In 2010 wurde bei der GVL das Verteilsystem aus rechtlichen Gründen umgestellt – von einer am Einkommen orientierten hin zu einer nutzungsbezogenen Vergütung. Diese Umstellung betraf sämtliche Kategorien von Werken und Nutzungen, die von der GVL wahrgenommen werden. Für die meisten Werkarten (z.B. Kino- und Fernsehfilme, Reihen, Serien, Musiksendungen etc.) – die zugleich auch die wirtschaftlich bedeutendsten Einnahmebereiche darstellen – konnten in den Gremien nach intensiver Beratung und Recherche Kriterien gefunden werden, mit denen die Mitwirkung der Berechtigten ermittelt werden kann und mit denen Rückschlüsse auf den Nutzungsumfang möglich sind. Diese Systematik mit Leben zu füllen und die erforderlichen Daten für die Abrechnung zu erhalten, ist schon eine erhebliche Hürde, die genommen werden muss – teilweise bislang mit nur leidlichem Erfolg.
Demgegenüber stellten bestimmte Arten künstlerischer Tätigkeit, die nur einen sehr kleinen Teil des Ausschüttungsvolumens ausmachen (weniger als 3%), die GVL vor eine noch größere Herausforderung. Denn die betreffenden Werke konnten aufgrund ihrer speziellen Machart in der Verteilsystematik nicht mit den übrigen Werken gleichgesetzt werden. So besteht beispielsweise bei dokufiktionalen Produktionen das Problem, dass sich nicht einheitlich feststellen lässt, wie groß der fiktionale und wie groß der dokumentarische Teil der Produktion ist. Dieser Anteil wäre allerdings nach der „klassischen“ Verteilsystematik entscheidend, da es hier für die Bemessung des Punktwertes gerade auf die Laufzeit fiktionaler Produktionen ankommt. Insgesamt stand und steht für die betroffenen Bereiche keine hinreichende Datengrundlage zu Verfügung, um eine Verteilung durchzuführen, die der Systematik der übrigen Bereiche (z.B. die Nutzung von Kino- oder Fernsehfilmen) entspricht.
Diese und andere Schwierigkeiten führten dazu, dass die Verteilung der auf die betreffenden Werkarten entfallenden Gelder von der GVL immer wieder nach hinten geschoben wurde. Diese unverteilten Gelder stehen hinter dem von der GVL verwendeten Begriff „offene Unterbudgets“. Dazu zählen unter anderem Mitwirkungen in Werbung, Dokumentationen oder Dokusoaps (eine vollständige Liste dieser Budgets findet sich hier).
Nun – rund 10 Jahre nach der Systemumstellung – wurden für diese offenen Unterbudgets Verteilregeln erarbeitet, mit denen die genannten Schwierigkeiten angegangen bzw. umgangen werden (eine entsprechende Pressemeldung der GVL findet sich hier). Das hat aber auch zur Folge, dass das Meldesystem für diese Budgets vollkommen von dem abweicht, was wir bislang kennen. Das Wichtigste zusammengefasst:
- Es kommt eine sog. Formularlösung zum Einsatz. Die Berechtigten müssen über ein Formular selbst melden, welche Produktionen es gibt und wie sie daran mitgewirkt haben.
- In diesem Rahmen muss ebenfalls angegeben werden, in welchen Jahren die Produktion auf welchen Sendern gelaufen ist.
- Zusätzlich muss der Berechtigte angeben, wie häufig die einzelne Produktion insgesamt in einem bestimmten Jahr wiederholt Hierfür hat die GVL empirisch sog. „Korridore“ ermittelt (bspw. kann eine Dokusoap-Folge 1–100, 101–250, 251–500 oder mehr als 500 Mal wiederholt worden sein; es gibt hier also vier Korridore).
- Für die einzelnen Nutzungsjahre sind unbedingt Meldefristen einzuhalten! So endet die Meldefrist für die Nutzungsjahre 2010 bis 2014 bereits am 31.12.2020.
Dieses neu gefundene System ist alles andere als optimal. Schnell stellt sich die Frage, woher ein Berechtigter wissen soll, auf welchen Sendern seine Mitwirkungen in einem Jahr genutzt wurden – und dann auch noch wie oft?! Der Grund für diese suboptimale Lösung ist: Die GVL weiß es auch nicht. Sie hat keine Daten über diese Nutzungen, denn ihr stehen keine Auskunftsansprüche gegen die Nutzer (z.B. Sender) zu. Ein Problem, mit dem die GVL bekanntermaßen auch in den anderen Bereichen zu kämpfen hat und das dringend vom Gesetzgeber – aber auch von der GVL – angegangen werden muss (aber das ist wieder ein anderes Thema).
Detaillierte Informationen zu der Meldemöglichkeit auf diese „offenen Unterbudgets“ sind auf der Seite der GVL zu finden:
https://www.gvl.de/rechteinhaber/kuenstler/verteilung-offene-budgets
Dr. Till Valentin Völger wurde am 13. August 1987 in Berlin geboren. Schon in jungen Jahren wirkte er bei verschiedenen schulischen Theaterprojekten mit und ist seit mittlerweile über zwanzig Jahren als Synchronschauspieler tätig. Von 2008 bis 2013 studierte Till Völger Rechtswissenschaften an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin und promoviert seit seinem Abschluss im Fachbereich Urheberrecht. Seit 2009 ist er ordentliches Mitglied des IVS und wurde Mitte 2014 in den Beirat der GVL berufen.