Deal-Memo

Heinrich Schafmeister
4. August 2021

Recht haben und Recht bekommen, sind zwei Paar Schuhe

Wer kennt das nicht? Ich erhalte ein Angebot für eine Rolle in einem bestimmten Projekt, bald folgen Verhandlungen zur Gage, zur Vertragszeit usw., beide Seiten nähern sich an und nach einigem Hin und Her werden wir uns einig. Ein Vertrag ist zustande gekommen. Mir würden, heißt es, demnächst die entsprechenden Vertragspapiere zugeschickt, die solle ich dann unterschrieben zurücksenden. So weit, so gut.

Doch einige Zeit später – die böse Überraschung: Die Gage ist geringer, weil ich jetzt weniger Drehtage bzw. Vorstellungen als vereinbart habe, oder die Rolle wurde doch anders besetzt, oder das Projekt fällt aus bzw. findet wann anders statt (wenn ich gerade nicht kann), oder, oder …

Vertrag ist gut, schriftlich ist besser

Ich denke: Mist, aber ich habe ja einen Vertrag, ich habe zumindest ein Recht auf Bezahlung. Stimmt, aber bekomme ich auch das Recht, das ich eigentlich habe? Das kommt darauf an, ob ich mein Recht belegen, heißt, die Vertragseinigung mit seinen Inhalten dokumentieren kann – notfalls auch vor Gericht. Jetzt brauchen wir rechtlichen Beistand, für uns Mitglieder z. B. von unserem BFFS-Justiziar. Und der freut sich natürlich über alles Schriftliche, das zumindest ein starkes Indiz für den bereits erfolgten Vertragsschuss darstellt.

Also: Der eigentliche Vertrag kommt zwar schon in dem Moment zustande, wenn nach dem Rollenangebot, nach mehr oder weniger ausführlichen Verhandlungen über die wichtigsten Punkte eines Arbeitsverhältnisses dazu von beiden Seiten eine Einigung erzielt wird, für beide Seiten keine entscheidende Frage mehr offen ist und sie sich gegenseitig zusagen. Aber im Konfliktfall durchsetzbar sind die Ansprüche aus dem Vertrag zumeist nur, wenn auch irgendetwas in Textform vorliegt. Dafür müssen wir nicht auf die Zusendung der offiziellen Vertragspapiere warten. Vielleicht gibt es schon einen aufschlussreichen E-Mail-Verkehr zwischen Theater bzw. Produktion und uns. Zuverlässiger sind allerdings sogenannte Deal-Memos.

Deal-Memo ist nicht gleich Deal-Memo

Aber wie bei so vielen Anleihen aus dem Englischen werden im Deutschen auch unter „Deal-Memo“ unterschiedliche Begrifflichkeiten verstanden:

  1. „Deal-Memo“ im Sinne von Ergebnisprotokoll eines bestimmten Standes einer Verhandlung, die eben noch nicht mit Zusage beider Seiten abgeschlossen wurde;
  2. „Deal-Memo“ im Sinne von Ergebnisprotokoll einer bereits mit Zusage abgeschlossenen Verhandlung;
  3. „Deal-Memo“ im Sinne von „mit Unterschrift unter diesem Papier besiegeln wir alle entscheidenden Punkte und schließen einen Vertrag“.

Die erste Variante ist jedenfalls noch kein Beleg für das Vorliegen eines Vertrags. Verdeutlicht sie doch, dass die Verhandlung noch im Gange und ein Vertragsabschluss eben noch nicht zustande gekommen ist. Beide Seiten könnten noch nachlegen, ihre Positionen ändern oder alles absagen. Die Protokollierung eines Verhandlungsstandes mag für die Fortsetzung der Gespräche hilfreich sein, aber rechtlich darauf berufen kann sich niemand.

Ob nun die zweite oder dritte Deal-Memo-Variante unter rechtlichen und strategischen Erwägungen geeigneter ist, wird in jedem Einzelfall anders sein und mögen die rechtskundigen Experten entscheiden. Aber diese beiden letzten Deal-Memo-Arten dokumentieren, woran uns möglichst früh gelegen sein sollte, um uns auf einen Vertrag berufen zu können, nämlich dass eine vertragliche Einigung stattgefunden hat und über welche Inhalte.

Was sollte im Deal-Memo stehen?

In ein solches Papier gehören alle Ergebnisse zu den Sachverhalten, über die sich beide Seiten einig geworden sind. Darunter müssen sowohl die Punkte sein, die für die eine Seite, als auch die, die für die andere Seite erklärtermaßen entscheidend und ausreichend zur Besiegelung des Vertrags waren. Oder umgekehrt: Es darf jetzt keine Frage mehr offen sein, von der auch nur eine der beiden Seiten erklärt hat, ihre Zusage zur Gesamteinigung würde davon noch abhängen (siehe § 154 BGB). Die wesentlichen Aspekte, die einen Vertrag erst als Arbeitsvertrag auszeichnen, wären …

  • welche Rolle ich in welchem Projekt übernehmen soll;
  • der Beginn und das Ende des Vertragszeitraums oder der unterschiedlichen Vertragszeiträume, sollte ich innerhalb dieser Phasen Sperrzeiten haben, dann müssen auch sie genau festgehalten werden;
  • die Höhe meiner Vergütung, wenn sie sich nach der Anzahl der Drehtage oder Vorstellung richtet, gehört diese Anzahl unbedingt dazu.
  • Hilfreich ist selbstverständlich die Angabe, wann sich beide Seiten zu all diesen Punkten einig geworden sind und damit den Vertrag geschlossen haben.

Aber Vorsicht! Deal-Memos sollten keine unfreiwillige Andeutung enthalten, die so missverstanden werden könnte, als ob zwischen den Parteien noch Punkte offen stünden, die eine Zusammenarbeit in Frage stellen würden. Ein scheinbar harmloser Zusatz wie „über die nötigen Hotelübernachtungen werden wir uns noch verständigen“, könnte im Zweifel so ausgelegt werden, als hinge davon noch meine letztendliche Zusage zur Mitarbeit ab. Ein Vertrag läge demnach noch nicht vor. Wenn solch heikle Bemerkung nicht vermeidbar sind, sollte unbedingt eindeutig hinzugefügt werden, dass davon die bereits erfolgte Zusage zum Engagement nicht beeinträchtigt ist. Jeder von uns muss sich fragen: Zu welchen weiteren Punkten wünsche ich noch eine Einigung? Und sind sie es wert, ihretwegen den eigentlichen Vertragsabschluss noch hinauszuzögern? Vielleicht sogar scheitern zu lassen?

Spezielles zu Deal-Memos für Dreharbeiten

Ab 1. September 2021 tritt der neue Schauspieltarifvertrag in Kraft und damit auch ein Flexibles Fristenmodell, das uns die Gage garantiert, auch wenn uns vertraglich die Anzahl unserer Drehtage nur „voraussichtlich“ versprochen wird. (Siehe bitte auch den Artikel „Das Flexible Fristenmodell“.) Voraussetzung für dieses Modell zum Schutze unseres Gagenanspruchs ist, dass die vertragliche Einigung in Textform vorliegt, z. B. als Deal-Memo.

Der neue Schauspieltarifvertrag beschreibt präzise, über welche Sachverhalte dabei eine Einigkeit erzielt werden muss. Dazu gehören – neben den oben genannten Punkten – auch unsere Einverständniserklärung oder unsere Einigung mit der Produktionsfirma …

  • zur branchenüblichen Rechteübertragung
  • und zur Einhaltung der jeweils geltenden Produktionsstandards für nachhaltiges grünes Drehen.

Darüber hinaus schreibt der Schauspieltarifvertrag vor:

  • Die Vertragszeiträume müssen kalendergenau angegeben werden. Angaben zu „voraussichtlichen“ Anfangs- und Enddaten reichen dabei nicht aus. Die Vertragszeiträume sollen alle Phasen berücksichtigen, die in gewissenhafter Voraussicht für die Erledigung all unserer Arbeit und unseren Bereitschaftszeiten gebraucht werden. Zu unserer Arbeit gehören unsere Drehtage und all unsere Zusatz-, Vor- und Nachbereitungsdienste, die wir vor, zwischen und nach den Drehtagen ebenfalls absolvieren müssen. Bereitschaftszeiten sind Sicherheitszonen, in denen wir uns für etwaige Änderungen der Produktionsplanung zur Verfügung halten sollen. (Siehe bitte auch den Artikel „Alles außer Drehen“.)
  • Wenn unsere Gage abhängig von der Anzahl unserer Drehtage ist, kann diese Größe zwar „voraussichtlich“ oder „ca.“ sein, muss aber explizit als natürliche, sprich als ganze Zahl genannt werden.

Auf hoher See …

… und in juristischen Dingen gibt es nie hundertprozentig wasserdichte Lösungen. Aber wenn wir unsere Engagement-Zusagen mehr abzusichern wünschen und nicht nur Recht haben, sondern auch bekommen wollen, ist ein Deal-Memo schon ziemlich hochseetüchtig. Denn wer schreibt, der bleibt …