Die Probleme der Schauspieler mit der Rentenversicherung

BFFS Geschäftsstelle
2. November 2006

Liebe Mitglieder,

wir berichten in unserem Newsletter über die Mitgliederversammlung in Hamburg. Unser Gast, Herr Siegfried Bühr, schilderte eindrucksvoll die Probleme vieler Schauspieler im Zusammenhang mit der Rentenversicherung. Da dieses Thema sehr wichtig ist haben wir uns für eine ausführliche Schilderung entschlossen. Wir bitten also um Nachsicht für einen längeren Newsletter.

Wir berichten auch über unser Treffen mit dem Herrn Hansjörg Füting von der ndf Fernsehproduktion und unserem Treffen auf Einladung der SPD. Bei beiden Treffen ging es um unsere Probleme mit der Sozialversicherung.

Im Rahmen der Hofer Filmtage trafen sich zum ersten Mal die Vorstände aller „schauspielnahen“ Verbände.

Auf Initiative der Berliner Mitglieder wird es zukünftig, wie in Köln, einen Stammtisch einmal im Monat geben. Am 7. November findet der erste Stammtisch um 19 Uhr im Bräuhaus Südstern, Hasenheide 9, 10967 Berlin statt.

MITGLIEDERVERSAMMLUNG IN HAMBURG

Am 6. Oktober 2006 fand, im Rahmen des Hamburger Filmfestes, unsere Mitgliederversammlung statt. Die Einladung dazu haben Sie per Post erhalten. Haupttagespunkt war die Satzungsänderung, die Ihnen ebenfalls als Anlage per Post zuging. Alle Ergänzungen und Änderungen der Satzung wurden von der Versammlung mit großer Mehrheit angenommen.

So wird es in Zukunft möglich sein, Mitgliederversammlungen per Email einzuberufen und über das Internet abzustimmen. Die erste Abstimmung per Internet soll, sobald die technische Vorrichtung dafür eingerichtet ist, über die Möglichkeit einer Patenschaft stattfinden. Der Vorschlag seitens des Vorstandes, in Zukunft eine Mitgliedschaft über eine Patenschaft zu ermöglichen, wurde allerdings von der großen Mehrheit der Versammlung abgelehnt. Der Verband müsse jedem etwas wert sein und die Beiträge seien nicht zu hoch, so das Hauptargument. Wir sind also gespannt, wie die Internetabstimmung ausgehen wird und werden vor der Abstimmung noch das Pro und Contra im Forum erörtern.

Die neue Satzung wird ins Netzt gestellt sobald das zuständige Amtgericht seine Arbeit gemacht hat.

Die Satzungsänderung
„§ 7 Abs. 5 wird durch Hinzufügung eines Satzes 3 wie folgt ergänzt:

Der Vorstand ist auch zuständig, etwaige Satzungsänderungen zu beschließen. Dies gilt nicht für folgende Satzungsänderungen:

  • Satzungsänderungen, die den Vereinszweck § 1 betreffen,
  • Satzungsänderungen, die den Vorstand § 7 betreffen sowie
  • Satzungsänderungen, die die Auflösung des Vereins § 8 betreffen.
  • Satzungsänderungen kann der Vorstand entsprechend § 7 Abs. 2 mit 4/5 aller Vorstandsmitglieder beschließen.“

wurde nach kurzer Aussprache ebenfalls beschlossen, allerdings mit einem zusätzlichen Antrag versehen, wonach in einem Jahr über diesen Punkt noch einmal gesprochen werden soll.

Zukünftig sollen auch Schauspielschüler für einen symbolischen Mitgliedsbeitrag in Höhe von 12 € im Jahr als Mitglieder gewonnen werden.

Natürlich sind 3 bis 4 Jahre Ausbildungszeit für einen Schauspielschüler gerade ausreichend, seine „eigene Bedienungsanleitung“ zu erlernen. Darum hat er, so mit sich selbst beschäftigt, verständlicherweise zu wenig Gelegenheit und Lust, sich mit den schnöden Begleiterscheinungen unseres Berufes auseinanderzusetzen, die da wären Vertragsgestaltung, soziale Absicherung und so weiter und sofort.

So verlässt er nicht selten die Schauspielschule als „Künstler“ und „Idealist“, um von der real existierenden Branche als „Gesichtsverleiher“ ausgenutzt zu werden und als „Nörgler“ zu enden.

Dies gilt es zu verhindern. Wir möchten in die Schauspielschulen hineinwirken, wir möchten, dass unsere „alten Hasen“ ihre bitter erkämpften Erfahrungen den jungen mit auf den Weg geben, wir möchten den Spaß an unserem Beruf bewahren.

Die nächste Mitgliederversammlung wird auf Wunsch der anwesenden Mitglieder während der kommenden Berlinale stattfinden.

Die Bühr-Problematik

Die

ErstZahlenWirWeitÜberDieBeitragsbemessungsgrenzeUndAmEndeHabenWirNurEinenBruchteilUnsererRente-Problematik

oder kurz die

Bühr-Problematik

Unser Mitglied Christian Tasche hat uns auf Herrn Siegfried Bühr aufmerksam gemacht, der als Dozent für Sozialversicherungsrecht tätig ist und früher Leiter der Betriebsprüfung der AOK Hamburg war. Herr Bühr war gerne bereit, unsere Mitgliederversammlung zu besuchen und konnte uns hilfreiche Informationen zur Verfügung stellen.

Neben den drei offensichtlichen Problemherden unserer Sozialversicherungsschwierigkeiten,

wir haben zu wenig Ahnung,
die Arbeitgeber versichern uns nicht, wie sie müssten, über die gesamte Vertragszeit,

  1. die Politik singt das Hohelied der „flexiblen“ Berufe, kommt uns aber mit Gesetzen und Regeln, die genau diesen Gruppen das Leben zur Hölle machen,
  2. hat uns Herr Bühr auf ein weiteres, ungeheures, aber auf den ersten Blick nicht so sichtbares Ärgernis hingewiesen, die wir die „Bühr-Problematik“ nennen; denn
  3. es hapert auch gehörig bei den Sozialversicherungsträgern selbst.

Die Einzugstellen der Sozialbeiträge, die gesetzlichen Krankenkassen, tun sich schwer mit dem Durcheinander unserer Beschäftigungsverhältnisse, insbesondere mit denen der „Unständigen“ unter uns, Das führt dazu, dass

einerseits hunderte von Schauspielern (und auch die Arbeitgeber) viel zu viel Sozialbeiträge zahlen und

andererseits, weil die Honorare gar nicht, oder nicht in der richtigen Höhe an den Rechtenversicherungsträger gemeldet werden, die Schauspieler später eine erheblich geringere Rente erhalten, als ihnen zustehen würde.

Auf die oben genannte spezielle Problematik unserer Sozialversicherung ist Herr Bühr gestoßen, als Rolf Becker die Höhe seiner Rentenansprüche von ihm hat überprüfen lassen.

Ergebnis für Rolf Becker:    Rentenerhöhung damals    =    279,54 € monatlich
Beitragserstattung    =    17.072,31 €

Bereits im Jahre 2001 hat „Der Spiegel“ ausführlich darüber berichtet. Herr Bühr konnte in den letzten Jahren schon einigen Schauspielern bei diesen Problemen erfolgreich helfen.

Demnächst erhalten wir von Herrn Bühr nähere Ausführungen, die wir dann im Internet veröffentlichen werden.

TREFFEN MIT VERTRETER DES FERNSEH PRODUZENTENVERBANDES ZUM THEMA SOZIALVERSICHERUNGSPFLICHT BEI SCHAUSPIELERN

Ende September trafen sich die BFFS Vorstände Michael Brandner und Heinrich Schafmeister mit Herrn Hansjörg Füting, Geschäftsführer der ndf Fernsehproduktion in München. Herr Füting ist auch im Vorstand des Verbandes der Fernsehproduzenten und wollte die Meinung des BFFS zum Thema Sozialversicherungspflicht bei Schauspielern wissen.

Er berichtete von den Nöten vieler Produktionen, die unter den horrenden Nachforderungen der Sozialversicherungsträger zu leiden hätten. Diese würden Prüfer in ihre Betriebe schicken, die sich gezielt die Verträge von nicht durchgängig beschäftigten Schauspielern zeigen ließen. Dabei würden sie die versicherungspflichtigen Zeiten bei Schauspielern durchaus unterschiedlich beurteilen:

Der eine Prüfer würde die ganze Produktionszeit (Vorproduktion + Drehzeit + Postproduktion!!!) zu Grunde legen, der nächste die gesamte Drehzeit und ein weiterer den Zeitraum vom ersten Drehtag eines Schauspielers bis zu seinem letzten Drehtag. Egal, nach welchen Maßstäben, fündig würden die Prüfer alle, weil die meisten dieser Schauspieler von den Produktionen nur an ihren Drehtagen sozialversichert wurden.

Wir vom Verband sehen durchaus ein Abrufrechtsverhältnis zwischen den Drehtagen, auch die Vor– und Nacharbeit muss berücksichtigt werden. Nur die Drehtage sozialzuversichern entspricht demzufolge nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Aber ein generelles Durchversichern der Produktions–, der Drehzeit, oder des Zeitraumes vom ersten bis zum letzten Drehtag eines Schauspielers halten wir auch nicht für richtig. Vielmehr muss jedes Beschäftigungsverhältnis individuell betrachtet werden.

Die Praxis vieler Firmen, „Vertragsakrobatik“ zu betreiben, um nur die Drehtage versichern zu müssen, halten wir für falsch und schädlich, weil wir letztlich ins soziale Loch fallen und die Firmen irgendwann erwischt werden. Dann müssen sie heftig und doppelt nachzahlen, weil ihnen nicht nur die Arbeitgeber-, sondern auch die Arbeitnehmerbeiträge abverlangt würden.

Herr Füting bestätigt unseren Verdacht, dass die Prüfer „Pi-mal-Daumen“-mäßig Nachforderungen oft in Millionenhöhe stellen, um sich letztendlich auf einen Deal mit den Firmen einzulassen, weil diese sich in ihrer Existenz bedroht sehen. Eigentlich müssten die nachgeforderten Summen den einzelnen Schauspielern zugerechnet werden, so dass ihnen mehr Beitragstage für den Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 und eine höhere Rente zustehen würde. In der Praxis geschieht das allerdings nie. Weder Herr Füting noch wir kennen Schauspieler, die von diesen Nachforderungen profitiert hätten.

Alle Beteiligten des Gespräches wollen Rechtssicherheit und deshalb gemeinsam nach Lösungen suchen, die Sozialversicherungspflicht für unsere Branche zu vereinfachen, praktikabel zu gestalten und Rechtssicherheit für alle Seiten herzustellen. Unser Verband sieht sich nicht als Gegner der Produzenten, sondern als Interessenvertreter der Film- und Fernsehschauspieler mit einem Verantwortungsbewusstsein für die gesamte Branche.

Vereinbarung eines ersten Schritts: Der Anwalt der Produzenten und der Anwalt Prof. Dr. Plagemann, der die Produzenten bei den Millionennachforderungen der Sozialversicherungsträger vertritt, werden sich mit unserer juristischen Vertretung treffen. Sie sollen eine Empfehlung erarbeiten, wie zunächst auf Basis jetzt geltender Regelungen, Produzenten und Agenten mit ihren Schauspielern die Arbeitsverträge gestalten, dass weder Produzenten mit Nachforderungen der Sozialversicherungsträger belästigt werden, noch Schauspieler zwischen allen Stühlen landen. Zugrunde liegen sollten die tatsächlichen Verhältnisse unserer Arbeitsverhältnisse – keine Tricks.

Geplant ist auch ein Treffen mit Herrn Ulrich Grintsch von der Deutsche Rentenversicherung, der Herrn Füting und uns ein Gespräch zu diesem Thema zugesagt hat.

TREFFEN MIT VERTRETERN DER SPD ZUR SITUATION DER SCHAUSPIELER

Teilnehmer seitens der SPD

  • Angelika Krüger-Leißner (MdB),  stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales und Mitglied des Ausschusses Kultur und Medien
  • Monika Griefahn (MbB), Sprecherin der Arbeitsgruppe Kultur und Medien
  • Steffen Reiche (MdB), Mitglied des Ausschusses Kultur und Medien
  • Hubertus Heil, Generalsekretär der SPD
  • Thomas Friebel, Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Kultur und Medien der SPD-Fraktion
  • Dr. Klaus-Jürgen Scherer, Geschäftführer des SPD-Kulturforums

Teilnehmer seitens des BFFS
Michael Brandner, Heinrich Schafmeister, Dagmar Kempf (Geschäftsführung BFFS) und Bernhard Störkmann, Verbandsanwalt

Wir schildern die Lage der Schauspieler und stellen fest, dass die Gesetzte und Regeln an den realen Bedingungen der „flexiblen“ Berufe vorbei gehen. In schwieriger Situation befinden sich gerade auch kleinere Produzenten, die unter enormem Druck der Sender stehen. Die neue Hartz-Gesetzgebung erschwert die ohnehin schon komplizierte Situation der Schauspieler zusätzlich und macht es ihnen unmöglich in Zukunft Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 zu erhalten.

Der Tarifvertrag mit seinem Zeitkontomodell hilft Schauspielern nicht, die „Überstunden“ in längere Sozialversicherungszeiten umzuwandeln. Er betrifft uns gar nicht, wir werden auch nicht monatlich bezahlt und haben keinen 8-Stundentag. Wir betonen die Notwendigkeit des Informationsaustausches, mit dem Ziel, Politikern unsere Arbeitsituation zu erläutern. Weit über unsere Branche hinaus ist unser Beruf typisch für die flexiblen Berufe, die immer mehr werden. Eine langfristige sozialversicherungsrechtliche Lösung für uns ist somit auch eine Lösung für die flexiblen Berufe der Zukunft.

Ein Vorschlag seitens der SPD sieht eine Sonderregelung vor, wonach nur 8 Monate innerhalb der 2 Jahre gearbeitet werden müsste, um einen Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 zu haben.

Wir werden ein Papier zu unserer Problemlage erarbeiten. Herr Heil nimmt dieses als Grundlage für einen Brief an Beck, Müntefering und Struck, um politischen Druck auszuüben.

Ende November werden wir uns erneut zu einem intensiveren Gespräch treffen.

Selbstverständlich halten wir Sie darüber in unserem nächsten Newsletter auf dem Laufenden.

Geplant ist auch eine Anhörung zum Thema Sozialversicherungen mit Staatsminister Neumann.

Wir bitten Sie alle, liebe Mitglieder, sich Heinrich Schafmeister Papier zu diesem Thema „Was Jetzt?“ zu Gemüte zu führen. Sie finden diese Ausführung hier. Wir müssen nach wie vor wissen, wie Sie dazu stehen und was wir vertreten sollen. Also bitte beteiligen Sie sich rege an der Diskussion.

Casting-, Agentur- und Schauspielverbände rücken zusammen

Im Rahmen der Hofer Filmtage 2006 trafen sich zum ersten Mal die Vorstände aller „schauspielnahen“ Verbände (Schauspieler, Casting, Agenturen), um den informellen und berufsspezifischen Dialog zu verstärken. Alle Beteiligten beschlossen eine engere Vernetzung und Kommunikation ihrer Verbände, eine Zusammenarbeit bei der Abstimmung der beruflichen Qualitätsstandards und den Informationsaustausch bei arbeitsrechtlichen und medienpolitischen Themen. Ein erneutes Treffen wurde für Februar 2007 zur Berlinale vereinbart.