Geimpft, genervt, gefährdet …

Heinrich Schafmeister
1. Dezember 2021

… so geht es uns in diesen Tagen, um es mal auf 3G zu reduzieren.

Die Sorge vieler Kolleg*innen …

… die sich an den BFFS gewandt haben, war leider allzu berechtigt. Unsere Politik mag wegen des Wahlkampfs zu lange mit sich selbst beschäftigt gewesen sein, aber versagt hat vor allem unsere Gesellschaft als Ganzes: Zu viel Ego, zu wenig Rücksichtnahme, zu viele einsame Opfer, zu wenig allgemeine Verantwortung, zu viele eitle Debatten, zu wenig Konsequenzen. Andere freiheitliche Demokratien haben mehr Charakter bewiesen und zurzeit die Pandemie besser im Griff. Hierzulande hält sie an, sie ist sogar im Vormarsch.

Vor allem unsere Schauspiel-Engagements sind im besonderen Maße gefährdet. In Sachsen sind die Theater schon wieder geschlossen, andere Bundesländer werden dem Beispiel folgen. Viele Kolleg*innen fragen den BFFS um Rat. Sie fürchten, sich beim körpernahen Agieren vor der Kamera, auf den Probe- oder Theaterbühnen mit dem gefährlichen Virus anzustecken. Auch wenn Geimpfte lange nicht so wie Ungeimpfte mit schweren Krankheitsverläufen, Aufenthalten in Krankenhäusern oder gar Intensivstationen, schlimmstenfalls mit dem Tod rechnen müssen, ist für uns allein das Risiko, wegen Long-Covid unseren Beruf längerfristig oder nie mehr ausüben zu können, ein Horror.

Darum bleibt der BFFS bei seiner Haltung …

zum Thema Impfen, wie er sie Anfang September geäußert hat. Der BFFS bekräftigt noch dringlicher sein JA zur Impfempfehlung. Er stellt sich nach wie vor gemeinsam mit anderen gesellschaftlich relevanten Gruppierungen hinter alle Maßnahmen, die geeignet sind, die Pandemie, die einen hohen Tribut von uns Schauspieler*innen gefordert hat und wohl wieder fordern wird, zu bekämpfen.

Und ja, der BFFS bleibt grundsätzlich auch dabei: Wir akzeptieren keine arbeitsrechtlichen Sonderopfer. Wir Schauspieler*innen sind weder Selbstständige, noch darf die Bekämpfung der Pandemie ein Vorwand sein, uns wie Angestellte zweiter Klasse zu behandeln. Wir erwarten, alle Auskunftsfragen an uns Schauspieler*innen zu unterlassen, soweit sie auch bei anderen Arbeitnehmer*innen unzulässig sind. (Und wir erwarten nebenbei auch, dass unsere Arbeitgeber*innen ihre Fürsorgepflicht, uns Schauspieler*innen genauso wenig wie die anderen Arbeitnehmer*innen einer erhöhten Ansteckungsgefahr auszusetzen, sehr, sehr ernst nehmen.) An all diesen Grundsätzen hat sich beim BFFS nichts geändert!

Geändert hat sich aber …

… wie gesagt, die hiesige pandemische Entwicklung und unsere Gesetzeslage – beides hat sich erheblich verschärft. Am Arbeitsplatz ist inzwischen 3G vorgeschrieben (geimpft, genesen oder getestet). Den Unternehmen drohen hohe Strafen, wenn sie den 3G-Status ihrer Angestellten nicht überprüfen. Inwieweit diese 3G-Überprüfung jetzt auch die Abfrage des Impfstatus rechtfertigt, ist Gegenstand spitzfindiger juristischer Betrachtungen. Die Produzentenseite jedenfalls verteidigt für Dreharbeiten sogar 2G-Konzepte (geimpft oder genesen). Ihre Rechtsabteilungen halten entsprechende Statusabfrage bei der Einstellung von Beschäftigten für angemessen. Die Juristen unserer Gewerkschaften, ver.di & BFFS, setzen da zumindest ein dickes Fragezeichen. Was ist z. B. mit den Beschäftigten, die sich nicht impfen lassen können? Aber wie auch immer: Den Vorwurf, wir Schauspieler*innen würden dadurch im Vergleich zu anderen Arbeitnehmer*innen gesondert benachteiligt, kann niemand im Ernst erheben. Und das ist für unseren Berufsstand branchenpolitisch ausschlaggebend.

Und wer will schon darauf wetten, wie die Arbeitsgerichtsbarkeit angesichts einer sich zuspitzenden Pandemie die Zulässigkeit von Impfabfragen künftig beurteilen wird? Oder wie stark die gesetzlichen Schrauben demnächst noch angezogen werden? Die kommende, allerdings jetzt schon unter Corona-Druck stehende Ampel-Regierung wird sich wohl an die Beteuerungen der Vorgänger-Regierung, keine allgemeine Impfpflicht einzuführen, nicht gebunden fühlen. Und der gestrige Segen des Bundesverfassungsgerichts – die Maßnahmen der Bundesnotbremse hätten zwar in erheblicher Weise in verschiedene Grundrechte eingegriffen, seien aber „in der äußersten Gefahrenlage der Pandemie“ mit dem Grundgesetz vereinbar gewesen – wird die Gesetzgebung zusätzlich anfeuern. Nein, von Tag zu Tag und mit jedem weiteren (zumeist ungeimpften) Corona-Toten werden abstrakt-juristische Argumente gegen praktische, sachgerechte Maßnahmen zur Aufrechterhaltung unserer Theater- oder Dreh-Produktionen ihre Überzeugungskraft verlieren – auch vor Gericht.

Der BFFS wird keines seiner Mitglieder im Stich lassen …

… die etwa aus medizinischen Gründen sich nicht impfen lassen können und sich wegen 2G-Konzepten von Dreh- oder Theaterproduktionen ausgeschlossen sehen. Jedem einzelnen wird ans Herz gelegt, über unsere Geschäftsstelle (030-225027930) einen Termin zur kostenlosen rechtlichen Erstberatung zu vereinbaren. Unser geschäftsführender Justitiar, Bernhard Störkmann, wird jeden Einzelfall vertraulich behandeln und versuchen, eine individuelle Lösung zu finden.

Unser Berufsstand als Ganzes ist gut beraten …

… vor lauter Bäumen den Wald nicht aus den Augen zu verlieren. Unser Elend mit der Pandemie wird nicht erträglicher, wenn sie quälend in die Länge gezogen wird. Wir sollten schlüssige und entschlossene Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie nicht fürchten – nur das Virus.