Die inszenierte Wirklichkeit des öffentlichen Auftritts. Ein Gespräch mit der PR-Expertin Heike-Melba Fendel

BFFS Geschäftsstelle
31. Dezember 2007

Heike-Melba Fendel arbeitet als Journalistin, Moderatorin, Schauspielerin und als Dozentin und Referentin für Film- und Fernsehmarketing. Nach dem Studium der Germanistik, Geschichte und politischen Wissenschaften absolviert sie ein Volontariat im Verlagsbereich. Es folgen literarische und journalistische Veröffentlichungen im Bereich Film, Fernsehen und Frauenthemen. Neben redaktioneller Mitarbeit u.a. bei Cosmopolitan, arbeitet sie zwei Jahre als Protokollchefin des Kölner Filmfests und als Autorin für RTL. Seit 1994 ist sie Inhaberin und Geschäftsführerin der 1991 gegründeten Barbarella Entertainment GmbH mit Hauptsitz in Köln und Dependancen in Berlin und Offenbach, welche sich mit Pressearbeit und der Organisation von Veranstaltungen und der Betreuung von Künstlern beschäftigt.

Frau Fendel, Sie feiern in diesem Jahr Ihr 15jähriges Agenturbestehen. Wie kam es 1991 zur Gründung von Barbarella Entertainment?
Ich hatte damals eine zweijährige Tochter und arbeitete als Filmjournalistin und Filmkritikerin. Nun wollte ich etwas mit einem größeren Einflussbereich machen als jenem, den man als Journalistin hat, gleichzeitig aber die Flexibilität erhalten, die man als Mutter braucht. So gründete ich gemeinsam mit Anja Friehoff und Mechthild Holter Barbarella Entertainment. Heute ist Anja freie Regisseurin und Mechthild Holter leitet erfolgreich die Schauspieleragentur Players. Anfang der 90er, lag eine Gründungseuphorie in der Luft, die Privatsender boomten und wir hatten diese Anfangsenergie, die sich sicherlich zu einem Großteil auch aus dem Nichtwissen um mögliche Probleme gespeist hat. Wir haben wahrscheinlich alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte, aber wir hatten so viel Begeisterung für unsere neue Firma und ihre Projekte. Ich hatte damals einen Beratervertrag bei RTL und als Mark Conradt sagte, dass sie die Serie "Twin Peaks" gekauft haben, sagte ich: „Super, und ich habe eine neue Firma und wir machen jetzt `was dazu.“ Wir fanden Twin Peaks toll und so wurde unser erstes Projekt eine sehr große und viel beachtete Kampagne für die US-Serie.

Welche Bedeutung trägt der Name „Barbarella“ in der Agenturbezeichnung?
„Barbarella“ ist ein Comic sowie ein Film von Roger Vadim als futuristisches Popmärchen inszeniert. Gleichzeitig verweist der Name augenzwinkernd auf eine Frauenfirma. Auch meinen viele, den Namen und somit von unserer Firma schon einmal gehört zu haben, obwohl es eigentlich der Film war. Wichtig ist auch, dass sich der Name personalisieren lässt. Man kann sagen: „die Barbarellas kommen“.

Würden Sie sagen, dass in dieser Branche eher weibliche Kompetenzen wie Einfühlungsvermögen oder Diplomatie gefragt sind?

Ich glaube eher, dass Frauen größere „Fußabtreter“-Qualitäten haben. Public Relations ist etwas, was offiziell keiner will. Sie stört immer; die Journalisten, die Schauspieler, eigentlich alle. Gleichzeitig denken alle, dass man sie braucht, als PR-Berater ist man also in einer sehr schwierigen Position. Ja, es ist eine Branche für Frauen. Die Männer, die es in der PR-Branche gibt, sind eher die raunenden Onkel, neben den Politikern dieser Welt. Die Faustregel ist: je mächtiger derjenige, der beraten wird, desto eher ist der PR-Berater ein Mann. Und je bunter und kreativer und meinetwegen auch niedrigrangiger, desto eher ist der PR Berater eine Frau. Das hat weniger mit Einfühlungsvermögen als vielmehr mit der Unfähigkeit der Frauen zu tun, ihre Ellbogen einzusetzen, Standpunkte zu beziehen, Thesen zu haben und selbstbewusst eigene Positionen durchzusetzen.

Was verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff „PR“?
Ich denke, PR im besten Sinne ist ein Verstärken, ein Vergrößern, sie hat eine Lautsprecherfunktion. Mittlerweile ist die PR zu einer eigenen Wirklichkeit geworden. Das heißt, dass Personen, die PR wollen, ihre Produkte, ihr Selbst, ihr Denken und Fühlen schon nach dem möglichen PR-Effekt ausrichten. Der PR Berater ist aus der früheren Position des „Mittlers“ letztlich in eine Position gerückt, aus der er sowohl die Produkte als auch die Multiplikatoren, also die Medien, maßgeblich in seine Logik gezwungen hat. Und auch die Medien haben ihre eigenen PR-Kriterien. Wir leben in einer PR-Gesellschaft, d.h. in einer Welt, die auf nichts mehr fokussiert ist als auf Wirkung. Von Bedeutung ist nicht, was man ist, sondern wie man rüber kommt, nicht, welche Positionen man vertritt, sondern wie sie sich am besten formulieren lassen. Inzwischen kommt es so paradoxer Weise schon zu Situationen in denen der PR-Berater dem Kunden auch schon einmal sagen muss: „Mach doch erst einmal, und dann gucken wir schon, wie wir das in die Welt tragen!“ Da ich auch an verschiedenen Stellen unterrichte, beobachte ich, dass jetzt, nach 15 Jahren, wieder eine Generation junger Filmemacher und zum Teil auch junger Schauspieler nachwächst. Mit "jung" meine ich alle bis 25 Jahre, die sich mit Ideen zu den Marktgesetzen gegenläufig aufstellen und Spaß daran hat. Die letzten zehn Jahre waren davon bestimmt, zu fragen: „Wie werde ich ganz schnell berühmt?“ und „Wie kriege ich ganz schnell meinen ersten Film zu Pro Sieben?“. Und jetzt ist da ein Nachwuchs der eher schon mal sagt „Inhalt ist wichtig“ und „Ich will Qualität machen“. Dieser Impuls, etwas Eigenes aufzubauen und nicht nur dem Markt gerecht zu werden, entsteht wieder.

Was würden Sie sagen, wie wichtig ist der Eventcharakter, der Erlebnischarakter von PR?
Im Moment findet eine sogenannte Eventisierung statt. Es reicht nicht, wenn Sie einfach ein Fest veranstalten, es muss Eventcharakter haben. Und dazu braucht es Prominente und damit sie kommen, braucht es die Presse. Ein weiterer wichtiger Begriff ist der der Emotionalisierung. Der Begriff kommt eigentlich aus der Werbung und momentan liest man fast nur noch diese sogenannten menschlichen Geschichten, mit den Themen Krankheit, Tod, Sex und Geld. Sobald ein Schauspieler über diese - idealer Weise miteinander kombinierten – Themen redet, ist es die perfekte BUNTE- oder BILD-Geschichte. Während jemand, der gerade eine herausragende schauspielerische Leistung am Theater abgeliefert hat, diese emotionalen Themen nicht bedient und somit „nur“ Qualität, aber kein Ereignis liefert. Im Umkehrschluss führt dieses Doppel aus Emotionalisierung und Eventisierung natürlich dazu, dass man es, wenn man sich diesen Kriterien verschließt, in einer Medienwelt, die weit über den Boulevard hinaus sie gepolt ist, schwer hat. Interessanter Weise ist im Moment gerade die FAZ ganz weit vorne, was das Besetzen von Event-Themen betrifft, denn auch Nazi-Vergangenheiten von Schriftstellern sind Event-Themen. So verschließen sich auch die so genannten Qualitätsmedien nicht den Regeln der PR-Gesellschaft.

Wo liegt der Schwerpunkt Ihrer Presse- und PR-Arbeit?
Wir haben drei Bereiche: Künstlerbetreuung, Veranstaltungen und Presse für Festivals. Unsere Bedeutung innerhalb dieser Bereiche ist insofern größer geworden, als dass der Erfolg eines Filmes zwei Kriterien hat. Dies ist zum einen die Aufmerksamkeit, den er durch eine möglichst gute Presse und Auszeichnungen erzielt. Zum anderen ist das die Quote bzw. die Zuschauerzahlen. Wenn bei einem Film die Quote nicht so gut ist, aber man zumindest sagen kann: „wir hatten aber ganz gute Presse“ ist dies sehr wichtig für die interne Legitimation und spielt eine große Rolle bei öffentlich-rechtlichen Sendern oder Förderungen, die öffentliche Gelder ausgeben. Das Bedürfnis sich als Schauspieler, Regisseur, Produzent, aber auch als Sender und Förderer über die Presse zu legitimieren ist groß. Nicht umsonst haben diese Firmen eigene Pressestellen und achten sehr darauf, dass jeder Film, was die Presse-Arbeit betrifft, gut betreut wird, was sich auch in den letzten Jahren sehr verstärkt hat.

Nach welchen Kriterien treffen Sie die Auswahl bei der VIP-Akquise? Ordnen Sie einen Prominenten einer Veranstaltung zu? Oder verhält es sich eher umgekehrt?
Es gibt beides. Wenn wir zum Beispiel den Hessischen Filmpreis organisieren, achten wir beispielsweise darauf, dass die mitwirkenden Laudatoren zu den ausgezeichneten Filmen passen. Wenn ich ein Hochschulfilmer in Hessen bin, dann bekomme ich meinen Preis natürlich lieber von Peter Lohmeyer als beispielsweise Jenny Elvers. Umgekehrt ist es aber auch oft so, dass es in profaneren Bereichen wie bei Geschäftseröffnungen, wichtig ist, die lokale Presse zufrieden zu stellen. Dieser Bereich ist sicherlich noch ausbaubar.

Dann möchte ich noch einmal ganz kurz zu den Anfängen zurück: 1993 gab es von Barbarella den ersten Schauspieler-Katalog für die Agentur „Players“. Da wurden die Schauspielernamen mit einem Slogan versehen.
Ja, ich weiß: Jürgen Vogel war „Das tätowierte Herz“. Oh, mein Gott, wo haben Sie das noch her? Das waren die Ideen einer späten Wein trunkenen Nacht (lacht).

Wie kamen Sie auf die Idee, „Die Stars von morgen“ [so der Katalog-Titel] bereits mit einem Starprofil auszustatten? Hatten Sie nicht Angst, dass die schon sehr früh auf ein Image festgelegt werden?
Das war eben damals in den Anfängen, in der wohl schwersten Zeit. Das war eigentlich der Versuch, sozusagen eine poetische Übersetzung für das zu finden, was man als Wesen des Talents erachtet hat. Ja, da sieht man halt auch: Mechthild war Fotografin und ich Autorin und das trifft sich dann natürlich genau in dem Bedürfnis, die Dinge so darzustellen. (lacht)

Und heute: Wie viele Anfragen für PR-Arbeit erreichen Sie von noch weniger bekannten Schauspielern? Ist das für den Nachwuchs überhaupt ein Thema?
Extrem. Die PR-Arbeit wird von klassischen Schauspieleragenturen zunehmend forciert zudem mag ich Schauspieler wahnsinnig gerne und würde uns sozusagen als ‚Schauspielerversteher’ bezeichnen. Ich hab ja auch mal ein paar schlechte Filme gemacht (lacht). Ich weiß, wie sich dieser Beruf anfühlt. Und Schauspieler sind ja Instinkt-Menschen, die sehr genau merken, wo sie so andocken können. Im Moment ist es so, dass viele Schauspieler einander von uns erzählen. Wir haben daher extrem viele Anfragen, etwa zwei bis drei täglich, bei einer Maximalkapazität von 15 bis 20 Künstlern. Leider ist es oft so, dass wir eine „Manövriermasse“ benötigen, d.h. die Leute müssen schon etwas mitbringen an im PR-Sinne „verwertbaren Projekten“. Das kann beispielsweise ein Newcomer sein, mit einer interessanten Rolle in
einem interessanten Film, - hoffentlich eine Frau, denn Männer gehen immer schlechter! – wo man weiß, mit diesem Film wird sie groß rauskommen. Das ist genauso gut wie jemand, der einfach schon sehr viele interessante Sachen gemacht hat.

Gibt es allgemeine „Spielregeln“, die man beachten sollte, selbst, wenn man nicht professionelle Berater an seiner Seite hat? Welche Tipps würden Sie in Sachen PR Schauspielern mit auf den Weg geben?
Ich glaube, PR ist letztlich wie alle Dinge erlernbar. Man muss nicht unbedingt einen PR-Berater haben, es sei denn, man ist so bekannt, dass die ständigen Anfragen schon aus logistischen Gründen einen sogenannten Publicist erforderlich machen. In ein- bis zweitägigen Seminare, kann man lernen, wem die Medien gehören und welche Anforderungen die unterschiedlichen Publikationen haben. Es ist leider oft so, dass Schauspieler meistens nicht wissen, ob sie gerade mit der BILD oder der FAZ reden, oder vielleicht doch mit dem Radio. Sich über die Medienlandschaft zu informieren und vor Interviews auch zu wissen, mit wem man es zu tun hat, ist sehr wertvoll. Zudem ist es wichtig, für sich selbst schon einmal eine gewisse Standortbestimmung entworfen zu haben. Das heißt sogenannte FAQs – Frequently Asked Questions zu beherrschen, die immer wieder vorkommen. Es gibt etwa 10 FAQs, die sich aus der Person ergeben und auf die man sich mit festgelegten Antwortvarianten vorbereiten kann. Dinge wie ‚Warum sind sie mit dem Kollegen xy zusammen?’ ‚Wie war es, unter 1.200 Leuten entdeckt zu werden?’. Dann gibt es in der Regel aus dem aktuellen Projekt heraus noch einmal zehn Fragen, die immer wieder gestellt werden. Wenn man diese 20 Fragen für sich bestimmt hat und sie charmant und mit Elan beantwortet, dann ist das schon die halbe Miete. Wichtig ist auch, sich den PR-Leuten, wie Pressestellen oder Agenturen wie uns, die ein Projekt betreuen, vorzustellen. Es kann passieren, dass der Schauspieler einen Publicist hat, der Sender eine Pressestelle, die Förderung noch einen PR-Berater und zudem noch eine Agentur mit dem Projekt betraut ist. So können bis zu sieben PR-Stellen in ein Projekt involviert sein. Da werden sie wahnsinnig. Ein Schauspieler, der weiß, was er macht und was er nicht macht, ist da klar im Vorteil. Katja Flint z.B. ist großartig, was das betrifft. Sie ist ja nun sehr bekannt und sicherlich auch ein bisschen PR-mäßig gefährdet, weil viele Leute vielleicht Dinge wissen wollen, über die sie nicht reden will. Sie ist aber so professionell, dass sie einem am Anfang eine Liste der Medien gibt, mit denen sie etwas macht und sagt, wie sie sich das vorstellt. Sie hat ihre eigene Autorisierungserklärung, die sie vorher durch die Agentur unterschreiben lässt. Sie korrigiert immer zügig ihre Interviews und sie braucht, weil sie so effizient ist, nicht noch zusätzlich einen PR-Manager.

Schauspieleragenturen in Deutschland müssen ja eine Fülle verschiedener Aufgaben gleichzeitig erfüllen: sie müssen in Personalunion Agent bei der Rollengenerierung, Manager bei der Festlegung der Gagen, PR-Berater im öffentlichen Auftritt und Jurist beim Vertragsabschluss sein. Es ist also nicht immer ein Personal Publicist erforderlich?

Der Agent muss in der Tat einige Funktionen gleichzeitig übernehmen. Man muss ja auch nicht alles aus den USA übernehmen, wo dann bis zu 20 Leute um einen herumhampeln, die alle eine andere Funktion haben. Sinnvoll ist auch hier, wenn Schauspieleragent und PR-Agent eine gute Beziehung haben oder sich sogar einander empfohlen haben. Wir haben eine Reihe von Künstlern, die von der Agentur Hoestermann vertreten werden. Was diese Agentur mit ihren Leuten z.B. vom Rollenprofil her vorgibt, das übersetzen wir in die PR-Arbeit. Es geht einfach nicht zusammen, wenn Schauspieler-Agenten und PR-Agenten nicht eine gemeinsame Idee davon haben, wie ein Schauspieler präsentiert wird. Die idealste Situation für Schauspieler ist das klassische Management. Zum Beispiel das System Sybille Breitbach, die mit einer extremen Ganzheitlichkeit und einer im besten Sinne absoluten Kontrolle ihre Leute auch beschützt. Heike Makatsch hat mal vor Jahren in einer Dankesrede sehr schön gesagt, dass Sybille sowohl beschützt als auch mal schiebt, also auch schon mal sagt: ‚Doch, mach das jetzt!’. Ich glaube, das ist das Ideale!

Sie hatten sich für die Gründung eines Filmfestes in Köln engagiert, das leider nicht zustande kam. Jetzt soll erneut darüber nachgedacht werden.
Eine Millionenstadt wie Köln mit ihrer mageren Programmkinosituation und gleichzeitig einem ganz hohen, so glaube ich, erweckbaren Publikumsbedürfnis nach interessanten Filmreihen, nach Begegnungen mit den Machern, braucht ein Festival. Und ich finde diese Argumentation, dass das vor 15 Jahren schief gegangen ist, so dämlich wie unnütz! Ich glaube, dass der Ansatz, der jetzt gefunden wird, aus einem einfachen Grunde nicht richtig ist: während die programmlichen Ideen gar nicht so falsch sind, fehlt es an den richtigen Personen, die mit ihrer Leidenschaft und sicherlich auch ihrem Credit als „Experten“ so eine Sache auf die Beine stellen. Wie z.B. Herr Badewitz in Hof, Herr Hauff lange Zeit in München, oder Herr Kosslick in Berlin. Es geht ja letztlich immer über charismatische Personen, mit ganz klaren Netzwerk-Profilen. Jetzt gibt es ein Programm, aber nicht wirklich Personen, die für dieses Programm einstehen. Und damit finde ich fehlt da ein ganz entscheidender Faktor.

Die Aufarbeitung des Interviews erfolgte in Zusammenarbeit mit Ruth Fröhner.