Sensation! ProSiebenSat.1 und BFFS haben Folgevergütungen vereinbart!

Heinrich Schafmeister
3. Juli 2013
arrow photo
Copyright Dean Hochman

Am 01.07.2013 haben der BFFS sowie der Privatsender ProSiebenSat.1 in München sogenannte „Gemeinsame Vergütungsregeln“ (GVR) im Sinne des Urheberrechtsgesetzes unterschrieben. Diese Vergütungsregeln sind die ersten ihrer Art und regeln für Schauspielerinnen und Schauspieler bei Produktionen, die von ProSiebenSat.1 beauftragt bzw. überwiegend finanziert sind, sowohl die Einstiegsgage als auch Folgevergütungen. Letztere gelten auch rückwirkend, so dass viele von uns noch Nachzahlungen für erfolgreiche Filme und Serienepisoden aus der Vergangenheit erwarten dürfen.

Ausgangssituation

Die Älteren unter uns erinnern sich noch: Früher zahlten neben dem ZDF auch die ARD-Sender Folgevergütungen, wenn unsere Filme wiederholt oder ins Ausland verkauft wurden. Aber nicht zuletzt mit Verweis auf ihre kommerzielle Konkurrenz haben die gebührenfinanzierten Sender schon seit Jahren die von uns favorisierte Praxis der Folgevergütung nach und nach sterben lassen.

Als letzter öffentlich-rechtlicher Sender schafft zurzeit auch das ZDF die sogenannten Wiederholungsverträge ab. Hatte jemand beim ZDF früher eine reduzierte, aber „wiederholungsfähige“ ZDF-Gage, so erhält er sie heute als Buyout-Gage. Viele Kolleginnen und Kollegen sind aufgebracht und fragen: Ist das nicht verboten?

Die traurige, aber schlichte Antwort ist: Nein! Ohne Tarifvertrag mit den Produzenten und Gemeinsame Vergütungsregeln mit Sendern haben wir keine rechtliche Handhabe für Wiederholungsgagen oder gegen ruinöse, auf den Hund gekommene Gagen. Ohne gemeinsam ausgehandelte Regeln herrscht das Recht des Stärkeren – und das ist nie der Einzelkämpfer.

Darum haben wir uns vor 4 Jahren auf den beschwerlichen Weg gemacht, solche Regeln einzufordern. Nach dreijährigem zähem Ringen konnten wir am 02.07.2013 die Tarifverhandlungen mit der Produzentenallianz über eine „Einstiegsgage“ erfolgreich abschließen. Die Produzentenallianz muss die Ergebnisse zwar noch intern abstimmen, aber dann tritt ab 01.01.2014 für Schauspielerinnen und Schauspieler bei Dreharbeiten der erste Tarifvertrag in Deutschland in Kraft, der unter anderem eine Gagenuntergrenze auf Höhe der Einstiegsgage festschreibt.

Achtung! Das wird den allgemeinen Gagenverfall nicht umkehren können. Aber zumindest die „tierischen“ Ausreißer unter die Schmerzgrenze sind dann verboten. Wir werden auf diesen tariflichen Abschluss noch näher eingehen, sobald er paraphiert worden ist.

Einstiegsgage bei ProSiebenSat.1

Einen weiteren Grund zum Feiern geben uns die oben bereits erwähnten Gemeinsamen Vergütungsregeln, die wir unter Federführung unserer beiden Justitiare und Rechtsanwälte Bernhard Störkmann und Brien Dorenz sowie unserem Vorstandsmitglied Heinrich Schafmeister parallel zu den Tarifverhandlungen mit dem Senderverbund ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH ausgehandelt haben. Die Verhandlungen liefen erst seit Ende letzten Jahres, auf Wunsch beider Seiten sehr diskret, aber dafür umso intensiver.

Bei allen Produktionen, die überwiegend von ProSiebenSat.1 beauftragt bzw. finanziert sind, gilt ab sofort für Schauspielerinnen und Schauspieler ebenfalls eine Einstiegsgage. Sie beträgt 880 € und liegt damit sogar über der o.g. tariflich mit der Produzentenallianz vereinbarten, allgemein eingeführten Einstiegsgage. In den GVR ist ausdrücklich schriftlich vereinbart, dass mit dieser Einstiegsgage keine Nivellierung des Gagengefüges nach unten bezweckt wird. Unterschreitungen dieser Einstiegsgage sind nach den GVR nur möglich, wenn sie auch tariflich erlaubt sind oder wenn es sich um von ProSiebenSat.1 mitfinanzierte Debütfilme handelt, die laut den GVR auf zwei pro Jahr limitiert sind.

Folgevergütung nach Zuschauerquote

Aber nun die wirkliche Sensation, die mit den GVR erzielt wurde: ProSiebenSat.1 ist der erste Sender, der Schauspielerinnen und Schauspielern Folgevergütungen verbindlich zugesteht. Nachdem der Sender ursprünglich im Sinne des Urheberrechts nur eindeutige „Bestseller“ nachvergüten wollte, haben wir uns im Laufe der Verhandlungen auf deutlich niedrigere Erfolgsschwellen zur Beteiligung geeinigt. Damit wird ausgerechnet ein Privatsender zum Vorreiter einer gerechteren Vergütungskombination von angemessener erfolgsunabhängiger Grundvergütung plus quotenabhängiger Folgevergütung.

Vereinbart ist in den GVR folgendes: Schafft eine 45-minütige Serienepisode im Laufe der Auswertung eine Zuschauerquote, die 40% über der „Referenzreichweite“ von 3,75 Millionen Zuschauern liegt (das sind 5,25 Millionen Zuschauer), dann ist die erste Beteiligungsstufe erreicht und werden insgesamt 4.000 € an die Gesamtheit der an der Episode mitwirkenden Schauspielerinnen und Schauspieler ausgeschüttet. Steigt die Zuschauerquote weiter an und erklimmt weitere 40%-Beteiligungsstufen, werden jeweils weitere 5.000 € an die Gesamtheit der Schauspielerinnen und Schauspieler verteilt.

Das gleiche Prinzip gilt für Spielfilme bzw. Reihen (90-Minüter) und Kinofilme. Die Referenzreichweite liegt hier bei 4,65 Millionen Zuschauern. Bei 40% darüber, das sind 6,51 Millionen Zuschauer, werden auf der ersten Beteiligungsstufe an die Gesamtheit der an der Produktion mitwirkenden Schauspielerinnen und Schauspieler 8.000 € ausgeschüttet, bei allen weiteren 40%-Beteiligungsstufen jeweils weitere 10.000 €.

Wenn der Finanzierungsanteil des Senders besonders groß sein sollte (>=1,7 Millionen €), liegen die Referenzreichweiten und die Beteiligungsstufen höher, bei niedrig budgetierten Debütfilmen setzen sie früher ein.

Für die Ermittlung der Zuschauerquote spielt es keine Rolle, bei welchem Sender der ProSiebenSat.1-Gruppe sie gemessen wird, d.h. alle Nutzungen bei allen Sendern der ProSiebenSat.1-Gruppe zählen mit. Auch kostenlose wie -pflichtige VideoOnDemand-Abrufe und Kauf-DVDs sind zu berücksichtigen.

Außerdem werden die Schauspielerinnen und Schauspieler einer Produktion auch an den Programmvertriebserlösen mit 5% beteiligt – allerdings erst nach Rückführung eines senderseitig zur Refinanzierung benötigten Sockelbetrags.

Sollten etwa bei Animationsfilmen, bei Voiceover-Stimmen oder bei Rollen, die von ausländischen Kolleginnen und Kollegen gespielt werden, auch Synchronschauspielerinnen und -spieler zum Einsatz kommen, gehören auch sie zu den Folgevergütungsberechtigten.

Die Vergangenheit wird nachvergütet

Der Knüller: ProSiebenSat.1 zahlt, wie oben bereits erwähnt, auch Folgevergütungen für vergangene Serienepisoden, Spielfilme, Reihen und Kinofilme. Die Beteiligungsstufen werden analog berechnet. Allerdings hängen die Ausschüttungssummen davon ab, welcher Anteil der Zuschauerquote nach dem (aus juristischen Gründen relevanten Stichtag) 28.03.2002 erreicht wurde. Denn die urheberrechtlichen Voraussetzungen gelten erst seit dem 28.03.2002. Hat ein früherer Erfolgsfilm aufgrund der Zuschauerquote zwei Stufen erreicht, und wurden 2 Drittel dieser Quote nach dem 28.03.2002 erzielt, dann werden (nur 😉 2 Drittel der Ausschüttungssumme verteilt. Das wären (8.000 € + 10.000 €) × 2/3 = 12.000 €. Allein für die Altfälle rechnen wir insgesamt mit Millionenzahlungen.

Die Deutsche Schauspielkasse

Keine Angst: Niemand von uns muss sich in Zukunft selbst an die Produzenten oder an ProSiebenSat.1 wenden. Die Verteilung der mit ProSiebenSat.1 vereinbarten Folgevergütungen übernimmt – genauso wie die Verteilung der Erlösbeteiligungen bei Kinofilmen gemäß dem mit der Produzentenallianz vereinbarten Kino-Erlösbeteiligungs-Tarifvertrag – die Deutsche Schauspielkasse, die wir für die Schauspielerinnen und Schauspieler bis zum Ende des Jahres auf die Beine stellen werden. Sie wird dann ab Anfang nächsten Jahres vor allem nach und nach den beträchtlichen Berg der ProSiebenSat.1-Folgevergütungen aus der Vergangenheit an die berechtigten Schauspielerinnen und Schauspieler zu verteilen haben.

So liegen nicht nur ungeheure Anstrengungen hinter, sondern auch noch viele Aufgaben vor uns. Aber mit Eurer Unterstützung werden wir auch diese meistern.

Vielleicht können wir angesichts dieser mit der Macht von 2.450 BFFS-Mitgliedern errungenen drei Erfolge

  • Kinoerlösbeteiligungen durch Ergänzungstarifvertrag,
  • Einstiegsgage durch Schauspieltarifvertrag
  • und Folgevergütungen bei ProSiebenSat.1 durch Gemeinsame Vergütungsregeln,

noch weitere Kolleginnen und Kollegen überzeugen, dem BFFS beizutreten.

Wenigsten sollten sie erfahren, wo sie ab Anfang nächsten Jahres ihre Folgevergütungen abholen können.

Mit herzlichem Dank und Gruß

Euer BFFS-Vorstand