Auswirkungen der Hartz-Gesetze auf Künstlerinnen und Kulturschaffende

BFFS Geschäftsstelle
16. August 2006

Liebe Mitglieder,

es hat etwas länger gedauert, bis der zweite Newsletter auf den Weg gebracht werden konnte. Das liegt an der Dynamik der Ereignisse, die die Gründung eines solchen Verbandes notwendigerweise entfaltet. (Dafür fällt er dieses Mal etwas länger aus.)

Wir haben inzwischen über 450 Mitglieder.

Klingt imposant. Ist es auch, wenn man die Kürze der Zeit bedenkt, die seit Gründung des Verbandes vergangen ist. Wenn man aber bedenkt, dass knapp 20'000 10'000 Schauspieler im deutschsprachigen Raum ihr Geld verdienen, ist es immer noch viel zu wenig! Und in Anbetracht der Tatsache, dass bereits konkret über mögliche Änderungen der Arbeitslosengeld I - Problematik verhandelt wird, und wir erst dann mitreden ernst genommen werden können, wenn wir erstens glaubhaft unseren Berufsstand vertreten und zweitens uns eine Meinung gebildet haben, die eine vorherige Diskussion und Abstimmung erfordern, dann ist diese Mitgliederzahl gar nicht mehr so imposant. Also bitte redet mit Kollegen und überzeugt sie!

Das Büro in den Räumen der Filmakademie, Köthener Str. 44 in 10963 Berlin ist bezogen und mit dem Nötigsten eingerichtet. Bis Jahresende stellt uns die Akademie das Büro unentgeltlich zur Verfügung. Wir bedanken uns herzlich für diese Unterstützung.

Die Website wird vereinfacht und übersichtlicher strukturiert. Nützliche Hinweise dafür kamen von dem BFFS-Mitglied Antoine Monot, Jr. aus Zürich, der nun auch in der Internet-Redaktion mitarbeitet.

Dagmar Kempf ist seit einigen Wochen unsere Geschäftsführerin. Hier ihre Kurzbiografie:

Im beruflichen Leben von Dagmar Kempf dominieren seit jeher die Medien.
Für diverse Fernsehsender und Filmproduktionen übernahm die diplomierte Kommunikationswirtin organisatorische und koordinative Aufgaben in der Redaktion und Produktion. Mit diesen erworbenen Kenntnissen vertiefte sie ihr Berufspraxis bei verschiedenen Institutionen im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit wie zum Beispiel bei Senatsverwaltungen, Ministerien und dem Bundespresseamt. Neben Presse- und Öffentlichkeitsarbeit war sie auch für sämtliche Veranstaltungen und deren inhaltliche Vorbereitung zuständig. Beim Medienboard Berlin-Brandenburg war sie beispielsweise im Geschäftsbereich Standortmarketing für Veranstaltungen, wie dem Branchentreff und dem Empfang im Rahmen der Berlinale verantwortlich.  Besonders hervorzuheben ist die Arbeit an der Jugendkampagne für den Deutschen Bundestag. Ziel der Kampagne war es, Jugendlichen den persönlichen Nutzen der parlamentarischen Demokratie zu verdeutlichen.

Am 27. Juni 2006 fand in Berlin ein Fachgespräch auf Einladung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Zum Thema „Auswirkungen der Hartz-Gesetze auf Künstlerinnen und Kulturschaffende“ mit dem Titel „Brotlose Kunst“ statt, bei dem ein Teil des BFFS-Vorstandes (Beate Jensen, Heinrich Schafmeister und Hans-Werner Meyer), sowie unsere Geschäftsführerin Dagmar Kempf anwesend waren. Hier eine kurze Zusammenfassung und der Link:

Auf Einladung der kulturpolitischen Sprecherin Katrin Göring-Eckardt und der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin Brigitte Pothmer diskutierten Kulturschaffende und Vertreter der Interessenverbände über die Verschärfung der Lage durch die Hartz-Gesetze.
Durch den erschwerten Aufbau von Leistungsansprüchen innerhalb von zwei Jahren ist, trotz Einzahlung in die Arbeitslosenversicherung, der Bezug von Arbeitslosengeld (ALG I) so gut wie unmöglich. Künstler und Kulturschaffende fallen somit aus dem sozialen Sicherungssystem heraus.
Ein weiteres Problem liegt in der Unkenntnis des künstlerischen Berufsalltages seitens der Arbeitsvermittler und Fallmanager. Eine effiziente Betreuung ist somit hinfällig.

Für den Herbst werden Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag erarbeiten, der eine Staffelung des Versicherungsanspruches vorsieht, so dass es leichter sein wird einen Anspruch auf ALG I zu erwirtschaften. Ebenso Gegenstand des Antrages wird das Fallmanagement sein und die Vermögensanrechnung. Gleichzeitig wird eine Debatte über die Erwerbsbiografie zwischen Selbständigkeit und Anstellung angestrebt. Link zum Thema

Zu diesem Thema brauchen wir ein Meinungsbild

der BFFS-Mitglieder, das wir auf oben angekündigte Weise zu bekommen hoffen. Bitte beteiligen Sie sich an der Diskussion im Forum, die wir in Kürze dort eröffnen werden. Damit wir aber nicht einfach so ins Blaue diskutieren, sind wir dabei, Gutachten in Auftrag zu geben, die die Situation in anderen europäischen Ländern, speziell Frankreich, klären sollen. Zur Zeit wird von vielen Mitarbeitern der Filmbranche das sogenannte Schweizer Modell favorisiert, das z.B. vorsieht, dass die ersten 30 Drehtage doppelt zählen.

Auch zum Thema Selbstständigkeit oder Einbindung in das soziale Netz bräuchten wir Meinungsäußerungen.

Eine weitere Diskussion zur Situation der Filmschaffenden und die besondere Lage der Schauspieler fand während des Münchner Filmfestes auf Einladung des BundesFilmVerbandes in ver.di und der connexx statt.
Auf dem Expertenpodium saßen

  • Wolfgang Schimmel, Sozial- und Urheberrechtsexperte von ver.di
  • Hansjörg Füting, Geschäftsfüherer der neuen deutschen Filmgeselllschaft ndF
  • Ulrich Grintsch von der Deutschen Rentenversicherung
  • Angelika Krüger-Leißner, MdB und stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien
  • Heinrich Schafmeister, BFFS Vorstand

Heinrich Schafmeister schilderte das Problem am eigenen Beispiel: eigentlich dürfe er gar nicht hier sein, er sei nämlich arbeitslos und habe keinen Urlaubsschein. Seit das Arbeitsamt eine Agentur ist, sei es noch „amtiger“ geworden. Er appelliert an alle Kollegen sich während der Drehpausen arbeitslos zu melden. Das sei die einzige Chance sich annähernd durchgängig zu versichern und so auch für das Ater vorzusorgen. Leider würden von Teilen der Presse und auch der Politik Schauspieler als Sozialschmarotzer gescholten, wenn sie sich arbeitslos melden.

Hansjörg Füting  unterstützt den Tarifvertrag für die Filmschaffenden, räumt aber ein, dass das Problem für die Schauspieler damit nicht gelöst sei. Die Sender kalkulieren mit möglichst geringen Drehzeiten und Geld. Somit sei es den Produzenten unmöglich die Darsteller, statt für einzelne Drehtage für die gesamte Produktionszeit durchzuversichern.

Ulrich Grintsch dagegen sieht die Tätigkeit des Schauspielers als befristetes Abrufverhältnis. Es bestehe somit die Pflicht der durchgehenden Versicherung für die gesamte Produktionszeit. Dies sei allerdings in der Praxis schwierig Er sieht auch keine Wahlmöglichkeit, signalisiert aber Gesprächsbereitschaft mit allen Interessenvertretern.

Die Vertreterin der Politik, Angelika Krüger-Leißner  sieht zwar die Besonderheit der Filmschaffenden, sieht aber gleichwohl keine Möglichkeit für Sonderregelungen. Die Möglichkeit der Selbständigkeit schloss sie aus und verwies auf die angespannte Lage der Künstlersozialkasse. Auch das sogenannte Schweizer Modell (die ersten 30 Tage zählen doppelt) hält sie für Deutschland nicht übertragbar. Sie fordert jedoch alle auf sich zu engagieren um eine Lösung zu finden - ohne Mobilisierung der Gesellschaft geht es nicht.

Die Informationsveranstaltung des BFFS in München am 20. Juli 2006 war gut besucht und den vielen Fragen und Anregungen  stellten sich Michael Brandner und Heinrich Schafmeister. Wieder einmal wurde deutlich wie hoch der Informationsbedarf der Kollegen ist: die aktuelle Gesetzeslage der Sozialversicherungen, die Verwertungsgesellschaften etc.

Das nehmen wir zum Anlass uns in Zukunft diesen Fragen auf unserer Website genauer zu widmen  um so Informationslücken zu schliessen.

Der BFFS-Vorstand