Das geplante Aktivrentengesetz muss präzisiert werden – z. B. für Synchronschauspieler*innen
Während „Der Deutsche Schauspielpreis“ dem renommierten, grandiosen Schauspieler Lutz Mackensy, der schon längst im Rentenalter ist, unter dem Jubel und mit Standing Ovations der anwesenden prominenten Kolleg*innen den verdienten Preis „Die Stimme“ für seine langjährige herausragende Schauspielkunst beim Synchronisieren vieler Rollen verlieh, hat die schwarz-rote Regierungskoalition eine ihrer Herzensangelegenheiten in Gesetzesform gegossen – das Aktivrentengesetz. Am 15. Oktober wurde es im Bundeskabinett abgesegnet und liegt nun zur Beratung im Bundestag. Das Aktivrentengesetz ist die erste Reaktion dieser Regierung auf den demografischen Wandel unserer Gesellschaft und soll am 1. Januar 2026 bereits in Kraft treten.
Für wen hat die Regierung das Aktivrentengesetz gedacht?
Immer weniger junge Menschen müssen das Rentenaufkommen von immer mehr und immer älter werdenden Menschen erarbeiten. Die Aktivrente soll ein Hebel sein, dieser Schräglage entgegenzuwirken: Es soll aber auch dazu dienen, hoch qualifizierte Fachkräfte mit ihrer langjährigen Berufserfahrung im Wirtschaftsleben zu halten und damit die Produktivität unseres Landes zu stärken.
Die Regierungskoalition hat sich darauf verständigt, zunächst allen, die im Rentenalter aktiv weiterarbeiten wollen oder müssen (und hoffentlich noch können) einen Steuerfreibetrag zu gewähren, wenn sie trotz ihres Rentenruhestands noch einer sozialversicherungspflichtigen, abhängigen Beschäftigung nachgehen. Was für uns als sozialversicherungspflichte, abhängig beschäftigte Schauspieler*innen ja infrage kommt – weil wir einerseits wollen, weil wir andererseits müssen, wegen unserer geringen Renten.
Nun meinen viele zu Recht: Warum soll der Steueranreiz für Rentenbezieher*innen nur bei abhängigen Beschäftigungen gelten? Warum nicht auch bei selbstständigen Erwerbstätigkeiten? Warum nicht zumindest bei solchen selbstständigen Erwerbsformen, die ebenso sozialversicherungspflichtig sind, wie z. B die der Künstler*innen in der KSK? Oder bei selbstständigen Arbeiten, die immerhin rentenversicherungspflichtig sind, wie z. B. die der selbstständigen Handwerker*innen, Lehrer*innen, Hebammen? Und überhaupt: Warum nur die alten, warum nicht auch die jungen in unserem Land? usw. …
Unsere Schauspielgewerkschaft fragt sich das alles auch, aber an dieser Stelle soll das kein Thema sein. Die Regierung will sich nun einmal – aus welchen Gründen auch immer – zunächst beschränken. Und zwar auf den Kreis der Rentenbezieher*innen, die sozialversicherungspflichtigen, abhängigen Beschäftigungen nachgehen. Nicht mehr und nicht weniger.
Und wir vom BFFS wollen die Regierung dabei beim Wort nehmen. Nicht mehr und nicht weniger.
Wer ist vom konkreten Gesetzestext tatsächlich umfasst?
Wer in das Aktivrentengesetzes genau hineinschaut, so wie es im Moment formuliert ist, der liest, die Steuerbefreiung bis zu 24.000 € im Jahr soll den Rentenbezieher*innen mit „Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit nach § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1“ des Einkommensteuergesetzes zugutekommen. Aha, „nichtselbstständig“ heißt abhängige Beschäftigung, wie in der Regel unsere Schauspielarbeit eine ist. Passt doch, oder?
Eben nicht immer! Unsere Synchronschauspieler*innen können davon ein Lied singen.
Was ist, wenn abhängig Beschäftigte als Selbstständige versteuert werden?
Arbeitsrechtlich und nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit sind Synchronisationsengagements, wie auch die Bühnen-, Film- und Fernsehschauspielengagements, zwar zweifelsfrei und regelmäßig sozialversicherungspflichtige, abhängige Beschäftigungen – die das neue Aktivrentengesetz ja eigentlich im Blick haben will.
Aber – und das ist eben eines der scheinbar kuriosen Spezialresultate einer sehr gewissenhaften, hoch differenzierenden Justiz: Steuerrechtlich wird Synchronschauspiel, trotz der anderslautenden Urteile der anderen Gerichtsbarkeiten, höchstrichterlich vom Bundesfinanzhof als selbstständige Tätigkeit eingestuft.
Ja, diese unterschiedlichen Bewertungen der höchsten Gerichte erscheinen widersprüchlich, und nein, sie sind sicher nicht auf unschlüssige Argumentationen unkundiger Gerichte zurückzuführen. Außerdem handelt es sich um letztinstanzliche Urteile, die von keiner weiteren Instanz korrigiert werden können. Dieser Zweispalt bleibt also unumstößlich und bereitet uns, wenn wir synchronisieren, ohnehin schon genügend administrative Probleme:
Wir werden nicht wie bei anderen Schauspieljobs über die elektronische Lohnsteuerkarte abgerechnet, sondern erhalten stattdessen einen Gagenschein. Das Synchronstudio zieht uns von der Synchrongage zuvor die Arbeitnehmerbeiträge zur Kranken-, Pflege- (manchmal Arbeitslosen-) und Rentenversicherung ab und zahlt sie zusammen mit seinen entsprechenden Arbeitgeberbeiträgen an die Sozialversicherungsträger. Das Synchronstudio zahlt auf unsere Gage Umsatzsteuer, falls wir wegen unseres Jahresumsatzes umsatzsteuerpflichtig sind. Versteuern müssen wir unsere Synchrongage selbst. Weil allerdings unsere Sozialabgaben nicht über die Lohnsteuerkarte laufen, werden sie von den Finanzämtern immer wieder nicht anerkannt und wir haben schließlich den lästigen Ärger, sie dort nachzuweisen.
Warum würde die Aktivrente solche Nichtselbstständigen – ungewollt – ausschließen?
Jetzt, im Fall der Aktivrente, droht uns, wenn wir im Rentenalter synchronisieren, wegen dieser unterschiedlichen Gerichtsbewertungen auch noch von der geplanten Steuerbefreiung ausgeschlossen zu werden. Jedenfalls dann, wenn die konkrete Formulierung des Aktivrentengesetzes so bleibt, wie sie im Referentenentwurf momentan vorgesehen ist.
Denn die konkrete Formulierung gewährt den geplanten Steuerfreibetrag nur den Rentenbezieher*innen mit „Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit“ und zwar ausschließlich im Sinne des Einkommenssteuerrechts (§ 19 EStG). Aber die sozialversicherungspflichtige und sehr wohl nichtselbstständige Synchron-Beschäftigung ist steuerrechtlich gesehen, wie gesagt, eben doch nicht eine nichtselbstständige, sondern eine selbstständige Arbeit und damit ausgeklammert. Mit Absicht? Vermutlich nicht, vermutlich sind die Autorinnen des Gesetzesentwurfes einfach nur mit den paradoxen gerichtlichen Einstufungen mancher abhängigen Beschäftigungen nicht so sehr vertraut.
Was nun?

Unser BFFS hat bereits eine Stellungnahme zum Aktivrentengesetz geschrieben und sich darin ganz bewusst auf die Erläuterung dieses Dilemmas konzentriert. Denn wer kann schon diesen widersprüchlichen Spezialfall auf dem Schirm haben – außer uns? Und bei der Menge der Stellungnahmen, die jetzt nicht zu Unrecht fordern werden, auch über den geplanten Personenkreis hinaus weiteren Erwerbstätigen den geplanten Steuerfreibetrag zu gewähren – wer in der Politik wird schon auf unseren speziellen Synchronfall achtgeben, wenn nicht wenigstens eine Interessenvertretung, unserer BFFS, deutlich auf die Synchronschauspieler*innen hinweist? Darum will der BFFS die Regierung hauptsächlich beim Wort nehmen.
Die Stellungnahme wird sowohl an alle zuständigen Regierungsmitglieder als auch an alle Bundespolitiker*innen der zuständigen Bundestagsausschüsse geschickt: dem Ausschuss für Finanzen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales und dem Ausschuss für Kultur und Medien.
Die BFFS-Stellungnahme fordert die Bundespolitik auf, die entsprechende Gesetzespassage so zu präzisieren, dass die Aktivrente zumindest das eigene Versprechen einhalten kann: Einen Steuerfreibetrag für restlos alle Rentenbezieher*innen, die eine sozialversicherungspflichtige, abhängige Beschäftigung ausüben, auch wenn diese Beschäftigung ausnahmsweise vom Steuerrecht als selbstständig angesehen werden sollte – wie z. B. bei unseren Synchronisationsjobs, wie z. B. bei Lutz Mackensy.

Heinrich Schafmeister, 1957 im Ruhrgebiet geboren, dort sozialisiert, wurde Straßen- und Rockmusiker, studiert an der Folkwang-Hochschule Schauspiel und arbeitet seit 1984 als Schauspieler. Er war seit Gründung des BFFS 17 Jahre lang dort im Vorstand zuständig für Sozialpolitik und Tarifverhandlungen und kümmert sich auch nach seinem Ausscheiden aus dem Vorstand als Bevollmächtigter um Tarifverhandlungen.



