Freihandelsabkommen bedroht unsere Kultur

Hans-Werner Meyer
3. Juli 2014
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Auf dem Sommerfest der SPD-Fraktion traf ich neben dem stellvertretenden SPD Parteivorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel (auch stellvertretender Vorsitzender des SPD-Kulturforums), dem Mitglied des SPD-Kulturforums Dr. Klaus-Jürgen Scherer und dem Bundesjustizminister Heiko Maas auch den Präsidenten der Akademie der Künste, Klaus Staeck. Wir hatten die Möglichkeit, lange und intensiv über die Gefahren zu sprechen, die das sogenannte Freihandelsabkommen TTIP mit den USA für unsere Kultur und unsere Kulturschaffenden bedeutet.

Die Linie der SPD ist zwar dankenswerterweise klarer als die der vorausgegangenen schwarz-gelben Koalition im Hinblick auf die von sämtlichen Kulturverbänden seit langem geforderte Ausnahme der Kultur, weil sie diese vorbehaltlos unterstützt, aber die fehlende Transparenz bei den Verhandlungen und sowohl die Interessenlage als auch die Verhandlungsführung der USA geben - nach dem zu urteilen, was von den Geheimverhandlungen trotzdem nach außen dringt - Anlass genug zu bleibendem Misstrauen.

Es geht eben nicht nur darum, die Farbe der Blinklichter in der Automobilbranche zu harmonisieren, um unnötige Handelsbarrieren abzubauen, sondern es geht um knallharte wirtschaftliche Interessen, insbesondere der großen Internetkonzerne. Kulturelle Dienstleistungen bilden das zweitgrößte Exportvolumen der USA. Unser Kulturverständnis einer öffentlich geförderten und für die gesamte Gesellschaft zugänglichen Kultur prallt bei den Verhandlungen auf den US-amerikanischen, rein privatwirtschaftlich definierten Kulturbegriff und das daraus resultierende Interesse, hiesige Anbieter kultureller Dienstleistungen als Konkurrenten aus dem Weg zu räumen.

Meyer Staeck
© BFFS

Es gibt keine sinnvolle Art, es sachlicher zu formulieren und damit zu beschönigen. Wer wahrnimmt, wie Amazon gerade dabei ist, selbst die größten Verlangs-Konglomerate zu zerstören, um eine derart marktbeherrschende Stellung zu erhalten, dass der Konzern in der Lage ist, jeden einzelnen Schritt von der Wertschöpfung über den Handel bis zur Auslieferung zu beherrschen, bei dem müssten sämtliche Alarmglocken schrillen. Das Ziel ist Profitmaximierung und Marktbeherrschung. Dafür scheint das erklärte Ziel von Amazon, bald selbst die Filme zu produzieren, die das Unternehmen dann vertreibt, und zwar mit Geschichten, die aufgrund der zur Verfügung stehenden Kundendaten genau auf deren Bedürfnisse zugeschnitten sind, nichts weniger als folgerichtig.

Filmförderung und Subventionierung der Kulturbetriebe werden in diesem System und bei dieser klaren Interessenlage notwendig als „Wettbewerbsverzerrungen“ wahrgenommen, die mithilfe der keiner Öffentlichkeit mehr verpflichteten Schiedsgerichte (ebenfalls Teil des Abkommens) abgeschafft werden können und, da darf man sich keinen Illusionen hingeben, auch abgeschafft werden, sobald sie die wirtschaftlichen Interessen eines global agierenden Kulturanbieters im Weg stehen.

Zum Glück formiert sich gerade eine hartnäckige Öffentlichkeit gegen dieses Abkommen, das eben nicht, wie gerne behauptet, auf Augenhöhe geführt wird. Es gibt im Gegenteil, wie gesagt, eine klare Interessenlage. Was gut für die heimische Autoindustrie ist und die großen, globalen Internetkonzerne, ist in diesem Fall schlecht für unsere Kultur. Unsere Kultur ist aber nicht das Privatvergnügen einiger Künstler und Intellektueller. Unsere Kultur bestimmt, wie wir denken, was wir wünschen und wofür wir stehen. Wenn wir zulassen, dass in Zukunft ein, zwei global, agierende Anbieter kultureller Inhalte aufgrund der Ihnen zur Verfügung stehenden Kundendaten bestimmen, welche Grschichten wir hören, dann wäre das eine Art kultureller Selbtmord und das Ende der Selbstbestimmung. Beim kulturellen Artensterben gilt was auch beim physischen Artensterben gilt: Was erst mal verschwunden ist, kehrt nicht zurück.

Aber der Gegendruck der Öffentlichkeit zeigt Wirkung. Allen Politikern, mit denen ich Gelegenheit hatte zu sprechen, ist klar, dass das Abkommen so, wie es derzeit geplant ist, nicht durchkommen darf. Aber da auch von ihnen niemand genau weiß, was da eigentlich wirklich verhandelt wird, muss dieser Druck aufrechterhalten und verstärkt werden. Dankenswerterweise tut das sowohl der Kulturrat als auch die Akademie der Künste, um nur zwei der kulturellen Spitzenorganisationen zu nennen.

Wer mehr wissen möchte, kommt über diese Links auf die Seiten der beiden Organisationen und findet dort mehr Informationen.

http://www.kulturrat.de/detail.php?detail=2865&rubrik=4

http://www.adk.de/de/blog/index.htm?we_objectID=33423