisieren als verhindern wollen, egal zu welchem Preis. Der Unterschied zwischen den festangestellten Senderverantwortlichen und den kurz befristet beschäftigten Filmkreativen ist aber, dass Erstere für eine Nachwuchsproduktion nicht auf einen Teil ihres Gehaltes verzichten müssen, Letztere nun aber moralisch unter Druck setzen, dieses ihrerseits zu tun.

In unserer Film- und Fernsehlandschaft, in der leider schon lange die Selbstverständlichkeiten anderer Branchen nicht mehr gelten, werden die Arbeitsverhältnisse und Arbeitsgesetze aber durch eine solche Ankündigung auf den Kopf gestellt. Es wird Zeit, dass der Umgang in der Filmbranche wieder den Regeln der Fairness und den existierenden Arbeitsgesetzen gehorcht.

der Vorstand des BFFS

Diese Stellungnahme unterstützen folgende Verbände:

Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di
Verband Deutscher Schauspieler Agenturen e.V. - VDSA
Composers Club e.V. - CC
Bundesvereinigung der Filmschaffenden-Verbände e.V.
darunter unter anderem:
Bundesverband Casting e.V. - BVC
Bundesverband Kamera e.V. – BVK
Bundesverband Filmschnitt Editor e.V. – BFS
Berufsvereinigung Filmton e.V. – bvft
Verband der Szenebildner, Filmarchitekten und Kostümbildner in Europa e.V. - SFK
Verband Deutscher Tonmeister e.V. - VDT
Bundesvereinigung Maskenbild e.V. - BVM
Bundesverband deutscher Stuntleute e.V. - BvS
Bundesverband Beleuchtung und Bühne e.V. - BVB
Bundesverband der Fernsehkameraleute e. V. - BVFK
Verband der Requisiteure & Set Decorator e.V. - VdR/SD

 

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