20211210 Artikel Weihnachtsbescherung Mit Netflix

Unsere Weihnachtsbescherung mit Netflix

Heinrich Schafmeister
8. Februar 2022

Zwei neue Netflix-Verträge

Unser Bundesverband Schauspiel und ver.di hatten rechtzeitig vor Weihnachten mit dem international agierenden Streamingdienstanbieter Netflix zwei weitere Verträge abgeschlossen, die für Filmschaffende und uns Schauspieler*innen wirtschaftlich und sozial wegweisend sind. Offiziell bekanntgegeben sollte diese Weihnachtsbescherung erst im neuen Jahr – voilá.

Folgevergütungen jetzt auch bei Spielfilmen

Bereits im Frühjahr 2020 hatten sich die beiden Gewerkschaften mit Netflix vertraglich auf Gemeinsame Vergütungsregeln geeinigt, die bei fiktionalen deutschen Netflix-Auftrags-Serien Folgevergütungen vorsehen. Das war eine Premiere: der erste Vertrag mit einem Streamingdienstanbieter in Deutschland und – zeitgleich mit einer dänischen Vereinbarung – der erste Vertrag in Europa. Von den Folgevergütungen profitieren die urheberrechtlich relevanten Filmkreativen aus den Gewerken Regie, Kamera, Szenen-, Kostüm- und Maskenbild, Tongestaltung, Filmmontage und Schauspiel.

Ab 07.12.2021 wurde von Netflix, ver.di und Bundesverband Schauspiel nun ein weiterer Vertrag unterzeichnet, der nach ähnlichem Muster den gleichen Filmkreativen jetzt auch Folgevergütungen bei fiktionalen deutschen Spielfilmen zusichert, die von Netflix in Auftrag gegeben werden.

Das einzigartige und herausragende am „Netflix-Muster“ – jetzt bei den fiktionalen Spielfilmen wie bisher schon bei den fiktionalen Serien – ist: Nicht nur für die erfolgreichen Produktionen, die eine bestimmte Erfolgshürde knacken, werden Folgevergütungen gezahlt. Auch für die nicht so erfolgreichen. Nur sind die Ausschüttungen an die Filmkreativen eben entsprechend geringer. In anderen „Bestseller“-Vereinbarungen gehen die Kreativen von Nicht-Bestsellern für gewöhnlich völlig leer aus.

Pension Payment Promotion

Außerdem wurde am selben Tag ein neuer „Pension Payment Promotion“-Vertrag besiegelt, der ebenfalls fiktionale Spielfilme betrifft, sich aber einem anderen Personenkreis und einem anderen Thema widmet: der betrieblichen Altersvorsorge für Filmschaffende und Schauspieler*innen. Dieser Vertrag eröffnet den über die Pensionskasse Rundfunk Versicherten die Möglichkeit, auch bei Netflix-Auftragsspielfilmen für ihr Alter freiwillig vorzusorgen. Den beauftragten Filmfirmen entstehen dadurch praktisch keine Kosten. Denn die entsprechenden Arbeitgeberanteile der Beiträge werden – das ist der Kern des „Pension Payment Promotion“-Vertrags – von Netflix erstattet.

Leider sind wir Schauspieler*innen von Altersarmut bedroht. Wir haben aufgrund unserer mehr oder weniger großen Lücken zwischen unseren Engagements nur eine unzureichende gesetzliche Rente. Darum ist die Pensionskasse Rundfunk (neben der Bühnenversorgung) das eigentliche Standbein unserer Existenzsicherung im Alter. Bislang ist diese Art der betrieblichen Altersvorsorge nur auf die Produktionen für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten beschränkt. Der Vertrag zur „Limburger Lösung“, der auch den Gewerkschaften ver.di und Bundesverband Schauspiel zu verdanken war, hat im Jahr 2017 dafür gesorgt, dass die Arbeitgeberanteile der Pensionskasse-Rundfunk-Beiträge durch die Rundfunkanstalten erstattet werden. Das heißt in der Praxis: Bei ARD- und ZDF-Produktionen funktioniert die betriebliche Altersversorgung für Filmschaffende und uns Schauspieler*innen, weil die Filmfirmen wegen der Erstattungszusage der Sender auf keinen Kosten sitzen bleiben und somit keinen Grund haben, die Zahlungen an die Pensionskasse Rundfunk zu verweigern.

Netflix ist nun der erste private Programmanbieter, der sich dieser Logik anschließt und die betriebliche Altersvorsorge mit seiner Erstattungszusage zumindest bei seinen Auftragsspielfilmen unterstützt. Damit ist Netflix Vorreiter und Vorbild auch für andere Streamingdienstanbieter und Privatsender.

Ermutigende Aussichten

Der wachsende Streamingkonsum und Netflix stehen für die Zukunft unserer Film- und Fernsehbranche. Seit Oktober 2016 entstehen deutsche Netflix-Produktionen, seit September 2019 sind unser Bundesverband Schauspiel, ver.di und Netflix in intensivem Austausch. Dabei sind in erstaunlich konstruktiven und konzentrierten Verhandlungen drei außergewöhnliche Verträge zugunsten der Filmkreativen, der Filmschaffenden und der Fairness in unserer Branche zustande gekommen. Andere Vereinbarungen, z B. im Synchronbereich, stehen auf der Aufgabenliste. Wenn es nach unseren Gewerkschaften und wohl auch Netflix geht, sollen die gemachten Fortschritte nicht die letzten sein. Denn, so wie es aussieht, will Netflix den hiesigen Markt nicht nur wirtschaftlich erobern, sondern auch sozial gestalten. Ein guter Grund für uns Schauspieler*innen, trotz Pandemie gebeutelter Zeiten etwas optimistischer in die Zukunft zu schauen. Möge die Weihnachtsbescherung mit Netflix der Auftakt sein für weitere Erfolge im neuen Jahr – für jeden von uns, für unseren Bundesverband Schauspiel!