„Jede Nutzung muss vergütet werden”

Heinrich Schafmeister
9. April 2010

Positionspapier des BFFS zur fairen Beteiligung von Schauspielern an der Wertschöpfungskette, mit besonderem Augenmerk auf die Entwicklungen im digitalen Zeitalter.

Drehbuchautoren, Regisseure und Schauspieler schaffen durch ihre künstlerische Arbeit Film- und Fernsehwerke, die gesendet, wiederholt und weiterverwertet werden können. Hochwertige Qualität ist die Grundlage für einen wirtschaftlichen Erfolg. Im Bewusstsein der Öffentlichkeit ist im Besonderen der Schauspieler mit einem Werk verbunden, weil er Gesicht zeigt, durch seine Physis, seine Gedanken und Gefühle den Stoff erst zum Leben erweckt. Weil er in Erinnerung bleibt, ist er besonders eng mit Erfolg oder Misserfolg eines Werkes verknüpft.

Daraus folgt, dass eine Vergütung für diese künstlerische Tätigkeit nur dann als angemessen bezeichnet werden kann, wenn sie sowohl einen Lohn für die Arbeit umfasst als auch eine Vergütung bei Wiederholung und Folgeverwertung des Werkes, sprich eine Partizipation an der Wertschöpfungskette.

Eine Beteiligung an den nachhaltigen Ertragsstrukturen ihrer Arbeit ist für diese kreativen Berufe zudem ein wichtiger Baustein ihrer sozialen Absicherung und vor allem auch der Altersvorsorge, weil ihr Berufsleben und damit auch ihre Ertragssituation extrem großen Schwankungen unterworfen ist.

Den prägenden und bestimmenden Anteil der Urheber und Leistungsschutzberechtigten am Werk hat der Gesetzgeber mit dem Urheberrechtsgesetz aus dem Jahre 2002 noch stärker anerkannt und versucht, ihre Rechtsposition zu stärken.

Leider sieht die Praxis anders aus.

Das online- Engagement des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – Telemedienkonzepte

Der Bereich der digitalen Verwertung von Werken ist das große Feld der Zukunft – ein weites Feld und völliges Neuland, was die Abgeltung von Urheberrechten anbelangt. Die Telemedienkonzepte von ARD und ZDF sehen z.B. die Einstellung von Fernsehfilmen und Serien in sog. Mediatheken vor, wo sie bis zu einem Jahr jederzeit rund um die Uhr abgerufen werden können – ohne allerdings die Kosten zur Abgeltung der Verwertungsrechte von Urhebern und Leistungsschutzberechtigten bei dieser umfangreichen Internet-Auswertung im Rahmen des gesetzlich vorgeschriebenen Dreistufentests anzusetzen.

So findet sich in den Telemedienkonzepten für die Internetverwertung z.B. bei der ARD der Wertansatz „null“. Ein solcher Wertansatz unterstellt also, dass eine Vergütung für diese neuartige Verwertung an die Urheber und Leistungsschutzberechtigten nicht gezahlt werden muss. Dieses widerspricht völlig der Üblichkeit auf internationalen Medienmärkten.

Deshalb versuchen die Sender seit geraumer Zeit, für Urheber und Leistungsschutzberechtigte erweiterte Buyout-Regelungen durchzusetzen, vor allem über Tochterfirmen oder Auftragsproduktionen, um so ihre eigenen Tarifverträge, die sehr wohl Wiederholungshonorare und eine Beteiligung bei Folgeverwertungen vorsehen, zu umgehen. Angesichts der ungleichen Machtverhältnisse kommt dies in der Praxis einer erzwungenen Rechteabtretung gleich, die den Urhebern und Leistungsschutzberechtigten die Möglichkeit nimmt, durch die Nutzung dieser Rechte Einnahmen zu erzielen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der eine marktbeherrschende Stellung einnimmt, schließt hier seine werk- und programmprägenden Partner weitgehend aus.

Der BFFS fordert deshalb eine faire und angemessene Beteiligung der Urheber und Leistungsschutzberechtigten bei Bereitstellung von Auftrags- und Co-Produktionen zum Abruf in Telemedienangeboten.

Zudem bedarf es einer gesetzlichen Klarstellung hinsichtlich der Abgrenzung, welche Art der Nutzung von Werken unter das Senderecht (§ 20 UrhG) fällt oder der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19 UrhG). Der gewichtige Unterschied zwischen diesen beiden unterschiedlichen Nutzungsarten wird durch die öffentlich-rechtlichen Sender zunehmend verwischt, indem sie versuchen, das Senderecht gummiartig ausdehnen und jede Nutzung im Internet darunter fallen zu lassen – ohne die unterschiedlichen Nutzungen den Urhebern und Leitungsschutzberechtigten zu vergüten.

Wie viel ist kreative Arbeit wert? Wo sind die Verhandlungspartner?

Mit dem Urheberrechtsgesetz aus dem Jahr 2002 hat der Gesetzgeber einen wichtigen Schritt zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern (Leistungsschutzberechtigten) getan.

So ist in § 36 Abs. 1 UrhG geregelt, dass Urheber und Leistungsschutzberechtigte zusammen mit den Werknutzern gemeinsame Regeln aufstellen können zur Angemessenheit von Vergütungen (§ 32 UrhG).

In der Praxis wird dieser Rechtsanspruch allerdings seit Jahren ausgehebelt. Nach mehrjährigen Verhandlungen erklärten sich die Produzenten für nicht zuständig für die Aufstellung verbindlicher Vergütungsregeln mit dem Argument, sie seien keine „Werknutzer“ im Sinne des § 36 Abs. 1 UrhG. Im Rahmen von Auftragsproduktionen hätten sie keine wirtschaftliche Freiheit, weil die Verwertungsrechte aus Filmen bei den Sendern lägen, z.B. beim ZDF. 

Die öffentlich-rechtlichen Sender wiederum weigern sich, Verhandlungen über gemeinsame Vergütungsregeln aufzunehmen, weil sie keine unmittelbaren Vertragspartner der Kreativen seien und damit auch keine Werknutzer im Sinne des § 36 UrhG.

Der tatsächliche Wille auf Verwerterseite, verbindliche gemeinsame Vergütungsregeln aufzustellen, ist nicht zu erkennen und die Urheber und Leitungsschutzberechtigten werden in der Folge wie in einem Ping-Pong-Spiel hin- und hergeschoben. Im Gegenteil wird der gesetzliche Anspruch auf eine angemessene Vergütung nach § 32 fortwährend ausgehöhlt, indem sich die Kreativen dramatisch sinkenden Gagen und zunehmend Dumpinglöhnen ausgesetzt sehen. Der Anspruch auf Wiederholungshonorare und Vergütung bei Folgeverwertung, der in den Tarifverträgen der öffentlich-rechtlichen Sender vorgesehen ist, wird zunehmend über produzierende Sendertöchter oder Auftragsproduktionen umgangen.

Das Bild des Schauspielers in der Öffentlichkeit ist leider immer noch geprägt von einer Handvoll gutverdienender „Stars“, für die überwiegende Mehrheit der Schauspieler sieht die Situation aber vollkommen anders aus. Die derzeitige Praxis nimmt für viele Film- und Fernsehschauspieler mittlerweile existenzbedrohende Ausmaße an.

Gesetzlich gibt es zwar die theoretische Möglichkeit, gerichtlich festzustellen, dass Produzenten und/oder Fernsehanstalten Werknutzer im Sinne des § 36 UrhG sind, allerdings sind die meisten Verbände der Urheber und Leistungsschutzberechtigten mit einer solchen Klage wirtschaftlich überfordert.

Vor diesem Hintergrund fordert der BFFS die Politik dringend auf, durch eine gesetzliche Klarstellung des Begriffs „Werknutzer“ dafür zu sorgen, dass § 36 UrhG nicht weiterhin in der Praxis ins Leere läuft bzw. von den Fernsehsendern und Produzenten unterlaufen werden kann. Eine Möglichkeit zur Klarstellung könnte aus Sicht des BFFS darin bestehen, dass § 36 UrhG mit einer Legaldefinition des „Werknutzers“ ergänzt wird.

Waffengleichheit? Für faire Vertragsbedingungen und eine angemessene Beteiligung – Umsetzung der Aufforderung der Länder im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag

Die Länder haben der großen Ungleichheit der Verhandlungspositionen Rechnung getragen und den öffentlich-rechtlichen Sendern in einer Protokollerklärung zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag einen klaren Auftrag erteilt.

„Die Länder bekräftigen ihre Auffassung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Bereich Film- und Fernsehproduktionen Unternehmen sowie Urhebern und Leistungsschutzberechtigten ausgewogene Vertragsbedingungen und eine faire Aufteilung der Verwertungsrechte gewähren soll. Sie fordern die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf, dazu in ihren Selbstverpflichtungen nähere Aussagen zu treffen.“

Diese näheren Aussagen sind bis heute leider ausgeblieben, im Gegenteil, die Situation bei der fairen Aufteilung der Verwertungsrechte hat sich dramatisch verschlechtert.

Der BFFS bittet insofern die Verantwortlichen der Länder eindringlich, hier auf eine Einhaltung des erteilten Auftrags hinzuwirken und die Protokollerklärung bei der nächsten Novelle des Rundfunkstaatsvertrags ins Gesetz aufzunehmen, um ihr stärkeres Gewicht zu verschaffen.

Ein erster Schritt zu einer fairen Beteiligung wäre es, wenn sich die öffentlich-rechtlichen Sender, denen aufgrund ihrer Gebührenfinanzierung eine hohe soziale Verantwortung zukommt, an ihre internen Tarifverträge hielten und diese zudem zur verbindlichen Grundlage aller von ihnen vergebenen Auftragsproduktionen machten.

Wir kommen Euch anders

Die Sehgewohnheiten und das Rezeptionsverhalten in unserer Gesellschaft ändern sich mit der Digitalisierung der Welt auf rasante Weise. Stand früher der klassische Fernseher alleine im Mittelpunkt, werden Film- und Fernsehwerke zunehmend auf immer neuen Bildschirmen und Displays abgerufen und angeschaut, auf Monitoren von PCs, Laptops, Notebooks, auf Handydisplays – vielleicht sogar irgendwann auf dem Display Ihrer Spülmaschine 😉

Darüber freuen wir uns, denn wir leben davon, dass unsere Werke gesehen werden. Um Berufe wie Drehbuchautoren, Regisseure und Schauspieler aber auch in Zukunft als hoch spezialisierte Berufe zu erhalten und nicht zum Hobby werden zu lassen, muss eine Grundbedingung gelten:

Jede Nutzung muss vergütet werden!