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„Bande Rythmo“ widerspricht unseren Synchronstandards

Dr. Till Valentin Völger
8. Mai 2023

Die Synchronisation von Filmen und Serien in Deutschland zeichnet sich seit jeher durch international überdurchschnittliche Qualität aus. Voraussetzung hierfür ist eine eingehende künstlerische Auseinandersetzung der Synchronkreativen mit dem jeweiligen Werk. Ermöglicht wird das durch ein etabliertes Verfahren – dem Take-basierten Aufnahmesystem. Zusammengefasst: Vor jeder Aufnahme wird der zu spielende Abschnitt im Original studiert, der zu sprechende Text unter Anleitung der Regie probiert und dann während der Aufnahme in der Rolle gespielt. Dieses Spiel wird durch die „Bande Rythmo“-Aufnahmetechnik im Grundsatz in Frage gestellt.

Bei der „Bande Rythmo“-Technik handelt es sich um ein älteres Verfahren, das in den 1930er Jahren entwickelt wurde und sich seither in Frankreich etabliert hat. Wie bereits dargestellt (siehe hier), wird der zu sprechende Text hierbei über ein „Laufband“ auf dem Bildschirm zeitlich so angezeigt, wie er zum Bild aufgenommen werden soll. Die Aufnahmen erfolgen nicht in Takes (mit rund 6–8 Sekunden), sondern in sog. „Loops“ mit einer Länge von klassischerweise jeweils etwa 45 Sekunden. Die Technik ähnelt dem eines Karaoke-Systems.

Die alte „Bande Rythmo“-Technik stellt einen Rückschritt in der Einführung „neuer“ Aufnahmetechnologien dar. Das hat die eingehende Befassung des BFFS gemeinsam mit der Mitgliedschaft sowie den anderen Kreativverbänden der Synchronbranche ergeben.

Die klassische Länge der Loops erschwert das Einstudieren der zu spielenden Texte drastisch, sodass die enorme Gefahr eines bloßen „Ablesens“ besteht. Das widerspricht dem künstlerischen Anspruch der Synchronschauspielerei. Zwar kann das Durchlaufen des Textes im Bild in einzelnen Sonderfällen einen nützlichen Effekt haben (bspw. bei Voice-Over-Aufnahmen). Im Wesentlichen ist der Text im Bild für die Synchronschaffenden allerdings ein Störfaktor. Wie bei einem Untertitel im Film zieht derartiger Text im Bild die Aufmerksamkeit auf sich. Der Text lenkt vom Geschehen ab und behindert somit das Spiel.

Vor diesem Hintergrund führt auch eine Verkürzung der Loops (bis zur klassischen Take-Länge) nicht zu einer Verbesserung der herkömmlichen Take-basierten Aufnahmetechnik. Die „Bande Rythmo“-Technik steht ebenso der Erarbeitung eines zu spielenden Textes im Aufnahmestudio entgegen, währenddessen vielfach Wörter oder Satzteile aus künstlerischen Gründen angepasst und möglicherweise in Sequenzen eingebracht werden, die im fremdsprachigen Original stumm sind. So kann dem deutschen Sprachduktus und Satzbau aufgrund der individuell persönlichen Leistung der einzelnen Synchronschauspielenden situativ Rechnung getragen werden. Das wird ebenfalls durch die „Bande Rythmo“-Technik erschwert.

Aus Sicht der Mitgliedschaft des BFFS besteht der Verdacht, dass die Ablösung des Take-Systems durch das „Bande Rythmo“-Verfahren dazu dienen soll, Kosten zu sparen. Klassischerweise werden während der Aufnahmen bei der „Bande Rythmo“-Technik keine Cutter eingesetzt, die mit den Synchronschauspielern im Studio zusammenarbeiten und auch darauf achten, dass Text und Mundbewegungen zusammenpassen. Diese Zusammenarbeit ist für eine qualitativ hochwertige Synchronfassung unerlässlich. Der im Jahr 2018 mit dem BFFS verschmolzene InteressenVerband Synchronschauspieler e.V. (IVS) hatte bereits in einer Mitgliederversammlung am 22. Mai 2016 u.a. folgende Grundsatzposition beschlossen:

„Der IVS vertritt die Auffassung, dass ein qualitativ hochwertiges Arbeitsergebnis nur im Zusammenspiel eines vollständigen Teams gewährleistet werden kann. Ein vollständiges Team beinhaltet während der Sprachaufnahmen neben den Synchronschauspielern mindestens den Synchronregisseur, den Tonmeister und den Cutter.“

An dieser Grundsatzposition hält der BFFS fest. Der BFFS sieht mit der „Bande Rythmo“-Technik ein erhebliches Risiko für qualitativ hochwertige Synchronfassungen.