20221013 Schuld Sind Nicht Immer Die Anderen

Schuld sind – nicht – immer die anderen

Dr. Till Valentin Völger
14. Oktober 2022

Der Bundesverband Synchronregie und Dialogbuch (BSD) und der Bundesverband Regie (BVR) haben gestern in einer Pressemitteilung ihre Entscheidung bekannt gegeben, die Gemeinsamen Vergütungsregeln (GVR) für Synchronschaffende zu kündigen.

Diese GVR Synchron sind erst im Jahr 2019 zwischen den Verleihern Constantin Film und Studiocanal auf der einen und Bundesverband Schauspiel (BFFS), ver.di, BVR und BSD auf der anderen Seite geschlossen worden. BFFS und ver.di stehen weiterhin zum Vertrag, ihre Mitglieder müssen nicht fürchten, ihre Folgevergütungsansprüche in der derzeit verbrieften Höhe zu verlieren. Ohnehin haben GVR einen anderen Rechtscharakter als z. B. Tarifverträge.

Die Pressemitteilung von BVR und BSD erweckt den Eindruck, als trügen BFFS und ver.di die eigentliche Schuld, dass BVR und BSD die GVR hätten kündigen müssen.

Das ist Unsinn und erscheint befremdlich. Eine verantwortungsvolle Entscheidung, eine GVR zu kündigen oder nicht zu kündigen, sollte ausschließlich von der Erwägung getragen sein, ob diese GVR für die vom jeweiligen Verband vertretenen Berechtigten gut oder schlecht sind und ob handfeste Chancen bestehen, in naher Zukunft entschieden bessere GVR durchsetzen zu können. Dieser Verantwortung auszuweichen und mit dem Finger auf andere Verbände zu zeigen, ist zu billig. Denn schließlich hat die Kündigung von BVR und BSD direkte Folgen für deren Mitglieder. Mit Beendigung der GVR haben sie zunächst keine Klarheit mehr über die ihnen künftig zustehenden Folgevergütungen.

Hinzu kommt, dass die vom BSD und BVR aufgeführten Gründe schlichtweg unwahr sind und jeglicher Grundlage entbehren. Eine Kommunikationsmethode, die in letzter Zeit offenbar Schule macht – schauen wir z. B. auf die gescheiterten Netflix-Verhandlungen vom BVR und seine ungerechtfertigten Schuldzuweisungen an die Adresse von ver.di.

Der BFFS möchte auf die in der heutigen Pressemitteilung vorgetragenen vermeintlichen Gründe – soweit sie unseren BFFS betreffen – kurz eingehen:

1. BFFS und ver.di haben eine Evaluierung der GVR mit Studiocanal und Constantin Film zu keinem Zeitpunkt abgelehnt. Der BFFS hat allerdings eine vom BSD Anfang des Jahres gesandte Rundmail, die auch an die Gegenseite der Verleiher gerichtet war und unter anderem auch den BVR in unverschämter Form angriff, nicht als Gesprächsangebot empfunden.

2. Anders als BVR und BSD jetzt suggerieren, sind Constantin Film und Studiocanal derzeit nicht bereit, im Rahmen bzw. nach einer Evaluierung Gespräche über eine größere Erlösbeteiligung zugunsten der Kreativen zu führen.

3. Der BVR hat bis zum heutigen Tage keinen Änderungs- oder Evaluierungsbedarf bezüglich der GVR Synchron zur Sprache gebracht. Überhaupt hat sich der BVR während der ganzen Laufzeit nach Abschluss in keinerlei Weise zur GVR Synchron geäußert – weder dem BFFS noch ver.di gegenüber.

4. Nur der BSD hat in seiner Rundmail einen Änderungsbedarf angemeldet und unter anderem gefordert, „den BVR aus der GVR und der Evaluierung zu entlassen und nicht mehr als Partei aufzuführen“, weil „der BVR keine Mitglieder mehr im Bereich Synchronregie und/oder Synchron-Dialogbuch“ habe.

5. Der BFFS hat sich dieser BSD-Forderung bisher nicht angeschlossen.

6. Der BFFS steht zu seiner GVR-Vereinbarung, weiß aber, dass seine Mitglieder den Anteil der Synchronschauspieler*innen an der Gesamterlösbeteiligung nicht für angemessen halten und einen größeren Anteil fordern.

Der BFFS wünscht den Synchronregisseur*innen und Dialogbuchautor*innen, dass ihre Folgevergütungsansprüche durch GVR rechtssicher ausgestaltet werden und sie diese Ansprüche nicht durch risikoreiche ungewisse Klageverfahren langjährig einfordern müssen. Das wäre nicht zuletzt für die Berufsverbände der Urheber*innen und ausübenden Künstler*innen, denen das Urhebergesetz die Kompetenz und Zuständigkeit zum Abschluss von GVR zuweist, eine Bankrotterklärung.