Bundessozialgericht

Hauptberuflich im Synchronbereich tätige Schauspielerinnen und Schauspieler sind „Unständig Beschäftigte“

Dr. Till Valentin Völger
16. August 2016

Am 27. April hatte das Bundessozialgericht in zwei Fällen zur Frage der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung von Schauspielern aus der Synchronbranche zu entscheiden. Seit kurzem liegen nun auch die ausführlichen Begründungen zu den gefällten Beschlüssen vor (siehe hier und hier), in denen das Gericht den Sozialstatus von Synchronschauspielerinnen und -schauspielern klar umschreibt. Wie schon aus dem Beitrag vom 20. Mai 2016 hervorgeht, schließt sich damit der Kreis.

In der Synchronbranche werden Schauspielerinnen und Schauspieler durch Eingliederung in den Betrieb der jeweiligen Produktionsunternehmen tätig. Dabei liegen insbesondere Vorgaben hinsichtlich der zeitlichen Abfolge der Aufnahmen, der Räumlichkeiten sowie der Dialog- bzw. Synchronbücher vor. Hinzu kommen im Einzelnen Weisungen der von den Unternehmen gestellten Regisseure, Cutter und Tonmeister. Auch hinsichtlich der Wiederholung der einzelnen Aufnahmen unterliegt ein Synchronschauspieler einem Weisungsrecht. Das Bundessozialgericht kam dementsprechend auf Basis einer detaillierten Tätigkeitsbeschreibung zu dem Ergebnis, dass eine sozialversicherungsrechtlich abhängige Tätigkeit vorliegt.

Damit herrscht nun endlich Klarheit in einem Bereich, der seit den Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 5. Juli 2005 (siehe hier) und vom 30. September 2005 (siehe hier) zu sehr unterschiedlichen und teilweise willkürlich anmutenden Abrechnungsmodalitäten geführt hatte. Danach konnte es passieren, dass ein Synchronschauspieler an einem Tag bei einem Unternehmen auf Basis der Selbstständigkeit abgerechnet wurde und am selben Tag bei einem anderen Unternehmen als abhängig Beschäftigter. Grundlage dieser unterschiedlichen Behandlungen war das von den Sozialversicherungsträgern ins Leben gerufene sog. „16-Fälle-Modell“ (siehe hier). Diese Verlautbarungen, auf die sich die Synchronproduzenten im Kern seit Jahren stützen, ist laut Bundessozialgericht für die sozialrechtliche Einordnung „ohne Belang“ und daher nicht anzuwenden.

Aus den Entscheidungsbegründungen wird vielmehr sehr klar deutlich, dass hauptberuflich im Synchronbereich tätige Schauspielerinnen und Schauspieler gerade nicht selbstständig, sondern als sog. „unständig Beschäftigte“ tätig sind. Dieser Sonderstatus ist als Variante der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse sehr zu begrüßen, da sich die Krankenversicherung auch auf die Zeiträume erstreckt, in denen keine Beschäftigung ausgeübt wird – maximal allerdings für drei Wochen oder 21 Tage. Auch fallen keine Abgaben in die Arbeitslosenversicherung an. Da in der Regel kein Anspruch auf Krankengeld besteht, ist der Beitragssatz in die Krankenversicherung ermäßigt.

Anders stellt sich die Situation für Kolleginnen und Kollegen dar, deren Erwerbstätigkeit überwiegend in Bereichen liegen, die nicht dem Tätigkeitsbild eines Synchronschauspielers entsprechen bzw. die nicht die Voraussetzungen der Unständigkeit erfüllen, also wie bei vorwiegenden Bühnen-, Film- oder Fernsehschauspielern. Dann werden für die Synchroneinsätze die Sozialabgaben in vollem Umfang fällig – auch in die Arbeitslosenversicherung, obwohl da kaum Anspruch auf Arbeitslosengeld entstehen dürfte. Eine gesetzliche Schieflage, bei der insbesondere der BFFS seit Jahren nicht müde wird, dagegen an zu gehen.

Festzuhalten bleibt, dass Synchronproduzenten bei Synchronschauspielleuten verpflichtet sind, Sozialabgaben zu entrichten. Sollten die Synchronproduzenten jetzt einfach weiter auf Basis der Selbstständigkeit abrechnen, setzen sie sich der Gefahr von Nachzahlungen aus, bei denen sie dann neben dem Arbeitgeber- auch den Arbeitnehmeranteil tragen müssen. Darüberhinaus machen sie sich gegebenenfalls nach § 266a StGB strafbar. Sie wären dementsprechend gut beraten, die Entscheidung des Bundessozialgerichts zu befolgen und für jede Synchronproduktion auch entsprechend abzurechnen. Auch gegenüber den Kunden, Sendern und Filmverleihern, ist die Klärung der Rechtslage eine nachvollziehbare Begründung, laufende und künftige Produktionen mit den Kosten der Sozialversicherungsabgaben zu kalkulieren.

In diesem Rahmen setzen alle Beteiligten natürlich weiterhin auf den Dialog. Der InteressenVerband Synchronschauspieler e.V. (IVS) steht hier – genau wie der BFFS – jederzeit für Gespräche zur Verfügung. Nicht zuletzt geht es auch darum, potentiellen Schaden von unseren Auftraggebern bzw. Arbeitgebern abzuwenden. Die Schauspieler trifft jetzt erstmal keine Pflicht zum Handeln, der Ball liegt bei den Synchronproduzenten. Die könnten sich im Zweifelsfall schützen, indem sie für jeden einzelnen Einsatz eines Synchronschauspielers eine Statusfeststellung bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) beantragen. Ein sicher sehr Bürokratie lästiges Vorgehen, allerdings ist eine neue Verlautbarung durch die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger noch nicht all zu bald zu erwarten.

Derzeit befinden sich acht weitere Verfahren zu dieser Frage vor verschiedenen Gerichten in Deutschland. Sie werden durch den IVS finanziert und koordiniert. Nach dem Beschluss des Bundessozialgerichts werden diese teils ruhend gestellten Verfahren nun wieder aufgenommen. Daneben gibt es bereits drei rechtskräftige Urteile des Sozialgerichts Berlin, des Landessozialgerichts Potsdam und des Landessozialgerichts München, wonach die Tätigkeit eines Synchronschauspielers nicht selbstständig, sondern als unständige Beschäftigung abzurechnen ist. Die Krankenkassen und die Deutsche Rentenversicherung hatten hier keine Rechtsmittel eingelegt.

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