EU-Parlament für – deutscher EU-Politiker gegen uns

Heinrich Schafmeister
12. Dezember 2017

Wenn hierzulande unsere Filmbranche mit einer Stimme spricht und damit den Chor der Filmbranchen aller europäischen Saaten verstärkt, können wir sogar auf europäischer Ebene das Blatt noch zum Guten wenden. Das zeigt eindrücklich der von unserem Bundesverband Schauspiel mitgetragene gemeinsame Appell der audiovisuellen Kultur- und Kreativwirtschaft:

„Parlamentsmandat zum Sat/Cab-Verordnungsvorschlag nicht öffnen“

Was steckt hinter dieser kryptischen Forderung?

Die europäische Sat/Cab-Verordnung regelt EU-weit die grenzüberschreitende Verbreitung audiovisueller Programme, vor allem mittels Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung. Die EU-Kommission plante – vermeintlich! – zugunsten der europäischen Verbraucher, bei Online-Angeboten das gegenwärtige „Territorialprinzip“ durch das sogenannte „Ursprungslandprinzip“ zu ersetzen.

Gegen diese Absicht wandte sich unter anderem die deutsche Filmbranche: Darunter Allianz Deutscher Produzenten – Film und Fernsehen e.V., AG DOK – Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm e.V., AG Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater e.V., AG Verleih – Arbeitsgemeinschaft Verleih e.V., BVV – Bundesverband Audiovisuelle Medien e.V., Bundesverband Kinematographie, BVR – Bundesverband Regie e.V., BFFS – Bundesverband Schauspiel e.V., Deutsche Filmakademie e.V., Film- und Medienverband NRW e.V., German Films Service + Marketing GmbH, HDF – Hauptverband deutscher Filmtheater e.V., SPIO – Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V., VDD – Verband Deutscher Drehbuchautoren e.V., VDFP – Verband Deutscher Filmproduzenten e.V., VDFE – Verband Deutscher Filmexporteure e.V., VdF – Verband der Filmverleiher e.V., VPRT – Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. und YPA – Young Producers‘ Association.

Ursprungslandprinzip gegen bewährtes Territorialprinzip

Bisher müssen Sender, wenn sie ihre Online-Angebote EU-weit verbreiten wollen, die dafür nötigen Rechte für jedes europäische Territorium einzeln erwerben. Bei dem von der EU-Kommission favorisierten „Ursprungslandprinzip“ müssten Sender nur für ihr Ursprungsland die nationale Lizenz erwerben, dürften aber dennoch ihre Online-Angebote EU-weit verbreiten.

Was oberflächlich betrachtet wie eine verbraucherfreundliche Vereinfachung aussieht, wäre in Wahrheit eine schwerwiegende Marktverzerrung zum Nachteil der nationalen Filmbranchen. Denn die Möglichkeiten der unabhängigen Programmlieferanten – unsere Verleiher und Filmproduzenten –, vielfältige, hochwertige Qualitätsfilme zu (re-)finanzieren, würden durch das Ursprungslandprinzip erheblich eingeschränkt. Viele Filmwerke könnten nicht mehr verwirklicht werden. Wie immer befinden wir Filmschaffende, Kreative und das Team, uns am Ende der Nahrungskette. Darum wären wir die größten Leidtragenden.

Und die europäischen Verbraucher, denen zuliebe dieser Paradigmenwechsel über alle Köpfe der Filmschaffenden hinweg durchgezogen werden sollte, würden letztlich auch nur in die leere Röhre schauen. Ohne Programmmacher, kein Programm und Online nix zu gucken!

Wir europäischen Filmschaffenden konnten überzeugen

Auf unser Betreiben entschied sich zunächst der Rechtsausschuss des EU-Parlaments gegen die Kurzsichtigkeit der Kommissionsabsichten. Der Rechtsausschuss schlug vielmehr vor, bei Filmwerken am bewährten Territorialprinzip festzuhalten, und nur bei Online-Angeboten von Nachrichten und anderen Aktualitäten das neue Ursprungslandprinzip anzuwenden. Heute, am 12. Dezember, folgte das EU-Parlament dem Votum ihres Rechtsausschusses ohne diesen Ausschussvorschlag zu öffnen.

Leider war es ausgerechnet ein deutscher EU-Parlamentarier und ausgerechnet einer von der SPD, der Berichterstatter des Rechtsausschusses, Tiemo Wölken, der bis zum Schluss vehement gegen die europäischen Filmbranchen gekämpft und versucht hat, den Vorschlag des EU-Rechtsausschusses noch zu öffnen und das kulturfeindliche Ursprungslandprinzip durchzudrücken – zum Glück vergeblich.

Aber dieser Widerstand aus dem eigenen Land sollte uns Filmschaffende zur Vorsicht mahnen. Denn der Beschluss des EU-Parlaments muss noch vom Rat der EU-Mitgliedsstaaten abgesegnet werden.

Auf welcher Seite wird dann unsere deutsche Bundesregierung stehen? Wer wird überhaupt unsere Bundesregierung stellen?

Der heutige Beschluss des EU-Parlaments war ein großartiger Etappensieg, aber unser Kampf muss weitergehen, vor unserer eigenen Haustür!