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KI-Klauseln in Synchronverträgen

Dr. Till Valentin Völger
26. Februar 2025

Was sollte der Einzelne tun – und was nicht?

Die rasante Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) betrifft nunmehr nahezu alle Branchen. Manche mehr, manche weniger. Insbesondere ist der Kunst- und Kultursektor betroffen. Problematisch ist hier nicht nur, dass mittels KI generierte Inhalte für die Weiterentwicklung der Ausdrucksvielfalt eine Gefahr darstellen (das ist ein anderes, aber nicht minder wichtiges Thema). Problematisch ist vor allem auch, dass die Erstellung von KI-Inhalten vielfach unter Verletzung der Rechte der Kreativen erfolgt. Vergleichbar mit einem (künstlichen) Architekten, der sich aus den Entwürfen seiner (echten) Kollegen jeweils Teile rausschneidet, und sie dann in einer Art Collage als angeblich eigene Leistung vermarktet.

Im Gaming-Bereich ist es beispielsweise schon seit einiger Zeit nicht unüblich, dass jedenfalls nicht tragende Charaktere (vor allem sog. „NPC“) mit künstlichen Stimmen vertont werden. Künstlich, da es diese Stimmen so nicht wirklich gibt. Sie bestehen mitunter aus einem Gemisch vieler verschiedener Stimmen, die aus den Aufnahmen „echter“ Stimmen extrahiert wurden. Aber auch bei der Synchronisation von Filmwerken finden sich aktuell Beispiele von Produktionen mit KI-Stimmen (z. B. die deutsche Synchronfassung des Films „Black Dog“).

Warum ist dieses Verhalten dieses KI-Trainings teilweise illegal? Weil die „Trainer“ vielfach nicht über die entsprechenden Rechte verfügen. Die Kreativen wurden nicht um Erlaubnis gebeten, geschweige denn für diese Nutzung angemessen vergütet. Um nicht in die Falle zu laufen, die erforderlichen Rechte nun doch irgendwie einzuräumen (und damit den Diebstahl zu legalisieren), soll nachfolgend eine Übersicht etwas Klarheit schaffen, welche Aspekte der Vertragsgestaltung für die Synchronbranche aus rechtlichen und tatschlichen Gründen wichtig sind:

1. Welche Rechte bekommt der Verwerter?

Die Frage der Rechteeinräumung ist eine urheberrechtliche. Im Urhebervertragsrecht ist geregelt, unter welchen Bedingungen bestimmte Vertragsinhalte möglich sind. Damit wird der Grundsatz durchbrochen, dass Parteien im Ausgangspunkt frei darin sind, vertraglich zu vereinbaren, was sie vereinbaren möchten. Wenn ein Autohändler einen neuen 1er BMW für einen Euro verkauft, dann ist das wirtschaftlich sinnwidrig, vertragsrechtlich aber grundsätzlich möglich. Das Urheberrecht zieht da engere Grenzen.

Das fängt damit an, dass jeder Kreative einen gesetzlich verbrieften Anspruch auf eine „angemessene“ Vergütung hat. Ist die vertraglich vereinbarte Vergütung nicht angemessen, hat der Kreative das Recht, diesen Vertragsbestandteil (die Vergütung) im Nachgang nachzuverhandeln – notfalls mit gerichtlicher Hilfe. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichts ist eine Vergütung im Urheberrecht dann angemessen, wenn der Kreative am Erfolg seiner Leistung beteiligt wird (auch das gibt es in der Synchronbranche vielfach noch nicht, aber auch das ist ein anderes Thema).

Ein weiterer Aspekt ist, dass der Kreative im Zweifel dem Verwerter nur die Rechte einräumt, die dieser zur Verwirklichung des Vertragszwecks benötigt. Wird jemand also für die Synchronisation einer Streaming-Serie beauftragt, dann werden im Zweifel nur die Rechte übertragen, die der Streaming-Diensteanbieter für das Streaming benötigt. Beispielsweise ist die nachfolgende Umarbeitung in ein Hörspiel aus den Aufnahmen dann nicht erfasst. Das geht zurück auf § 31 Abs. 5 UrhG:

„Sind bei der Einräumung eines Nutzungsrechts die Nutzungsarten nicht ausdrücklich einzeln bezeichnet, so bestimmt sich nach dem von beiden Partnern zugrunde gelegten Vertragszweck, auf welche Nutzungsarten es sich erstreckt. Entsprechendes gilt für die Frage, ob ein Nutzungsrecht eingeräumt wird, ob es sich um ein einfaches oder ausschließliches Nutzungsrecht handelt, wie weit Nutzungsrecht und Verbotsrecht reichen und welchen Einschränkungen das Nutzungsrecht unterliegt.“

Hintergrund ist der Grundsatz, dass die Rechte eines Kreativen so weit wie möglich bei ihm verbleiben. Eine Klausel mit der Regelung, dass schlicht „alle Rechte“ übertragen werden (ohne sie einzelnen zu nennen), wirkt also nicht allumfassend, sondern nur im Sinne des oben zitierten § 31 Abs. 5 UrhG.

Diese Regelung hat dazu geführt, dass Produzenten (nicht nur im Synchronbereich) umfassende Verträge mit allen möglichen Nutzungsarten vorlegen. Die im Synchronbereich „klassischen“ Verträge sehen daher jede Menge an Nutzungsrechtseinräumungen vor, im Regelfall aber eben keine Klausel, die KI-Training erlaubt. Wenn diese Art der Nutzung also nicht erfasst ist, gilt im Sinne des § 31 Abs. 5 UrhG, dass sich der Vertrag auch nicht darauf erstreckt. In dem Fall bedarf es also auch keiner irgendwie gearteten KI-Schutzklausel, die das KI-Training sowie Morphing etc. untersagt. Denn was der Produzent ohnehin nicht bekommt und nicht tun darf, muss auch nicht ausgeschlossen werden (zu der Frage, ob man so eine Klausel trotzdem aufnehmen sollte, sogleich).

Allerdings gibt es vereinzelt auch Synchronverträge, die derartige Klauseln vorsehen. Sie sind selten, aber existent. Zuletzt lag dem BFFS ein Vertrag mit entsprechender Klausel der Eclair Studios Germany GmbH (Christa Kistner Synchronproduktion) vor. Dort heißt es unter anderem:

„Ist der Dienstleister ein Dialogsprecher und/oder Sänger, erklärt sich der Dienstleister ausdrücklich damit einverstanden, dass das Studio oder seine Abtretungsempfänger (einschließlich DWA [Anm.: Dreamworks Animation Television, L.L.C. und verbundene Unternehmen]) berechtigt sind, eine Stimme zu verwenden, die die Eigenheiten der vom Dienstleister für die Serie oder für nach dieser Vereinbarung erbrachte Dienstleistungen dargestellte Rolle(n) oder Figur(en) simuliert (‚Figurensimulation‘), und das Studio bzw. seine Abtretungsempfänger (einschließlich DWA) sind zusätzlich zu sämtlichen sonstigen Rechten und Rechtsbehelfen, die dem Studio nach dieser Abtretungs- und Übertragungsvereinbarung gegebenenfalls zustehen, berechtigt, eine Figurensimulation ohne weitere Verpflichtung gegenüber dem Dienstleister zu verwenden, und der Dienstleisterverzichtet in dem nach dem anwendbaren Recht größtmöglichen Umfang auf die Geltendmachung seiner/ihrer Persönlichkeitsrechte in Bezug auf diese Verwendung;“

Da steht nicht ausdrücklich etwas von KI – aber das ist es, was damit im Ergebnis ermöglicht wird. Derartige Klauseln sind sehr mit Vorsicht zu betrachten. Begegnet jemandem eine solche oder vergleichbare Klausel in einem Vertrag, kann jedes BFFS-Mitglied sich an die Geschäftsstelle für eine juristische Beratung im Einzelfall wenden. Aktuell setzt der BFFS sukzessiv Maßstäbe für die Verwendung von KI in derartigen Fällen, sodass im Idealfall in absehbarer Zeit auch derartige Klauseln kollektivvertraglich reguliert werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen:

  • Wenn ein Produktionsvertrag keine KI-Klauseln vorsieht (oder solche, die verdächtig danach aussehen), bedarf es keines expliziten Ausschlusses des KI-Trainings oder dergleichen.
  • Sieht ein Vertrag eine solche KI-Klausel vor, steht eine Einzelfallberatung zur Verfügung, insbesondere so lange noch nicht alle Bereiche kollektivvertraglich erfasst sind.

2. Was ist aber mit unbekannten Nutzungsarten?

In diesem Zusammenhang kommt oft die Frage auf, ob ein Ausschluss des KI-Trainings oder Morphings nicht vor allem mit Blick auf die Rechtseinräumung an sog. „unbekannten Nutzungsarten“ erforderlich ist.

Dazu zunächst eine kurze Erklärung: Wie wir alle wissen, schreitet die technische Entwicklung stetig voran. Noch vor wenigen Jahrzehnten war beispielsweise die Nutzungsform des Streamings vollkommen unbekannt, während diese Art der Verwertung heute gesetzlich in § 19a UrhG geregelt ist. Das Urheberrecht will hier technologieoffen auch weiterhin Verwertungen zulassen, selbst wenn sich im Laufe der Jahre der Stand der Technik weiter ändert. Daher sieht das Gesetz vor, dass in Verträgen auch Nutzungsrechte an Nutzungsarten eingeräumt werden können, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unbekannt sind. Man könnte also sagen, man tritt Rechte ab, von denen man gar nicht weiß, ob es sie überhaupt jemals geben wird. Die meisten der Synchronproduktionsverträge sehen eine solche Klausel vor. Was aber bedeutet das nun für das KI-Training? Hierzu zwei wesentliche Punkte:

  • Eine unbekannte Nutzungsart im Sinne des Gesetzes liegt nur dann vor, wenn sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unbekannt war. Das ergibt sich für ausübende Künstler unmittelbar aus 79b Abs. 1 UrhG. Wird also heute ein Vertrag abgeschlossen, ist die Nutzung zum KI-Training keine unbekannte Nutzungsart mehr. Das mag allenfalls für Altverträge gelten. Die Regeln für die Rechteinräumung an unbekannten Nutzungsarten sind heute also nicht (mehr) auf das aktuell relevante KI-Training anwendbar. Mit anderen Worten: Eine solche Klausel in aktuellen Verträgen kann dieses KI-Training nicht erfassen.
  • In Fällen von Altverträgen, aus deren Sicht KI-Training tatsächlich eine unbekannte Nutzungsart sein könnte, gelten wiederum Sonderregeln. Für Verträge, die ab dem 1. März 2017 geschlossen wurden, darf der Produzent dann nicht einfach ohne Weiteres zum KI-Training nutzen. Vielmehr ist der Produzent dann verpflichtet, dem ausübenden Künstler eine gesonderte angemessene Vergütung zu zahlen. Tritt der (Synchron-)Produzent das entsprechende Recht an einen Dritten ab, haftet dieser Dritte unmittelbar für diese Vergütung. Dieser Vergütungsanspruch ist im Voraus auch unverzichtbar.

3. Und wenn jemand trotzdem einfach meine Stimme zum KI-Training nutzt?

In dem Fall liegt eine sog. deliktische Handlung vor. Eine Rechtsverletzung, die urheber- oder persönlichkeitsrechtlich verfolgt werden kann. Eine KI-Schutzklausel schützt davor nicht. Jemand, der gesetzliche Verbotstatbestände missachtet, missachtet auch eine solche Klausel. Ein schönes Beispiel bietet hier die Hausordnung der Deutschen Bahn, die auf den Bahnhöfen aushängt. Hier heißt es unter anderem:

„Folgendes ist untersagt: [...] körperliche Gewalt gegen Personen.“

Der Jurist würde sagen, dass die Hausordnung hier keinen eigenständigen Regelungsgehalt hat. Denn die körperliche Gewalt gegen andere Personen (also eine Körperverletzung) ist auch ohne diesen Passus gesetzlich untersagt und wird strafrechtlich geahndet. Diese Klausel macht das Verbot nicht mehr oder weniger intensiv oder wirksam. Dasselbe gilt für KI-Schutzklauseln in Verträgen, die von sich aus keine Erlaubnis zum KI-Training enthalten. Man muss nicht ausschließen, was ohnehin untersagt ist. Einen wesentlichen Unterschied zwischen der Hausordnung der Deutschen Bahn und KI-Schutzklauseln in Synchronverträgen gibt es aber dennoch (dazu sogleich).

4. Ist es nicht sinnvoll, eine KI-Schutzklausel einfach zur Signalwirkung aufzunehmen?

Öffentliche Signale und Stellungnahmen sind immer gut – „Haltung zeigen“ ist hier das Stichwort. Und wenn die Synchronverträge ohnehin kein KI-Training vorsehen, dann kann da ja auch einfach so eine Ausschlussklausel rein – tut ja niemandem weh, oder?

Jetzt muss man bedenken, für wen wir im Wesentlichen im Ergebnis arbeiten. Oft handelt es sich gerade nicht um kleine Independent-Filmverleiher, mit deren Inhaber man noch persönlich über den Vertragsumfang reden kann. Vielfach arbeiten wir für multinationale Konzerne wie Netflix, Amazon, Disney etc. Ein solcher Konzern wird von einer Vielzahl von Rechtsordnungen beeinflusst und muss daher fortwährend auf die Einhaltung all dieser Regeln achten (Stichwort: „Compliance“). Damit das gelingt, gibt es in all diesen Konzernen feste Strukturen und Wege, die in bestimmten Fällen zu gehen sind. Das gilt insbesondere für den Abschluss von Verträgen. Die Verträge werden so gestaltet, dass sie für eine Vielzahl von Fällen einsetzbar sind. Die „Entscheider“ am Ende der Kette sitzen meist in den USA (am Firmensitz). Wird also eine individuelle Vertragsklausel gefordert, ist die Antwort schon aus pragmatischen Gründen meistens: „Nein“. Oder eben, der Verleiher verlangt vom Studio, dass dann ein anderer Schauspieler besetzt wird. Dabei geht es gar nicht um die Art der Klausel. Die Klausel könnte auch sein: „Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Himmel blau ist.“ Auch das erfordert eine Vertragsanpassung, die von unterster Ebene vielfach erst auf EU-Ebene vom Legal-Team geprüft und dann in die USA zur weiteren Prüfung gereicht werden muss. Viel Aufwand für eine Klausel, zumal sie im Ergebnis keine Auswirkungen hat. Das kostet den Auftrag, obwohl eigentlich in der Sache alles gut war – es war ja keine Klausel enthalten, die das KI-Training erlaubt. Das ist weder zielführend noch für den Einzelnen sinnvoll. Zumal dann auch tatsächlich der Einzelne gefordert wäre, sich zu exponieren (ohne Not). Hier liegt der wesentliche Unterschied zur Deutschen Bahn, die ihre Hausordnung selbst bestimmt und nicht mit jedem Fahrgast einzeln verhandelt.

Stattdessen ist es an den Gewerkschaften hier Regelungen zu verhandeln, die Klarheit schaffen und das Problem insgesamt adressieren. Einen ersten Aufschlag hat der BFFS hier mit dem Tarifvertrag zum Umgang mit KI mit der Produzentenallianz gemacht. Darin ist detailliert geregelt, wann und unter welchen Voraussetzungen KI-Training und KI-Inhalte geschaffen werden können – und welche Rechte der einzelne Kreative dabei hat. Solche Abschlüsse strebt der BFFS auch in weiteren Bereichen an – dazu laufen derzeit auch weitere Verhandlungen mit maßgeblichen Branchenteilnehmern. Das gilt insbesondere auch für die Synchronbranche.

Das KI-Problem kann und sollte nicht der Einzelne austragen müssen. Es ist ein Branchenthema, das branchenweit zu lösen ist.