Der BFFS nennt Kriterien und Standards
In einer privaten Schauspielagentur unterzukommen, möglichst in einer, die erfolgreich in Engagements vermittelt, war für die meisten von uns Schauspieler*innen noch nie leicht. In letzter Zeit kommt noch die Verunsicherung dazu, welche von den ca. 300 Agenturen eigentlich nach den Maßstäben arbeiten, die wir von einer echten „Schauspielagentur“, die diesen Namen verdient, erwarten.
Unsere Erwartung deckt sich im Grunde mit dem schon vor 1927 historisch gewachsenen Selbstverständnis der sogenannten Schauspielagenturen. Ihr Service zielte immer darauf ab, ihre Schauspielklient*innen – aber auch Drehbuchautor*innen, Regisseur*innen oder andere Bühnen- oder Filmschaffende – in Engagements zu vermitteln und dabei ihre Gagen und Arbeitsbedingungen vertraglich auszuhandeln. So verstanden sich bislang die Mitgliedsagenturen des tonangebenden Verbands der Agenturen für Film, Fernsehen und Theater (VdA) und hielten sich entsprechend an die Vermittler-Vergütungsverordnung.
Aber nicht nur das. Schauspielagenturen arbeiteten primär für die Anliegen ihrer Schützlinge. Die Satzung des VdA aus dem Jahr 1998 untersagt bislang noch seinen Mitgliedern „neben der Agententätigkeit anderweitige Aufgaben“ wahrzunehmen, „die in einem Interessenkonflikt zur Agententätigkeit stehen, insbesondere die Tätigkeit als Castingdirector oder Produzent.“ Recht so! Denn Castingdirectors arbeiten im Auftrag der Produzent*innen und diese haben beim Vermittlungsprozess zwar berechtigte, aber – von uns Schauspieler*innen aus gesehen – entgegengesetzte wirtschaftliche Interessen.
Allerdings haben aufgrund der schwieriger werdenden Branchenlage immer mehr Agent*innen den Eindruck, sich mit diesem klassischen Geschäftsmodell einer reinen privaten Künstler*innen-Vermittlungsagentur nicht mehr über Wasser halten zu können. Manche Agenturen hören auf, oder orientieren sich geschäftlich um. BFFS-Mitglieder berichten über Agenturen, die mit der Begründung, Managements zu sein, Provisionen verlangen, die weit über die amtlich erlaubten Obergrenzen für private Vermittlungsagenturen hinausragen. Wieder andere nennen sich zwar „Schauspielagenturen“, verhalten sich aber wie Modelagenturen. Sie kassieren auch von den Arbeitgeber*innen Provisionen und zwar in einem Maße, die sie in den Verdacht bringen, eher die Anliegen der Gegenseite als die ihrer eigenen Klient*innen zu verfolgen. Wieder andere wollen sogar ihre Agentur- mit einer Produktionstätigkeit verbinden und blenden damit den unvermeidlichen Konflikt zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseiten völlig aus.
In dieser unüberschaubaren Situation wünschen sich die BFFS-Schauspieler*innen eine bessere Orientierung und erwarten von unserer Schauspielgewerkschaft die Aufstellung von Kriterien oder Standards, die eine echte Schauspielagentur ausmachen sollten.
Unter Schauspielagenturen verstehen wir private Arbeitsvermittlungsagenturen zur Vermittlung von Schauspieler*innen in Schauspielengagements
Als echte Schauspielagenturen sollten wir nur solche Agenturen bezeichnen, die das Ziel ihrer Arbeit darin sehen, ihre Schauspielklient*innen in Schauspielengagements zu vermitteln und für sie die Arbeitsverträge auszuhandeln.
Für dieses Ziel kann je nach Bedarf der Schauspielklient*innen die Übernahme von Pressearbeit, Bürodiensten, Managementaufgaben durchaus nützlich sein und zum Umfang des Serviceangebots einer Schauspielagentur dazugehören.
Aber reine Presse-, Büro- oder Management-Agenturen konzentrieren sich auf ihren speziellen Service. Sie halten sich nicht an die Provisionsbegrenzungen der Vermittler-Vergütungsverordnung, weil sie nicht versprechen, in Arbeit zu vermitteln. Damit erfüllen sie allerdings nicht die Erwartung, wegen der die meisten von uns in einer Schauspielagentur sein wollen: eine bessere Chance auf Schauspiel-Engagements zu fairen Gagen- und Arbeitsbedingungen.
Schauspielagenturen haben Recht und Gesetz zu befolgen
Gesetzliche Regelungen und Verordnungen sind von Schauspielagenturen ohnehin einzuhalten und sollten hier in der Auflistung der Standards nicht fehlen. Zu erwähnen wären da vor allem die staatlichen Vorgaben für die private Arbeitsvermittlung:
- Der 296 SGB III schreibt im Absatz 1 einen Vermittlungsvertrag zwischen Vermittlern und Arbeitsuchenden in Schriftform vor, duldet im Absatz 2 nur bei zustande gekommenen Arbeitsverträgen eine Agenturprovision und lässt einen Vorschuss darauf gar nicht zu.
- Die Vermittler-Vergütungsverordnung (VermittVergV) setzt für Agenturprovisionen je nach Beschäftigungsdauer bestimmte Obergrenzen. So dürfen Agenturen für die Vermittlung in eine bis zu sieben Tage dauernde Beschäftigung von ihren Klient*innen inklusive MwSt. nicht mehr als 18% vom Arbeitsentgelt als Agenturprovision verlangen, für die Vermittlung in eine länger dauernde Beschäftigung nicht mehr als 14% vom Arbeitsentgelt – aber nur für zwölf Monate dieser Beschäftigung. Wird dabei jeweils die derzeitige MwSt. von 19% herausgerechnet, bedeuten die 18% ein Limit von 15,126% und die 14% ein Limit von 11,764%. Die klassischen Schauspielagenturen verlangen von ihren Klient*innen zumeist nicht mehr als 10% (ohne MwSt.) und erfüllen damit die Vorgaben der Vermittler-Vergütungsverordnung.
Wohlgemerkt: Mit diesen rechtlich zulässigen Provisionen sollten alle Agentur-Leistungen, die der Arbeitsvermittlung dienen, abgedeckt sein. Noch darüber hinaus gesondert für Dienste kassieren zu wollen, die zur Vermittlung in Engagements selbstverständlich sind, wie etwa die Präsentation der Klient*innen auf der Agentur-Website, Beratungsgespräche etc., sind – nach Auffassung des BFFS – unseriöse Versuche, die staatlichen Vorgaben zu umgehen.
Schauspielagenturen stehen vorrangig auf der Seite ihrer Klient*innen
Die Vermittlungsleistungen von Schauspielagenturen sind laut § 627 BGB „Dienste höherer Art“, weil sie ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Klient*in und Agentur voraussetzen. Dieses Vertrauensverhältnis ist nur gerechtfertigt, wenn die für die Dienste der Agentur zahlende Schauspielperson davon ausgehen kann, dass die Agentur bei der Arbeitsvermittlung vorrangig an ihrer Seite steht und nicht auf der Gegenseite der Arbeitgeber*innen. Letztere beauftragen und bezahlen für die Besetzung von Rollen sogenannte Castingdirectors, die folglich hauptsächlich im Interesse der Arbeitgeber*innen handeln.
Echte Schauspielagenturen sollten sich auch nicht als „Diener zweier Herren“ verstehen, also nicht als Agentur den Schauspielklient*innen dienen und daneben als Castingdirectors den Produzenten.
Allerdings bekommen im Bereich Theater oder Werbung die Agenturen ihre Vermittlungsprovisionen üblicherweise auch von den Arbeitgeber*innen. Wie verträgt sich das mit dem Anspruch der Schauspielagenturen, vorrangig die Interessen ihrer Klient*innen zu vertreten? Aus Sicht des BFFS bleibt dieser Anspruch gewahrt, wenn Schauspielagenturen sich in solchen Fällen an folgende Regel halten:
Sie sollten von ihren Schauspielklient*innen keine höhere Agenturprovision als die in der Vermittler-Vergütungsverordnung (ohne MwSt.) erlaubten 11,764% bzw. 15,125% verlangen – abzüglich der von Arbeitgeberseite gezahlten Agenturprovision.
Beispiel 1: Wenn eine Schauspielagentur für die Vermittlung ihrer Klientin in ein mehrmonatiges Theaterengagement vom Theater und der Klientin jeweils 3% Agenturprovision erhält, wird die oben aufgestellte Regel eingehalten. Denn die 3% Agenturprovision der Klientin sind nicht höher als die von der Vermittler-Vergütungsverordnung effektiv erlaubten Agenturprovision von 11,764% abzüglich der vom Theater gezahlten Agenturprovision von 3%, was im Ergebnis 8,764% ausmacht.
Beispiel 2: Wenn eine Schauspielagentur für die Vermittlung ihrer Klientin in ein eintägiges Engagement für einen Werbespot von der Werbeagentur 20% Agenturprovision erhält, sollte nach der oben aufgestellten Regel die Schauspielagentur von der Klientin keine Agenturprovision mehr verlangen. Denn beim Abzug der 20% Agenturprovision von den in diesem Fall von der Vermittler-Vergütungsverordnung effektiv erlaubten 15,125% bleiben keine Prozente übrig, die von der Klientin noch verlangt werden könnten.
Der BFFS betrachtet nur solche Agenturen als echte Schauspielagenturen, die auch diese Regel beherzigen. Ansonsten würde sich die Frage stellen: Nutzt die Schauspielagentur hier nicht die spezielle Branchenüblichkeit z. B in der Werbebranche aus, um an der Vermittler-Vergütungsverordnung vorbei mit der Provision von der Arbeitgeberseite insgesamt eine viel höhere Agenturprovision zu kassieren? Und zwar auf Kosten ihrer Klient*innen? Warum fließt dieser Überschuss oberhalb der staatlich angeordneten Obergrenze stattdessen nicht in die Gage der Schauspieler*innen? Erkauft sich die Arbeitgeberseite bei der Agentur damit nicht einen Interessenvorsprung vor den Anliegen der Klient*innen? Allein dieser Verdacht verletzt das Vertrauensverhältnis zwischen Schauspieler*innen und Schauspielagentur.
Schauspielagenturen sollten die Klient*innen-Gage nicht über ihr Agenturkonto laufen lassen
Dieser Punkt ist umstritten. Nicht wenige Agenturen beklagen sich über die schlechte Zahlungsmoral ihrer Klient*innen. Mal ehrlich – da ist was dran. Wir erwarten von unseren Agenturen optimalen Einsatz, den sie aber kaum erbringen können, wenn sie dauernd ihrem Geld, das wir ihnen schulden, hinterherlaufen müssen. Darum vereinnahmen mache Agenturen die Klient*innen-Gagen direkt von den Arbeitgeber*innen, um zunächst die Agenturprovision davon abzuziehen und erst dann den Rest der Gagen an die Klient*innen weiterzuleiten. Bei weitem nicht alle, aber einige Klient*innen lassen sich sogar gerne darauf ein, weil sie sich so die „lästige Mühe“ der Provisions-Überweisung ersparen. Der BFFS sagt trotzdem: Vorsicht!
Zunächst ist diese Umleitung der Gagen-Zahlungen nach dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) äußerst bedenklich. Dieses Gesetz betrachtet laut § 1 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 alle „Dienste“, die Zahlungen von A entgegennehmen, um sie nach C weiterzuleiten, als „Zahlungsdienste“. Diese Zahlungsdienste sind alle grundsätzlich erlaubnis- und aufsichtspflichtig – von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Und die extrem anspruchsvollen Auflagen, die von der BaFin an solche Zahlungsdienste gestellt werden, können normale Agenturen wohl kaum erfüllen. Wenn also die BaFin auf solche Zahlungsumwege – sogenannte Finanztransfergeschäfte – bei Agenturen aufmerksam werden sollte, droht ihnen Ärger.
Aber ganz davon abgesehen: Was passiert mit unseren Gagen auf den Konten unserer Agenturen, wenn diese – warum auch immer – plötzlich insolvent sind? Kurz: Dann ist unsere Gage unwiederbringlich futsch. Die Agentur hat sie nicht mehr und der Arbeitgeber haftet nicht mehr für sie. Wollen wir das riskieren? Die meisten von uns nicht.
Am besten, wir halten uns alle an den korrekten klassischen Weg: Unsere Agenturen verzichten auf Gagenzahlungen über ihre Konten. Unsere Arbeitgeber zahlen unsere Gagen direkt an uns. Und wir zahlen die Provisionen pünktlich an unsere Agenturen.
Schauspielagenturen sollten zum wirtschaftlichen und sozialen Schutz ihrer Schauspielklient*innen beitragen
Im Interesse von uns Schauspieler*innen sollten Schauspielagenturen …
- tarifvertragliche Regelungen nicht unterlaufen;
- auf korrekte Vertragszeiten dringen, die möglichst alle Drehtage, Zusatz-, Vor- und Nachbereitungsdienste sowie Bereitschaftszeiten der Schauspielklient*innen umfassen sollten (siehe z. B. Ziffer 3.2. und Ziffer 5.3. des Schauspieltarifvertrags), und auf dementsprechende korrekte Sozialversicherungszeiten achten;
- ihre Schauspielklient*innen aufmerksam machen auf die Mitgliedschaft in einer der für sie zuständigen Gewerkschaften (BFFS, GDBA oder ver.di),
- auf die Mitgliedschaft in der GVL,
- auf die Mitgliedschaft in der Pensionskasse Rundfunk
- und auf die freiwillige Weiterversicherung in der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen.
Schauspielagenturen sollten sich gegen Machtmissbrauch, Diskriminierung und sexuelle Belästigung einsetzen
Eigentlich selbstverständlich, aber dieser Punkt darf in der Standardliste nicht fehlen: Schauspielagenturen sollten sich auch verpflichten, sich gegen Machtmissbrauch, Diskriminierung und sexuelle Belästigung im Sinne des Respect Code Film einzusetzen – ganz gleich, ob ihre Schauspielklient*innen …
- am Arbeitsplatz,
- bei Bewerbungen
- oder innerhalb der Schauspielagentur
davon betroffen sein sollten.
Schauspielagenturen sollten im hohen Maße Branchen- wie Schauspielberufskenntnisse, Verbindungen, Verhandlungsgeschick, Durchsetzungsvermögen, Integrität besitzen und die persönliche „Chemie“ muss auch stimmen
Diese Kriterien sind sehr ausschlaggebend für den Vermittlungserfolg einer Agentur. Der BFFS kann allerdings keine Beurteilung vornehmen, bei welcher Agentur diese Kriterien in welchem Maße zutreffen. Diese Frage muss jede und jeder von uns allein beantworten.
Das Serviceangebot der Schauspielagenturen sollte sich von dem der staatlichen und provisionsfreien ZAV-Künstlervermittlung abheben
Ein paar Worte zur ZAV-Künstlervermittlung: Sie ist eine Einrichtung der Bundesagentur für Arbeit, die neben anderen Bühnen- und Filmmitwirkenden vor allem uns Schauspieler*innen einen auf unsere Branche und unseren Schauspielberuf spezialisierten und damit wertvollen Vermittlungsservice anbietet, ohne dafür gesonderte Vermittlungsprovisionen zu verlangen. Denn sie wird als Fachabteilung der Bundesagentur für Arbeit paritätisch von den Sozialbeiträgen der Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen finanziert und steht deshalb neutral zwischen der Arbeitgeber*innen- und Arbeitnehmer*innen-Seite. Serviceleistungen über die reine Arbeitsvermittlung hinaus sind kaum möglich. Die ZAV-Künstlervermittlung darf sich nur insoweit am Verhandlungsprozess zu Arbeitsverträgen beteiligen, als dass über sie die Verhandlungspositionen beider Seiten ausgetauscht werden – wobei sich beide Seiten auf ihre Expertise, ihre Integrität und ihre Zugewandtheit verlassen können. Die ZAV-Künstlervermittlung muss als staatliche Einrichtung alle Schauspieler*innen aufnehmen, die bestimmte Zulassungsvoraussetzungen erfüllen und sich bei ihr anmelden. Die ca. 30 Fachvermittler*innen der ZAV-Künstlervermittlung haben für die Bereiche Bühne und Film-Fernsehen ca. 6.500 Schauspieler*innen in ihrer Kartei. Das sind mehr als 200 Klient*innen pro Fachvermittlungsperson.
Private Schauspielagenturen können sich dagegen „ihre“ Schauspieler*innen aus dem großen Kreis der Bewerbungen frei aussuchen und betreuen je Agent*in höchstens 50 von ihnen, die für jede erfolgreiche Vermittlung Provisionen an ihre Agentur bezahlen müssen. Also dürfen wir von Schauspielagenturen etwas mehr erwarten:
Sie sollten zu ihren Klient*innen ein engeres Verhältnis pflegen, individueller auf ihre beruflichen Belange eingehen, ihnen einen über die reine Arbeitsvermittlung hinaus umfangreicheren Service anbieten, und vor allem bei Vertragsverhandlungen eindeutiger Partei für sie ergreifen, als die ZAV-Künstlervermittlung dies kann und darf.
Der BFFS gibt zu bedenken …
Die genannten Kriterien und Standards sollen uns Orientierung bieten. Aber ob eine Schauspielagentur die richtige für die einzelne Schauspielpersönlichkeit ist, muss jede und jeder von uns selbst entscheiden und selbst verantworten.
Die Kontaktdaten der Geschäftsstelle:
Die Geschäftsstelle ist Montag bis Freitag von 09.00 Uhr bis 17.00 Uhr telefonisch unter +49 (030) 225027930, sowie per E-Mail unter info@bffs.de erreichbar.
Bundesverband Schauspiel e.V.
Kurfürstenstraße 130
D-10785 Berlin
Tel: +49 (030) 225 02 79 30
Fax: +49 (030) 225 02 79 39