Mittwoch, 08.04. 12:00 Uhr
Alle Vorstellungen sind gestrichen, alle Probenarbeiten abgesagt, alle Theater sind geschlossen.
Die gastierenden Schauspieler*innen an den Bühnen, aber auch gastierende Tänzer*innen, Regie-, Bühnenbild- und andere gastierende Künstler*innen fürchten, dass sie für die ausgefallene Arbeit nicht bezahlt werden.
Denn von Seite der Theater und ihrer Rechtsträger wird immer wieder argumentiert, es handele sich um „höhere Gewalt“, die Vorstellungen wären rechtszeitig abgesagt worden, in den Arbeitsverträgen stünden Klauseln, die in solchen Fällen eine Vergütung ausschließen würden. Aber Pustekuchen! Wenn solche sogenannten „Formular“-Klauseln gegen den Grundgedanken des Arbeitsrechts stehen – wie hier gegen den § 615 BGB (Vergütung bei Annahmeverzug und bei Betriebsrisiko) – sind sie schlicht unwirksam.
Kurz: Die gastierenden Schauspieler*innen sind Arbeitnehmer. Die Arbeit gebenden Theater tragen das Betriebsrisiko – Corona-Krise hin oder her – und sie sind verpflichtet, die für die Vertragszeit vereinbarten Vergütungen auch für diese Vertragszeit zu zahlen. Die Theater können jedenfalls nicht die Beschäftigungsverhältnisse und die vereinbarten Vergütungen einfach auf spätere Zeiten verschieben.
Die Beantragung von Kurzarbeitergeld kann für dieses oder jenes Theater eine gangbare und zur Abwehr des finanziellen Ruins notwendige Lösung sein. Hierfür sollte aber schnellsten eine tarifliche Basis geschaffen werden, die auch eine Verpflichtung des Theaters vorsieht, auf das Kurzarbeitergeld der Agentur für Arbeit noch einen Zuschuss obendrauf an die Künstler*innen zu zahlen.
Sind die Gäste selbstständig tätige Künstler wie z. B. Regisseur*innen, sieht das zwar rechtlich anders aus. Aber die Theater, die einerseits gerne als moralische Anstalten glänzen wollen, können sich anderseits nicht so unmoralisch gegenüber ihren gastierenden Künstler verhalten – auch nicht gegenüber den selbstständigen Gästen. Sie sollten so oder so bezahlt werden.
Die Verbände BFFS, ensemble-netzwerk, ArtButFair und sks_Ständige Konferenz Schauspielausbildung fordern also gemeinsam …
Ersten:
- eine klare tarifrechtliche Regelung, die zumindest für den Zeitraum der Corona-Krise sicherstellt, dass das Arbeitsausfall- und Betriebsrisiko nicht durch einzelvertragliche Regelungen auf die gastierenden Künstler*innen abgewälzt wird.
- und eine kulante, sozialverträgliche Lösung (z. B. durch Ausfallhonorare) für die selbstständigen Gäste, damit sie nicht völlig leer ausgehen.
Zweitens:
- kurzfristig eine tarifvertragliche Grundlage zu Kurzarbeiterregelungen für die Theater, die finanziell gefährdeten sind und bei denen – wie z. B. bei Privattheatern – diese Regelungen ein probates Mittel sind, damit möglichst noch mit Rückwirkung für den April über diese Kurzarbeiterregelung auch die gastierenden Bühnenkünstler*innen sozialverträglich vor den Auswirkungen von Corona zu geschützt werden.
Drittens:
- in die dringend notwendige tarifvertragliche Regelung zur Kurzarbeit entsprechende Zuschussverpflichtungen für die tarifgebundenen Theaterbetriebe aufzunehmen.
Die Verbände haben einen entsprechenden gemeinsamen Brief an den Deutschen Bühnenverein geschrieben.

Heinrich Schafmeister, 1957 im Ruhrgebiet geboren, wusste, was er nicht werden wollte: Jurist (wie sein Vater), Lehrer, Friseur, Schauspieler, Vereinsmitglied. Er liebte Mathe und Musik. Doch es kam anders: Die Musik führte ihn zum Schauspielberuf. So ging er ans Theater, vor die Kamera, vors Mikrofon und schließlich in den BFFS – von Anfang an im Vorstand als Schatzmeister und zuständig für Sozialpolitik wie für Tarifverhandlungen. Er würde eine Rolle als Friseur jetzt nicht mehr ausschließen.