BFFS-Veranstaltung auf dem Münchner Filmfest

BFFS Geschäftsstelle
14. August 2007

Anlässlich des 1-jährigen Geburtstages unseres jungen Verbandes haben wir während des Münchner Filmfestes 2007 zu einer Diskussionsveranstaltung mit dem Thema „Was leisten Schauspieler und können wir uns Schauspielerei noch leisten?“
Kollegen, aber auch Agenten, Caster und andere Interessierte eingeladen. Das Thema schien viele zu interessieren. Der Saal war mit 60 Besuchern jedenfalls voll.

Wie sieht unsere Arbeit aus? Was brauchen wir, um vernünftig arbeiten zu können?
Wie werden wir für unsere Arbeit bezahlt? Brauchen wir Mindestlöhne, oder regelt alles der Markt?

Es ging um die Meinung der Kollegen, um ihre Fragen und Erfahrungen.
Wir wollten auch über Entlohnung sprechen, über Mindestgage, Wochengage, Gagendumping, Höchstgagen und dergleichen. Denn viele reden zur Zeit darüber, und wir müssen dazu einen Standpunkt erarbeiten. Dafür brauchten wir Input der Kollegen.

Wenn wir mit Politikern sprechen merken wir wie wenig sie über unsere Arbeit wissen. Leute auf der Strasse wissen auch nichts über unsere Arbeit: „Wie kann man sich soviel Text merken, was machen Sie am Vormittag?“
Die eigentliche Leistung wie zum Beispiel die Vorbereitung, ist auch bei Teammitgliedern und Regisseuren oft unbekannt. Wir müssen die Vorgänge unserer Arbeit kommunizieren.

Was leiste wir um am Ball, um fit zu bleiben?

Wir machen Kameratrainingskurse, besuchen unseren Coach, kaufen Bücher. Die Kosten tragen wir selbst. Das sind Leistungen die noch vor einer Anfrage passieren.

Jeder braucht einen Computer, eine Email, Aufwand an Organisation und Büromaterial, also einen Bürobetrieb, um überhaupt arbeiten zu können.

Auch die deutschlandweiten Fahrten, um Kontakte zu knüpfen, zu Castings zu fahren, sich vorzustellen, werden meistens nicht (mehr) erstattet. Wir müssen unsere eigene Agentur sein, es reicht nicht einen Agenten zu haben. Wir haben nicht um 18 Uhr frei, wir sind immer in Arbeit, wenn wir Arbeit haben und auch dann, wenn wir keine haben. Die eigentliche Vorbereitung ist nur ein kleiner Teil davon. Die Akquise von Aufträgen, das Pflegen von Kontakten, Schneiden von Castingbändern, das Machen von Fotos, etc. ist kosten- und zeitintensive und selbstständige Organisations-Arbeit. Auch die Vorbereitung ist eine selbstständige, nicht entlohnte Tätigkeit. Nur der tatsächliche Drehtag ist eine abhängig beschäftigte Tätigkeit. Wenn also die selbstständige „Zusatz“-Tätigkeit, ohne die es die abhängige Beschäftigung nicht gäbe, nicht entlohnt wird, so muss sie zumindest sozialversichert werden.

Was machen wir bei der Vorbereitung?

Wir unterscheiden zwischen Szenenstudium und Rollenfindung (Heinrich bespricht das gerade bei den Produzenten).

Wir gleichen den Text auf die Figur ab,  machen situative Vorbereitung und Vorbereitung mit der Figur.
Der Aufwand für die „ kleinen Rollen“ ist proportional eher größer (nicht kleiner, wie von den Produzenten teilweise fälschlich angenommen wird), weil der Aufwand für die Rollenfindung für eine kleine Rolle nicht wesentlich kleiner ist als für eine größere.

Nur der Aufwand für die Arbeit an den Situationen (den eigentlichen Szenen) ist kleiner, weil eine kleinere Rolle weniger Szenen hat. Wenn man also z.B. in dem Zeitraum, in dem man eine Hauptrolle spielen könnte, vier Nebenrollen spielt, ist der zeitliche Vorbereitungsaufwand mindestens gleich groß, wenn nicht größer.

Hinzu kommt der Faktor Nervosität. Bei einem Dreitagesdreh hat man erst am Ende ein nahezu entspanntes Verhältnis zu dem Team und den Kollegen, also, wenn man seine Rolle schon  gespielt hat. Mit Nervosität zu spielen erfordert wiederum bessere Vorbereitung, weil man die Sicherheit, die einem vertraute Gesichter geben, ausschließlich in sich selbst finden muss.

Wie arbeiten wir am Set?

„Schauspielern ist, sich nicht dabei erwischen lassen“(H. Schafmeister). Der schauspielerische Prozess ist der einzige am Set, den man nicht sehen kann. Den Objektivwechsel an der Kamera kriegt jeder mit. Dass dafür Zeit nötig ist, wird folglich akzeptiert. Die innere sensorische und Konzentrationsarbeit des Schauspielers dagegen ist unsichtbar und daher für den Großteil des Teams nicht vorhanden. Wir sind sozusagen unsere eigene Kamera, unser eigenes Mischpult. Auch unsere Technik kann mal „versagen“ und muss „repariert“ werden. Auch wenn es unsichtbare Vorgänge sind, sind sie doch real und brauchen Zeit und Raum.

Weil das so ist, sind wir der unbekannte Faktor, der vielen unheimlich ist. Im ungünstigen Fall empfindet man uns als Sand im Getriebe und hat Angst vor uns, im „günstigen“ Fall fasst man uns mit Samthandschuhen an, um an der geheimnisvollen Maschine nur ja nicht kaputt zu machen.

Aber ist es das, was wir brauchen, um zu „funktionieren“ ?
Ist beispielsweise ein Wohnwagen ein Statussymbol oder nicht eher eine Rückzugsmöglichkeit um sich konzentrieren und mit Kollegen proben zu können?

Wir stellen ein Ausbildungsproblem fest: Schauspielführung bei Regieausbildung.

Wie kommunizieren wir diese Vorgänge am Set und in der Öffentlichkeit? Kommunizieren wir sie überhaupt? In Interviews prominenter Kollegen z.B. suchen wir meistens vergeblich nach diesen Hinweisen. Reden wir nicht darüber? Oder wird es einfach nicht gedruckt, weil die Presse sich nur für unser Privatleben interessiert? Viele Kollegen erzählen, dass sie sogar sehr viel darüber reden, aber nur die Aussagen über das Privatleben gedruckt werden.

Unsere Bezahlung

Einwand eines Kollegen:
Eine Freundin bekommt 300 € in der Woche. Es geht uns nicht alleine so, auch andere in der Arbeitswelt werden immer schlechter bezahlt und arbeiten noch dazu auf eigenes Risiko. Wir sollten nicht jammern.
Ein wichtiges Thema sei das Lohndumping. Gagen von 600€ sind inzwischen nicht mehr die Ausnahme.

Heinrich verleiht  die Goldene Ehrennadel des BFFS für die Überleitung, denn es wird Zeit für unser zweites Thema: Unsere Bezahlung

Zentrales Thema dabei sind die  Arbeitsbedingungen. Wir haben bisher dieses Thema noch gar nicht angegangen. Wir brauchen ein Meinungsbild darüber, was wollen wir? Was sollen wir vertreten?
Wiederholungshonorare sind dabei abgeschafft zu werden. Nur beim ZDF gibt es sie überhaupt noch, und dort bemisst sie sich nach einer fiktiven Höchstgage aus den 70ziger Jahren.
Es gibt ein Buyout, zur Zeit ein totales Buyout, und es gibt keine Mindestgagen. Dieses Thema wird immer wieder diskutiert und wir müssen es auch diskutieren. Wie stehen wir dazu, ist das sinnvoll, brauchen wir das, oder besteht die Gefahr, dass die Mindestgage dann zur Höchstgage wird?
Wie sind Eure Erfahrungen mit Lohndumping, ist das schleichender oder galoppierender Prozess. Wie sind die Erfahrungen?

Bei Hochschulfilmen gibt es inzwischen meistens überhaupt keine Gage mehr. Trotzdem spielen die meisten mit, entweder um überhaupt zu spielen oder um im Kino vorzukommen (da viele der Kinofilme inzwischen Erstlingswerke sind) und Kontakt zu den Regisseuren der Zukunft zu bekommen. Der Schaupeiler ab 60 hat aber eher wenig davon. Hochschulen verbieten häufig Gagen für Schauspieler. Schauspieler, so wird vermittelt, arbeiten für 0.

Der Gagenverfall ist sehr rasant, mit zunehmender Erfahrung und Alter steigen die Gagen nicht nur nicht mehr (außer bei den Promis), sondern sinken eher noch.

Hier einige Erfahrungsberichte in Stichworten:

Größenordnung bei Sendern (Pro7, Sat1): höchstens 800 € pro Tag.
Angebot für Tatort: Tagesgage 600€ für Schauspieler. Bei arrivierten Produktionen!
Kleines Fernsehspiel/ZDF 150€  am Tag, weil, so die Begründung des Senders: wir machen Kunst, wir haben kein Geld.
Oder: schöne Rolle in Berlin aber nur ohne Reise und Unterbringenskosten.

Bericht einer Anfängerin: noch keine Berufserfahrung aber mit Hochschulen gedreht. Sie stellt  eine ständige Erpressung fest, auch wenn ganz einfache Wünsche wie S-Bahn-Ticket nachgefragt werden. „Wir kennen auch bekanntere Schauspieler“ . Da fängt es an, die Respektlosigkeit gegenüber Schauspielern und das Nichtwissen über das Arbeiten der Schauspieler.

Mindestgage

Durch eine Mindestgage wäre dem ein Riegel vorgeschoben. Wo fängt der Schauspieler an und wo fängt der Kleindarsteller an? Wenn die Mindestgage bei z.B. 1000€ läge, würde eine Produktion auch für sehr kleine Rollen lieber einen richtigen Schauspieler engagieren, da sie ohnehin die Gage zahlen müssen.

Aber: Bestimmte Rollen würden dann vielleicht einfach gestrichen statt (schlecht) bezahlt werden.

Bevor wir uns dazu eine Meinung bilden können, müssen wir in Erfahrung bringen: Wie wird kalkuliert? Wie fließen die Geldströme? Wie sind die Gewinnspannen? - Mehr Transparenz wäre wünschenswert.

Pilotfilme, Testimonials:

Erfahrungsberichte von sogenannten Mood-Drehs: Ganze Pilotfilme (also nicht low-budget) werden inzwischen ohne Gage gedreht. Lehnt man ab und sagt das mache ich nicht, dann kommt häufig die Antwort: Dann drehen wir den Testballon mit jemand anderem aber die eigentliche Serie, wenn sie denn gedreht wird, dann mit Dir. Dem „anderen“ wird dann statt Gage die Aussicht auf die Serie gemacht, die für die aber in Wirklichkeit schon der erste Schauspieler eingeplant ist.

Wie kommen wir in diese Situation ? Niemand muss so für seine Gage kämpfen und von niemanden wird erwartet ohne Lohn zu arbeiten, nur von Filmleuten.

Es gibt weniger Geld von Sendern, gibt es zu viele Schauspieler und zu viele Agenten die sich gegenseitig unterbieten? Oder ist Geld da und wird für anderes ausgegeben?

Ein SAG Mitglied berichtet aus den USA:
Dort gibt es Mindestgage, die Gage ist wenig und hängt davon der Rolle ab: zum Beispiel Tagesrolle, 3 Tagesrolle, Hauptrolle.
Bei Mindestgage gibt es den Schutz der Union: Ruhezeiten, Überstunden werden vergütet, Wiederholung natürlich auch, etc. Zum Beispiel eine 1500 Dollar Wochengage schaukelt sich hoch auf ca. 9000 $ plus Wiederholung. Es ist genau geregelt, welche Rolle was bekommt. Jedes Mitglied ist geschützt.

Mitglied werden kann man nur, wenn man eine bestimmte Qualifikation nachweisen kann. Dafür hat die SAG jahrzehntelang gekämpft. Davon sind wir noch weit entfernt.

Wir müssen viel stärker werden.

Wir haben ein eindringliches Bild von der Dumping-Situation bekommen, was die Forderung nach einer Mindestgage (besser: Basisgage) notwendig zu machen scheint.
Wir müssen unseren Ruf und unsere Wertigkeit wieder erhöhen.
Wir müssen aufhören zu jammern und unser Bild in der Öffentlichkeit verbessern.

Befürchtung: Mindestgage schafft Mehrklassengesellschaft, Promigagen haben Vorrang, der Rest wird aufgeteilt.

Der Idee einer Basisgage steht zumindest einer der Produzentenverbände (die AG Spielfilm) erklärtermaßen nicht ablehnend gegenüber. Auch auf Produzentenseite gibt es ein Bedürfnis nach klareren Regeln.

Einwand: Müssen wir nicht auch über Höchstgagen reden wenn wir über Mindestgage reden?

Antwort: Reden können wir, aber realisieren schwer.

Seit Jahren werden die Budget so gut wie nicht erhöht, während alle Kosten aber steigen. Ist das Geld nicht da? Oder wird es woanders ausgegeben? Vieles spricht für zweites. Nur ein winziger Bruchteil des Budgets der öffentlich-rechtlichen Sender z.B. fließt in Produktion, der weitaus größte Teil wird für Verwaltung und Pensionen der Mitarbeiter ausgegeben.

Welche Mittel zur Durchsetzung von Forderungen haben wir?

Eine Komplikation ist das föderale Prinzip. Sender sind Ländersache, und wir haben 16 Bundesländer! Wir haben also 16 Ansprechpartner.

Das macht beispielsweise einen Streik als Mittel zur Durchsetzung von Forderungen relativ sinnlos.

Eine weitere Komplikation ist eine fehlende Quote für deutsche Produktionen im Fernsehen.

Zum Vergleich: In Frankreich gibt es eine Staatsquote für französische Produktionen im Fernsehen. Deshalb konnte dort ein Streik zum Erfolg führen. Hier dagegen können die Sender entweder auf ausländische Produktionen zurückgreifen oder (im Fall der ARD, die so viele Produktionen vorproduziert haben, dass sie zwei Jahre senden könnten, ohne neu zu produzieren) auf Vorproduziertes. Streik ist dort sinnvoll, bei uns nicht.