Der erste Schritt mit unseren Arbeitgebern auf dem langen, gemeinsamen Weg

Heinrich Schafmeister
30. November 2006

Herr Füting1 und wir wollen auf lange Sicht praktikable und gerechtere sozialversicherungsrechtliche Regeln und Gesetze, mit denen unsere Branche besser leben kann (und andere vielleicht auch).

Zunächst aber wollen wir zusammen in einem „ersten Schritt“ für Rechtssicherheit sorgen, wie auf Basis der jetzt geltenden Bestimmungen Schauspieler sozialversichert werden müssen. Das rechtliche Chaos, in dem sich von Millionennachforderungen bedrohte Arbeitgeber und sozial unterversicherte Arbeitnehmer ratlos gegenuüberstehen, hilft nur den Sozialversicherungsträgern, unsere gemeinsame Branche zu melken. Ja, wenn zwei sich streiten… Das muss aufhören! Die Trickserei der Produzenten muss aufhören! Die Was-soll-ich-denn-machen-Reaktion der Schauspieler muss aufhören!

Vertragsgestaltung: Bisher haben die Arbeitgeber es vielfach mit „Vertragsakrobatik“ versucht. Sie haben den Arbeitsvertrag so „geschminkt“, dass in ihm die tatsächlich weisungsgebundene und damit sozialversicherungspflichtige Arbeitszeit des Schauspielers entweder vernebelt oder viel zu gering dargestellt wurde. Die erhoffte Wirkung, Beiträge zu sparen, kehrt sich in letzter Zeit immer mehr ins Gegenteil. Die Prüfer der Sozialbeiträge in den Betrieben2 müssen bei vernebelten oder offensichtlich zu knapp bemessenen Vertragszeiträumen, die sozialpflichtige Zeit selbst interpretieren – und das tun sie zu ihren Gunsten. Theoretisch müssten diese nachgeforderten Beiträge uns Schauspielern zugute kommen, praktisch passiert das nie! Unser Ziel muss sein, in den Verträgen die tatsächlichen Verhältnisse glasklar wiederzuspiegeln, um so den Prüfern keinen Anlass für eigenständige und eigennützige Interpretationen zu liefern.

Tatsächliche Verhältnisse: Weder generelles Durchversichern der ganzen Produktions-, der ganzen Dreh- oder der Zeit vom ersten Drehtag eines Schauspielers bis zu seinem letzten noch das Versichern der separaten Drehtage entsprechen den tatsächlichen Verhältnissen unserer Beschäftigungen. Die Wahrheit liegt dazwischen und muss individuell betrachtet werden. So gibt es, wenn ein Vertrag abgeschlossen wird – nicht erst, wenn dessen Schriftform vorliegt –, vorhersehbare Zeiträume, in denen ein Schauspieler vorsichtshalber zur Verfügung stehen muss, und andere Phasen, in denen er von vorneherein tatsächlich weisungsfrei sein wird. Nicht vorhersehbare Zusatzzeiträume, in denen er arbeitet, müssen auch versichert werden. Eine gewisse Zeit der Vor- und der Nachbereitung muss in jedem Fall sozialversicherungspflichtig berücksichtigt werden, weil sie zu jeder schauspielerischen Tätigkeit selbstverständlich dazugehört.

Für Mehrfachbeschäftigungen gilt: Ein Schauspieler kann in Wirklichkeit zur selben Zeit nur an einem Ort
sein und „einem Herren dienen“. Entweder der Hauptarbeitgeber (mit 1. Priorität) macht es sich leicht und ist so großzügig, durchzuversichern. Dann könnte er für die Nebenarbeitgeber eine „Stammbühnenbescheinigung“ 3 ausstellen, um ihnen das Leben
auch zu erleichtern.

Oder die verschiedenen Arbeitgeber verzahnen ihre Vertragszeiträume so, dass möglichst keine Lücken und keine Überlappungen auftauchen. Wenn ein Schauspieler nur eine Beschäftigung mit wenigen Drehtagen in einer einzigen Woche hat, sollte der Vertragszeitraum mindestens diese eine Woche abdecken, damit man ihn nicht womöglich als unständig Beschäftigten versichern muss. Dieser Status ist für beide Seiten ungünstig. Er führt häufig zu Überzahlungen, die Beitragsbemessungsgrenzen beziehen sich auf den ganzen Monat und der Schauspieler bleibt bei der Arbeitslosenversicherung außen vor.

Kein Deal: Noch einmal, damit keine Missverständnisse aufkommen, beide Seiten paktieren nicht, um sich am geltenden, indisponiblen Sozialversicherungsrecht vorbeizumogeln. Das wäre sinnlos und nichtig. Wir gehen gemeinsam den „ersten Schritt“ und basteln an Empfehlungen, wie unsere Verträge präzisiert werden können, dass trotz komplizierter Beschäftigungsverhältnisse Schauspieler so praktikabel wie möglich und immer im Sinne des Gesetzes sozialversichert werden. Weder sie noch die Produzenten sollen sich vor späteren „Nackenschlägen“ fürchten müssen. Hoffentlich können wir uns auf diese Grundzüge gemeinsam einigen ! Die genauen Details mögen dann unsere Juristen herauskitzeln.


1 Hansjörg Futing ist im Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Fernsehproduzenten e.V. und Geschäftsführer der ndf.

2
Verantwortlich für die turnusmäßig durchzuführenden Betriebsprüfungen ist die Deutsche Rentenversicherung Bund. Sie hat zu prüfen, ob die Arbeitgeber ihrer Pflicht, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (KV + PV + AV + RV + UV) korrekt abzuführen, ordnungsgemäß nachkommen. Tun sie das nicht, müssen sie für die nicht mehr Beschäftigten deren Arbeitnehmeranteile auch nachzahlen.

3
Die „Stammbühnenbescheinigung“ belegt, wie hoch uns der Hauptarbeitgeber für einen bestimmten Zeitraum schon sozialversichert.