Unständig? Unverständlich? Umständlich? – Umdenken!

Heinrich Schafmeister
8. Februar 2019

ERLÄUTERUNGEN

(1) Der sog. „Beschäftigungsinsel-Theorie“ der Sozialversicherungsträger folgend, die sie aus der neuen Sichtweise des Bundessozialgerichts zur Unständigkeit entwickeltet haben, werden Schauspiel-Dreh-Engagements nicht mehr insgesamt einheitlich als „normale“ oder unständige Beschäftigung eingestuft, sondern werden alle Phasen zusammenhängender Beschäftigungstage – „Beschäftigungsinseln“ genannt – einzeln geprüft und jeweils gesondert entweder als „normale“ oder als unständige Beschäftigung(sinsel) eingestuft.

(2) „Prioritär“ steht eine Schauspielperson während einer Beschäftigung(sinsel) zur Verfügung, wenn der Produzent während dieser Phase das volle Dispositionsrecht behält und selbst, wenn er der Schauspielperson zwischenzeitlich unter Vorbehalt während der Beschäftigung(sinsel) eine andere Erwerbstätigkeit erlaubt haben sollte, diese Zusage jederzeit wieder zurückziehen kann. „Prioritäre“ Verpflichtungen stellen eine echte Bereitschaftszeit dar.

(3) „Exklusiv“ zur Verfügung zu stehen, bedeutet das Gleiche wie eine „prioritäre“ Verpflichtung, kennzeichnet auch eine echte Bereitschaftszeit, nur dass der Produzent von vorne herein der Schauspielperson andere Erwerbstätigkeiten während der Beschäftigung(sinsel) untersagt.

(4) Erst bei weniger als 7 aufeinanderfolgenden Beschäftigungstagen liegt eine unständige Beschäftigung(sinsel) vor. Unständig ist eine Beschäftigung(sinsel), wenn sie auf weniger als eine Woche befristet ist. Weil unser Tarifvertrag von einer 5-Tage-Woche ausgeht, ist eine Beschäftigung(sinsel) bereits dann nicht unständig, wenn sie aus zwei Wochenendtagen und 5 Arbeitstagen besteht, bei denen eben 7 Beschäftigungstage sozialversicherungspflichtig sind.

Als Beschäftigungstage gelten insbesondere Tage, an denen die Schauspielperson vom Arbeitgeber zeitlich bestimmte Leistungen erledigt oder erledigen soll. Dazu gehören typischerweise die Dreharbeiten, Kostüm-, Masken-, Lese- und szenische Vor-Proben, Regie- und andere Produktionsbesprechungen, Spezialtraining (z. B. Klavier oder Reiten lernen etc.), Castinghilfe (um weitere Kolleginnen oder Kollegen besetzen zu können), Foto- oder Videovorproduktionen, Pressearbeiten und Nachsynchronisationen. Tarifliche Urlaubstage und Tage, an denen Dienstreisen (An- und Abreisen) stattfinden, gelten auch als Beschäftigungstage.

Als Beschäftigungstage gelten nicht automatisch die Tage, an denen die Schauspielperson zwar vom Arbeitgeber eingeforderte Leistungen erbringt, diese aber vom Arbeitgeber nicht zeitlich bestimmt sind. Dazu gehören typischerweise Leistungen, die von der Schauspielperson allein in Heimarbeit erledigt werden. Dazu zählen das Szenenstudium, die Findung und Gestaltung der Rolle, sowie die Aneignung besonderer Fähigkeiten, mit denen die Schauspielperson die Rolle bereichern möchte.

(5) KV = Krankenversicherung

(6) PV = Pflegeversicherung

(7) RV = Rentenversicherung

(8) AV = Arbeitslosenversicherung

(9) BBG/BBGs = Beitragsbemessungsgrenze/n

(10) Tagegenaue Berechnung der Beitragsbemessungsgrenzen (BBGs): Für Kalendermonate, die ganz von einer Beschäftigung(sinsel) belegt ist, gelten die Monats-BBGs. Für kürzere Beschäftigung(sinseln) oder Phasen von ihnen, mit denen sie im Laufe eines Kalendermonats anfangen oder aufhören, gelten tagegenaue BBGs. Also: Eine Monats-BBGs dividiert durch 30 multipliziert mit der Anzahl der Beschäftigungstage. Wegen der tariflichen 5-Tage-Woche gehören bei einer Beschäftigung(sinsel) von 5, 10, 15, 20 oder 25 Arbeitstagen auch die damit verbundenen Wochenendtage zu den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungstagen (siehe auch (4) erster Absatz).

(11) Kalendermonatsgenaue Berechnung der Beitragsbemessungsgrenzen (BBGs): Unabhängig von der Tagesanzahl der Beschäftigung(sinsel) gelten die BBGs von dem einen oder den beiden Kalendermonaten, die von der Beschäftigung(sinsel) berührt werden. Also: Monats-BBGs multipliziert mit der Anzahl der Kalendermonate, die von der Beschäftigung(sinsel) berührt werden. Da eine unständige Beschäftigung(sinsel) maximal 4 zusammenhängende Beschäftigungstage sind, können von ihr nur 2 Kalendermonate berührt sein. Aber mehrere verstreute unständige Beschäftigung(sinseln) können insgesamt auch mehr als 2 Kalendermonate berühren.

(12) Ist eine Schauspielperson, die eine unständige Beschäftigung(sinsel) hat, auch „berufsmäßig“ unständig? Das heißt, wird ihr wirtschaftlicher und zeitlicher Schwerpunkt des Erwerbslebens im betreffenden Kalendermonat von unständigen Beschäftigung(sinseln) gebildet? Diese Frage nach der sog. „Berufsmäßigkeit“ spielt in den Bestimmungen der Arbeitslosenversicherung wie in denen der Krankenversicherung und der auf die Krankenversicherung verweisende Pflegeversicherung eine Rolle bei der Bewertung, ob bzw. wie Beitragszahlungen bei einer unständigen Beschäftigung(sinsel) erfolgen. Die Betrachtung der Berufsmäßigkeit muss sich immer auf den betreffenden Kalendermonat beziehen.

Wenn eine Beschäftigung(sinsel) unständig und der Schwerpunkt des Erwerbslebens im Kalendermonat der Schauspielperson ebenfalls unständig ist,

  • ist sie nicht versicherungspflichtig in der Arbeitslosenversicherung und müssen dorthin keine Beiträge fließen (siehe § 27 Absatz 3 Nummer 1 SGB 3),
  • gilt für die Kranken- und Pflegeversicherung die kalendermonatsgenaue Berechnung der BBG (siehe (11)) (siehe § 190 Absatz 4 SGB 5, § 199 Absatz 1 SGB 5 und § 232 SGB 5 sowie § 57 Absatz 1 SGB 11).

Ansonsten, wenn die Beschäftigung(sinsel) zwar unständig, aber die Schauspielperson in dem Kalendermonat nicht „berufsmäßig“ unständig ist, muss bei der Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung für die Tage der Beschäftigung(sinsel) eine tagegenaue Berechnung der BBGs und der Beiträge erfolgen (siehe (10)).

Ob eine Schauspielperson, die eine unständige Beschäftigung(sinsel) hat, in dem Kalendermonat auch berufsmäßig unständig ist, hat keine Auswirkungen auf die Beitragszahlungen in die Rentenversicherung. Hier gilt die Monats-BBG der betreffenden Kalendermonate (siehe (11)) (siehe § 163 SGB 3).

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Seite 3: Wann gilt die unständige Versicherungspflicht? & Was passiert bei berufsmäßiger bzw. bei nicht berufsmäßiger Unständigkeit?

Seite 4: Darf die Versicherungsart nach Belieben ausgewählt werden? & Ende vom Lied

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