Unser Kampf im Sozialversicherungsdschungel

BFFS Geschäftsstelle
4. März 2021

Stichtage: 28.11.2007 & 27.04.2016

Bis zum Jahr 2006 waren wir Schauspieler*innen nicht in der Lage, uns politisch zu organisieren. Dass dann gleich zwei Schauspielverbände gegründet wurden, war kein Zufall: Die Agenda 2010 entfaltete ihre Wirkung – und wir Schauspieler*innen waren die sozialen Verlierer. Das war uns eine Lehre: Wir mussten uns politisch organisieren, wir mussten aktiv an der Lösung unserer sozialen Probleme arbeiten.

Denn Schuld an unserer Misere war nicht nur Schröders Agenda 2010. Schon zuvor hatte sich eingeschlichen, uns Schauspieler*innen zu unserem Nachteil sozialzuversichern.

Wurden wir früher bei Dreharbeiten durchgehend über die ganze Drehzeit versichert, waren es inzwischen oft nur die einzelnen Drehtage, die angemeldet wurden. Eine Praxis, die nicht nur falsch war, sondern auch von Betriebsprüfungen moniert wurde. Gemeinsame Gespräche führten am 28.11.2007 zum „Eckpunktepapier“ von BFFS und dem damaligen Produzentenverband und mündeten am 07./08.05.2008 in ein sogenanntes „Besprechungsergebnis“ der maßgeblichen Sozialversicherungsträger (Deutsche Rentenversicherung Bund, Agentur für Arbeit, Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen). Damit war die Versicherung von Film- und Fernsehschauspieler*innen verlässlich und einheitlich geregelt. Wir waren wieder durchgehender versichert, sammelten so wesentlich mehr Anwartschaftszeiten. Unsere Chancen, wieder Arbeitslosengeld 1 beanspruchen zu können, waren damit erheblich gestiegen. Nun fehlten nur noch eine politische Reform, um die strukturellen Nachteile der kurz befristet Beschäftigten auch auf gesetzlicher Ebene auszugleichen. Die gelang uns 2009, aber das ist eine andere Erfolgsgeschichte …

Im Synchronbereich stand damals unser sozialer Schutz gänzlich in Frage. Galten wir dort früher als unständig Beschäftigte mit umfassenden Schutz in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung, brachte seit 2005 das sogenannte „16-Fälle-Modell“ der Sozialversicherungsträger alles durcheinander. Keiner kannte sich im Synchronbereich mehr aus. Sind wir nun Selbstständige? Oder unständig bzw. „normal“ Beschäftigte? In der Praxis verfuhren alle Studios, wie sie dachten, und alle anders. Zur Klärung des Sozialstatus von Synchronschauspieler*innen strengte der IVS damals Prozesse an, die – das liegt in der Natur des Instanzenweges – erst im Jahr 2016 zu einem höchstrichterlichen Beschluss und im Jahr 2017 zu einem Bundessozialgerichtsurteil führten mit dem Ergebnis: Synchronschauspieler*innen sind Beschäftigte und in der Regel wohl Unständige.

Natürlich sind noch viele sozialrechtliche Fragen im Argen. Aber der BFFS, mit dem der IVS nun vereint ist, wird auf seinen Erfolgen aufbauen und nicht Ruhe geben, bis wir Schauspieler*innen – unabhängig vom jeweiligen Sozialstatus – einen durchgehenden sozialen Schutz haben bei Krankheit, bei Arbeitslosigkeit, im Alter und im Pflegefall. Und unsere Erfahrung lehrt uns: Auch dafür brauchen wir einen langen Atem!