Der Teufel steckt für uns im Detail

Heinrich Schafmeister
4. April 2020

BFFS-Vorschläge an die Politik zur Rettung der Schauspieler*innen

Die Corona-Pandemie fordert die ganze Welt heraus. Menschenleben müssen gerettet werden. Dabei darf das gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenleben der Menschen nicht völlig kollabieren. Gefragt sind nervenstarke, zupackende, verantwortungsvolle Menschen mit Realitätssinn – keine Schwätzer. Das gilt auch für die Politik.

Unsere Bundespolitik sorgt sich in erster Linie um die Gesundheit der Menschen und hört dabei genau auf die Wissenschaft. Um darüber hinaus den Lebensunterhalt aller Menschen, die Arbeitsplätze und Einkommen aller Arbeitnehmer sowie die Betriebe aller Solo-, Klein- und Großunternehmen zu retten, hat die Bundesregierung innerhalb kürzester Zeit umfangreiche, milliardenschwere Programme auf den Weg gebracht.

Sie hat nicht gekleckert, sondern geklotzt! Das wird allgemein anerkannt, selbst von Schauspieler*innen (die sich sonst von der Politik nicht verwöhnt fühlen ;-). Bei allen Sorgen und Ängsten, mit denen sie sich an den BFFS wenden, wird doch deutlich, wie froh und dankbar auch Schauspieler*innen sind, in solch ungewissen Zeiten in diesem Land zu leben, das von diesen gewählten Politiker*innen in Bund und Ländern durch die Krise gesteuert wird.

Trotzdem, solch schnell zusammengeschnürte Maßnahmenpakete können nicht in jedem Detail zufriedenstellen. Das liegt auf der Hand. Und vor allem für eine kleine Gruppe wie die der Schauspieler*innen – wir sind in Deutschland nicht mehr als 15.000 bis 20.000 – sind erfahrungsgemäß gerade die kleinen Details zumeist ausschlaggebend. Und um es klar zu sagen:

Manche Details der Hilfsprogramme sind so justiert, dass wir Schauspieler*innen an ihnen scheitern! Diese Details sollten nachjustiert werden!

Umso erfreulicher ist das unmittelbar nach Verabschiedung der Hilfspakete gezeigte Interesse der Politik, um von Kulturschaffenden und ihren Gewerkschaften wie Verbänden zu erfahren, wo eventuell nachgebessert werden muss. Ein solcher Austausch fand z. B. am Donnerstag zwischen Schauspieler*innen, BFFS und SPD-Abgeordneten statt.

Der BFFS will die momentane Ausnahmesituation nicht für übliche Interessensauseinandersetzungen missbrauchen. Jetzt ist nicht die Zeit für „alte Rechnungen“. Darum konzentriert sich der BFFS zurzeit darauf, der Politik Lösungen vorzuschlagen, die – vorübergehend, für die Zeit der Corona-Krise‼! – das Überleben von uns Schauspieler*innen sichern kann. Auf folgende Punkte weist der BFFS gegenüber Politiker*innen hin:

Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 – vorübergehend – erleichtern

Jeder, auch die Politik, weiß: Kurz befristet beschäftigte Kulturschaffende können in der Rahmenfrist unmöglich die 360 Sozialversicherungstage für die normale Anwartschaftszeit sammeln, um Arbeitslosengeld 1 beanspruchen zu können.

Nach jahrelangem Einsatz von BFFS und ver.di gelten seit Anfang 2020 neue Regelungen, die den Arbeitslosengeld-1-Anspruch mit der verkürzten Anwartschaftszeit von 180 Sozialversicherungstagen wesentlich erleichtert. Diese Reform ist für uns kurz befristet beschäftigten Schauspieler*innen – vor allem die an den Bühnen – ein Segen.

Allerdings sind diese Regelungen noch nicht lange genug in Kraft, bzw. noch zu streng, als dass wirklich alle kurz befristet beschäftigten Filmschaffenden und Schauspieler*innen Arbeitslosengeld 1 bekommen und sich so in dieser Krise über Wasser zu halten könnten.

Der BFFS schlägt vor, diese Regelungen für den Arbeitslosengeldanspruch – vorübergehend – abzumildern!

Kurzarbeitergeld – vorübergehend – auch für berufsmäßig Unständige

Die Bundesregierung hat anlässlich des akuten Corona-Shutdowns die Kurzarbeitergeld-Gesetzgebung noch einmal verbessert. Die Gewerkschaften BFFS und ver.di haben mit der Produzentenallianz in Rekordgeschwindigkeit einen Kurzarbeits-Tarifvertrag in der Filmbranche eingeführt. Eine absolute Premiere in der Kulturlandschaft und eine Überlebenschance sowohl für Filmproduktionen als auch für Schauspieler*innen und Filmschaffende.

In der Theaterlandschaft gibt es solche Tarifverträge noch nicht. Aber auch dort könnte bei von der Insolvenz bedrohten Bühnen – z. B. bei Privattheatern – eine Kurzarbeitergeld-Lösung für alle Seiten von Vorteil sein.

Allerdings können noch so schöne Tarifverträge nichts an den gesetzlichen Grundvoraussetzungen ändern. Und die besagen, dass bestimmte Gruppen derzeit nicht von einer Kurzarbeitergeld-Lösung geschützt sind, weil sie nicht zu den Arbeitslos-Versicherten gehören. Das sind natürlich die vielen selbstständig tätigen Kulturschaffenden.

Ausgenommen sind aber leider auch viele Filmschauspieler*innen, die noch vor kurzem wie normale Arbeitnehmer*innen in der Arbeitslosenversicherung pflichtig waren und erst jetzt durch die jüngsten Bundessozialgerichtsurteile als berufsmäßig unständig eingestuft werden – ohne Arbeitslosenversicherungspflicht, ohne Aussicht auf Kurzarbeitergeld. Darunter leiden vor allem Filmschauspieler*innen mit kleinen Rollen (und geringen Gagen).

Der BFFS schlägt vor, auch berufsmäßig Unständige – vorübergehend – in die Kurzarbeitergeld-Regelungen einzugliedern!

Monatsprinzip bei Kurzarbeitergeldberechnung

Die Kurzarbeitergeld-Lösung stammt aus Wirtschaftsbereichen, die überwiegend von unbefristeten Beschäftigten geprägt sind – im Gegensatz zu unserer Theater- und vor allem Filmbranche. Dort gibt es zumeist befristete Beschäftigungen, die wiederum in sehr kurze, weniger als einen Monat dauernde Beschäftigungsinsel gestückelt sind. Unternehmen und auch manche Stellen der Bundesagentur für Arbeit sind unsicher, wie die Kurzarbeitergeld-Regelungen auf solch atypischen Beschäftigungsverhältnisse anzuwenden sind. Ihnen muss geholfen und nahegelegt werden, grundsätzlich vom Monatsprinzip auszugehen. Denn eine auf den Tag genaue anteilige Beitragsbemessungsgrenze wäre für die Berechnung des Kurzarbeitergeldes wie der Arbeitgeberaufstockung administrativ weder zu handhaben, noch würde sie zu einem Kurzarbeitergeld führen, das der Rede wert wäre.

Der BFFS schlägt eine Klarstellung vor, für die Berechnung des Kurzarbeitergeldes nur Beitragsbemessungsgrenzen ganzer Kalendermonate, also das Monatsprinzip, anzuwenden!

Grundsicherung – vorübergehend – ohne jegliche Vermögensanrechnung

Von der Politik wurde angekündigt, den Bezug der Grundsicherung – zeitlich befristet – so zu erleichtern, dass sie niemandem wegen seines Vermögens verweigert würde, dem infolge des Corona-Shutdown alle Einkünfte weggebrochen und in existenzielle Schwierigkeiten gerät. Im Gesetz steht wie versprochen, Vermögen solle „für die Dauer von sechs Monaten nicht berücksichtigt werden“ – allerdings mit der interpretationswürdigen Einschränkung, dies „gelt nicht, wenn das Vermögen erheblich ist“. Im konkreten Antrag auf Grundsicherung wird nun dieses „erhebliche“ Vermögen mit 60.000 € plus 30.000 € für jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft beziffert.

Mit dieser alles über einen Kamm geschorenen Festlegung eines erheblichen Vermögens werden bedürftige Schauspieler*innen von der Grundsicherung ausgeschlossen!

Als kurz befristet beschäftigte Schauspieler*innen müssen wir erheblich mehr als normale Arbeitnehmer finanzielle Rücklagen bilden, um unsere berufstypischen längeren Lücken zwischen den Engagements zu überbrücken und vor allem um fürs Alter vorzusorgen. Die gesetzliche Rente ist für uns Schauspieler*innen aufgrund dieser Erwerbslücken äußerst niedrig (zwischen 400 € bis 900 €). Wenn wir Schauspieler*innen jetzt keine Einkünfte haben und keine Grundsicherung bekommen, sind wir gezwungen, unsere eisernen Reserven zu verfeuern, die wir im Alter, spätestens aber dann dringend brauchen, wenn wir körperlich zu schwach sind, um unseren Schauspielberuf auszuüben.

Der BFFS schlägt vor, bei der Grundsicherung – vorübergehend – auf eine Vermögensanrechnung grundsätzlich zu verzichten!

Soforthilfe auch für die „Betriebskosten“ der freiberuflichen Arbeitnehmer*innen

Kurz befristet beschäftigte Schauspieler*innen sind unbefristet arbeitsuchend. Ihre Werbungskosten sind enorm hoch (Kosten für Agenturen, Fotos, Showreels, teure Castingportale, Proberäume etc.) und gleichen denen ihrer soloselbstständigen Künstlerkolleg*innen.

Wir Schauspieler*innen freuen uns, dass die Regierung entschlossen ist, auch die Betriebe unserer soloselbstständigen Künstlerkolleg*innen über Wasser zu halten. Wir können allerdings nicht nachvollziehen, warum wir von diesen Zuschüssen ausgeschlossen sind, warum unsere „Betriebs“-Kosten nur aufgrund eines sehr theoretischen Status-Unterschieds nicht anerkannt werden.

Der BFFS schlägt vor, im Soforthilfeprogramm auch die betriebsähnlichen Kosten von kurz befristet Beschäftigten also freiberuflichen Arbeitnehmer*innen zu berücksichtigen.

Wie gesagt …

Der BFFS findet: Im Großen und Ganzen stimmt die Richtung, die Politik hat enorm viel angeschoben.

Der Teufel steckt halt im Detail und zwischen den Details stecken zumeist wir Schauspieler*innen.