Brief an Kulturstaatsminister Neumann zum Thema ALG I

BFFS Geschäftsstelle
30. Juli 2008

Berlin, den 01. Mai 2008

Sehr geehrter Herr Kulturstaatsminister Neumann,

Wie vergangene Woche auf dem Kultursalon der CDU/DCSU im Bundestag vereinbart, schicken wir Ihnen eine Darstellung der Situation von Schauspielern und ihrer Probleme bei der Kommunikation mit der Agentur für Arbeit seit der Abschaffung der ZBF, bzw. des Künstlerdienstes.

Zentrale Probleme sind:

· Ein gravierender Mehraufwand an Bürokratie.
· Ein uneffizienter Zeit- und Ressourcenaufwand für die Agentur für Arbeit und
die Schauspieler – mit und ohne Leistungsbezüge.
· Kein erkennbarer Weg, wie Schauspielern schneller aus der Arbeitslosigkeit zu führen
sind.

Dass die geltenden Rahmenfristen es den meisten Schauspielern unmöglich machen, Arbeitslosengeld 1 zu beziehen, obwohl sie Höchstbeiträge in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, ist bekannt, wurde zuletzt auch im Schlussbericht der Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ moniert und muss dringend und zeitnah geändert werden. Schon unter der alten Rahmenfrist war es uns Schauspielern, die stets befristet beschäftigten sind, kaum möglich, die Anspruchsvoraussetzungen für Arbeitslosengeld 1 zu erfüllen.

Dennoch müssen wir uns als Schauspieler nach jedem befristeten Engagement – das sind bei Film- und Fernsehengagements manchmal nur fünf Tage – arbeitslos melden, um für unsere spätere Rente keine Fehlzeiten zu haben. Lücken im Rentenverlauf schmälern unsere spätere Rente und verhindern zudem einen evt. Anspruch auf Rente bei Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit.

Bei Arbeitslosigkeit müssen wir Schauspieler – wie alle Beschäftigten – uns an die Agentur für Arbeit am Wohnort wenden und uns dort arbeitslos melden

· mit Antrag auf Arbeitslosengeld 1 (verschwindend wenige von uns),
· mit Antrag auf Arbeitslosengeld 2, also Hartz 4
· oder ohne Leistungsbezug.

In jedem dieser Fälle zieht die Meldung eine ganze Reihe routinemäßiger Vorgänge nach sich, wie z. Bsp. das Erstellen schriftlicher Bewerbungsunterlagen, das Vorlegen früherer Bewerbungen, Beurteilungen durch den Arbeitgeber usw. Die beschriebenen Befragungen sind den Gegebenheiten eines „normalen“ Arbeitsverhältnisses angepasst. Die Bedingungen unseres Berufes aber lassen sich nur schwer damit vergleichen.

Die Arbeitsvermittler der Agentur für Arbeit, wo wir uns arbeitslos melden müssen, sind für die Vermittlung in Schauspielbeschäftigungen weder kompetent noch zuständig. Spezialisiert für die Künstlervermittlung sind die wenigen Anlaufstellen der ZAV, eine Service-Einrichtung der Agentur für Arbeit. Seit dem 1.5.2007 sind die früher verantwortlichen Künstlerdienste und ZBF-Zweigstellen durch die ZAV ersetzt und personell stark reduziert worden.

Die Arbeitsvermittler am Wohnort können uns allenfalls berufsfremde Beschäftigungen anbieten. Dennoch sind wir verpflichtet, Beratungstermine mit ihnen wahr zu nehmen. Wer diese Beratungsgespräche ablehnt, wird nicht mehr als Arbeitssuchender geführt, d.h. die Ausfallzeit wird dem Rententräger nicht gemeldet.

Diese für die Schauspielvermittlung nutzlosen Beratungsgespräche blockieren damit die Zeit der Arbeitsvermittler, die anderen Arbeitslosen zugute käme, Zeit, die wir nutzen könnten, um uns auf „unserem“ Arbeitsmarkt zu bewerben bzw., Termine bei der ZAV wahr zu nehmen.

Bei der Agentur für Arbeit sind ca. 3000 Schauspieler arbeitslos gemeldet. Wenn jeder dieser Schauspieler die Routine durchläuft, sind das bei durchschnittlich zwei Arbeitsvermittlergesprächen pro Jahr a 1/2 Stunde 1500 Beratungsstunden. Bei einem 8 Stunden Tag eines Beraters hätte dieser 187,5 Tage, bzw. 37,5 Wochen bei einer 5 Tage Woche ausschließlich mit diesen Gesprächen zu tun, die ohne Aussicht auf Erfolg sind. Das ist in hohem Maße unwirtschaftlich.

Hinzu kommt, dass der Kenntnisstand der Sachbearbeiter am Wohnort bezüglich möglicher Fortbildungsmaßnahmen, Ansprüchen auf Bewerbungsunterstützung etc. sehr divergiert. In der Folge werden die Schauspieler zwischen den Institutionen hin und her geschickt.

Solange es die Künstlerdienst (Kd) gab, konnte man sich telefonisch arbeitslos melden und sich in beruflichen Fragen mit der ZBF verständigen. Der Kontakt lief reibungslos. Man traf auf Menschen, die ehemals selbst in der Branche gearbeitet haben und somit die nötige Sachkenntnis hatten.

Wir plädieren für:

· eine erhebliche Vereinfachung der mit unserer Arbeitlosmeldung und Rückmeldung
verbundenen Auflagen – ob wir nun Anspruch auf Leistungen haben oder nicht.
· eine auf unsere Berufsgruppe zugeschnittene Arbeitsberatung.
· Wiedereinführung der ZBF, als Betreuende Institution für die Belange der Künstler.

Wir hoffen, Ihnen mit diesem Schreiben unsere Problematik ein wenig näher gebracht zu haben und würden uns sehr freuen, wenn Sie uns bei unserem Anliegen unterstützen könnten.

Mit freundlichen Grüßen

Der BFFS-Vorstand