EINE ROLLE VOR? ODER ZWEI ROLLEN RÜCKWÄRTS?

Der BFFS im Gespräch mit Thomas Oppermann über das Urhebervertragsrecht

Die parlamentarischen Beratungen um die Reform des Urhebervertragsrechts sind zurzeit in vollem Gange. Die Regierungskoalition von Union und SPD möchte das Gesetz möglichst noch in diesem Jahr verabschieden. Und so haben wir uns gefreut, in dieser heißen Phase Gelegenheit zu bekommen, mit dem SPD-Fraktionschef, Thomas Oppermann, seiner Referentin Katharina Mohr und Christian Flisek sowie Sigmund Ehrmann (beide im SPD-Arbeitskreis Urheberrecht) über die Chancen und Risiken des Gesetzesvorhabens zu reden.

„Urhebervertragsrecht“ …

… nennt man den Teil des Urheberrechtsgesetzes, der sich mit den vertraglichen Beziehungen zwischen Kreativen und Werknutzern befasst. Dieser Gesetzesteil wurde im Jahr 2002 dahingehend präzisiert, dass Urheber (wie in unserer Filmbranche aus den Bereichen Drehbuch, Regie, Kamera, Szenen-, Kostüm-, Maskenbild, Tongestaltung, Filmmontage und Filmkomposition) und ausübende Künstler (wie in unserem Fall aus den Bereichen Schauspiel und Musikinterpretation) angemessen vergütet werden sollen. Und „angemessen“ heißt: Wenn Werknutzer wie etwa Filmhersteller oder Sender mit Filmwerken wirtschaftliche Erfolge bzw. Vorteile erzielen, sollten die Kreativen nicht leer ausgehen, sondern daran teilhaben. Und weil beim Aushandeln ihrer Gagen die einzelnen Kreativen wegen ihrer Abhängigkeit von den übermächtigen Werknutzern diesen hoffnungslos unterlegen sind, schuf der Gesetzgeber damals das Instrument der sogenannten „gemeinsamen Vergütungsregeln“. Nicht der einzelne, sondern repräsentative Verbände von Kreativen sollten mit Werknutzern bzw. ihren Verbänden gemeinsame Vergütungsregeln aufstellen, um angemessene Vergütungen inklusive Beteiligungen an Erlösen und Vorteilen zu gewährleisten. Wenn Gewerkschaften entsprechende Tarifverträge für die Kreativen durchsetzen – noch besser! So war die Stimme des Gesetzgebers im Jahre 2002.

Seitdem …

… wurde aber leider diese Stimme viel zu wenig gehört. Gerade die Werknutzerseite war selten oder nur widerwillig bereit, mit Kreativverbänden und Gewerkschaften verbindlich zu regeln, wie angemessene Vergütungen in den verschiedenen Kreativbranchen konkret auszusehen haben. In der Film- und Fernsehbranche sind erst im Jahr 2013 z. B. mit Produzentenallianz, ver.di und BFFS der Kinoerlösbeteiligungstarifvertrag und mit ProSiebenSat.1, BFFS, BVR und VDD jeweils gemeinsame Vergütungsregeln vereinbart worden. Im viel größeren Teil des Fernsehmarkts, der von den mit öffentlich-rechtlichen Geldern finanzierten ARD- und ZDF-Sendern beherrscht wird, sind nach wie vor überwiegend Buyout-Gagen üblich, mit denen Kreative einmalig abgespeist werden. Viele Filme, Reihen und Serien werden noch nach Jahren wiederholt oder auf Mediatheken bereitgestellt, ohne auch nur mit einem Cent die mitwirkenden Kreativen zu beteiligen, von denen etliche inzwischen auf Hartz IV angewiesen sind. Das war nicht im Sinne des Erfinders. Das Gesetz hatte zwar eine klare Stimme, aber ihm fehlten schlicht die Zähne.

Der Referentenentwurf …

… von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vor einem Jahr war nun der ambitionierte und löbliche Versuch, dem Gesetz ein wenig Biss zu verleihen. Der Entwurf sah für die Werknutzer, die sich winden, gemeinsame Vergütungsregeln mitzugestalten, einige lästige Auflagen vor. Werknutzer sollten z. B. verpflichtet werden, über Art und Umfang der Nutzungen eines Werks allen mitwirkenden Urhebern und ausübenden Künstlern Auskunft zu geben. Nur im Zusammenhang mit gemeinsamen Vergütungsregeln bzw. Tarifverträgen sollten solche lästigen Auflagen auszuschließen sein. Ein vernünftiger Ansatz und ein starker Anreiz für Verwerter und Kreativverbände, sich kollektivvertraglich auf angemessene Vergütungen zu einigen. Mit dem Referentenentwurf schien die Koalition zugunsten der Kreativbranchen eine wirkliche Rolle vorwärts vollziehen zu wollen. Allein die Ankündigung dieses Referentenentwurfs zeigte die gewünschte Wirkung. Auf einmal stellten sich etwa die ARD-Sender ernsthaft auf Verhandlungen mit den Kreativverbänden ein.

Allerdings machten auch die Interessensvertreter der Verwerterseite mobil, wetterten gegen den Referentenentwurf und malten den Politikern in Bund und Ländern für den Fall seiner Umsetzung den Teufel an die Wand. Unter diesem Eindruck wurde der Entwurf arg verschlimmbessert.

Der Regierungsentwurf …

… der dann das Kabinett passierte, bedeutete die doppelte Rolle rückwärts. Würde das Gesetz so vom Parlament beschlossen, wäre es nicht nur zahnlos, sondern verlöre auch noch die Stimme. Die rechtlichen Möglichkeiten, angemessene Vergütungen für die Kreativen durchzusetzen, wären noch aussichtsloser als mit der derzeitigen Gesetzeslage und Rechtsprechung. Das geltende Auskunftsrecht würde rigoros eingeschränkt, viele Urheberleistungen würden herabgewürdigt zu „untergeordneten Beiträgen“, Kreative im Beschäftigungsverhältnis – das sind in unserer Filmbranche die meisten – würden praktisch wehrlos.

Das Thesenpapier …

… des Arbeitskreises Urheberrecht der SPD-Bundestagsfraktion zur Reform des Urhebervertragsrechts ist eine der wenigen Hoffnungen, die uns Kreativen noch bleiben. Dieses Thesenpapier stellt die Verhältnisse wieder vom Kopf auf die Füße und beschreibt, dass nicht die Kreativen, sondern Buyout-Gagen, die Übermacht der Werknutzer und das Nichtzustandekommen gemeinsamer Vergütungsregeln eine Gefahr für das kreative Schaffen in unserem Lande sind.

Unser Besuch bei Thomas Oppermann …

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v.l.n.r. Christian Flisek, Brien Dorenz, Heinrich Schafmeister, Bettina Zimmermann, Thomas Oppermann, Sigmund Ehrmann ©Katharina Mohr

… sollte die SPD-Fraktion bestärken, im Sinne ihres Thesenpapiers noch Einfluss auf die Novellierung des Urhebertarifvertragsrechts zu nehmen. Denn wir Kreative wollen den Verwertern keine Steine in den Weg legen. Sie sollen unsere Werke einem möglichst breiten Publikum zugänglich machen. Die Zuschauer, die Verwerter, die Produzenten sollen davon profitieren – aber eben auch wir Kreative!

Die SPD und auch die Union müssen sich die Frage stellen: Wollen sie bei der angemessenen Vergütung von Urhebern und ausübenden Künstlern eine Rolle vor oder zwei Rollen rückwärts?