GVL – Wohin geht die Reise?

BFFS Geschäftsstelle
20. Dezember 2012

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

im Mai dieses Jahres haben mich viele von Euch in den Beirat der GVL gewählt.

Nach unzähligen Verhandlungen, Beratungen, Simulationsrechnungen, Verteilungsausschuss- und Beiratssitzungen und z.T. heftigen Auseinandersetzungen ist es an der Zeit, ein erstes Resümee zu ziehen.

Auf der Großbaustelle GVL ist einiges in Bewegung geraten, viele Dinge konnten verändert werden und bei den entscheidenden Sitzungen im November gelang am Ende ein großer Durchbruch.

Die Essenz:

Das gesamte Verteilungssystem im AV-Bereich (Film & Fernsehen) ist rückwirkend auch für 2010 komplett aufgerollt und neu gestaltet worden. Zudem ändert sich die Aufteilung der Gelder zwischen Herstellern und Künstlern im AV-Bereich, der sog. Verteilungssplit, deutlich zu Gunsten der Künstler.

Ein großer Erfolg. Ja. Trotzdem fühle ich mich ein wenig wie in dem berüchtigten Witz, wo ein Mann zum Arzt kommt und dieser sagt: „Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie!“

Die schlechte Nachricht: Die Auswirkungen dieser Erfolge werden sich vorerst nur sehr begrenzt bemerkbar machen. Denn salopp gesagt: Solange der Topf fast leer ist, bleiben 20% mehr von Null immer noch Null. Zudem wird sich das neue System erst 2017 / 2018 wirklich einspielen. Bitter, aber wahr. Dazu später mehr.

Und trotzdem: Der Plätzchenteller wird zwar in diesem Jahr noch lange nicht voll sein, aber es werden immerhin ein paar Plätzchen mehr darauf liegen. Etwa das 6-fache der letzten Ausschüttung kann verteilt werden.

Der Grund dafür liegt in den neuen Verteilungssplits und daran, dass die Gelder, die die PC-Industrie für 2010 noch gezahlt hat, zumindest teilweise verteilt werden können. Dies war bis zur letzten Minute fraglich. Warum? Die Gelder liegen zwar auf dem Konto, aber das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) prüft seit April die Aufteilung dieser Gelder zwischen den verschiedenen Verwertungsgesellschaften und wollte sie nicht freigeben.

Auf enormen Druck von unserer Seite, des Beirates, der Verbände und der GVL hin, hat sich das DPMA buchstäblich auf den letzten Metern bereit erklärt, zumindest einen Teil der Gelder vorläufig freizugeben. Sie können nun rückwirkend für 2010 ausgeschüttet werden.

Ein Teilerfolg.

Was ändert sich? Wo ist Bewegung drin?

  • Geänderte Verteilungssplits

Die Aufteilung der Gelder zwischen Tonträgerherstellern und den Künstlern des AV-Bereichs (Film & Fernsehen), sowie die Aufteilung zwischen Schauspielern und Musikern aus den verschiedenen Töpfen konnte deutlich geändert werden.

  • Topf öffentliche Wiedergabe

Alte Aufteilung: 64% Künstler – 36% Tonträgerhersteller

Neu: 90% Künstler – 10% Tonträgerhersteller

Auswirkung: ca. 1 Million Euro mehr

  • Topf Privatkopie

Alte Aufteilung: 64% Künstler – 36% Hersteller

Neu: 83,5% Künstler – 16,5% Tonträgerersteller

Auswirkung: ca. 6-7 Millionen Euro mehr (wenn der Topf voll ist)

Hier halte ich in Zukunft eine weitere Verschiebung in Richtung 90% - 10% für angemessen.

  • Topf Privatkopie – Aufteilung zwischen den Künstlern

Bisher: 85% Künstler AV-Bereich  - 12%Tonträgermusiker, 3% Videoclipproduktionen

Neu: 92% Künstler AV-Bereich – 5% Tonträgermusiker, 3% Videoclipproduktionen

Auswirkung: ca. 1,7 Mio. Euro mehr

Diese neuen Verteilungssplits werden sich leider erst richtig auswirken, wenn wieder Geld in den Töpfen ist, sprich die Geräte- und Speichermedienhersteller wieder zahlen.  Bei den PC-Geldern für 2010 machen sich die neuen Verteilungssplits schon deutlich bemerkbar.  

  • Das Verteilungssystem im AV-Bereich (Film & Fernsehen) ist grundlegend reformiert worden.

Die GVL musste ihr honorarbezogenes System im Jahr 2010 auf ein nutzungsbezogenes System umstellen. Ein harter Schnitt mit horrenden Folgen. Seitdem bekommen wir vor allem im Bereich Film & Fernsehen in der Hauptsache nur noch Gelder für Werke, die wirklich genutzt, also auf irgendein Gerät oder einen Speicher aufgezeichnet worden sind.

Nur hat das bisherige Verteilungssystem dem nur höchst ungenügend Rechnung getragen. Ein „Tatort“ zur besten Sendezeit mit 10 Mio. Zuschauern oder ein Blockbuster auf RTL wurde genauso vergütet wie ein Werk, das nachts auf einem Nischensender lief.

Das neue Verteilungssystem berechnet die Gelder für Film- und Fernsehwerke nach klaren nutzungsbezogenen Faktoren, wie sie viele Kollegen zu Recht gefordert haben:

  • Marktanteilsfaktor:

Ein Film, der auf einem großen Sender wie z.B. ARD, ZDF, RTL, SAT.1 läuft, erhält eine höhere Vergütung als ein Film, der auf einem Minisender wie „Das Vierte“ mit 0,2 % Marktanteil ausgestrahlt wird.

  • Sendezeitgewichtung:

Ein Film, der zur Primetime läuft, wird höher gewichtet, als einer, der nachts gesendet wird, ein Film im Vorabendprogramm anders als einer im Vormittagsprogramm.

  • Werkkategoriegewichtung:

Verschiedene Formate wie z.B. Kinofilm, Theateraufzeichnung, Fernsehfilm, Daily oder Dokusoap werden unterschiedlich gewichtet. Dies ist Standard aller Verwertungsgesellschaften im Film & Fernsehbereich und spiegelt den unterschiedlichen (Zeit)aufwand, mit dem ein Format hergestellt wird.

  • Kulturtopf:

Der bisher geltende Kulturfaktor wird in Zukunft durch einen „Kulturtopf“ ersetzt. Bis dieser eingerichtet ist, gibt es übergangsweise nur noch für die Sender Arte, 3sat und den ZDF-Theaterkanal einen Kulturfaktor, aber auf Basis des jeweiligen Marktanteils.

Genauere Informationen finden sich am Ende dieses Newsletters. Dort habe ich das Konzept und die Begründung eines neuen Verteilungsplans, der weitgehend durchgesetzt konnte, auszugsweise angehängt.

Weitere Veränderungen und Erfolge:

  • Das Drehtags-Modell des BFFS, für den Synchronbereich das Take-Modell des IVS, ist vom Deutschen Patent- und Markenamt nach neuer und genauerer Prüfung als angemessen anerkannt worden. Ein großer Dank an unsere Kölner Arbeitsgruppe, die akribisch Filme ausgewertet haben.
  • Die GVL führt eine „Seniorenzuwendung“ ein, um Altersarmut von Künstlern abzumildern (ich habe letztens berichtet).
  • Der „Mitwirkungswahnsinn“ bei den Eintragungen unserer Produktionen muss in Zukunft reduziert werden. Erste Schritte hierzu sind eingeleitet worden.
  • Die GVL hat ein neues Kommunikationskonzept entwickelt, dass im kommenden Jahr Schritt für Schritt umgesetzt wird und hoffentlich zu einer besseren Information der Künstler und größerer Transparenz beiträgt.
  • Das Artsys-System wurde von externer Seite unter die Lupe genommen und geprüft. Hier wird an zahlreichen Verbesserungen gearbeitet. Ich werde berichten.
  • Das DPMA hatte die GVL angewiesen, eine Härtefallregelung für den Umgang mit Altproduktionen einzuführen. Diese würde 12,5% des gesamten AV-Budgets schlucken. Ich habe eine Stellungnahme gegen diese Regelung geschrieben, weil sie die Gerechtigkeit zwischen den Generationen in eklatanter Weise verletzt und die Willkürgrenze überschreitet.

Stattdessen habe ich einen Alternativentwurf für den Umgang mit Altproduktionen vorgelegt (unten an die Email angehängt).

Die Härtefallregelung wird nun neu geprüft und vorerst nicht umgesetzt.

Baustellen:

Die größte Baustelle ist eine Baustelle, die nicht nur die GVL, sondern alle Verwertungsgesellschaften, alle Künstler und Produzenten hierzulande betrifft.

Der Topf „Private Vervielfältigung“ ist leer, weil die Geräte- und Speichermedienhersteller die Zahlungen verweigern. Die letzten Gelder flossen für das Jahr 2010 von der PC-Industrie. Dies ist ein Skandal, gegen den alle Verbände, Künstler und Produzenten seit langer Zeit Sturm laufen.

Wenn ihr Euer Smartphone aus der Tasche zieht, Computer oder Notebook hochfahrt, Filme auf Festplatte aufnehmt oder DVD´s kopiert etc., dann wisst Ihr, wem wir unsere fehlenden Gelder zu verdanken haben.

Diese Gelder machen ca. 80% unserer GVL-Ausschüttungen aus.

Perspektiven?

  1. Die Regierung beschließt doch noch eine Gesetzesänderung und führt z.B. eine „Hinterlegungspflicht“ für die strittigen Zweitverwertungsgelder ein. Wer erst einmal Geld hinterlegen muss, hat ein ganz anderes Interesse an einer Verhandlungslösung. Ich fürchte allerdings, dass wir hier auf ein neues Gesicht im Justizministerium warten müssen…
  2. Es gibt doch noch Verhandlungslösungen mit den Herstellern.
  3. Ansonsten bleibt nur, den beschrittenen Klageweg vor den Gerichten abzuwarten. Das kann bis zu 6 Jahren dauern.

Die Summen, um die es hier geht, belaufen sich auf um die 200 – 250 Mio. Euro (insgesamt für alle Verwertungsgesellschaften)  – jährlich.

Aufgrund der geltenden Gesetze muss irgendwann Geld fließen. Es ist nur die Frage wann und wie viel. D.h., es wird irgendwann zu hohen Sonderausschüttungen kommen.

Deshalb noch einmal meine Bitte: so mühsam es ist, tragt Eure Werke in Artsys ein. Ihr habt noch bis Ende 2016 Zeit.

Eine „normale“ GVL-Verteilung wird sich erst ab den Jahren 2017 / 2018 einspielen. Der Grund hierfür liegt in den neuen Verteilungszyklen des nutzungsbezogenen Verteilungssystems. Die GVL wird hierüber in den kommenden Tagen mit einer graphischen Darstellung informieren.

Forderung nach mehr Beiratssitzen für Schauspieler.

Seit April dieses Jahres liegt unsere Beschwerde vor. Trotz Nachhakens hat das DPMA immer noch nicht darüber entschieden. Das ist sehr unerfreulich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war wieder mal ein langer Text. Es ist einfach „viel Holz“. Mein Dank an alle, die es bis hierhin geschafft haben.

Wir werden noch viel Geduld haben müssen. Aber ich glaube, die entscheidenden Grundlagen für eine faire und angemessene Beteiligung der Schauspielerinnen und Schauspieler in der Zukunft sind gelegt worden.

Herzliche Grüße und schöne Festtage!

Euer Thomas Schmuckert

(Vorstand BFFS)

 

https://www.bffs.de/files/2012/12/Novellierung-des-Verteilungsplans-im-Bereich-des-Verteilungsbudgets-ee.pdf

 

https://www.bffs.de/files/2012/12/Modifizierter-Verteilungsplan-2010-2011.pdf

https://www.bffs.de/files/2012/12/Entwurf-und-Stellungnahme-zu-Altproduktionen-und-Härtefallregelung.pdf