20230607 Artikel Bühnenangehörige Profitieren Von Tariferhöhungen

BFFS, GDBA, VdO setzten Tariferhöhungen durch

Heinrich Schafmeister
8. Juni 2023

Für den öffentlichen Dienst im Bund und in den Kommunen wurden bekanntlich am 22. April zwei Tarifeinigungen erzielt: Die eine sieht einen Inflationsausgleich vor, die andere eine Tariferhöhung ab 1. März 2024.

Nun haben die Künstler*innen-Gewerkschaften GDBA, VdO und BFFS mit dem Deutschen Bühnenverein über entsprechende Gagenerhöhungen im  Bühnenbereich des Tarifvertrags NV Bühne verhandelt – mit Erfolg. Am Montag, 5. Juni 2023, haben die Tarifpartner des NV Bühne zugunsten des Bühnenpersonals an kommunalen Häusern einen Tarifvertrag zum Inflationsausgleich unterschrieben und eine weitere Tarifeinigung zur Gagenanpassung erzielt:

Gagenerhöhung im NV-Bühne-Bereich zum 1. März 2024 …

Ab 1. März 2024 werden an den Bühnen, die im Bereich des Tarifvertrags NV Bühne sind und für einen Teil ihrer technischen und administrativen Mitarbeiter*innen den TVöD/VKA anwenden, die individuell ausgehandelten Gagen sowie die tariflichen Gagenuntergrenzen des Bühnenpersonals entsprechend ansteigen.

Erhöhung unserer individuell ausgehandelten Gagen um Sockelbetrag und 5,5% …

Solo- und Bühnentechnikbeschäftigte, die für die kommende Spielzeit 2023 / 2024 (also zwischen dem 1. August 2023 und 29. Februar 2023) neu eingestellt werden und die zum 1. März 2024 ihr drittes Berufsjahr an NV-Bühne-Häusern noch nicht vollendet haben, erhalten eine Erhöhung von 35 Euro und anschließend um 5,5%.

Die Gagen aller anderen Künstler*innen werden am 1. März 2024 zunächst um einen Sockelbetrag in Höhe von 200 Euro aufgestockt und anschließend um weitere 5,5% erhöht.

Dabei wird bei denjenigen Solo- und Bühnentechnikbeschäftigten, die bis dahin ihr zweites Berufsjahr an NV-Bühne-Häusern noch nicht vollendet haben und deren Gagen durch die am 1. Januar 2023 gestiegene Mindestgage bereits auf 2.715 Euro angehoben wurden, auf ihre jeweiligen Gagen vor dieser Anhebung Bezug genommen.

Dynamisierung der Einstiegsgage und der Mindestgage zum 01.03.2024 …

Ein weiterer Verhandlungserfolg ist für uns besonders erfreulich:

Bereits bei der Tarifeinigung zum NV Bühne am 21. Juni 2022 war den Künstler*innen-Gewerkschaften gelungen, für die kommende Spielzeit 2023 / 2024 eine „Einstiegsgage“ für „Berufseinsteiger“ einzuführen. Diese Einstiegsgage wird ab 1. September 2023 auf der Höhe der jetzigen Mindestgage von 2.715 Euro liegen und für die Solo-Künstler*innen und Bühnentechniker*innen gelten, die weniger als zwei Berufsjahre hinter sich haben. Die Mindestgage für diejenigen mit mehr als zwei Berufsjahren klettert dann um 200 Euro auf 2.915 Euro.

Das war schon ein großer Erfolg der Künstler*innen-Gewerkschaften, der aber nun noch einmal von ihnen getoppt wurde. Am Montag konnten sie durchsetzen, dass die Einstiegsgage und die Mindestgage bereits ab 1. März 2024 „dynamisiert“ werden – zum ersten Mal in der Geschichte des NV Bühne. Beide steigen zunächst um 35 Euro und dann um 5,5%. Die Einstiegsgage wird damit bei (gerundeten) 2.900 Euro und die Mindestgage bei (gerundeten) 3.110 Euro liegen.

Ein Erfolg auch für gastierende Künstler*innen: Erhöhung der Mindestgage um Sockelbetrag und 5,5% …

Mit dem Tarifabschluss zur Erhöhung der Gagen für Bühnenbeschäftigte, die unter den Tarifvertrag NV Bühne fallen, wurde auch eine entscheidende Erhöhung der Gagen für die gastierenden Künstler*innen erreicht.

Anders als der Deutsche Bühnenverein zweifelt der NV-Bühne-Tarifvertrag nicht an der Arbeitnehmereigenschaft gastierender Solo-Künstler*innen. Denn er regelt für sie, dass sie je Aufführung mindestens 10% und je Probentag mindestens 5% der bisherigen Mindestgage, bzw. der künftigen Einstiegsgage in Höhe von 2.715 Euro erhalten. Weil dieser Betrag am 1. März 2024 an Bühnenhäusern mit TVöD-Bezug auf 2.900 Euro erhöht wird, profitieren damit auch die dort gastierenden Solo-Künstler*innen. Ihre Gagenuntergrenze je Vorstellung steigt auf 290 Euro und die je Probentag auf 145 Euro.

Für gastierende Künstler*innen fordern BFFS, GDBA und VdO Inflationsausgleichszahlungen

Die Forderung der Künstler*innen-Gewerkschaften, auch den gastierenden Künstler*innen einen Inflationsausgleich in 2023 zu zahlen, verweigert sich der Deutsche Bühnenverein derzeit. Er argumentiert, gastierende Künstler*innen hätten schon deshalb keinen Anspruch auf den Inflationsausgleich, weil sie vielleicht im sozialversicherungsrechtlichen, aber im arbeitsrechtlichen Sinne alle keine abhängig Beschäftigten, also keine Arbeitnehmer*innen seien. Dieser Standpunkt des Deutschen Bühnenvereins ist rechtlich völlig unhaltbar. BFFS, GDBA und VdO werden nun die Verhandlungen zu Inflationsausgleichszahlungen für gastierende Künstler*innen forcieren und hier nicht lockerlassen.

Die tariflichen Konditionen der gastierenden Solo-Künstler*innen bleibt noch eine große „Baustelle“ in den NV-Bühne-Verhandlungen. Die Forderungen unserer Künstler*innen-Gewerkschaften BFFS, GDBA und VdO zielen darauf ab, die gastierenden Kolleg*innen nicht länger am tariflichen „Katzentisch“ sitzen zu lassen. Die deutsche Bühnenlandschaft kann nicht ohne sie leben – und sie nicht ohne faire wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen. Spätestens seit der teilweise beschämenden Behandlung, die unsere gastierenden Künstler*innen an manchen Bühnenhäusern während der Corona-Krise erfahren mussten, ist der Druck auch unter den spielzeitverpflichteten Ensemblemitgliedern groß, unseren gastierenden Kolleg*innen endlich den tariflichen Rang einzuräumen, den sie verdienen.

Die Übernahme der Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst für den Bühnenbereich ist keine Selbstverständlichkeit …

Im Herbst sind wohl auch Tarifabschlüsse für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) zu erwarten. Auch deren Ergebnisse müssen dann von den Tarifparteien Deutscher Bühnenverein, BFFS, GDBA und VdO diesmal für die Bühnen der Bundesländer sinngemäß übersetzt werden. Die Übernahme von Tarifabschlüssen des öffentlichen Dienstes für den Bühnenbereich unterliegt keinem Automatismus und ist wie andere Fragen – z. B. die Erfassung unserer Arbeitszeit, Teilzeitregelungen, Regelungen für gastierende Künstler*innen etc. – nur in strittigen Verhandlungen zu lösen.

Ohne unsere Künstler*innen-Gewerkschaften, ohne deren Geschlossenheit, ohne ihren Rückhalt bei uns Bühnenbeschäftigten gelängen keine erfolgreichen Tariffortschritte. Und wir wären jetzt keine Profiteure von weiteren Tariferhöhungen.