Gemeinsame Branchenlösung statt Fata Morgana

Heinrich Schafmeister
12. Februar 2016

Sondierungsgespräche zu Verhandlungen mit ARD, Degeto und Produzentenallianz

Wenn sich 37 Personen freiwillig in einen für maximal 25 Leute vorgesehenen Konferenzraum zwängen, um 4½ Stunden miteinander zu tagen, kann auch jeder Außenstehende erkennen: Hier hat man sich Großes vorgenommen.

Und in der Tat; denn die vielen Vertreter von ARD, Degeto, Produzentenallianz sowie von drei Gewerkschaften – ver.di, Deutscher Journalistenverband (DJV) und Bundesverband Schauspiel (BFFS) – und weiteren 15 Kreativverbänden haben am 28. Januar in Berlin ganz besondere Verhandlungen sondiert. Das Ziel ist nicht weniger als eine für alle Seiten handhabbare und faire sogenannte „Branchenlösung“, die allen Kreativen eine angemessene Beteiligung am Erfolg ihrer für die ARD hergestellten Fernsehsendungen garantiert – so wie es das Urheberrecht eigentlich vorsieht, aber in der Praxis schon seit Jahrzehnten nur noch in Ausnahmefällen vorkommt. Der Regelfall bei ARD-Produktionen sind leider Buyout-Vergütungen, die den Erfolg einer Sendung nicht berücksichtigen.

Dies gilt es zu ändern! Zu diesem Zweck haben ver.di und BFFS sich an die ARD-Sender gewandt und alle relevanten Kreativverbände eingeladen, sich an gemeinsamen, dreiseitigen Verhandlungen zu beteiligen.

Nach Vorstellungen des BFFS bemisst sich der Erfolg einer Sendung an der Menge der Ausstrahlungen, an der Verweildauer bzw. Abrufhäufigkeit in den Mediatheken und natürlich an den Erlösen, die ein ARD-Sender, die Degeto bzw. ein Filmproduzent durch die Verwertung unserer Sendungen erzielt.

Aber das alles wird erst Thema bei den richtigen Verhandlungen sein. Zunächst muss dazu der Rahmen abgesteckt werden. Das heißt:

Wer will mit wem über was in welcher vertraglichen Form Vereinbarungen treffen?

Diese Frage ist ziemlich kompliziert, allein schon weil zwischen den Parteien höchst unterschiedliche rechtliche Beziehungen herrschen:

Die ARD-Sender stellen ihre Sendungen auch selber her, aber meistens beauftragen sie dafür Filmproduzenten oder koproduzieren mit ihnen. Oft ist dabei die Degeto zwischengeschaltet. Für die Herstellung bestimmter Werkteile bedienen sich die Filmproduzenten spezieller Subunternehmen, z. B. in der Postproduktionsphase.

Die Kreativen sind – urheberrechtlich gesehen – Filmurheber, Miturheber, Urheber vorbestehender Werke, ausübende Künstler beim Film (wie z. B. wir Schauspielerinnen und Schauspieler) bzw. bei vorbestehenden Werken, oder irgendeine Kombination von alldem. Aber bei der Frage der Vergütung führt diese Differenzierung nicht weiter; denn alle diese Gruppen haben vom Gesetz her Anspruch auf eine – angesichts des Erfolgs einer Sendung – angemessene Vergütung. Welcher Gruppe dabei mehr oder weniger Folgevergütung zusteht, darüber sagt das Gesetz erst einmal nichts.

Allerdings spielen für die Verbindlichkeit von Folgevergütungen andere rechtliche Kriterien eine gewichtige Rolle. Die Mehrheit der Kreativen arbeitet für Filmproduzenten, aber einige auch für Subunternehmen und andere direkt für die Sender.

Die meisten Kreativen sind Arbeitnehmer (wie z. B. wir Schauspielerinnen und Schauspieler) oder Arbeitnehmerähnliche und haben damit den Vorteil, dass ihnen meist eine erfolgsunabhängige Grundvergütung tariflich bereits zusteht und darüber hinaus auch eine urheberrechtlich gebotene Folgevergütung mithilfe eines Tarifvertrags garantiert werden kann.

rechtliche Beziehungen bei ARD-Produktionen
rechtliche Beziehungen bei ARD-Produktionen

Auf Tarifverträge können sich die selbständig Tätigen unter den Kreativen so leicht nicht berufen. Sie haben nur die Möglichkeit, ihre Grund- und Folgevergütungsansprüche mit sogenannten „Gemeinsamen Vergütungsregeln“ abzusichern.

Aber auch die Kreativen, die ein Arbeitnehmerverhältnis mit Filmproduzenten oder Subunternehmen haben, können zu Dritten – den ARD-Sendern – per Tarifvertrag keine direkten Verbindlichkeiten herstellen, sondern müssen dafür ebenfalls „Gemeinsame Vergütungsregeln“ anstreben.

So viel zur Wer-mit-Wem-Frage. Aber was genau soll Gegenstand der Verhandlungen werden? Reden wir nur über Folgevergütungen? Oder müssen wir bei manchen Berufsgruppen auch auskömmliche Grundvergütungen vereinbaren, weil sie bisher völlig ungeregelt sind? Klammern wir die Eigenproduktionen der ARD-Sender völlig aus, weil dafür bereits hauseigene Urhebertarifverträge gelten, die wir nicht antasten wollen? Oder müssen wir die ARD-Eigenproduktionen zumindest insoweit berücksichtigen, dass sie nicht durch ein allzu kostengünstiges Folgevergütungssystem bei Auftrags- und Koproduktionen weiter abgebaut werden?

Kein Wunder, dass bei den Teilnehmern am Ende der Sondierungsrunde die Köpfe richtig rauchten. All die unterschiedlichen Aspekte in einer gemeinsamen „Branchenlösung“ zu lösen, ist eine große Herausforderung, wird von allen noch enorm viel Gehirnschmalz, Sitzfleisch, und guten Willen verlangen. Ein steiniger Weg, aber die eigentliche Hauptstraße, um die leidige Buyout-Praxis endlich zu überwinden.

Für jede der vielen Kreativgruppen jeweils gesonderte nicht miteinander kompatible Folgevergütungssysteme einrichten zu wollen, wäre ein wahnwitzig administratives, kostenverschlingendes und von daher undurchführbares Unterfangen. Der BFFS jedenfalls möchte keiner Fata Morgana hinterherlaufen.

Darum wird die gleiche Runde am 13. April zu einem weiteren Sondierungsgespräch wieder die Köpfe zusammenstecken und über den Kurs eines gemeinsamen Weges brüten. Die Mühe wird sich lohnen.