Zugabe bitte!

Heinrich Schafmeister
19. August 2017

Gleichwertige Rollen sind das Eine – gleichwertige Bezahlungen das Andere

Kompliment!

Ihr, die maßgeblichen Sender in Deutschland – ARD, ZDF, ProSiebenSat.1 und RTL –, wolltet es genau wissen und habt die Initiative von unserer Schauspielkollegin Maria Furtwängler aufgegriffen. Ihr habt die von ihr angeregte Studie der Universität Rostock über die Geschlechterdarstellung in Film und Fernsehen wesentlich mitgetragen. Eine Studie, die 3.000 Stunden Eures Programms unter die Lupe genommen hat. Und Ihr habt Euch nicht versteckt, als Eure Studie am 12. Juli vorgestellt wurde – das möchte ich als Teilnehmer dieser Pressekonferenz gerne bezeugen –, obwohl Eure Studie zu einem für Euch … nein, zu einem für unsere ganze Film- und Fernsehbranche peinlichen Ergebnis kam:

„Über alle Fernsehprogramme hinweg kommen auf eine Frau zwei Männer.“ … „Nur Telenovelas und Daily Soaps sind repräsentativ für die tatsächliche Geschlechterverteilung in Deutschland.“ … „Bei den Fernsehvollprogrammen kommt ein Drittel der Programme ganz ohne weibliche Protagonistinnen aus (im Vergleich nur 15% ohne männliche Protagonisten).“ … „Wenn Frauen gezeigt werden, kommen sie häufiger im Kontext von Beziehung und Partnerschaft vor.“ … „Bis zu einem Alter von Mitte 30 Jahren kommen Frauen und Männer in etwa gleich oft vor. Ab Mitte 30 verändert sich dies: hier kommen auf eine Frau zwei Männer. Ab 50 Jahren kommen auf eine Frau drei Männer.“ …

Erstaunt? Wir nicht. Denn das entspricht unseren alltäglichen beruflichen Erfahrungen und auch den bisherigen Messungen unseres Bundesverbandes Schauspiel.

Einsicht ist der Königsweg zur Besserung!

Darum möchte unser Bundesverband Schauspiel, der übrigens wie unsere Gesellschaft von in etwa gleich viel Frauen und Männern getragen wird, Euch Sender herzlich ermuntern: Wiederholt solche Geschlechterstudien, in regelmäßigen Abständen! Wenn unsere Branche mit all ihren kreativen und (selbst-)kritischen Kräften ihre audiovisuelle Darstellung der Geschlechter öfter überprüft und veröffentlicht, wird das verzerrt männerlastige Spiegelbild unserer Realität in Film und Fernsehen allmählich verschwinden.

Es wird verschwinden, ohne dass Ihr Euch wegen eventueller Verletzungen der grundgesetzlich verbrieften Kunstfreiheit Gedanken machen müsst, ohne hochbürokratische Regulierungsmechanismen, und wahrscheinlich sogar ohne die „böse“ Quote. Es wird mit der Zeit verschwinden, das ungleiche Geschlechter-Vor-Bild, allein durch kontinuierliche Selbstvergewisserung.

Apropos Quote …

Kein Grund zur Aufregung! Ganze Blätterwälder von Regelwerken – z. B. Arbeitsrecht, Mietrecht, Verbraucherschutz, Urhebervertragsrecht usw. – haben einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft, weil sie chronisch benachteiligte Gruppen etwas mehr auf Augenhöhe zu anderen hieven. Bei diesen Regelwerken ist von „Spezial“- bis „Folter“-Werkzeugen alles dabei, was einen Eingriff in das freie Spiel gesellschaftlicher Kräfte darstellt. Die Quote ist im Grundsatz nichts anderes. Sie mag wenig originell und den disziplinierenden Charme eines Diätprogramms haben, sie mag im Einzelfall eine zweckdienliche Krücke sein oder eben nicht, darüber können wir gerne kontrovers diskutieren, sie ist jedenfalls kein Teufelswerk.

Und wenn Ihr schon dabei seid, liebe Sender!

Uns Schauspielerinnen und Schauspieler stört noch ein anderes Missverhältnis, auf das auch die bisherigen Recherchen unseres Verbandes hindeuten: Schauspielerinnen sind nicht nur weniger präsent, sondern sie werden zudem schlechter bezahlt als ihre gleichwertigen männlichen Kollegen.

Ihr, die Sender, seid über die Schauspielbudgets bestens informiert, weil die Produktionsfirmen die Kalkulationen mit Euch abstimmen müssen. Für Euch Sender wäre es ein Klacks, die Gagen aller Frauen- und aller Männerrollen eines Jahres zu addieren und zu vergleichen.

Wenn beide Summen ungefähr gleich wären – prima, dann gäbe es nichts zu meckern, dann schienen Schauspielerinnen und Schauspieler gleich präsent und ebenbürtig bezahlt worden zu sein.

Wenn nicht, wenn im Jahr die Gagensumme der Schauspielerinnen deutlich unter der von den Schauspielern bliebe, dann wären Frauen- gegenüber Männerrollen wohl unterrepräsentiert und – das ließe sich z. B. mit der Geschlechterpräsenzstudie abgleichen – Schauspielerinnen würden zudem schlechter vergütet.

Genau diese Frage, liebe Sender, wollen wir gerne geklärt wissen. Ihr auch? Dann bitte! Addiert die Zahlen, Ihr habt sie. Und gebt Einsicht. Denn wie gesagt: Einsicht ist der Königsweg zur Besserung. Gebt uns eine Zugabe Eures guten Willens!