20240615 Artikel Ki Mikrophone

Geniales Hilfsmittel oder Teufelszeug?

Ilona Brokowski
16. Juni 2024

Die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz hat sich in den letzten Jahren rasant beschleunigt. Viel schneller als erwartet stehen vor allem künstlerische Berufe vor neuen Herausforderungen. Doch was bedeuten die Möglichkeiten der KI speziell für die Synchronbranche? Der Versuch einer Einordnung.

KI ist in aller Munde. Ob ChatGPT, Sora, deepL, Voice Engine oder Canva. Es gibt Anwendungen für alle möglichen Bereiche. Man kann Bilder prompten, Texte sowieso und inzwischen auch Songs. Auch Stimmen mittels KI zu generieren ist machbar. Und die Entwicklung wird ganz sicher noch weitergehen. Den Möglichkeiten scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein. Halt. Das stimmt nicht ganz. Denn – zumindest in Deutschland – gibt es neben den moralischen und ethischen Grenzen noch die Grenzen, die die Gesetze vorgeben. Das sind u.a. das Urheber- und auch das Persönlichkeitsrecht.

Wir sind in Deutschland durch die Gesetze zum größten Teil besser geschützt als Urheber*innen und Künstler*innen in anderen Ländern. Und dennoch, eigene Rechte durchzusetzen ist mitunter schwierig und kann langwierig sein. Im Zweifel muss man evtl. Nachweise erbringen, dass es die eigene Stimme ist, die da generiert wurde. Und damit sind wir bei einem weiteren Problem: Für die einen bieten die KI-Anwendungen schier endlose Möglichkeiten, sich künstlerisch auszutoben, Bilder zu generieren, die man vorher sehr viel aufwändiger und/oder teurer hätte erstellen müssen oder auch Texte zu verfassen und diese mit den nötigen Infos auszustatten (die man nicht mehr langwierig recherchieren muss). Für die anderen ist KI aber eine Bedrohung, weil durch diese Möglichkeiten das Betätigungsfeld gerade vieler Kreativer ersetzt wird. Oder zumindest zukünftig ersetzt werden könnte.

Betrachten wir die Möglichkeiten, die KI bietet, mal am Beispiel der Film-Synchronisation. So können bspw. die Original-Stimmen nicht-deutschsprachiger Schauspieler*innen in eine deutsche Fassung umgewandelt werden, indem ein*e deutsche*r Synchronschauspieler*in den Text einspricht/spielt und die KI wandelt das in die Original-Stimme um. Oder man erzeugt aus wenigen Sekunden Audio-Material einer (echten) Stimme mittels Voice-Cloning gesprochene Texte. Das kann im privaten Bereich oder auch zu therapeutischen Zwecken durchaus sinnvoll sein, aber es öffnet dem Missbrauch eben auch Tür und Tor.

Ganz realistisch betrachtet: Es wird nicht möglich sein, die Zeit zurückzudrehen. Bestimmte Entwicklungen sind vollzogen, Stimmen wurden bereits zum Training der KI verwendet – ob mit oder ohne Einwilligung wird Stand jetzt auch nicht mehr nachweisbar sein – und die Einsatzbereiche werden mit zunehmendem Training und Verfeinerung der KI eher zu- als abnehmen. Man sollte deshalb überlegen, welche Schritte zielführend sein können.

Wie kann eine Gewerkschaft wie der BFFS also die Synchronschauspieler*innen und ihre Arbeit schützen? Weil eine Abschaffung der KI nicht mehr möglich ist, gibt es zwei Ebenen, auf denen der BFFS tätig wird und schon ist. Zum einen engagiert er sich aktiv mit anderen Branchenverbänden in der Initiative Urheberrecht. Hier soll durch Lobbyarbeit auf politischer Ebene Druck erzeugt und Einfluss genommen werden. So können Gesetze zum Schutz der Persönlichkeitsrechte bspw. verbessert bzw. verschärft werden. Die politische Arbeit ist nicht zu unterschätzen und die Kraft, die von den in der Initiative Urheberrecht gebündelten Verbänden ausgeht, hat schon so manchen Gesetzesentwurf/manches Gesetz beeinflusst.

Zum anderen führt ein strategisch immens wichtiger Weg über die Verhandlungen mit den Arbeitgeber-Vertreter*innen. Dies kann bspw. im Rahmen von Tarifverhandlungen oder Gesprächen über Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR) passieren. In Tarifverträgen können neben Gagenhöhen auch alle anderen Arbeitsbedingungen festgelegt werden. D.h. neben einer Einstiegsgage für Serien, Kino-Filme usw. kann es Absprachen über Arbeitszeiten, Pausen, Take-Längen oder eben Regelungen bzgl. der Rechte-Abtretungen geben. Und diese sind dann auch rechtlich bindend für die Arbeitgeber. Es wäre also möglich, KI-Regelungen durch eine rechtssichere Tarifvereinbarungen zu treffen, die jedes Statement oder Bekenntnis um Längen schlägt.

Weil sich deutsche Synchron-Produzent*innen im internationalen Vergleich aber nicht schlechter stellen wollen bzw. auch oft die Rechteabtretungen von den Auftraggeber*innen vorgegeben werden, ist es bedeutsam, mit den Arbeitgeber-Vertreter*innen auf Augenhöhe zu sprechen und zu verhandeln. Ängste beider Seiten sollten Gehör finden und wenn der kleinstmögliche gemeinsame Nenner der ist, dass alle weiterhin qualitativ hochwertige Synchronisationen machen wollen, ist das eine gute Basis um darauf aufzubauen.

Denn auch wenn KI-Systeme schon jetzt und zukünftig noch mehr Möglichkeiten bieten, haben wir das Pfund der im internationalen Vergleich hochwertigen Film-Synchronisation in Deutschland in unseren Händen. Und dessen sind sich auch viele der Auftraggeber*innen durchaus bewusst. Keiner kann in der Glaskugel erkennen, wie schnell und in welche Richtung die Entwicklungen gehen. Doch Panik oder wilde Forderungen sind nicht angebracht oder hilfreich. Verhandlungen und Gespräche auf Augenhöhe umso mehr.