Unser Anteil GRÜN an „Green Motion“

Esther Roling
16. November 2021

Was bedeuten die neuen ökologischen Mindeststandards für uns?

Am 22. Oktober wurde an dieser Stelle das neue Label „Green Motion“ vorgestellt und in diesem Kontext auch über die „Selbstverpflichtung Ökologischen Mindeststandards“ gesprochen. Worum geht es nochmal?

Die Klimaziele der Bundesregierung sind klar: Bis 2030 muss 55% der CO2-Emissionen eingespart und bis Mitte des Jahrhunderts Klimaneutralität erreicht werden, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Auf der Weltklimakonferenz in Glasgow #COP26, wird aktuell jedoch gewarnt, dass bei dem jetzigen Fahrplan der Nationen eher mit einer Erderwärmung um 2,7 Grad zu rechnen ist. Um dies zu verhindern, muss eine globale Reduktion der Emissionen um 45% bis 2030 erreicht werden. Heißt: Wir müssen alle mit anpacken.

Unsere Filmbranche ist eine Industrie mit sehr hohen CO2-Emissionen. Als Bundesverband Schauspiel (BFFS) und als Schauspieler:innen, die ein wichtiger Teil dieser Filmindustrie sind, möchten wir Verantwortung übernehmen und uns damit aktiv an der Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens beteiligen. Dieser Verantwortung kommt unser BFFS bereits nach. Er hat zusammen mit seinen Tarifpartnern ver.di und der Produzentenallianz sowohl im neuen Mantel- als auch im neuen Schauspieltarifvertrag bereits im Frühjahr 2021 geregelt, dass die Tarifparteien die Anforderungen für nachhaltiges, grünes Drehen anerkennen, welche vonseiten der Filmförderer, Sender und anderen Auftraggebern gestellt werden. (Gültig seit 01.09.21)

Im Arbeitskreis „Green Shooting“, der vom Geschäftsführer der baden-württembergischen Filmförderung, Carl Bergengruen, initiiert wurde, haben Vertreter*innen von Sendern, Produktionsunternehmen, VoD-Diensten und Filmförderern einheitliche ökologische Mindeststandards für nachhaltige Produktionen entwickelt. Die detaillierte Evaluierung der „100 grünen Produktionen“ diente als Sprungbrett zur inhaltlichen Ausgestaltung. Die abgeleiteten Standards werden fortlaufend weiterentwickelt, in der praktischen Anwendung beobachtet und immer wieder optimiert. Das alles mit dem Ziel und Anspruch, den Zusatz „Mindest“ in naher Zukunft streichen zu können und ein „Regel- und Maßnahmenpaket“ vorliegen zu haben, welches von allen Akteuren unserer Industrie gefördert, mitgetragen und umgesetzt wird.

Folgende Stakeholder sind aktuell beteiligt: Bavaria Fiction, Constantin, UFA, Ziegler Film, ARD, RTL, ProSiebenSat.1, Sky, SWR, ZDF, Netflix, MOIN Filmförderung, Deutsche Filmakademie, die Produzentenallianz und der Verband Technischer Betriebe für Film und Fernsehen. Die Initiative hat der BFFS als einer der ersten Filmschaffendenverbände unterstützt.

Ab 1. Januar 2022 werden also Branchenvertreter des deutschen Film-, TV- und VoD-Marktes einen großen Teil ihrer Produktionen klima- und ressourcenschonend herstellen. Sichtbarmachen können die beteiligten Firmen und Institutionen ihr Engagement mit dem neuen Label „Green Motion“.

Hierfür müssen folgende Kriterien erfüllt werden:

  1. Innerhalb des Maßnahmenkatalogs, welcher 21 Mussvorgaben enthält, muss die Produktion mindestens 18 Kriterien erfüllen.
  2. Bilanzierung der CO₂-Emissionen mithilfe des CO2-Rechners der MFG.
  3. Anfertigung eines Abschlussberichts

Aber was bedeuten diese Mindestvorgaben konkret für uns Schauspieler:innen?

Fest steht, sie bringen uns vor allem eines: Mehr Klarheit in den Zuständigkeiten. Eine nachhaltige Herstellung von Filmen und Serien ist keine Frage von Aktivismus, sondern folgt ab jetzt einem gemeinschaftlichen Verständnis von vereinbarten Regeln und Maßnahmen. Der Einsatz eines Green Consultants ist zukünftig in jeder Produktion, die unter dem Label „Green Motion“ produziert, Pflicht. Ein:e Green Consultant ist speziell ausgebildet (IHK München) und in allen Fragen rund um das Thema „Green Filming“ versiert. Sie oder er ist Ansprechpartner:in und grünes Bindeglied zwischen allen Gewerken: Produktion, Auftraggebern, Förderern und externen Dienstleistern.

Wir Schauspiele:innen sind bereits seit Jahren Teil des öffentlichen Diskurses und unterstützend im Thema „Green Filming“ aktiv. Hierbei sind unsere Strahlkraft und unser Idealismus immer von großem Wert. An dieser Stelle sollen einmal die einzelnen Handlungsfelder für unser Gewerk aufgeschlüsselt werden:

1. Green Consultant

Die Nachhaltigkeitsexperten der Filmfirmen sind im Herstellungsprozess von Pre- bis Postproduktion eingebunden, erstellen die CO2-Bilanz als auch den Abschlussbericht. Immer dankbar für Support und offen für Ideen helfen sie auch bei Fragen vor Ort am Set.

2. Bilanzierung

Die Bilanzierungen werden durch die Green Consultants in Zusammenarbeit mit den Produktionen erstellt. Hierbei können wir unterstützend tätig werden durch entsprechende Kommunikation im Workflow.

3. Abschlussbericht

Die Abschlussberichte werden durch die Green Consultants erstellt. Sie führen die Maßnahmen auf, die innerhalb der Produktion getroffen wurden, wie sich die Zielerreichung gestaltete. Verbesserungsvorschläge als auch Optimierungsansätze können eingebunden werden.

4. Ökostrom

Davon sind wir als Schauspieler:innen nicht direkt betroffen, solange wir nicht am Set sind. Es gehört aber zumindest theoretisch mit in die Bilanz und ist ein Beispiel dafür, wie alles miteinander verflochten ist: Wenn man z.B. sein Drehbuch in der Vorbereitung auf dem Rechner oder dem iPad liest, emittiert man CO2 – ganz einfach, weil Strom verbraucht wird. Strom ist der größte CO2-Emittent, zumindest, solange er aus auf Kohlekraft basierenden Energiemixen besteht. Ökostrom heißt die simple Lösung also auch für uns. Preise vergleichen ist ab sofort und aufgrund der stufenweisen Anhebung der CO2-Steuer von Jahr zu Jahr immer interessanter. Ökostromanbieter findet man im Vergleich z. B. hier

5. Generatoren

Dieses Thema betrifft uns indirekt. Denn Energie sparen am Set bedeutet, den Verbrauch zu senken. Es gilt also für uns – egal ob Wohnwagen oder Festunterkunft – Licht aus, Heizung aus, Klimaanlage aus, wenn ich ans Set gehe! Das ist unser Beitrag zu einem energiebewussteren Umgang mit unseren Ressourcen und ermöglicht schlussendlich vielleicht in Summe einen kleineren Generator, einen Energiespeicher oder – wenn vorhanden – dass man über weite Strecken mit Hausstrom auskommt.

6. Wiederaufladbare Batterien

Nicht relevant, da sie i.d.R. nicht zu unseren Arbeitsmaterialien zählen. Wer sich informieren möchte, findet alles Wissenswerte über Einwegbatterien auch im Vergleich zu Akkus hier

7. Licht

Das betrifft uns ebenfalls nicht – außer eben „Licht aus!“ im Aufenthalt, wenn man zum Set geht. Hier geht es jedoch um die professionelle Beleuchtungstechnik und ihren Energieverbrauch. Die größere Verfügbarkeit von energieeffizienter LED-Technik ist wohl die relevanteste Stellschraube neben den Segmenten Mobilität & Fahrzeuge.

8. Reise und Transport

Es gilt: Keine Flugreisen bei Bahnfahrten unter 5 Stunden, gemeint sind die Netto-Reisezeiten von Hbf zu Hbf. Hier liegt das größte CO2-Einsparpotential für unser Gewerk und natürlich sind Zugfahrten auch bei längeren Reisezeiten wünschenswert. Sondersituationen wie direkte Anschlussproduktionen können im Einzelfall im Abschlussbericht berücksichtigt werden und nach wie vor im Zusammenspiel Agentur & Produktion kommuniziert werden. Wenige (Business-) Flüge können bereits die CO2-Bilanz einer grünen Produktion zunichtemachen. Der BFFS überlegt, ob und wie die Nutzung privater Bahncards durch die Produktionsfirmen incentiviert werden könnte, das heißt, sie mit einem Zuschuss zur Bahncard einen Anreiz schaffen könnten.

9. Unterbringung

Hotels verursachen i.d.R. deutlich mehr CO2 als Ferienwohnungen und Apartments.

Es gilt also, von Fall zu prüfen, ob man grundsätzlich oder aus Gewohnheit in Hotels übernachtet oder eine Apartmentlösung vielleicht sogar präferieren würde. Grüne Produktionen sind hierfür offen und erarbeiten gemeinsame Lösungen. Auch hier liegt Incentivierungspotential z. B., was die Diäten betrifft.

10. Verpflegung

Die CO2-Faktoren beim Thema Catering sind: Bio & Regional.

Also stark vereinfach gesagt: Das mit auf Regenholzflächen kultivierte, mit Pestiziden gespritzte Soja gefütterte, im schwerölbetriebenen Containerschiff transportierte, Massenhaltungs-Rind hat einen schlechteren CO2-Footprint als das Bio-Rind vom Bauern um die Ecke. Unschlagbar in seiner CO2-Bilanz ist die regionale und saisonale Kartoffel, Rote Beete, Kohl etc. Weit vorne im CO2-Verbrauch sind neben Fleisch übrigens Milchprodukte, allen voran Butter.

Unsere Entscheidung für weniger Fleischkonsum hat also direkte Auswirkung auf den CO2-Footprint der Produktion, der wir unser Gesicht (ver)leihen.

Bewährt hat sich z. B. eine Fleischkonsum-Abfrage zu Drehbeginn bei Team und Cast, so wird die Entscheidung vom gesamten Team mitgetragen.

11. Papier

Drehbücher sind Arbeitsunterlagen. Unsere Arbeitsweisen sind individuell und unterscheiden sich stark. Natürlich kann man weiterhin jederzeit ein Drehbuch anfragen. Es wird zukünftig eben grundsätzlich auf Recycling-Papier gedruckt. Es bleibt uns überlassen, ob und wieviel Platz wir für „Notizen“ benötigen, ob die neueste Drehbuch-App auf unserem iPad, ein einseitiger oder doppelseitiger Druck, das gesamte Buch, oder eben die relevanten Szenen, in DIN-A4 oder doch in DIN-A5 für die Hosentasche am Set zu einer für uns optimalen Arbeitsweise führt.

12. Materialien

Das betrifft uns sekundär. Für die Inspiration im Alltag: Möglichst Produkte mit dem FSC-Siegel aus nachhaltiger Holzwirtschaft bevorzugen. Für „unsere“ Materialien gibt es mittlerweile zu jedem liebgewonnen Produkt z. B. aus dem Bürobedarf eine nachhaltigere Alternative. Beispiel Pagemaker

13. Kostüme

Dieses Kapitel Kostüme möchte ich um das Maskengewerk ergänzen. Beide Abteilungen arbeiten eng mit uns zusammen, mit beiden kommunizieren wir im Vorfeld. Es finden Kostümproben, ggf. auch Maskenproben statt. Hier ist Raum für direkte, individuelle Absprachen mit der Leitung der Abteilungen. Wobei es gleichermaßen relevant ist, die Kreislaufwirtschaft der Kostümfundi zu unterstützen, als auch private Kleidung in die Produktion einzubringen. Die Textilbranche ist nach der Erdölindustrie der größte CO2-Verursacher weltweit, vom Wasserverbrauch, Giftstoffen und Müll ganz zu schweigen. Hier gilt: reduce, reuse, recycle (verringern, wiederverwenden und wiederverwerten). Also keine Fast-Fashion, möglichst aus dem Fundus, oder anderweitig geliehen – eben auch mit Unterstützung von uns Schauspieler:innen. Ganz selbstverständlich seine eigene (Wärme-)Wäsche mitzubringen, ist hierbei nur ein kleiner Schritt. Wir haben (noch) keine eigene Wärmewäsche? Unsere Kostümbildner:innen können im Vorfeld abklären, ob wir die Wärmewäsche ggf. behalten können oder ob sich die Produktion beteiligt, wenn wir eigene hochwertige Wärmewäsche anschaffen oder stellen. Wärmewäsche in guter ökologischer Qualität ist teuer. Es lohnt sich also, das vorab zu besprechen. So wird am Ende weniger weggeschmissen, aber viel wichtiger, gar nicht erst produziert.

Nutzen wir ein besonders nachhaltiges Produkt aus Pflege oder dekorativer Kosmetik? Dann sollten wir es mit der Maske besprechen. Wenn man sich lieber zu Hause abschminkt – rechtzeitig ansagen. Das spart nicht nur Strom im Maskenmobil, sondern auch Arbeitszeit der lieben Maske, die am nächsten Tag wieder früh am Set steht und sich um uns Schauspieler:innen kümmert.

14. Plastik

Auf Einweggeschirr ist zu verzichten. Wir erinnern uns an den Hashtag #Bringyourowncup? Seitdem hat sich viel getan. Nach wie vor bringen wir unsere Thermosflaschen und -Becher mit zum Set. Viele Caterer haben sich an der Base auf Mehrweg eingestellt, es gibt Porzellanbecher, die gespült werden. Eine positive Entwicklung aus der Corona-Zeit: Um der Essenverschwendung entgegenzuwirken, werden Reste vom Caterer aufbereitet, in Mehrwegboxen aufgeteilt und dem Team zur Verfügung gestellt. Ein Gute-Nacht-Snack vom Chef de la Catering, den man mit in die Unterkunft nehmen kann. WICHTG: Box am nächsten Tag wieder mitbringen, nur dann kann sie auch wieder gefüllt werden.

15. Mülltrennung

Ein Gemeinschaftsakt: Müll. Wird. Getrennt.

Seltsamerweise ist hier oft ein gewisses Lemmingverhalten zu erkennen. Schludert eine:r, schludern alle. Auch hier gilt es, seiner Verantwortung nachzukommen und mit gutem Beispiel voranzugehen. Was in welche Tonne gehört, findet sich ganz einfach aufbereitet und mit Druckvorlage fürs Set und Hausgebrauch hier

Fazit:

Sechs von 15 Handlungsfeldern betreffen uns primär. Das heißt, wir können in diesen Feldern durch unsere Entscheidungen, unser Verhalten und unsere Kommunikation direkt einen positiven Effekt auf die Klimabilanz der Produktion erwirken:

Reise & Transport, Unterbringung, Verpflegung, Kostüme, Plastik und Mülltrennung.

Sekundär betreffen uns sieben Handlungsfelder, weil wir entweder durch unser Verhalten, unsere Kommunikation und unser Learning am Set oder während der Vorbereitung indirekt einen positiven Klimaeffekt erzielen können, auch wenn dieser teilweise (noch) nicht in der Bilanz der Produktion auftaucht (Beispiel: Umstellung auf Ökostrom privat):

Green Consultant, Bilanzierung, Abschlussbericht, Ökostrom, Generatoren, Papier und Materialien

In folgenden zwei Handlungsfeldern können wir nichts zum positiven CO2-Effekt beitragen:

Wiederaufladbare Batterien und Licht.

Unsere Filmbranche hat eine besondere Strahlkraft – sichtbar, verkörpert und erlebbar gemacht durch uns Schauspieler:innen. Nachhaltigkeit ist ein weites Feld – aber keine Raketenwissenschaft. Ich hoffe, es hat neugierig gemacht und motiviert, Verantwortung zu übernehmen und unsere Branche nachhaltig mitzugestalten.