Warum nur 1 Prozent?

Heinrich Schafmeister
25. Januar 2012

Die Hintergründe der katastrophal kümmerlichen GVL-Ausschüttungen

Das war ein übler Schock zum Jahreswechsel. Rückmeldungen unserer Mitglieder ergaben: Schauspieler haben bei der letzten GVL-Ausschüttung im Schnitt nur 1 % erhalten im Vergleich zum Vorjahr. Die erste Ausschüttung nach der Verteilungsumstellung vom honorarbasierten zum nutzungsorientierten System geriet zum Desaster für Schauspieler. Wo liegen die Gründe? Der BFFS hat die GVL um eine schnelle Stellungnahme gebeten und diese bereits bekommen.

Zwar hatte der BFFS im Vorfeld erfahren, dass die „Weihnachtsgelder“ der GVL wohl später und erheblich geringer ausfallen würden als in den Vorjahren (wir berichteten darüber). Aber die Rückmeldungen zahlreicher Mitglieder, die inzwischen ihre GVL-Gelder bekommen haben, und auch die persönlichen Erfahrungen der Vorstandsmitglieder belegen, dass „erheblich geringer“ geradezu verniedlichend klingt, wenn beispielsweise statt 10.000 nur 125 Euro, statt 8000 nur 13 Euro und bei machen nur 5 Euro ausgezahlt wurden.

Unsere Empörung ist groß und mehr als verständlich. Was haben wir Schauspieler die GVL betreffend in letzter Zeit nicht alles durchmachen müssen:

Zunächst waren wir im Zuge der europäischen Rechtsvereinheitlichung gezwungen, uns vom alten, gewohnten Honorarsystem zu verabschieden. Dann haben uns gerade die Umstellung auf das neue ARTSYS-System und die Erfassung der Drehtage bzw. Synchrontakes besonders bei alten Filmen große Mühe und viel Zeit gekostet. Manche Schauspieler haben sogar fremde Hilfe in Anspruch genommen und nicht schlecht dafür bezahlt. So müssen wir die jetzigen 1%-Auszahlungen als Hohn empfinden. Und auch das der GVL-Abrechnung beigefügte dreiseitige, aber leider trotzdem wenig aufschlussreiche Schreiben der GVL kann uns nicht darüber hinwegtrösten.

Darum hat der BFFS bereits am 9. Januar der GVL geschrieben, ihre schlechte Informationspolitik kritisiert und zahlreiche Fragen an sie gerichtet, um die Gründe für die desaströsen Ausschüttungen an Schauspieler zu erfahren. Schon nach einer Woche hat der BFFS von der GVL die geforderten Antworten erhalten. Die Unverzüglichkeit, mit der die GVL auf unseren Brief reagiert hat, ist zumindest erfreulich. Der Wortlaut unseres Briefes und des GVL-Schreibens befinden sich am Ende dieses Newsletters.

Die Aussagen der GVL zeichnen nun zusammengefasst folgendes Bild:

Für die drastische Minderung unserer GVL-Gelder sind ein ganzes Bündel an Gründen verantwortlich, die alle eines gemeinsam haben: Sie schmälern den Verteilungskuchen, der für alle Leistungsschutzberechtigten gedacht ist, aber in ganz besonderer Weise den Schauspieleranteil. 

  1. Ungeheure 85% der GVL-Einnahmen gelangen nicht in die Verteilung, sondern werden zurückgehalten. Das nutzungsbezogene Verteilungssystem muss – entsprechend internationalen Standards – berücksichtigen, dass in der Zukunft – mindestens!!! – noch drei Jahre Ansprüche von Berechtigten geltend gemacht werden können. Zu den Berechtigten gehören auch – im Gegensatz zu früher – ausübende Künstler, die nicht in der GVL sind. Der BFFS befürchtet nun, dass bei einer Verlängerung der 3-Jahresfrist entsprechend länger die Rückstellungen hoch und die Verteilungssummen klein bleiben.
  2. Weil es keine gesetzlichen Regelungen mehr gibt, wie viel Prozent die Speichermedien- und Geräteindustrie einzahlen muss, und diese seither verschleppt, sich mit den Verwertungsgesellschaften über die Höhe der Abgaben zu einigen, ist einer der beiden wichtigsten GVL-Töpfe, der Topf „Private Überspielung“, inzwischen völlig leer. Das heißt, damit bricht ein weiteres Drittel an Verteilungsmasse komplett weg.

Diese bisher genannten Verschlechterungen betreffen alle Leistungsschutzberechtigten, Musiker wie Schauspieler. Einen weiteren Punkt müssen die Schauspieler allerdings allein ausbaden:

  1. Neue, angeblich genauere Datenerhebungen führen bei Verantwortlichen der Verwertungsgesellschaften zu dem Schluss, dass Fernsehsendungen in Hotellobbys, Läden und Gaststätten erheblich weniger öffentlich wiedergegeben werden, als früher angenommen. Also wurde der Schauspieleranteil beim zweiten wichtigen GVL-Topf, der Topf „Öffentliche Wiedergabe“, von 40 % auf 10 % gekürzt. Dadurch bricht für Schauspieler ein weiteres Drittel an Verteilungsmasse weg.

Für den besseren Überblick erlauben wir uns folgende (überschlägige) Rechnung:

100,00 % bezeichnen wir den früheren Schauspieleranteil am Gesamtverteilungskuchen
- 33,33 % fehlen jetzt vom Schauspieleranteil, weil der Topf „Private Überspielung“ leer ist.
- 33,33 % verringert sich nun zusätzlich der Schauspieleranteil, weil Schauspieler aus dem Topf „öffentliche Wiedergabe“ Dreiviertel weniger bekommen
= 33,33 % des früheren Schauspieleranteils
× 15,00 % weil 85,00 % zückgestellt weden müssen
= 5,00 % des früheren Schauspieleranteils wurde nun verteilt

In wieweit steigende Personal-, Datenbank- und andere Kosten, die durch die Verteilungsumstellung nötig wurden, die Verteilungssumme schmälern, wissen wir zurzeit nicht.

Auch haben wir im Moment keine Kenntnis, wie sich die Tatsache bemerkbar macht, dass früher unsere Dreh- und Synchronarbeiten bei der Verteilung einmalig in voller Höhe berücksichtigt wurden und nun in mehreren kleineren Portionen bei jeder Wiederholung.

Wir haben auch keinen Überblick, wie sich der Kreis der Berechtigten vergrößert hat, weil nun durch die Wiederholungen auch diejenigen Musiker und Schauspieler berücksichtigt werden, die nicht mehr aktiv sind.

Antworten auch auf diese Fragen wird nur die GVL geben können.

Vielleicht lässt sich so die Diskrepanz erklären zwischen den errechneten 5 % und den Rückmeldungen unserer Mitglieder von ca. 1 %.

Aber eines scheint gewiss: Gerade die Neuerung, die uns erheblich in Anspruch genommen und gequält hat, nämlich für jede Dreharbeit – auch der vergangenen Jahre – die Anzahl der Drehtage bzw. Synchrontakes zu erfassen, damit zwischen Haupt-, mittleren und kleinen Rollen unterschieden werden kann, hat mit dem derzeitigen Ausschüttungsdesaster offensichtlich nichts zu tun. Das ist auch logisch: Schließlich regelt dieses neue Drehtag- bzw. Synchrontake-Modell nur, wie der Schauspieleranteil an die einzelnen Schauspieler weiterverteilt werden soll. Aber sie hat keinen Einfluss auf die Höhe des Schauspieleranteils selbst.

Unser Fazit:

Die GVL-Problematik wird uns nicht nur während der Umstellungsphase beschäftigen, sondern entwickelt sich zum Dauerthema, weil wir uns dort in erster Linie mit politisch bedingten Einnahmeschwierigkeiten und der internen Verteilungsgerechtigkeit zwischen Musikern und Schauspielern herumschlagen.

Es drängt sich die Frage auf: Was tut der Gesetzgeber, um die Speichermedien- und Geräteindustrie zur Zahlung angemessener Abgaben an die Verwertungsgesellschaften zu zwingen?

Außerdem: Wird in Hotels, Läden und Gaststätten tatsächlich so viel mehr Musik als Fernsehsendungen öffentlich wiedergegeben? Im Verhältnis 9 zu 1? Wie kommen die GEMA Tarife, auf denen diese Aufteilung basiert, zustande und berücksichtigen sie überhaupt die Interessen der Schauspieler in angemessener Weise?

Wenn man den Verteilungsplan der GVL unter die Lupe nimmt, stechen einige äußerst fragwürdige Entscheidungen im Bereich AV-Produktionen ins Auge, besonders, was die Gewichtung der Unterbudgets „Konzert, Ballet, Oper, Theater, Kabarett“ und „Soaps, Dailies, Doku-Soaps, Serien unter 40 Minuten“ angeht. Während erstere viel zu hoch bewertet sind, gibt es im zweiten Fall eine krasse Unterwertung. Wir haben dagegen bei der GVL scharfen Protest eingelegt.

Schlägt sich hier nicht in erschreckender Weise nieder, dass bisher Schauspieler im GVL-Beirat satzungsgemäß hoffnungslos unterrepräsentiert sind (nur ein Schauspieler von 24 Beiratsmitgliedern) und im Verteilungsausschuss überhaupt keinen Sitz haben?

Und noch eins: solange die GVL immer noch keine funktionierenden Gegenseitigkeitsverträge mit den Schwestergesellschaften und eine 1:1-Weiterreichung der Gelder aus dem Ausland garantieren kann, müssen wir allen raten, kein Geld zu verschenken und sich z. B. bei der Nouvo Imaie (Italien) oder der Adami (Frankreich) zu melden und Ansprüche geltend zu machen. Dafür muss man nicht mal einen Vertrag mit diesen Gesellschaften abschließen.

Diese ganzen Problemfelder und Fragen haben Vorrang!

Die Beseitigung der Kinderkrankheiten des ARTSYS-Systems, die bessere Einbindung schriftlicher Formulare für computerschwächelnde Kollegen, die Optimierung der Verteilungskriterien, die rechtliche Klärung der Mitwirkungspflicht seitens der Berechtigten etc. sind alles Fragen, die zwar kompliziert sind, aber mit etwas gutem Willen aller Beteiligten mittelfristig lösbar sein sollten.

Angesichts der komplexen Problemlage erwarten wir von der GVL, Hiobsbotschaften in Zukunft nicht mehr schönzureden und über alle Entwicklungen, insbesondere die Ausschüttung betreffend, rechtzeitig, umfassend und verständlich zu informieren. Die GVL darf damit nicht warten, bis das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Wenn die Stimmung unter den Berechtigten allzu sehr vergiftet ist, droht jeder konstruktive Ansatz zur Lösung der anstehenden Probleme in der beschwerdelastigen und aufgeheizten Atmosphäre zu verbrennen.

Wir vom BFFS-Vorstand werden noch mehr Energie in die GVL-Thematik investieren und bitten dafür um die Unterstützung unserer Mitglieder. Wir halten daran fest, auch weiterhin konstruktiv vorzugehen, und halten in diesem Sinne engen Kontakt zur Politik, zur GVL, zu ihrer Aufsichtsbehörde, dem Deutschen Patent und Markenamt und zu allen betroffenen Verbänden, die auch um Lösungen ringen.

 

 Wortlaut des BFFS-Briefes an die GVL zur aktuellen GVL-Ausschüttung

Sehr geehrter Herr Dr. Gerlach,

Berlin, den 09.01.2012

zunächst darf ich Ihnen ein frohes, neues, gesundes Jahr 2012 wünschen.

Mit den kläglichen Ausschüttungen für das Kalenderjahr 2010 in den ersten Tagen des neuen Jahres stellt sich der Jahresbeginn für unsere Mitglieder alles andere als erfreulich dar.

Mit Erschrecken haben wir feststellen müssen, dass die Ausschüttungen, die zwar erwartungsgemäß niedrig ausfallen sollten, jenseits der schon niedrigen Erwartungen in einem Ausmaß zurückgeblieben sind, dass die Frage gestellt werden muss, warum in den letzten Monaten die umfangreichen mühevollen Einpflegungsarbeiten in das von Ihnen neu entwickelte System überhaupt von den Schauspielern geleistet worden sind.

 Unsere Mitglieder haben durchschnittlich 1 % der in den vergangenen Jahren erzielten Ausschüttungen als Ausschüttung für 2010 erhalten. Diese massive Absenkung der Ausschüttungen stellt sich als untragbarer Zustand für unsere Mitglieder dar.

Aus unserer Sicht hat es Ihr Haus auch versäumt, über diese massiven Kürzungen in angemessner Weise vorausschauend die Ausschüttungsberechtigten zu informieren. Überhaupt ist festzustellen, dass die Berechtigten sich mangelhaft informiert fühlen. Die Kritik an der Informationspolitik Ihres Hauses und schließlich der Umgang ihres Hauses mit den Berechtigten, wenn diese sich mit Fragen an Sie gewandt haben, reißt nicht ab. 

Vor dem Hintergrund der derzeitigen katastrophalen Situation, wie sie sich für die Schauspieler derzeit darstellt, möchten wir Ursachen und Gründe dieser immensen Kürzungen verstehen. Wir möchten Sie daher bitten, folgende Fragen zu beantworten:

… (Anmerkung der Redaktion: Die nun folgenden Fragen sind zur besseren Verständlichkeit den Antworten im GVL-Brief zugeordnet.) …

 Sehr geehrter Herr Gerlach, angesichts des katastrophalen Ergebnisses der aktuellen Verteilung wären wir Ihnen sehr verbunden, wenn Sie zu den vorgenannten Fragen kurzfristig Stellung nehmen könnten.

Bis dahin verbleiben wir

mit freundlichen Grüßen

Heinrich Schafmeister (Vorstandsmitglied BFFS)
Thomas Schmuckert (Vorstandsmitglied BFFS)
Bernhard F. Störkmann (geschäftsführender Justiziar RA)

Wortlaut des GVL-Briefes auf die BFFS-Fragen

Sehr geehrter Herr Schafmeister,
sehr geehrter Herr Schmuckert,
sehr geehrter Herr Störkmann,

16.01.2012

gern erwidere ich Ihre Wünsche für ein frohes und gesundes neues Jahr.

Zu Ihrem Schreiben vom 09.01.2012 möchte ich unterstreichen, dass auch uns der dramatische Einbruch der Schauspielervergütungen betroffen gemacht hat und wir vor diesem Hintergrund eine umfassende Analyse der Zahlungen insbesondere im Vergleich zu den Vorjahren vorgenommen haben. Zur Frage, ob die tatsächlichen Zahlungen im Verhältnis zum geleisteten Aufwand der Registrierung stehen, möchten wir klarstellen, dass die Ausschüttung als vorläufige Zahlung zu verstehen ist, der weitere Zahlungen für das Verteilungsjahr 2010 folgen werden. Die unterschiedlichen Aspekte werden wir im Einzelnen hoffentlich für Sie nachvollziehbar darstellen und stehen selbstverständlich für weitere Erläuterungen hierzu gern zur Verfügung.

Lassen Sie mich bitte eingangs nur auch noch einmal erläutern, wofür die GVL - auch im Vergleich zu anderen internationalen Schwestergesellschaften - Vergütungen erhält, die sie an die Schauspieler ausschüttet, bzw. wofür die GVL bedauerlicherweise auf Basis der deutschen Rechtslage keine Vergütungen erhält:

Wir erhalten zunächst als Verwertungsgesellschaft keinerlei Vergütungen für Schauspieler für die Filmvor-führung, sei es in Kinos oder in anderen Veranstaltungen vor Publikum. Hierfür sieht das deutsche Recht keine Vergütungsansprüche vor, die verwertungsgesellschaftsseitig wahrgenommen werden können. Wir erhalten auch keine Vergütungen für die Sendung oder Wiederholungssendung von Filmen im Fernsehen. Insofern ist die Tatsache, dass der deutsche Fernsehmarkt einer der größten in Europa ist, für die Ausschüttung durch die GVL leider ohne Einfluss.

Wir erhalten Vergütungen für die öffentliche Wiedergabe von Fernsehsendungen. Hierzu zählen Fernsehgeräte, die in der Öffentlichkeit, beispielsweise in Hotel-Lobbys aufgestellt sind. Wir erhalten außerdem Vergütungen für die Kabelweitersendung von Fernsehsendungen in Hotelanlagen oder in Krankenhäusern. Keine Vergütungen müssen gezahlt werden auf Basis der deutschen Rechtsprechung für Empfangsvorgänge ohne die entsprechende Kabelweitersendung in Hotelzimmern und Krankenhäusern, selbst wenn es sich um Mehrbettzimmer handelt. Insoweit ist die deutsche Rechtsprechung weniger urheberfreundlich als die von europäischen Nachbarstaaten, die insoweit eine Vergütungspflicht annehmen.

Wir erhalten Vergütungen für die private Vervielfältigungsabgabe, für die die Geräteindustrie bezogen auf das aktuelle Verteilungsjahr 2010 jedoch keine tatsächlichen Zahlungen geleistet hat. Wir erhalten außer-dem Vergütungen für die Vermietung von Filmen in Videotheken, den Verleih von Filmen in Bibliotheken und die Kabelweitersendung von Fernsehprogrammen in öffentlichen Kabelnetzen.

… (Anmerkung der Redaktion: Ab hier sind zur besseren Verständlichkeit die entsprechenden Fragen des BFFS eingefügt) …

BFFS: Warum fällt die Ausschüttung bezüglich 2010 so dramatisch niedrig aus?

GVL: Die dramatisch niedrige Ausschüttung für 2010 beruht auf der Kumulation von deutlich niedrigeren verteilbaren Vergütungen im Vergleich zum Vorjahr und der Umstellung des Verteilungssystems auf die nutzungsbezogene Verteilung, bei der für alle Produktionen in den nach den Verteilungsplänen auszuwertenden Programmen Rückstellungen für alle Mitwirkenden gebildet werden müssen, unabhängig davon, ob sie entsprechend dem alten Verteilungssystem an der Verteilung teilgenommen haben oder nicht.

BFFS: Warum hat die GVL über diese dramatische Senkung der Ausschüttungen nicht im Vorhinein informiert?

GVL: Ihre Kritik an der unzureichenden Kommunikation der GVL über die dramatische Absenkung nehmen wir ernst. Wir möchten allerdings darauf hinweisen, dass diese Entwicklung auch für uns in ihrer Dimension erst zu einem späten Zeitpunkt erkennbar war. Dies betrifft sowohl den Aspekt der verfügbaren Verteilsummen für die Schauspieler insgesamt als auch den Aspekt der auf den einzelnen entfallenen Anteil. Kommuniziert hatten wir die Tatsache, dass tatsächliche verteilbare Erlöse für die Verteilung 2010 aus dem Bereich der privaten Vervielfältigung, die in der Vergangenheit 1/3 der Verteilsumme ausgemacht haben, nicht verteilen können. Kommuniziert hatten wir auch die Tatsache, dass die neue nutzungsbezogene Verteilung darauf basiert, dass Berechtigte innerhalb der NachmeIdefrist von 3 Jahren ihre Ansprüche bezüglich der Verteilung 2010 geltend machen können, wenn ihre Darbietungen entsprechend der Verteilungspläne gesendet wurden. Hieraus ergab sich zwangsläufig die Notwendigkeit, die verteilungsschmälernden Rück-stellungen für die Ansprüche Dritter zu bilden. Soweit wir hier nicht ausdrücklich darauf hingewiesen haben, dass dadurch die Zahlung der Einzelnen im Vergleich zu den früheren Verteilungen deutlich niedriger ausfällt, bedauern wir dies sehr. Der Umfang der erforderlichen Rückstellungen war allerdings auch für uns erst nach Abschluss der Verteilungsrechnung 2010 im November des Vorjahres wirklich abschätzbar.

Die GVL hat versucht, das alte anmeldebezogene Verteilungssystem - das sich retrospektiv angesichts der auf die einzelnen Berechtigten entfallenden realen Ausschüttungsbeträge als ausgesprochen vorteilhaft für die GVL-Berechtigten erwies - so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Wir waren international verpflichtet - auch vor dem Hintergrund der mit großer Mühe beigelegten Beschwerde bei der EU-Kommission, die Verteilung 2010 auf Basis der nutzungsbezogenen, d.h. sendungsbezogenen Verteilung vorzunehmen. Da die Verteilung im Jahr 2010 für das Verteilungsjahr 2009 noch entgeltbezogen auf Basis des alten Nachweisbogensystems erfolgte, bestand vor dem Hintergrund der Ressourcenschonung der Verwaltungskosten die Notwendigkeit, die Registrierung des Repertoires als Grundsäule der neuen Verteilung seit der zweiten Jahreshälfte 2010 und während des Jahres 2011 vorzunehmen und gleichzeitig die entsprechenden Systeme zu entwickeln. Wir sind uns bewusst, dass dies gerade für die Berechtigten mit ganz erheblichen Schwierigkeiten verbunden war, die wir gern vermieden hätten. Unsere Mitarbeiter, deren Anzahl sich mehr als verdrei-facht hat, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, haben bis Ende Oktober das vergütungsrelevante Repertoire registriert. Gleichzeitig wurden die vergütungsrelevanten Filme für die Verteilungsrechnung ermittelt und auf Basis von statistisch ermittelten Durchschnittsbesetzungen hochgerechnet. Wir waren allerdings nicht mehr in der Lage, vor dem Hintergrund der für den Dezember geplanten tatsächlichen Ausschüttung die Ansprüche der internationalen Schwestergesellschaften im Einzelnen zu prüfen und entsprechend in die Verteilung einzuspeisen. Dies lag nicht nur an dem Zeitdruck zur Vornahme der Verteilung, sondern auch an der Tatsache, dass beispielsweise die USamerikanische Screen Actors Guilt über konkrete Repertoireangaben oder Mitwirkendenangaben ihrer Berechtigten momentan noch nicht verfügt.

Hinzu kam, dass die für die Schauspieler verteilbaren Erlöse aus der öffentlichen Wiedergabe von Fernsehsendungen mit ca. 10 % der Gesamterlöse aus der öffentlichen Wiedergabe lediglich ¼ dessen darstellen, was die Schauspieler bisher anteilig aus der Verteilung für die öffentliche Wiedergabe, die zwischen Musik und Fernsehen nicht differenziert hat, erhalten haben. Da hier der Schauspieleranteil nicht separat ausgewiesen wurde, war auch der GVL selbst der überproportional hohe Anteil in der Vergangenheit nicht erkennbar, sondern konnte erst im Rahmen unserer Analyse der dramatischen Rückgänge festgestellt werden. Eine Kommunikation im Vorfeld war daher zu unserem großen Bedauern nicht möglich.

BFFS: Ist es richtig, dass bis zu 85% der auszuschüttenden Gelder durch die GVL zurückgestellt worden sind?

GVL: Es stimmt, dass bis zu 85 % der tatsächlichen Verteilungsbeträge bisher nicht ausgeschüttet wurde.

BFFS: Was berechtigt die GVL Rückstellungen in diesem Ausmaß vorzunehmen?

GVL: Die Rückstellungen in dieser Höhe sind erforderlich, weil das nutzungsbezogene Verteilungssystem entsprechend dem internationalen Standard vorsieht, dass Ansprüche auch noch innerhalb einer mindestens drei Jahre bestehenden Frist geltend gemacht werden können. Dies erfordert es, auch die Ansprüche Dritter zu quantifizieren, also aller mitwirkenden ausübenden Künstler einschließlich derer, die der GVL nicht angehören. Diese Situation unterscheidet sich diametral von der alten Verteilungssituation, in der die komplette Verteilungssumme an diejenigen verteilt werden konnte, die innerhalb der Frist zum 30.06. ihre Primärentgelte nachgewiesen haben.

BFFS: Auf welche verschiedenen Bereiche teilen sich diese Rückstellungen auf? Auf welcher Grundlage?

GVL: Die Rückstellungen entfallen auf alle Verteilungsbereiche, da wir in keinem einzigen Bereich davon ausgehen können, dass sämtliche Berechtigte ihre Ansprüche fristgerecht zur Verteilung 2010 geltend gemacht haben. Sie wurden kalkuliert auf der Basis statistisch ermittelter Durchschnittsbesetzungen der unter-schiedlichsten genutzten Genres. Für jede Produktion wurde die Durchschnittsbesetzung kalkuliert, der entsprechende Punktwert aus der Verteilung ermittelt und der reale Punktwert auf Basis von Echtmeldungen von diesem Gesamtdurchschnittswert abgezogen. Die verbleibenden Durchschnittswerte wurden erhöht um 5 % für Produktionen, die der GVL nicht gemeldet wurden, also für die Bemessung der Durchschnittswerte nicht zur Verfügung standen. Insgesamt ergab sich so der für die Ansprüche Dritter zurück zu stellende Betrag. Wir gehen davon aus, dass ein Teil dieser Summe an die Berechtigten nachverteilt werden kann, wenn die Berechtigung Dritter geprüft und ggf. verworfen wurde.

BFFS: Welchen Einfluss haben die ausgebliebenen Zahlungen im Bereich private Vervielfältigung / Speichermedienabgabe auf die Absenkung insgesamt?

GVL: Wie dargelegt, haben die Zahlungen im Bereich der privaten Vervielfältigung in der Vergangenheit ca. 1/3 der Gesamtauszahlung der Schauspieler betragen. Dieser Betrag fehlt nunmehr für die Verteilung. Wir gehen davon aus, dass der Gesamtbetrag für die GVL in mindestens der bisherigen Größenordnung ausfallen wird – die Nachverteilungen dann allerdings mit erheblicher Zeitverzögerung erfolgen können.

BFFS: Inwieweit haben sich die Ausschüttungen aus dem Bereich öffentlicher Wiedergabe derart verän-dert? Welchen Einfluss hat das für die Schauspieler an sich gehabt?

GVL: Wie erläutert, haben die Schauspieler wie wir nunmehr rechnerisch ermitteln konnten, aus den Gesamterlösen für die öffentliche Wiedergabe, also einschließlich der Vergütungen für die reine Musiknutzung beispielsweise in Läden, Gaststätten etc. einen Anteil von 40 % der Gesamtverteilsumme erhalten. Dies war die Folge der integrierten Verteilung an alle ausübenden Künstler innerhalb des alten entgeltbezogenen Verteilungssystems, das keine separate Verteilung einzelner Budgets aus der öffentlichen Wiedergabe kannte. Hintergrund dafür war die Abrechnungspraxis der GEMA, die lediglich die Erlöse aus Bühnen und Diskotheken separat abgerechnet hat. Alle anderen öffentlichen Wiedergaben von Tonträgern, Radio und Fernsehen wurden ohne weitere Differenzierung als Gesamtsumme gegenüber der GVL abgerechnet und konnten daher auch nicht separat verteilt werden. Da die neue Abrechnungspraxis der GEMA hier deutlich transparenter ist, indem die Erlöse aus der öffentlichen Wiedergabe von Fernsehen, Radio und Tonträgern separiert ausgewiesen werden, ist die GVL auf Basis der neuen Datenlage verpflichtet, die jeweiligen Erlöse auch nur der Berechtigtengruppe zukommen zu lassen, deren Rechte genutzt wurden. Bedauerlicherweise beträgt der Anteil der öffentlichen Wiedergabe von Fernsehsendungen an der Gesamtvergütung öffentliche Wiedergabe lediglich ca. 10 %. Im Vergleich zur früheren Verteilung fehlen also für die Schauspieler 3/4 aus den Erlösen der öffentlichen Wiedergabe. Deren Anteil betrug angesichts der in den letzten Jahren sinkenden Erlöse aus der privaten Vervielfältigung ca. 1/2 der Gesamtverteilsumme. Das Fehlen führte nun dazu, dass insoweit ein weiteres Drittel der bisherigen Verteilsumme für die Schauspieler nicht mehr zur Verfügung stand.

BFFS: Wer entscheidet über die Zuteilungen aus dem Topf öffentliche Wiedergabe, auf welcher Rechtsgrundlage, nach welchen Erhebungen, Statistiken etc. (wir bitten um Einsicht derselben)?

GVL: Rechtsgrundlage für die Verteilung der Erlöse aus der öffentlichen Wiedergabe sind die von Beirat beschlossenen Verteilungspläne. Nach Ziff. 2 b (ee) werden auf die audiovisuellen Produktionen 100 % der Erlöse aus der öffentlichen Wiedergabe für Fernsehsendungen verteilt. Damit entfällt die Gesamtsumme aus diesem Tarifbereich, der der GVL durch die GEMA konkret angerechnet wird, auf den Bereich AV. Weitere Erhebungen oder Statistiken waren daher angesichts der konkreten Zuordnung nicht geboten.

BFFS: Die GVL hatte bereits für Ende 2011 eine Sonderauschüttung für die Kopierabgaben für PC's für die Jahre 2008 - 2010 angekündigt. Warum hat sich diese Ausschüttung derart verzögert? Zudem ist im aktuellen Infoblatt der GVL nur noch von einer Sonderausschüttung für das Jahr 2008 die Rede. Wo bleibt die Ausschüttung für die Jahre 2009 und 2010?

GVL: Die ZPÜ hat für alle Verwertungsgesellschaften Nachzahlungen für pes für die Jahre 2008 bis 2010 erhalten. Ein endgültiger Verteilungsschlüssel sollte zwischen allen Verwertungsgesellschaften basierend auf empirischen Nutzungsuntersuchungen zur Privatkopie bereits 2011 gefunden werden. Dieser steht leider noch immer aus, jedoch befinden sich die Verhandlungen in der Endphase und es ist abzusehen, dass sich der Anteil der GVL steigern dürfte. Ohne endgültigen Verteilungsschlüssel konnte die ZPÜ allerdings keine Abrechnung gegenüber den Verwertungsgesellschaften vornehmen, die die endgültige Weiterleitung von Beträgen ermöglicht hätte. Die ZPÜ hat allerdings im Herbst letzten Jahres eine Abschlagszahlung für das Jahr 2008 ausgeschüttet. Diese erfolgte in Höhe der Komplettverteilung 2008, soll aber als Abschlagzahlung für die Jahre 2008 bis 2010 dienen, was eine Verteilung zusätzlich kompliziert macht. Wir haben uns daher entschlossen, diese Abschlagszahlung nicht separat zu verteilen, da wir weiterhin davon ausgehen, in Kürze die endgültige Nachzahlung verteilen zu können. Kommuniziert haben wir aktuell tatsächlich nur das erste Halbjahr 2012 für die Nachzahlung 2008. Wir rechnen aber weiterhin mit einer Nachzahlung auch der Beträge für 2009 und 2010 innerhalb es ersten Halbjahres und wollen die Nachzahlungen 2008 und 2009 wenn irgend möglich verbinden, können aber für die Zahlungen für 2009 und 2010 aktuell keine verbindliche zeitliche Einschätzung geben, auch vor dem Hintergrund, dass in der Vergangenheit einige angekündigte Termine unverschuldet nicht eingehalten werden konnten. Wir planen, die Vergütung für 2010 mit weiteren Zahlungen, die für 2010 verteilt werden können, zu verbinden.

BFFS:Auf welcher Basis werden diese Sonderausschüttungen stattfinden? Auf der Basis des alten Vergütungssystems oder des neuen (insbesondere die Ausschüttung für das Jahr 2010)?

GVL: Die Sonderausschüttungen werden auf Basis der jeweiligen in den Jahren geltenden Verteilungssysteme stattfinden, die Nachzahlung für 2008 und 2009 also auf Basis des alten Vergütungssystems, die für 2010 auf Basis des neuen Vergütungssystems.

BFFS: Wie ist der Bericht der GEMA: "GVL steigert Erlöse" zu verstehen, der in den Ohren unserer Mitglieder wie blanker Hohn klingen muss?

GVL: Wie erläutert, liegt der tatsächlich bilanzierten Erlössteigerung eine Steigerung auf Forderungsebene zugrunde, die wir verpflichtet sind zu bilanzieren. Wir rechnen mit Zahlungen in dieser Höhe, die eher konservativ kalkuliert sind. Mit dem Eingang ist allerdings erst nach Durchsetzung der Ansprüche in mehreren Jahren zu rechnen. Gerade angesichts der Einbußen der langjährigen GVL-Berechtigten aufgrund der Verteilung 2010 hatten wir selber auch nicht entsprechend kommuniziert.

BFFS:Die Ausschüttungen durch ausländische Verwertungsgesellschaften sind teils höher als die Ausschüttungen der GVL. Muss man den Schauspielerinnen und Schauspielern nicht dringend raten, sich bei diesen Gesellschaften zu melden, damit sie nicht den Anspruch auf diese Verteilungsgelder aus dem Ausland verlieren? Zumindest bis Gegenseitigkeitsverträge zwischen der GVL und den anderen ausländischen Verwertungsgesellschaften wirksam abgeschlossen sind?

GVL: Grundsätzlich erhält die GVL Zahlungen auf Basis der Gegenseitigkeitsverträge ausschließlich auf Basis der in dem jeweiligen Ausland geltenden Verteilungssysteme und der dortigen Rechtsordnung, die zum Teil für Schauspieler deutlich günstiger ist. Die GVL leitet diese Zahlung im Falle von Gegenseitigkeitsverträgen ungekürzt weiter. Wir sind zuversichtlich, durch unseren Service nach Aufbau der entsprechenden Gegenseitigkeitssysteme auch die Mitglieder des BFFS zu überzeugen, ihre weltweiten Rechte von der GVL wahrnehmen zu lassen.

BFFS: Wann ist mit derartigen Gegenseitigkeitsverträgen zu rechnen, die nicht nur auf dem Papier beste-hen, sondern eine Auszahlung aus dem Ausland garantieren?

GVL: Zu den konkreten Zeitpunkten der Ausschüttungstermine können wir leider keine verbindlichen Aussagen treffen, da die Frage des Abschlusses der Gegenseitigkeitsverträge und insbesondere des dann tatsächlich erfolgenden Austausches auch von der Bereitschaft der Schwestergesellschaften abhängt, die unterschiedlich stark ausgeprägt ist.

Gern stehen wir Ihnen für weitere Erläuterungen zur Verfügung und verbleiben

mit freundlichen Grüßen

GESELLSCHAFT ZUR VERWERTUNG VON
LEISTUNGSSCHUTZRECHTEN mbH (GVL)

Dr. Tilo Gerlach