Grundkunde zu unserem Schauspielberuf

Schauspieltätigkeit

Der Dramatiker, Kritiker, Sänger und Übersetzer Eric Russell Bentley (* 14.09.1916, † 05.08.2020) hatte ein langes Leben, aber fand wohl die kürzeste, griffigste und treffendste Formel für die Definition des Schauspielens: „A verkörpert B, während C zuschaut.“

Unter A verstehen wir die darbietende Person.

B ist ein von A zu unterscheidendes fiktives oder reales Wesen. Dieses Wesen – eine Person, ein Lebewesen, ein lebendiges Ding – nennen wir Rolle und sollte in der dargebotenen Geschichte zumindest an einer Stelle eine wirkliche Rolle spielen, heißt, ihre Reaktionen auf das Geschehen sollten ausreichen, um etwas von ihrem Charakter zu verraten und die Handlung voranzutreiben. Denn die Kunst einer Verkörperung drückt sich weniger darin aus, so wie eine Rolle auszusehen oder so zu agieren, sondern vielmehr, so wie sie auf andere Rollen und die Handlung zu reagieren und damit vom Wesen der Rolle etwas preis zu geben. Von Komparserie und Kleindarstellung kann diese Anforderung nicht erwartet werden. Dies sind keine schauspielerischen Tätigkeiten.

C steht in der Schauspiel-Formel schließlich für das Publikum, die Zuschauer*innen oder Zuhörer*innen. Sie wohnen der Rollen-Verkörperung leibhaftig bei, nehmen sie mittels Übertragung zeitgleich oder zeitlich versetzt wahr. Und erst in deren Vorstellungskraft wird die Verkörperung der Rolle vollendet, wird sie lebendig.

Auf diese Schauspiel-Formel lassen sich ziemlich exakt alle Schauspielberufsbezeichnungen reduzieren, die weltweit nach dem International Standard Classification of Occupations (ISCO-08) mit der Ziffer 2655 und hierzulande von der Bundesagentur für Arbeit wie dem Statistischen Bundesamt nach der Klassifizierung der Berufe (KldB 2010) mit der Ziffer 94214 codiert werden. Wenn wir also beruflich unterwegs waren und auf unserer Sozialversicherungsmeldung zu Beginn der neunstelligen Tätigkeitsnummer die 94214 entdecken, spätestens dann können wir davon ausgehen, eine schauspielerische Tätigkeit ausgeübt zu haben.

Von der Schauspielerei sind – theoretisch – all jene verwandte Tätigkeiten zu unterscheiden, in denen vielleicht eine Darbietung, aber im engeren Sinne keine Rollen-Verkörperung – A verkörpert B während C zuschaut – stattfindet: z. B. Moderation, Lesung, Vortragskunst, Sprecher*innen-, Schauspielcoach-, Kabarettisten*innen-, Comedian-, Model-, Tanz-, Musik-Tätigkeiten etc. In der Praxis werden jedoch solche schauspiel-verwandte Tätigkeiten nicht selten auch von uns Schauspieler*innen ausgeübt, weil unsere schauspielerischen Fähigkeiten dabei von Vorteil sind: z. B. Sprechkunst, Textinterpretation und -vortrag, szenisches Verständnis, Körperbewusstsein und -beherrschung, Rhythmusgefühl, Musikalität usw.

Alle Tätigkeiten, die im betrieblichen Umfeld der Schauspielerei notwendig oder üblich sind, nennen wir schauspiel-betriebsnahe Tätigkeiten. Dazu gehören alle künstlerischen, technischen, handwerklichen, logistischen, administrativen Tätigkeiten auf und hinter der Bühne, vor oder hinter der Kamera oder dem Mikrophon.

Manchmal wechseln wir Schauspieler*innen gerne die Seiten, weil wir dazu Lust (und hoffentlich die Befähigung) haben, und übernehmen etwa die Regie, schreiben ein Drehbuch, werden Produzent*in, Intendant*in oder Veranstalter*in, casten für Dreh-Produktionen usw. – kurz: Wir übernehmen, von der Schauspielerei aus gesehen, betriebsnahe Aufgaben.

Unsere Schauspiel-Tätigkeit kann auch Teil einer kombinierten oder Misch-Tätigkeit sein, in die neben der Schauspielerei andere, ähnlich anspruchsvolle Aufgaben einfließen. Als Opernsänger*innen oder Musicaldarsteller*innen beispielsweise kombinieren wir die Schauspiel- mit der Gesangskunst oder der Tanzkunst.

In anderen Fällen können wir als Schauspieler*innen zusätzlich für die Autorenschaft, die Regie, die Produktion oder die Veranstaltung des Spiels verantwortlich sein. Vor allem in der freien Theaterszene, die oft mit knappen Kassen experimentelle Ansprüche befriedigen soll, ist unser Schauspielberuf nicht selten untrennbar mit anderen Aufgaben verbunden.

Auf all diese Misch-Tätigkeiten trifft die Schauspiel-Formel „A verkörpert B, während C zuschaut“ ebenso zu. Genau genommen sind sie aber eine Kombination mit anderen verwandten oder betriebsnahen Tätigkeiten und können insofern andere Berufsbezeichnungen, andere Berufscodierungen sowie andere arbeits-, sozial-, steuer- oder urheberrechtliche Einstufungen zur Folge haben.

Die Formel unserer schauspielerischen Tätigkeit ist „A verkörpert B, während C zuschaut“, wobei C für unser Publikum steht.

Menschen können ihr Umfeld mit maximal sechs von ihren acht Sinnen wahrnehmen: Mit dem Seh- dem Hör-, dem Tast-, dem Geruchs-, dem Geschmacks- und dem Temperatursinn. Der Gleichgewichtssinn und das Empfinden des eigenen Körpers konzentrieren sich auf die Eigenwahrnehmung und sind für die Erfassung des Umfelds eher untauglich.

Unsere schauspielerische Verkörperung einer Rolle B kann dem Publikum C über Theater, Film, Fernsehen, Video on Demand etc. allerdings nur im audiovisuellen, über Radio, Audiotheken etc. sogar nur im auditiven Rahmen übermittelt werden.

Die vier schauspielerischen Verkörperungskomponenten“:

Die schauspielerische Verkörperung setzt sich im visuellen wie im auditiven Wahrnehmungsbereich jeweils aus einer gegebenen und einer gestalteten Komponente zusammen. Die zwei visuellen Verkörperungskomponenten einer schauspielenden Person sind …

  1. ihre gegebene körperliche Erscheinung und
  2. ihre schauspielerische Gestaltung der Animation ihrer körperlichen Erscheinung (Mimik, Gestik, Gang, Körperhaltung, aktives wie reaktives Handeln, etc).

Spiegelbildlich sind die Verkörperungskomponenten einer schauspielenden Person im auditiven Wahrnehmungsbereich …

  1. ihr gegebener Stimmklang und
  2. ihre schauspielerische Gestaltung ihrer Stimm- und Sprachführung.

Diese vier Verkörperungskomponenten beziehen sich nicht auf die verschiedenen inneren Vorgänge einer schauspielerischen Verkörperung, nicht auf die Vor-, Zusatz- und Nachbereitungen, die mit unserer schauspielerischen Tätigkeit verbunden sind, sondern beschreiben nur die Wirkung der schauspielerischen Verkörperung im visuellen und auditiven Wahrnehmungsbereich.

Die drei wahrnehmenden Verkörperungskomponenten“:

Genaugenommen wird unsere schauspielerische Verkörperung erst in der Vorstellungskraft des Publikums C und zwar in der jeder einzelnen Zuschauer*in bzw. Zuhörer*in vollendet und lebendig. Um den Prozess der Verkörperung zu beschreiben, muss den schauspielerischen noch die wahrnehmenden Verkörperungskomponenten hinzugefügt werden. Jede Zuschauer*in bzw. Zuhörer*in empfängt und verarbeitet die schauspielerischen Verkörperungskomponenten mit den folgenden wahrnehmenden Verkörperungskomponenten:

  1. der individuelle Wahrnehmungsfokus der visuellen Verkörperung,
  2. der individuelle Wahrnehmungsfokus der auditiven Verkörperung und
  3. die individuelle Verschmelzung der visuellen und auditiven Wahrnehmung auf Basis der individuellen Erfahrungs-, Wunsch-, Traumwelt etc.

Die differenzierte Betrachtungsweise vor allem der vier schauspielerischen Verkörperungskomponenten hilft, die technischen Bearbeitungen, Veränderungen oder Teilverkörperungen detailliert zu beschreiben und einzuordnen.

Im klassischen Raum des Bühnenschauspiels, das vom Publikum zeitgleich zum Geschehen erlebt wird, greifen die vier schauspielerischen Verkörperungskomponenten so untrennbar ineinander, dass ihre Differenzierung unnötig erscheint.

Aber jedes andere Medium, das unseren schauspielerischen Prozess aufzeichnet, überträgt, zum Abruf bereitstellt usw., eröffnet technische Möglichkeiten, nachträglich oder sogar gleichzeitig die vier schauspielerischen Verkörperungskomponenten getrennt voneinander zu bearbeiten, zu verändern, oder sogar teilweise durch „Teilverkörperungs“-Komponenten anderer Darsteller*innen zu ersetzen. Dies gilt umso mehr, wenn solche Bearbeitungen von generativer künstlicher Intelligenz (KI) unterstützt werden.

Diese Begriffe gewinnen mit dem Einzug Künstlicher Intelligenz (KI) an Relevanz. Sie beziehen sich auf die vier audiovisuellen schauspielerischen Verkörperungskomponenten

  • die gegebene körperliche Erscheinung,
  • die schauspielerische Gestaltung der Animation der körperlichen Erscheinung,
  • der gegebene Stimmklang,
  • die schauspielerische Gestaltung der Stimm- und Sprachführung …

… und wieder auf die bekannte Formel unserer schauspielerischen Tätigkeit – „A verkörpert B, während C zuschaut“.

Vollverkörperung:

Die Formel unserer schauspielerischen Tätigkeit beschreibt im Grunde eine Vollverkörperung, wie es in der Regel beim Theater üblich ist. Die Verkörperung der Rolle B wird nur von einer Person A mit allen vier audiovisuellen schauspielerischen Verkörperungskomponenten dem Publikum C dargeboten.

Stehen wir für die Verkörperung vorm Mikrophon und zwar für ein Medium, das ausschließlich auditive Wahrnehmungen zulässt, wie z. B. beim Radio, wird es sich zumeist auch um eine Vollverkörperung handeln. Denn unsere dargebotene Verkörperung umfasst in jeder Phase beide auditiven Verkörperungskomponenten – unseren gegebenen Stimmklang und unsere Gestaltung der Stimm- und Sprachführung. Diese Komponenten sind in diesem Fall nicht nur ein Teil eines audiovisuellen Werkes wie etwa beim Synchronisieren.

Teilverkörperung:

Wenn an der Verkörperung einer Rolle B nicht nur eine schauspielende Person A, sondern tatsächlich mehrere darstellenden A-Personen beteiligt sind, finden sogenannte Teilverkörperungen statt. So ist es z. B. bei der Herstellung audiovisueller Werke durchaus üblich, eine Filmschauspielerin für bestimmte gefährliche Spielszenen visuell von einer Stuntfrau doubeln oder für den ausländischen Markt akustisch von einer Synchronschauspielerin synchronisieren zu lassen. Im Falle der Teilverkörperung muss die Formel der schauspielerischen Tätigkeit eigentlich zu „A1 + A2 … + An verkörpern zusammen B, während C zuschaut“ erweitert werden.

Digitale Teilverkörperung:

Vollzieht sich mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) eine sogenannte digitale Teilverkörperung, kann noch mikrochirogischer in die gegebenen und in die schauspielerisch gestalteten Verkörperungskomponenten getrennt voneinander eingegriffen werden. Für bestimmte gefährliche Spielszenen werden das gegebene Erscheinungsbild einer Filmschauspielerin sowie die von ihr schauspielerisch gestaltete Mimik extrahiert und auf eine Stuntfrau projiziert. Während die Gestaltung der Animation des Gesichts noch von der Filmschauspielerin stammt, wird die Gestaltung der Animation ihrer restlichen körperlichen Erscheinung von der Stuntfrau übernommen. Für die ausländische Vermarktung des Films erhält die Synchronschauspielerin den originalen Stimmklang der Filmschauspielerin und gestaltet mit ihr die Synchronisation in der fremden Sprache. Solche Beispiele lassen sich beliebig fortführen.

Generative KI kann aber die digitale Teilverkörperung noch weitertreiben und eigenständig einzelne Verkörperungskomponenten beisteuern. Sie kann nicht nur körperliche Erscheinungsbilder bzw. Stimmklänge bearbeiten, von den einen Darsteller*innen extrahieren, um sie auf andere zu projizieren. Generative KI kann auch körperliche Erscheinungsbilder bzw. Stimmklänge neu generieren oder die Gestaltung der Animation solcher gegebenen Verkörperungskomponenten übernehmen. All diese mit generativer KI unterstützten Teilverkörperungen lassen sich auf die Formel herunterbrechen: „A1 + A2 … + An + KI1 + KI2 … + KIn verkörpern zusammen B, während C zuschaut“.

Digitales Replikat:

Ein – wohl mithilfe generativer KI entstandenes – digitales Replikat soll die gegebenen Verkörperungskomponenten (Erscheinung und Stimmklang) einer schauspielenden Person A sowie ihre Art der gestaltenden Verkörperungskomponenten (Animation der Erscheinung bzw. des Stimmklangs) hinreichend nachahmen, um beim Publikum C den Eindruck zu erwecken, die Person A würde die Rolle B aktiv verkörpern, obgleich sie von ihr tatsächlich eben nicht aktiv verkörpert wird.

Oder kurz: Ein Digitales Replikat einer Person A ermöglicht ihre passive oder Schein-Verkörperung der Rolle B, während C zuschaut.

Digitale Replikate bergen für uns Schauspieler*innen das dreifache Risiko, dass für die Darstellung von Rollen,

  1. wir unsere Verkörperungskomponenten gegen eine geringe einmalige oder gar keine Vergütung hergeben sollen,
  2. wir in unserer Kernkompentenz, der Gestaltung von Rollen, nicht bzw. nie mehr aktiv gebraucht werden und
  3. wir dennoch vom Publikum für das künstlerische Ergebnis verantwortlich gemacht werden.
Digitale Vermischung:

Vermischt KI so kleinteilige Verkörperungskomponenten von so vielen Personen zu einer Rolle B, dass ihre Abstammung auf keine dieser Personen mehr zurückzuführen ist, sondern – scheinbar! – von einem neuen schauspielenden Kunstobjekte dargeboten werden, sollten wir nicht mehr von „digitaler Teilverkörperung“, sondern von „digitaler Vermischung“ sprechen.

Wie die digitalen Replikate können auch diese schauspielenden Kunstobjekte für uns zum Problem werden. Sie können aus unseren Verkörperungskomponenten, aber ohne unser Wissen bzw. ohne unsere Kontrollmöglichkeit, ohne unsere Zustimmung und natürlich ohne Vergütung an uns hergestellt werden, um uns dann konkurrenzlos günstig die Rollen wegzuspielen.

Zunächst arbeiten wir in unserem Schauspielberuf. Wir verkörpern unsere Rollen …

  1. auf den Bühnen der Theater,
  2. vor der Kamera für die Herstellung audiovisueller Film-, Fernseh-, Video oder Streaming-Produktionen und
  3. vor den Mikrophonen, um entweder für audiovisuelle Werke die fremdsprachigen Figuren in unserer Heimatsprache zu synchronisieren, oder um bei der Herstellung von Hörspielen mitzuwirken.

Unsere schauspielerische Arbeit ist zwangsläufig – je nach Rolle mehr oder weniger – mit Vor-, Zusatz- und Nachbereitungen verbunden. Ohne sie würden wir unsere Rollen nicht spielen oder unsere Aufführungen, Filme und Hörspiele ihr Publikum nicht erreichen können. Diese Leistungen erbringen wir nur teilweise innerhalb, zumeist jenseits der Produktionsstätte.

Wie alle Künstler*innen schauen wir neugierig und lebenshungrig über unseren Tellerrand – zumal, wenn auf unserem Schauspielteller wenig aufgetragen wird. Also üben wir nicht selten auch andere künstlerische oder kulturelle Tätigkeiten aus, die mit unserem Schauspielberuf verwandt und für die unsere Fähigkeiten von Vorteil sind, bzw. die unseren Schauspielberuf betriebsnah begleiten. Wir bewegen uns also größtenteils in den selben Branchen und gleichen Arbeitsstätten wie zuvor, aber haben dort andere Funktionen.

Nicht selten gehen wir „fremd“ und jobben in schauspielfernen Berufen, die uns wirtschaftlich über Wasser halten, dabei aber genügend Luft zum Schauspielen lassen. Unser zweites Standbein! Dann sind wir etwa als Kellner*innen in der Gastronomie, als Taxifahrer*innen hinter dem Steuer, als Verkäufer*innen im Einzelhandel, als Mitarbeiter*innen in Call-Centren, oder gar als Helfer*innen in Impfzentren zu finden.

Im Scheinwerferlicht unseres Schauspielberufs steht nur der Akt unseres Spiels. Nur die Momente unserer Verwandlung lösen die besondere Faszination für unseren Berufsstand aus. Das soll auch so sein, erweckt aber den Anschein, unser Spiel auf der Bühne, vor der Kamera, vor dem Mikrofon nähme auch den größten Raum unserer Zeit, Energie und Aufmerksamkeit in Anspruch. Das ist falsch.

Der Hauptteil unseres Berufslebens spielt sich im Schatten ab, jenseits der öffentlichen Wahrnehmung, abgeschottet, ja, vielfach allein und buchstäblich im Dunkeln: hinter geschlossenen Hotelgardinen, an nächtlichen Küchen- oder Schreibtischen, in schwarzen Proberäumen, auf finsteren Hinterbühnen, in den Nischen der Studios, in langweiligen Aufenthaltsräumen usw.

Neben der eigentlichen Schauspielerei müssen wir uns Aufgaben widmen, die drei unterschiedlichen Zielen dienen. Das sind …

  1. Übungen, Trainings, Workshops, um uns für unseren Schauspielberuf fit zu halten oder uns weiterzuentwickeln;
  2. Bewerbungs- und Verwaltungsaktivitäten, um immer wieder neue Engagements (die stets befristet sind) an Land zu ziehen und den administrativen Aufwand, den diese Engagements in ihrer Masse erzeugen, bewältigen zu können; sowie
  3. sogenannte Vor-, Zusatz- und Nachbereitungen, die wir für ein konkretes Projekt erbringen.

Die Instrumente, die wir Schauspieler*innen bespielen und beherrschen müssen, sind wir selbst, unsere Körper, unsere Phantasie- und Erfahrungswelten, unser Einfühlungs- und Reaktionsvermögen. Wir müssen unser Instrument hüten, erforschen, trainieren und reifen lassen. Wir müssen mit ihm einen gesunden, aber nicht abstinenten, einen risikofreudigen, aber vorsichtigen Umgang pflegen. Wir dürfen ruhig abheben, aber bitte mit Bodenhaftung. Wir dürfen verrückt, aber nicht irre werden.

Oder weniger blumig: An- und Entspannungsübungen, Sport und Yoga, Stress und Schlaf. Sprachen, Musikinstrumente und Menschen kennenlernen. Und immer wieder beobachten, zuhören, nachspüren, nachmachen. Menschenkinder wie Tiere wie Pflanzen wie alle Kleinigkeiten und andere Universen. Ach ja, ins Theater, Kino, Konzerte gehen, kann nicht schaden. All das macht nicht nur Spaß, bereichert unser Leben, es ist die Tonleiterübung unseres Schauspielberufs.

Warum allein, wenn’s auch gemeinsam geht? Erfahrene Schauspielkolleg*innen, Regisseur*innen, Caster*innen, Coaches bieten uns Schauspieler*innen etliche Workshops und Weiterbildungsmaßnahmen aller Art an. Aber Achtung: Zwischen genialer Schauspielflüsterei und geschäftstüchtiger Scharlatanerie liegt oft ein schmaler Grat. Darum: immer offen, neugierig, ja, demütig bleiben, aber auch „Nein“ sagen können.

Für uns gilt: Wer immer nur befristet arbeiten kann, ist ständig arbeitsuchend. Diese Suche kann bei uns mehr Raum einnehmen als die eigentliche schauspielerische Arbeit. Wir sollten …

… äußerst zurückhaltend „Klinken putzen“:

Unsere Bühnen-, Film- und Fernsehlandschaft hat einiges aus dem Ausland, z. B. aus Amerika übernommen – aber nicht die Unverkrampftheit, mit der dort Künstler*innen zwecks neuer Engagements sich direkt an Entscheidungsträger wenden können, ohne schief angesehen zu werden. Hierzulande wird sowas eher als übergriffig und unvereinbar mit dem Selbstverständnis von Künstler*innen angesehen. Dass Berufsanfänger*innen sich bewerben, um am Theater vorsprechen oder bei Film und Fernsehen mitspielen zu können, ist selbst bei uns üblich. Aber wenn ältere Schauspieler*innen bei Casting-Direktor*innen, Regisseur*innen, Intendanten usw. nachfragen, einfach mal sich vorstellen oder vorsprechen zu dürfen, riskieren sie, abgewiesen und womöglich als Versager abgestempelt zu werden. Denn warum sonst – so wird unterstellt – sollte jemand sich genötigt sehen, direkt überall anzuklopfen?

Natürlich, „Klappern“ gehört auch zu unserem Handwerk, aber bitte mit Fingerspitzengefühl, eher indirekt, es darf eben nicht zu arg nach „Klappern“ aussehen.

… … unsere Fotos, Demobänder, Schauspiel-Biografien aktualisieren:

Wir müssen ständig unser Bewerbungsmaterial …

  • Fotos (alle zwei Jahre, kostet zwischen 900 € und 1.500 €),
  • Demobänder oder neudeutsch „Showreels“ (alle zwei Jahre, kosten je nachdem, ob Szenen nur zusammengeschnitten oder produziert werden müssen, ca. 160 € oder 1.200 €),
  • Schauspiel-Biografien

… aktualisieren und dafür sorgen, dass alle, die mit Besetzungen von Rollen betraut sind, davon Kenntnis nehmen können.

… Casting- bzw. Stimm-Datenbanken pflegen:

Wir bezahlen sogenannte Casting-Datenbanken (Kostenpunkt ca. 99 € bis 119 € im Jahr) und füttern sie immer wieder aufs Neue mit unserem Bewerbungsmaterial – aktuelle Schauspiel-Biografien, Fotos und Demobänder (Showreels). Vor allem Casting-Direktoren und andere Besetzungsverantwortliche bei Dreharbeiten arbeiten regelmäßig mit dort hinterlegten Daten. Schauspieler*innen, die von Synchronstudios engagiert werden wollen, laden auf sogenannten Stimm- oder Sprecher-Datenbanken ihre Stimmproben hoch.

… uns von der Künstlervermittlung der ZAV, Schauspielagenturen bzw. Schauspielmanagements vertreten lassen:

Weil hierzulande die Bewerbung für Schauspielengagements eher „über die Bande“ zum Erfolg führt, dabei besonderes Fingerspitzengefühl, Professionalität, Kenntnisse zum Vertrags-, Arbeits-, Sozialversicherungs- und Tarifrecht erforderlich sind, sind wir auf Vermittlungsbeistand angewiesen. Wir haben die Wahl:

  • Wir melden uns entweder bei der Künstlervermittlung der ZAV (einer Unterorganisation der Bundesagentur für Arbeit) an, die unsere Vermittlung an Bühnen und Filmproduktionen als neutrale Partei und kostenfrei übernimmt.
  • Oder wir suchen eine private Schauspielagentur unseres Vertrauens, die für ihre Arbeit von unserer Bruttogage ca. 10% Agenturprovision bei Dreh- und 6% bei Theaterarbeiten (50% davon zahlt das Theater) plus 19% MwSt. bekommt, aber dafür allein unsere Partei ergreift und neben der reinen Vermittlungsarbeit je nach Absprache auch noch andere Aufgaben für uns übernimmt.
… an Vorsprechen, Castings oder e-Castings teilnehmen:

Der entscheidende künstlerischen Test, ob wir für eine Rolle bzw. ein Engagement geeignet sind, wird am Theater als „Vorsprechen“ und für Dreharbeiten als „Casting“ bezeichnet. Der Test besteht zumeist darin, dass wir ausgewählte Szenen oder Improvisationen vorspielen.

Ein e-Castings ist im Grunde das gleiche, nur dass wir unsere Szenen oder Improvisationen selbst aufnehmen und an die Casting-Direktor*innen verschicken, statt sie live ihnen oder anderen Besetzungsverantwortlichen vorzuspielen. Das E-Casting erspart uns Reisekosten und wir sollen nach Aussage der Casting-Direktor*innen den technischen Aufwand geringhalten. Aber viele von uns investieren vor lauter Konkurrenzdruck in e-Castings viel Mühe, Zeit hoffentlich jährlich nicht mehr als 100 €.

… Branchen-Events besuchen:

Der Gang über rote Teppiche ist für uns Schauspieler*innen nicht die Kür, sondern die Pflicht. Es ist die eleganteste Art sich zu bewerben, ohne sich zu bewerben. Wir peppen uns auf, besuchen Theater- oder Kinopremieren, Festivals (Akkreditierungen kosten zwischen 40 € und 100 €), Preisverleihungen, treffen – ungezwungen und mit guter Laune – Kolleg*innen, aber auch Entscheidungsträger*innen und treiben charmante Konversation. Ohne irgendjemanden plump auf neue Jobs anzuhauen! Und so dürfen wir auch nicht allzu viel von solchen Events erwarten. Aber unsere Branche funktioniert wie alle anderen: Aus den Augen aus dem Sinn – und umgekehrt!

… Presse- bzw. Social-Media-Arbeit betreiben (lassen):

Das Motto – „Tue Gutes und rede drüber“ – gilt auch für uns. Wenn wir gerade beruflich etwas am Start haben, dürfen wir, ja sollten wir ruhig etwas damit hausieren gehen – in Social-Media-Kanälen, in der Presse, auch mit professioneller Hilfe von PR-Agenturen (wenn wir uns das leisten können). Und wenn wir von der Presse gefragt werden und wir wirklich über Gott und die Welt etwas zu sagen haben, warum nicht? Wir sind Personen des öffentlichen Lebens und lebenslustig, dazu dürfen wir stehen. Aber nicht überall, wo uns Mikrophone oder Kameras vor die Nase gehalten werden, sind wir Experten. Die Gletscherspalte zwischen Geistes-Witz und Lächerlichkeit ist schmal.

… und bloß nicht durchdrehen, falls das alles nicht zu leisten ist oder nicht unmittelbar zum Ziel führt. Das Glück lässt sich nicht erzwingen und Panik oder Anbiederei wirken wenig anziehend. Das Erfolg versprechendste ist immer noch unsere gute (erfolgreiche und hoffentlich weithin sichtbare) Schauspielleistung.

Wir sind sicherlich nicht Schauspieler*innen geworden, weil wir besondere Lust auf Papierkram, Behördengänge und Paragrafenreiterei hätten. Auch sind die Begleitumstände unseres Schauspielberufs – zu völlig unorthodoxen Tageszeiten arbeiten zu müssen, selten zuhause, oft unterwegs zu sein, auf dem Weg von einem Engagement zum anderen – keine idealen Voraussetzungen, diese Lästigkeiten abzuarbeiten.

Aber sie bleiben uns nicht erspart, ja, wir sind von ihnen sogar mehr geschlagen als andere Angestellte. Wir stecken nicht wie sie in einer unbefristeten Beschäftigung, sondern spielen unsere diversen Rollen an unterschiedlichen Orten, bei unterschiedlichen Arbeitgeber*innen, in zig Engagements, die mehr oder weniger kurz befristet sind. Dabei sind wir mit einem Dschungel von gesetzlichen Regelungen und Verordnungen konfrontiert, die nur wenig mit unserem Schauspielberuf kompatibel sind.

Wir als Schauspieler*innen müssen …

… Termine verwalten:

Wir arbeiten für verschiedene Theater, Film-, Synchron- oder Hörspielproduktionen, die in innerhalb ihrer Vertragszeiträume unsere Vorstellungen, Drehtage, Studiotermine ständig ändern dürfen – und von diesem Dispositionsrecht auch Gebrauch machen. Gleichzeitig sind wir laufend auf der Suche nach neuen Engagements.

Für welche Vertragszeiträume haben uns die Theater oder Produktionen prioritär oder exklusiv gebucht? Wann haben sie unsere Vorstellungen, Proben, Drehtage, Studiotermine etc. geplant? Welche Sperrtage würden sie uns für andere Engagements einräumen oder haben sie uns bereits erlaubt? Welche Zeiträume wollen neue Projekte gerne von uns beanspruchen, sind aber noch unverbindlich, ohne vertragliche Zusage? Welche privaten Termine sind unverzichtbar? Alles ist immer in Bewegung.

Wenn wir nicht den Überblick und unseren Ruf als seriöse Vertragspartner unserer Brötchengeber*innen verlieren wollen, müssen wir in unserem Kalender den Grad der Verbindlichkeit und die genaue Terminierung unserer Projekte, Optionen und Anfragen täglich auf dem neuesten Stand halten.

… Maßtabellen aktualisieren:

Maßtabellen zumindest mit den aktuellen eigenen Konfektionsgrößen, möglichst mit weiteren Körpermaßen gehören zur professionellen Ausstattung von Schauspieler*innen.

In unserer schnelllebigen Produktionslandschaft bleibt zumeist keine Zeit, erst anzureisen, sich von Kostümbildner*innen ausmessen zu lassen, bevor sie loslegen können, Kostüme zu entwerfen oder vorauszusuchen. Darum werden noch vor der ersten Kostümprobe zu einem neuen Projekt unsere – aktuellen! – Maße abgefragt.

In regelmäßigen Abständen sollten wir Schauspieler*innen die Gelegenheit suchen – z. B. in den Werkstätten von Bühnen, oder bei Gewandmeister*innen großer Kostümverleihfirmen –, unsere Konfektionsgrößen und andere für die Schneiderei interessanten Körpermaße nachmessen zu lassen und auf unseren Maßtabellen zu aktualisieren.

… Personalbögen ausfüllen:

Zu Beginn eines jeden neuen Engagements schicken uns die Theater oder Filmfirmen Personalbögen, mit der Bitte diese ausgefüllt zurückzusenden.

Gefragt werden wir nach …

  • unseren persönlichen Daten wie Name und Vorname, Adresse, Geburtsdatum, -ort und -land, Staatsangehörigkeit, Geschlecht- und Familienstand;
  • unseren Sozialdaten wie Sozialversicherungsnummer, Privat- oder gesetzliche Krankenversicherung, Name der Krankenkasse;
  • unseren Steuerdaten wie Steuer-ID, Finanzamt, Steuerklasse, Kinderfreibeträge, Religionszugehörigkeit;
  • unserer jetzt in Frage stehenden Erwerbstätigkeit wie unserer Berufsbezeichnung (natürlich Schauspieler*in), Vertragszeiträume, Haupt- oder Nebenbeschäftigung;
  • unserer Bankverbindung wie Name der Bank, IBAN und BIC
  • und manchmal nach unserem Ausbildungsgrad wie unserem höchsten Schulabschluss und unsere höchste Berufsausbildung.

Die Arbeitgeber*innen brauchen von uns diese Informationen für die Gagenabrechnung, die Berechnung der Steuerabzüge und Sozialversicherungsbeiträge sowie dem entsprechenden elektronischen Datenaustausch …

  • per ELStAM-Verfahren mit den Finanzämtern
  • und per DEÜV-Meldungen mit den Sozialversicherungsträgern.

Das Ausfüllen solcher Personalbögen ist für uns zwar eine ständige und unvermeidliche Routine, bei der allerdings die kleinsten Nachlässigkeiten das größte Chaos bei der administrativen Abwicklung unseres Engagements anrichten können.

… Belege, Verträge, Arbeitspläne, Arbeitsbescheinigungen, Sozialversicherungsmeldungen etc. sammeln:

Wir sind viel unterwegs, leben im Hier und Jetzt und möchten uns ungern vom „Altpapier“ vergangener Projekte unseren Bewegungsdrang einschränken lassen. Am liebsten würden wir all sowas wegschmeißen. Aber dann stünden wir nackt da – in den alltäglichen Scharmützeln, die wir mit Ämtern, Krankenkassen, ehemaligen Arbeitgeber*innen etc. führen müssen.

Wie oft erleben wir, dass in unseren Abrechnungen gespielte Vorstellungen, absolvierte Drehtage, gesprochene Takes vergessen wurden? Unsere Vertragszeiten nicht komplett versichert wurden? Überhaupt vertragliche Vereinbarungen nicht eingehalten werden? Oder mit Verweis auf irgendwelche Vertragsklauseln unsere Gage vorenthalten wird? Wie oft haben wir Ärger mit den Arbeitsagenturen, mit Krankenkassen oder anderen Behörden, die unsere Arbeitswelt nicht verstehen und gegenüber denen wir belegen müssen, wie sich unsere Dinge wirklich abgespielt haben? Wie oft bekommen wir noch nach Jahren amtliche Schreiben oder wollen z. B. eine Kontenklärung bei der Rentenversicherung beantragen? Ob im Alleingang oder mit Hilfe von Juristen- oder Steuerprofis: Ohne unsere „Altpapiere“ im Keller wird das nichts!

Darum: Wir sollten grundsätzlich …

  • von jedem Projekt die Arbeitsverträge zusammen mit den Vorstellungs- und Probeplänen, Drehdispos oder andere Arbeitsanweisungen bzw. dem Schriftverkehr mit den Arbeitgeber*innen, den Abrechnungen, den Kopien der Arbeitsbescheinigungen und den Sozialversicherungsnachweisen aufbewahren;
  • alte Terminkalender und Emails abspeichern;
  • Taxi-, Zug-, Flug-, Restaurantbelege sammeln.

Das mag uns nicht gefallen, aber das Motto für den Amtsstubennahkampf heißt: Nicht weniger, sondern mehr ist mehr!

… Gagenabrechnungen prüfen:

Spätestens wenn wir unsere Rolle abgespielt, abgedreht oder zu Ende synchronisiert haben und unser mehr oder weniger kurz befristetes Engagement beendet ist, bekommen wir unsere Gagenabrechnung. Es ist nicht unbedingt böser Wille, aber manchmal sind diese Gagenabrechnungen fehlerbehaftet. Darum sollten wir einen prüfenden Blick drauf werfen:

Wurden alle Vorstellungen, alle Drehtage alle Takes berücksichtigt? Sind die Vertragszeiträume korrekt? Stimmen die Beitragshöhen zur Pensionskasse Rundfunk oder zur Bayerischen Bühnenversorgung? Überhaupt, sind alle Berechnungen richtig vorgenommen worden?

Zur Überprüfung der Beiträge in die unterschiedlichen Sozialversicherungszweige, sollten wir unsere Sozialversicherungsmeldungen näher studieren …

… Sozialversicherungsmeldungen prüfen:

Das Entziffern der vielen Codes auf unseren Sozialversicherungsmeldungen ist nicht ganz leicht. Die für uns entscheidendste Frage ist aber schnell zu klären:

  • Stimmen Anfang und Ende der Beschäftigungszeit mit dem Vertragszeitraum und der tatsächlichen Beschäftigungszeit überein? Da sollte eigentlich nichts schief gehen, weil heutzutage alles elektronisch verknüpft ist. Und wenn in diesem Punkt die Gagenabrechnung bereits korrekt war, sollte das auch bei der Sozialversicherungsmeldung der Fall sein.

Die anderen Codes geben uns Hinweise, wie die Beiträge zu den einzelnen Sozialversicherungszweige berechnet wurden:

  • Ist der dreistellige Code für die Personengruppe korrekt? Es gibt insgesamt 32 Personengruppen, von denen uns als Schauspieler*innen typischerweise nur 5 interessieren: Die üblichste ist die Personengruppe 101 für Beschäftigungen ohne besondere Merkmale. Dazu gehören unsere Spielzeit-Engagements an Theatern, aber auch unsere kürzer befristeten Beschäftigungen, die allerdings nicht unter einer Woche dauern. Die Personengruppe 109 betrifft geringfügig entlohnte Beschäftigte (§ 8 Abs. 1, Nr. 1 SGB IV) und die Personengruppe 110 kurzfristig Beschäftigte (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV). Die Personengruppe 117 ist für nicht berufsmäßig unständige und die Personengruppe 118 für berufsmäßig unständige Beschäftigungen, die beide kürzer als eine Woche sind.
  • Ist mit Ost oder West der richtige Ort der Betriebsstätte angekreuzt? Achtung, hier ist nicht unsere, sondern die Ortsansässigkeit der Betriebsstätte unserer Arbeitgeber*innen gefragt.
  • Sind die Beitragsgruppenschlüssel oder – auch „SV-Schlüssel“ – genannt richtig codiert für KV (Krankenversicherung), RV (Rentenversicherung), AV (Arbeitslosenversicherung) und PV (Pflegeversicherung)? Für die Krankenversicherung bedeuten z. B. 0 = kein Beitrag, 1 = allgemeiner Beitrag, 3 = ermäßigter Beitrag, wenn kein Krankengeld-Anspruch besteht, 6 = Pauschalbeitrag für geringfügig Beschäftigte und 9 = für freiwillige Beiträge, die über die Firma erfolgen. Für die Rentenversicherung bedeuten 0 = kein Beitrag, 1 = voller Beitrag, 3 = halber Beitrag, den nur die Arbeitgeber*innen für Vollrentner*innen leisten, und 5 = Pauschalbeitrag für geringfügig entlohnte Beschäftigte. Für die Arbeitslosenversicherung bedeuten 0 = kein Beitrag, 1 = voller Beitrag und 2 = halber Beitrag, den nur die Arbeitgeber*innen für Vollrentner*innen leisten. Und für die Pflegeversicherung bedeuten 0 = kein Beitrag, 1 = voller Beitrag, 2 = halber Beitrag, der aber nur in Betracht käme, wenn wir einen Beihilfe-Anspruch hätten – als Beamt*innen!?
  • Spiegeln die neun Ziffern die Angaben zur Tätigkeit richtig wider? Waren wir schauspielerisch unterwegs, müssten die ersten fünf Ziffern 94214 lauten. Das ist die Tätigkeitsnummer für Schauspieler*innen nach der Klassifizierung der Berufe (KldB 2010). An sechster Stelle ist der höchste schulische Abschluss codiert: 1 = ohne schulischen Abschuss, 2 = Haupt- / Volksschulabschluss, 3 = mittlere Reife oder gleichwertiger Abschluss, 4 = Abitur / Fachabitur, 9 = unbekannter schulischer Abschluss. An siebter Stelle steht die Ziffer für den höchsten beruflichen Ausbildungsabschluss: 1 = ohne beruflichen Abschluss, 2 = Abschluss einer anerkannten Berufsausbildung, 3 = Meister- / Techniker- oder gleichwertiger Fachschulabschluss, 4 = Bachelor, 5 = Diplom / Magister / Master / Staatsexamen, 6 = Promotion, 9 = unbekannter beruflicher Ausbildungsabschluss. An achter Stelle steht eine 2 für eine Arbeitnehmerüberlassung und eine 1 für keine solche. Weil wir keine Leiharbeiter*innen sind, sollte hier eine 1 stehen. Und an letzter, der neunten Stelle wird die Vertragsform codiert: 1 = unbefristet & Vollzeit, 2 = unbefristet & Teilzeit, 3 = befristet & Vollzeit, 4 = befristet & Teilzeit.
  • Stimmt die Höhe des Beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelts für die Rentenversicherung? Hier müsste eigentlich unsere Bruttogage stehen, allerdings gekappt von der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) der Rentenversicherung. Aber wie hoch ist diese BBG? Handelt es sich etwa um eine Beschäftigung ohne besondere Merkmale (Personengruppe 101), gilt für die vollständig von der Beschäftigungszeit abgedeckten Kalendermonate jeweils die monatliche BBG (im Jahr 2022 im Westen: 7.050 €, im Osten: 6.750 €). Für die nicht vollständig abgedeckten Kalendermonate, in denen die Beschäftigungszeit begann oder endete, müssen die betreffenden Beschäftigungstage gezählt und mit dem Dreißigstel der monatlichen BBG multipliziert werden. Die Summe all diese BBGs ist die BBG, die unser Bruttoarbeitsentgelt gegebenenfalls kappt, bis zu der wir in der Rentenversicherung beitragspflichtig sind. Handelte es sich aber um eine – entweder berufsmäßige (Personengruppe 118) oder nicht berufsmäßige (Personengruppe 117) unständige Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche befristet war, gilt unabhängig von den wenigen Beschäftigungstagen stets die monatliche BBG in voller Höhe.

Wie gesagt, wir sollten alle wichtigen Unterlagen zu unseren Engagements archivieren – unsere Sozialversicherungsmeldungen sind mit die wichtigsten!

… gegebenenfalls Rückerstattungen der überzahlten Beiträge beantragen:

Frühestens, wenn wir unsere Vertragszeiten in unsere Kalender eintragen, spätestens, wenn wir unsere Sozialversicherungsmeldungen studieren, sollte uns auffallen, ob und für welche Zeiträume unsere unterschiedlichen Beschäftigungen und deren Sozialversicherungszeiträume sich überlappen und ob in diesen Überlappungsphasen unsere Bruttoarbeitsentgelte zusammengenommen die Beitragsbemessungsgrenzen (BBGs) überschreiten.

Das passiert bei uns sehr oft, vor allem bei unseren Synchronschauspieler*innen mit ihren zahlreichen unständigen Beschäftigungen, deren Sozialversicherungszeiträume sich dauernd überlagern. Das Dumme ist: In diesen Fällen zahlen wir viel zu viel Beiträge, ohne dass uns mehr Versicherungsansprüche entstehen würden. Und auf Dauer verlieren wir auf diese Weise Unsummen.

Unsere gesetzlichen Krankenkassen sind die zuständigen Einzugsstellen für die Sozialabgaben zu allen Versicherungszweigen. Sie haben eigentlich auch die Aufgabe, die überzahlten Sozialbeiträge von sich aus zu entdecken, auszurechnen und an uns bzw. unsere Arbeitgeber*innen zurückzuzahlen. Leider scheinen die gesetzlichen Krankenkassen zumeist überfordert zu sein, diese Aufgabe eigeninitiativ in Angriff zu nehmen.

Darum sollten wir bei solchen Überlappungen mit Überschreitungen der BBGs – sicherheitshalber! – von uns aus bei unserer gesetzlichen Krankenkasse einen Antrag auf Rückerstattung der überzahlten Beiträge stellen.

… Arbeitsbescheinigungen prüfen:

Unsere Arbeitsbescheinigungen sollten dieselben Versicherungszeiten ausweisen wie die Sozialversicherungsmeldung, wie unsere Abrechnungen, wie unsere vertraglichen und die tatsächlichen Beschäftigungszeiten. Das ist schnell zu überprüfen.

Im Zuge der Arbeitslosmeldung müssen wir unsere Arbeitsbescheinigungen an die Leistungsabteilungen der Agentur für Arbeit abgeben. Wir sollten vorsichtshalber zuvor von ihnen Kopien anfertigen und diese archivieren. Erfahrungsgemäß können die Mitarbeiter*innen der Agentur für Arbeit wie andere Behörden auch von unseren Patchwork-Arbeitsverhältnissen etwas überfordert sein. Da rutschen ab und zu mal ein paar Dinge durch. Dann sind wir mit den Kopien der Arbeitsbescheinigungen auf der sicheren Seite.

… die Agentur für Arbeit bzw. Jobcenter kontaktieren:

Wir sind als Arbeitnehmer verpflichtet, uns spätestens drei Monate vor Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden (§ 38 Abs. 1 SGB III). Damit soll keine Zeit für die Suche nach einer neuen Anstellung verschwendet werden. Wer sich nicht daran hält, dem drohen gewisse Sperrzeiten für die Leistungen der Agentur.

Für alle von uns, die nicht spielzeitverpflichtet am Theater arbeiten, ist diese Regelung natürlich sehr unpassend, weil wir nur befristete Beschäftigungen, meistens kürzer als drei Monate haben. Darum sollten wir uns regelmäßig im Drei-Monatsrhythmus bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend melden – unabhängig davon, ob wir gerade in Beschäftigung sind oder nicht.

Denn grundsätzlich ist es ratsam, sich zwischen unseren Engagements arbeitslos zu melden!

Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 haben (laut § 142 SGB III) diejenigen von uns, die in der Rahmenfrist von 2½ Jahren

  • entweder die normale Anwartschaftszeit von 360 sozialversicherten Tagen (zur Arbeitslosenversicherung),
  • oder die – für uns geschaffene – verkürzte Anwartschaftszeit von 180 sozialversicherten Tagen erfüllen. Allerdings müssen bei dieser Variante die Mehrheit der gesammelten Tage aus Beschäftigung stammen, die nicht länger als 14 Wochen dauerten. Gleichzeitig dürfen wir dabei im Jahr vor der Arbeitslosmeldung als Arbeitnehmer nicht mehr als die anderthalbfache Bezugsgröße West verdient haben (also 59.220 €, Stand 2022).

Unter normalen Arbeitsmarktbedingungen werden viele von uns eine der beiden Anwartschaftsmodelle erfüllen können und Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 haben.

Während unseres Arbeitslosengeldbezuges fließen auch Pflichteiträge in die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Letztere ist für uns, die wir aufgrund unserer häufigen Versicherungslücken von Altersarmut bedroht sind, besonders wichtig. Schon aus diesem Grund ist es für uns ratsam, Arbeitslosengeld zu beantragen, selbst wenn wir meinen, unsere aktuelle Erwerbslücke mit unseren Rücklagen überbrücken zu können.

Aber auch diejenigen von uns, die sich ausrechnen können, keine der beiden Anwartschaftsmodelle zu erfüllen und deswegen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 zu haben, oder diejenigen von uns, die ihren Arbeitslosengeld-Anspruch schlicht nicht aufbrauchen wollen, sollten sich trotzdem überlegen, sich arbeitslos zu melden – allerdings ohne Antrag auf Leistungsbezug. Selbst dieses Vorgehen, bei dem keine Pflichtbeiträge in die Rentenversicherung fließen, verschafft uns einige Punkte für unsere Altersvorsorge.

Auf Hartz IV angewiesen zu sein, ist für niemanden angenehm, auch nicht für uns Künstler*innen. Aber falls wir keine andere Wahl haben, sollten wir keine falsche Scham kennen und die Grundsicherung beantragen.

… Autogrammwünsche erledigen:

Wir sind nicht Schauspieler*innen geworden, um ewig unbekannt zu bleiben. So müssen wir auch damit rechnen, mit Autogrammwünschen unserer Fans konfrontiert zu werden. Warum sollten wir sie enttäuschen, wenn wir doch andererseits ein immer größeres Publikum erreichen wollen? Viele Fans sind inzwischen mit einem Selfie zufrieden. Aber es gibt sie noch: die Autogrammjäger. Darum sollten wir …

  • von uns Autogrammkarten herstellen lassen (sie müssen ja nicht unbedingt so aktuell sein wie unsere Bewerbungsfotos);
  • sie zu passender Gelegenheiten wie Theatervorstellungen, Premieren, Festivals, Preisverleihungen etc. mitführen;
  • eine Postadresse für Autogrammkarten bereithalten;
  • in regelmäßigen Abständen postalische Autogrammkartenwünsche abarbeiten;
  • aber uns nicht ausnutzen lassen. Es reicht schon, in Autogrammkarten investiert zu haben, wir müssen nicht auch noch Autogrammwünsche ohne frankierten Rückumschlag erfüllen. Autogrammjäger, die dutzende Karten erbitten, sind nicht an uns, sondern am Geschäft interessiert, sie zu verkaufen.

… GVL-Daten aktualisieren:

Wir Schauspieler*innen sind ausübende Künstler und gehalten, über die Datenbank „Artsys“ unserer Verwertungsgesellschaft, der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL), laufend mitzuteilen, in welchen Projekten wir mit wieviel Drehtagen oder Takes mitgewirkt haben – wenn wir unsere GVL-Gelder haben wollen.

Das kostet uns sehr viel Mühe und oft unendliche Geduld, weil wir z. B. keine Drehtage oder Takes eingeben können, solange die Projekte in Artsys noch nicht gelistet sind. Woher stammen unsere GVL-Gelder? Und warum braucht die GVL so viele Daten – von uns?

Wenn wir den Wahrnehmungsvertrag unterschrieben haben, sammelt die GVL in unserem Namen Gelder von den Branchen ein, die mit gesetzlicher Erlaubnis unsere Filme, Reihen, Serien, Hörspiele etc. verwerten dürfen. Zu diesen Verwertern gehören vor allem die Hotel- und Gastronomiebranche, sowie die Geräte- und Speichermedienindustrie. Die einen profitieren davon, ihren zahlenden Gästen den Luxus zu bieten, unsere Programme mit den aufgestellten TV-Geräten sehen zu können. Die anderen verkaufen Geräte oder Speichermedien, mit denen ihre Kunden unsere Programme in gewissem Maße privat kopieren dürfen. Und weil sie auch aufgrund unserer Leistungen profitieren, stehen uns diese GVL-Gelder zu.

Aber nach welchen Kriterien hat die GVL diese Gelder an uns zu verteilen? Eigentlich in dem Maße, wie die jeweiligen Filme, Reihen, Serien, Hörspiele etc. in der Hotel- und Gastronomiebranche gesehen bzw. mit Geräten oder Speichermedien kopiert werden. Aber das kann und darf – insbesondere auch wegen des Datenschutzes – nicht gemessen werden. Also wird schlicht angenommen, dass diese auf gesetzlicher Basis erlaubten Kopier- und Nutzungsvorgänge mit dem Konsumverhalten aller TV-Zuschauer und Radiohörer vergleichbar sind. Das ist der einzige Grund, warum die Sende-Daten erhoben werden, wann und wo welches Programm im Fernsehen oder im Radio ausgestrahlt wurde.

Dieses Messen um die Ecke führt bei uns oft zu Missverständnissen, woher unsere GVL-Gelder eigentlich stammen. Denn die Sender oder Streamingdienstanbieter selber sind Verwerter mit vertraglicher Erlaubnis und zahlen für uns Schauspieler*innen keinen einzigen Cent an die GVL, weil sie von Gesetzes wegen kein Fall für die GVL sind!

Nun müssen noch die Gelder für einen Film, eine Reihe, eine Serie, ein Hörspiel etc. gerecht an die jeweiligen mitwirkenden Schauspieler*innen aufgeteilt werden. Dafür braucht die GVL weitere Informationen: Wie groß waren unsere Rollen in den jeweiligen Projekten? Die Anzahl unserer Drehtage bzw. Takes sind dafür ein Indiz. Diese Daten kann die GVL – in der derzeitigen Praxis – nur von uns bekommen. Die GVL und der Bundesverband Schauspiel bemühen sich um Prozesse, bei denen diese Daten ohne viel Aufwand, elektronisch und direkt von den Produzenten eingeholt werden können.

… Steuerbelege vorsortieren:

Unsere Steuerberater*innen kennen sich schon aus und haben auch genügend Fantasie zu unserem umtriebigen Lebenswandel, aber sie können nichts für unsere Steuererklärung zaubern, wenn sie von uns nur einen Schuhkarton mit unbeschrifteten Quittungen und Belegen eines ganzen Jahres auf dem Schreibtisch haben.

Wir tun ihnen und uns einen großen Gefallen, wenn wir – solange wir uns noch erinnern können – alle Unterlagen, die für die Steuer potentiell relevant sein könnten, beschriften und im Laufe des Jahres regelmäßig diese Unterlagen nach Monaten und in der Reihenfolge der Tage sortieren.

Gewiss, bei unserem unruhigen Schauspielleben stapeln sich im Vergleich zu normal Beschäftigten wohl mehr Papiere, die unsere Fleißarbeit erfordern. Dafür sollte aber die Kunst unserer Steuerberater*innen sich auch besser entfalten können und uns am Ende belohnen können.

Werden wir Schauspieler*innen beim Erledigen all dieser umfangreichen Verwaltungsaufgaben unterstützt? Wohl kaum! Wer sollte uns da helfen? Die Künstlervermittlung der ZAV ist eine reine Vermittlungsstelle, die zudem neutral zwischen unseren Arbeitgeber*innen und uns steht. Einige Schauspielagenturen mögen uns vielleicht manche Management- oder Büroaufgaben abnehmen, aber in allen administrativen Angelegenheiten dürfen, können oder wollen sie uns nicht vertreten. Manche prominente Kolleg*innen engagieren persönliche Sekretär*innen, aber das dürfte aus finanziellen Gründen für den Großteil unserer Schauspieler*innen wohl nicht in Frage kommen.

Im Gegensatz zu Verwaltungs- und Bewerbungsaktivitäten werden unsere Vor-, Zusatz und Nachbereitungen im Rahmen unserer Engagements erledigt und müssen grundsätzlich für die Vertrags- und Sozialversicherungszeiträume berücksichtigt werden.

Manche Vor-, Zusatz- und Nachbereitungen sind für uns bei jedem Projekt unerlässlich. Andere können je nach Schauspielpersönlichkeit, je nach Rolle, je nach Projekt und je nachdem, ob wir fürs Theater, für einen Dreh, für Synchron oder für Hörspiel arbeiten, mehr oder weniger notwendig werden. Unser Einsatzort bestimmt auch, ob und inwieweit wir unsere Vor-, Zusatz und Nachbereitungen allein und im „Schatten“ der Wahrnehmung unserer „Chefs“ erledigen, oder ob wir sie auf deren Anweisung gemeinsam mit unseren Kolleg*innen an der Arbeitsstätte zu leisten haben.

Typische Vor-, Zusatz und Nachbereitungen sind …

… Rollenfindung:

Ohne sie geht es nicht und sie setzt mit dem ersten Aufschlagen des Text- bzw. Drehbuchs ein. Finde ich nicht das Äußere und die Tiefe meiner Rolle – kleiner Tipp: Die Tiefe liegt oft an der Oberfläche –, entdecke ich nicht das Geheimnisvolle und das Armselige meiner Rolle in den Untiefen meines Menschenkinds, werde ich nicht wie meine Rolle auf andere Figuren und die Handlung reagieren und in der Vorstellung des Publikums sie nicht zum Leben erwecken können. Denn, wie lautet der schauspielerische Rat unseres großen Kollegen George Burns so schön: „Wahrhaftigkeit ist das Wichtigste, wenn Du die gut imitieren kannst, hast Du’s geschafft.“

Vor allem bei Dreharbeiten nimmt die Rollenfindung großen Raum ein – jenseits des Sets. Denn Zeit ist Geld. Schauspielerische Proben, in denen ich im Zusammenspiel mit anderen Kolleg*innen und der Regie meine Rolle entwickeln könnte, finden bei Dreharbeiten in der Regel nicht statt. Die szenischen Proben am Set sind allen für die Kameraführung bestimmt

… Szenenstudium:

Andere würden sagen: Textlernen.

Aber dahinter – oder besser, dazwischen – steckt mehr. Der Text, den wir wirklich lernen müssen, ist der zwischen den Zeilen. Weil wir Menschen im Leben nie eins zu eins das sagen, was wir wirklich denken, fühlen und tun, gilt das auch für unsere Rollen in einer Szene. Diese Zwischenschichten sind entscheidend für eine Szene. Wir müssen sie detektivisch – schon vor den gemeinsamen Proben oder Drehtagen – intensiv erforschen. Und zwar auch für die Rollen der anderen, um die Gefühle, Gedanken, Äußerungen und Taten der eigenen Rolle als Reaktion auf die ganze Handlung der Szene zu begreifen. Eben weil sie Reaktionen sind, wechseln sie ständig, wie Billardkugeln, die je nach Stoß, Effé, Begegnung mit anderen Kugeln und Banden ihre Richtung, Geschwindigkeit und Drehung ändern und einen scheinbar unerwarteten Verlauf nehmen. Interessant und besonders aussagekräftig für unsere Rollen sind abrupte Wechsel, die sogenannten Brüche.

Unser Szenenstudium wird umso mehr Zeit und Raum einnehmen, je weniger Zeit uns für schauspielerische Proben eingeräumt werden. Das gilt ganz besonders für Dreharbeiten.

Wenn wir all diese inneren und äußeren Vorgänge unserer Rolle in ihrem Szenenablauf herausgearbeitet haben und nachspielen können, werden wir schließlich – quasi als Nebeneffekt – das Kunststück vollbracht haben, für das wir so oft von Außenstehenden bestaunt werden: Wir können uns so viel Text merken.

… Recherche und Aneignung spezieller Fähigkeiten:

Es wird unter Freunden der reinen Lehre viel gefachsimpelt, ob und inwieweit wir Schauspieler*innen alles nur aus unserem Inneren schöpfen dürfen. Wie auch immer, fest steht: Wo nichts drin ist, aus dem können wir auch nichts schöpfen.

Die Menschen sind recht unterschiedlich – zum Glück, sonst wäre unser Leben sehr langweilig. Und der Witz unseres Schauspielens ist ja gerade nicht, die eigene Identität aufzublasen, sondern in Demut sich andere Identitäten anzueignen. Je besser wir uns in Fremde und ihre fremde Welt hineinleben, desto mehr kann sich auch unser Publikum mit ihnen identifizieren und die Fremdheit überwinden.

Wir müssen recherchieren, in welcher Welt unsere Rolle lebt, woher sie kommt, wohin sie will, wovon sie träumt, wie sie sich bewegt, wie sie spricht: Ja, wir müssen sie manchmal wie Kinder „nachäffen“, um nachzuspüren, welch verborgene Ecken dadurch in unserem Innern zum Vorschein kommen, auf die wir uns dann im Spiel unserer Rolle berufen können.

„Nachäffen“ und verinnerlichen, das ist besonders dann angesagt, wenn sich unsere Rolle durch bestimmte Fertigkeiten, Sprach- bzw. Bewegungsrhythmen, Dialekte oder Ticks auszeichnet: Wie Geldscheine am Bankschalter mechanisch rasant gezählt werden, wie beim Kellnern um die Tische getänzelt und das Geschirr jongliert wird, wie Karten von Profis gemischt werden, wie Geistliche salbungsvoll reden und gestikulieren, wie Räumlichkeiten unsere Körperhaltung beeinflussen usw.

Authentisches Schauspielen entsteht nicht, wenn wir nur Nabelschau betreiben und andere Menschen wie Klone des eigenen Ichs verkaufen. Wir müssen schon das Authentische der anderen Menschen erkennen, erlernen, heißt, uns ihm unterordnen.

… Kostümproben:

Wie gesagt: Die Tiefe liegt oft an der Oberfläche. Oder: Kleider machen Leute.

Für Kleider und Kostüme ist das Kostümbild in Absprache mit der Regie verantwortlich. Trotzdem sollten auch wir Schauspieler*innen der Kostümprobe eine große Aufmerksamkeit schenken. Es reicht eben nicht, wenn wir ins Kostüm passen, das Kostüm muss zu unserer Rolle, zu unserem Spiel passen. Denn gegen ein falsches Kostüm können wir später nicht anspielen.

Das gilt auch für Probekostüme. Das sind Kostüme, die für Theaterproben gedacht sind und uns helfen sollen, die richtige Körperlichkeit und Beweglichkeit für die Rolle zu entwickeln. Das Wichtigste dabei sind die Schuhe. Wer wochenlang in seinen privaten Turnschuhen eine Rolle probt, die sich nachher in Cowboy-Boots oder Stöckelschuhen über die Bühne bewegen soll, gibt seiner Rolle die falsche Erdung.

Im Zweifel spielen wir nicht „Des Kaisers neue Kleider“, also sind für jede Rolle Kostümproben obligatorisch.

… Maskenproben:

Das „Kostüm“, das uns am engsten auf den Leib geschneidert wird, ist die Schminke auf unserer Haut, ist unsere Frisur. Kostüm- und Maskenbild haben den gleichen Stellenwert und können gleichermaßen die Gestaltung unserer Rollen auf- oder abwerten.

Sind am Theater ausführliche Maskenproben unabhängig vom Geschlecht Usus, finden sie bei Dreharbeiten – ausführlich – vorwiegend nur für die weiblichen Kolleginnen statt. Das ist befremdlich. Schließlich haben auch männlichen Kollegen Nahaufnahmen. Vermutlich sind die Erwartungshaltungen ans Äußere der weiblichen und männlichen Rollen noch recht unterschiedlich. Das wird sich hoffentlich mit dem Wandel der Geschlechterbilder ändern.

… Konzeptionsproben:

Vor allem am Theater ist es beim ersten Zusammentreffen aller Schauspieler*innen zur Probe eines neuen Stücks üblich, dass die Regie mit der Dramaturgie, dem Bühnen-, Kostüm- und Maskenbild das Regiekonzept vorstellt. Damit wird für uns Schauspieler*innen der Rahmen aufgezeigt oder Garten bereitet, in dem unsere Rollen wachsen können. Vereinzelt finden solche Konzeptionsproben auch für Dreharbeiten statt oder das Konzept wird anlässlich der Einzelgespräche zwischen Regie und Schauspieler*innen vorgestellt.

… Leseproben:

Am Theater beginnt die Phase der schauspielerischen Proben für gewöhnlich damit, dass das Stück zunächst vom Ensemble an einem Tisch sitzend gelesen wird, einmal, mehrmals, vielleicht über mehrere Tage, oder manchmal sogar über eine Woche. Die Leseprobephase dient der Erforschung, was sich in den verschiedenen Szenen zwischen den Figuren, zwischen den Zeilen, zwischen den Worten, in den Pausen abspielt. Nicht umsonst heißt die Kunstgattung „Sprechtheater“. Die Texte, die Dichtung, die Sprache sind hier der Schlüssel zum Geheimnis des Unaussprechlichen. Die Schauspieler*innen hören aufeinander und steigern ihre Sensibilität aufeinander zu reagieren. Die Rhythmen der Szenen und des Stücks entwickeln sich. Leseproben legen das Fundament, um im Anschluss das Stück auf der Probebühne in Bewegung setzen zu können.

Für Dreharbeiten finden gemeinschaftliche Leseproben (leider) nur selten statt – schon wegen den logistischen und finanziellen Schwierigkeiten, die ganze Filmbesetzung dafür gesondert ankarren zu müssen. Auch leben Filme stark von Bildern, nicht vorherrschend von der Sprache wie beim Sprechtheater. Leseproben werden insofern für verzichtbar gehalten. Trotzdem, bei manchen Drehprojekten, oft Komödien, spielen die Dialoge doch eine herausragende Rolle und werden Leseproben angesetzt. Sie dienen dann unter anderem dazu zu überprüfen, ob die Dialoge auch „zünden“, oder ob eventuell an ihnen vorm Dreh noch gefeilt werden muss.

… Szenische Proben (oder Vorproben):

Kein Baum ohne Wurzeln, kein Theater ohne Proben. Wie die Wurzel bei Bäumen bleiben die Proben am Theater im Verborgenen, gehen aber in die Tiefe und nehmen einen zentralen Raum ein. Die Probenphase dauert an etablierten Stadt-, Landes- und Staatstheatern in der Regel sechs bis acht Wochen, an Privattheatern vier bis sechs Wochen. Bei den gemeinsamen szenischen Proben auf der Probebühne werden vorrangig die schauspielerischen Vorgänge entwickelt. Das Proben ist unsere eigentliche Mutprobe, in der wir an unsere Grenzen und darüber hinaus gehen müssen, um andere Wesen zu verkörpern. Kein Gelingen ohne zwischenzeitliches Scheitern! Proben ist ein intimer Prozess. Außenstehende sind nicht zugelassen. In Proben sind wir Schauspieler*innen ausgeliefert, ja, seelisch nackt, und müssen darauf vertrauen, dass unser gegenseitiges Vertrauen nicht missbraucht wird.

Filmen ist teuer, Zeit ist Geld und Tageslicht vergänglich. Die Szenen müssen schnell in den „Kasten“. Das heißt für uns: Am Filmset finden so gut wie keine schauspielerischen Proben statt. Ausnahmen bestätigen die Regel und betreffen eher Kino- als Fernsehproduktionen. Von uns Schauspieler*innen wird erwartet, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben. Bereits vor dem Drehtag müssen wir unsere Rolle geformt, unsere Szenen gelernt haben, um trotz der Hektik am Set genügend offen sein, quasi im Speed-Dating-Verfahren unser Zusammenspiel mit unseren Kolleg*innen zu entwickeln. Die wenigen stattfindenden „Proben“ am Set sollen vielmehr die „Auflösung“, das heißt, die Frage klären, aus welchen Blickwinkeln die Kamera die jeweiligen Szenen aufnehmen soll.

Aber in wenigen Fällen besteht die Regie darauf bzw. leistet sich die Filmproduktion den „Luxus“ einer gemeinsamen szenischen Vorprobe. Sie findt außerhalb der Drehtage statt, ähnelt der Probe am Theater und ist wie sie mit der Erwartung verknüpft, dass wir nicht nur zuhause Vorgefertigtes abliefern, sondern uns gegenseitig überraschen können.

… Regiebesprechungen und -kritik:

Am Theater, beim Film, im Studio haben viele das Sagen. Aber die künstlerische Hauptinstanz während der Arbeit ist für uns die Regie. Die Regie gibt nicht nur – auf Basis der Buchvorlage – die ganze Richtung des Kunstwerkes vor, die Regie steht auch in der Entwicklungsphase unseres Schauspielprozesses (A verkörpert B, während C zuschaut) für das C, für das Publikum. Die Regie spiegelt unser Schauspiel, treibt uns voran, bremst uns, baut uns auf und stellt uns bloß, wenn wir uns verritten haben. Und wir müssen uns verreiten, ja, auch mal vom Pferd fallen, um letztendlich mit unserer Rolle fest im Sattel sitzen zu können.

Die Regie ist wortwörtlich eine Zumutung. Denn wir brauchen Mut, Demut und Vertrauen für unseren Weg zur Verwandlung in ein anderes Wesen. Gute Regie ist die Gnade des richtigen Wortes zur rechten Zeit.

In diesem Sinne führt die Regie gewöhnlich zu Beginn eines Projekts Einzelgespräche mit uns Schauspieler*innen, begleitet uns im Entstehungsprozess eines Theaterstücks, eines Films, eines Hörspiels usw. und übt nach der Probe einer Szene Kritik an unserem Spiel. Unsere Arbeit mit der Regie nimmt also auch Zeiträume außerhalb der angesetzten Dreh-, Probe- oder Studiotage in Anspruch.

… Spezialtrainings:

Figuren, die wir verkörpern, spielen zuweilen Instrumente, treiben Sportarten, sprechen Sprachen usw., die wir Schauspieler*innen nicht ohne Weiteres im Repertoire haben. Natürlich, im Film, sogar am Theater wird manches getrickst. Einige Schauspieler*innen spielen Gitarre, andere können reiten, weitere fühlen sich des Kölschen mächtig. Trotzdem: Auch diese Kolleg*innen – die anderen sowieso – sollten sich coachen lassen, um glaubhaft einen Berufsgitarristen, eine Springreiterin, oder Kölner Karnevaljecken zu spielen. Falls das auch die Filmproduktionen bzw. Theater so sehen, oder sie das Risiko von Unfällen, die uns etwa beim Motorrad fahren vor der Kamera zustoßen könnten, vermeiden wollen, organisieren sie für uns entsprechende Spezialtrainings.

… Pressearbeiten:

Theater, Produktionsfirmen oder Sender wollen ihre Stücke und Filme nicht nur mit uns besetzen, sondern auch verkaufen und ein möglichst großes Publikum ansprechen. So werden während und nach der Produktionsphase Foto-, Interview- und Pressetermine angesetzt, an denen wir, vor allem die Hauptrollenspieler*innen bzw. Namhaften unter uns vertraglich verpflichtet sind teilzunehmen. Auch diese Dienste erledigen wir im Rahmen unseres Engagements und werden mit unserer Gage abgegolten, die wir als Spielzeitverpflichtete monatlich, ansonsten je Vorstellung, je Drehtag oder je Take bekommen.

… Fotovorproduktionen:

Gemeinsame Familienbilder, Hochzeitfotos, Fahndungsbilder etc., die im Drehmotiv oder im Bühnenbild auftauchen sollen, müssen rechtszeitig vor der Drehphase bzw. außerhalb der Probenzeit mit den entsprechenden Schauspieler*innen hergestellt werden. Auch für Film- oder Theaterplakate werden für die Schauspieler*innen gesonderte Fotosessions angesetzt.

… Nachsynchronisationen und andere Tonaufnahmen:

Manchmal ist am Filmset das Motiv optisch so beeindruckend, dass deswegen die akustisch katastrophalen Verhältnisse vor Ort in Kauf genommen werden. Oder die Regie entscheidet sich trotz kleiner Versprecher für die vom Spiel her herausragendste Aufnahme. Oder die Redaktion des Auftragssenders möchte im Nachhinein, dass bestimmte Begriffe, Namen, Sätze ausgetauscht werden sollen.

In all diesen Fällen müssen wir Schauspieler*innen – vielleicht viele Monate nach den Dreharbeiten – ins Synchronstudio, uns in die gespielten Szenen zurückversetzen und den Ton reparieren, das heißt: unsere Rollen vor dem Mikrophon stimmlich nachspielen. Wir sind – in der Regel ohne unsere Spielpartner*innen – in einem kleinen schalldichten Raum. Vor uns sind ein Bildschirm, auf dem wir die zu synchronisierenden Szenen sehen können, ein Buch, in dem der Szenendialog in einzelne, schnell zu memorierende Häppchen, „Takes“ genannt, aufgeteilt wurde, und ein Mikrophon. Wir üben wenige Male, dann müssen wir uns in unsere Rolle und den kurzen Moment der Szene hineinversetzen und unseren Dialog, während uns der kurze Take-Ausschnitt der Szene ohne Ton vorgespielt wird, möglichst lippensynchron ins Mikrophon sprechen.

Dieses reproduzierende Synchronisieren ist nur bedingt mit der Arbeit unserer Synchronschauspieler*innen vergleichbar. Denn diese reproduzieren nicht nur, sondern haben trotz der visuellen Vorgabe einen erheblich größeren Spielraum, ihre Rollen künstlerisch zu gestalten.

Offengestanden sind solche Reparatur-Synchronisationen nicht besonders beliebt bei uns Schauspieler*innen. Wir können zwar die technischen Mängel der Drehaufnahmen beseitigen helfen. Aber künstlerisch können wir keinen Blumentopf gewinnen. Wir können mehr oder weniger nur unter dem Niveau unseres Spiels am Set bleiben. Wenn wir beim Synchronisieren über dem Niveau landen würden, wäre wir eben „drüber“, das heißt: Unser Ton würde nicht mehr zum Spiel passen.

Diese Synchrontage sind, auch wenn sie weit außerhalb der Drehphase stattfinden und damit „im Schatten“ der Produktionsaufmerksamkeit liegen, von unseren Drehtagsgagen mit entlohnt und müssten zusätzlich sozialversichert werden – was in der Praxis allerdings nie passiert. Die entsprechenden Filmgeschäftsführer*innen sind längst aus dem Haus, arbeiten inzwischen für andere Projekte und niemand weiß, wie nach der finalen Abrechnung noch Arbeitstage nachversichert werden können.

Theater ist live. Aber trotzdem werden manchmal akustische Einspieler vorproduziert und nicht selten sind wir Schauspieler*innen an diesen Ton- oder Musikaufnahmen beteiligt. Weil die Regie wegen solcher Notwendigkeiten keine wertvolle Probenzeit verlieren will, finden diese Aufnahmen zumeist „im Schatten“ in den Pausenzeiten zwischen den Proben bzw. Vorstellungen statt.

… Mitwirkungen beim Besetzungs- oder Castingprozess:

Zur Wahrheit gehört: Schauspieler*innen werden für Theaterstücke oder Filme nicht gleichrangig und nicht gleichzeitig besetzt. Während die Schlüsselrollenspieler*innen bereits engagiert sind, werden ihre Mitspieler*innen noch gesucht. Zu diesem Zweck werden Kandidat*innen zum „Casting“, sprich zu einem Vorsprechen eingeladen, bei dem sie einige Szenen vorspielen sollen. Dabei müssen die Casting-Direktor*innen bzw. die Besetzungsverantwortlichen nicht nur beurteilen, ob die Kandidat*innen gute Schauspieler*innen sind und auf die jeweiligen Rollen passen, sondern ob sie auch im Spiel mit den bereits besetzten Schlüsselrollenspieler*innen harmonieren. Darum werden die bereits besetzten Partner*innen zum „Anspielen“ hinzugezogen. Diese Mitwirkung beim Besetzungs- und Castingprozess wird von ihnen im Rahmen ihres Engagements geleistet und von ihrer vereinbarten Gage mit entlohnt.

… An- und Abreisen:

Wir Schauspieler*innen führen ein Nomadenleben. Wir wechseln ständig unsere Arbeitgeber*innen, die nicht unbedingt bei uns zuhause sind. Stadt- und Staatstheater schicken uns hin und wieder auf Gastspiele, Landestheater spielen die Hälfte ihrer Vorstellungen auswärts, Tourneetheater kutschieren uns durch den ganzen deutschsprachigen Raum und Produktionsfirmen sind zwar an einem Ort ansässig, drehen mit uns aber überall, wo es geeignete Motive oder Fördermittel der Länder gibt. Vor allem die Produktionsfirmen weisen speziell uns Schauspieler*innen genau an, wann und mit welchen Verkehrsmitteln wir zu auswärtigen Drehorten an- und von dort wieder abreisen sollen. Diese besondere Fürsorge ist weniger eine Verbeugung vor uns, sondern vielmehr der Sorge geschuldet, dass wir nicht rechtzeitig am Film-Set ankommen könnten, die Pensen nicht erledigt und die ganzen Drehtagsplanungen durcheinandergebracht werden könnten. Neuerdings sind die Produktionsfirmen von Filmförderanstalten bzw. Sendern angewiesen, bei der Reiseplanung auf ökologische Nachhaltigkeit zu achten. Dies ist ein weiterer Grund für die Produktionsfirmen, bei unserer Reiseplanung Regie zu führen.

Teilweise überlappen sich auch diese Prozesse. So werden wir beim Szenenstudium den Weg zu unserer Rolle finden und mit Findung unserer Rolle unsere Texte mehr und mehr einprägen können. Gemeinsame Lese- und szenische Proben setzen beide Prozesse fort, binden Maske- und Kostümproben ein und so greifen die unterschiedlichen Vor-, Zusatz-, Nachbereitungen und unser Schauspiel ineinander.

„Schattentage“ sind Arbeitstage, an denen wir für eine Rolle Vor-, Zusatz- und Nachbereitungen erledigen oder „stand-by“ dem Theater oder der Filmfirma für eventuelle Spiel- oder Drehplanänderungen zur Verfügung stehen müssen. Unsere Pflicht zu diesen Leistungen ergibt sich zwar aus unseren Arbeitsverträgen, sie werden von unseren Arbeitgeber*innen auch eingefordert, aber wir erbringen sie oft im „Schatten“, das heißt, „zwischendurch“. Sie werden von unseren Arbeitgeber*innen stillschweigend entgegen genommen, aber häufig nicht wahrgenommen, nicht erfasst und deswegen bei Gagenverhandlungen nicht wertgeschätzt und für die Bemessung unserer Vertragszeit nicht berücksichtigt und nicht sozialversichert.

Das Unterschlagen dieser Schattentage führt bei uns zu noch größeren Versicherungslücken, als wir sie ohnehin schon durch die Befristung unserer Engagements in Kauf nehmen müssen. Darunter leidet unser Anspruch auf Arbeitslosengeld und unsere Rente im Alter.

Statistik

Natürlich, jeder von uns ist ein Unikat, jeder ist sein eigenes Instrument und jeder muss bei der Verkörperung einer Rolle seinen eigenen Weg finden, sein Instrument einzusetzen. Das ist nie die gleiche „Nummer“.

Aber Ämter ticken anders. Erstrecht, wenn sie wie die Bundesagentur für Arbeit neben ihrer Hauptaufgabe auch Arbeitsmarkt- und Berufsforschung betreiben muss. Die Bundesagentur für Arbeit codiert alle schauspielerischen Tätigkeiten gemäß der Klassifizierung der Berufe (KldB 2010) mit der fünfstelligen Ziffer 94214. Das Statistische Bundesamt hat die Klassifizierung der Berufe mitentwickelt und arbeitet ebenfalls mit dieser fünfstelligen Ziffer. Sie umfasst ziemlich genau alle Berufsbezeichnungen, hinter denen eine schauspielerische Tätigkeit steckt im Sinne von A verkörpert B, während C zuschaut“.

Um eine internationale Vergleichbarkeit herzustellen, ist die deutsche Klassifizierung der Berufe kompatibel mit dem International Standard Classification of Occupations (ISCO-08), der weltweit zum Einsatz kommt. Die vierstellige ISCO-08-Ziffer 2655 korrespondiert mit der deutschen KldB-2010-Ziffer 94214 für die schauspielerische Tätigkeit.

Nach amtlichen Aussagen – sprich dem Statistischen Bundesamt, das sich auf die Statistiken der Landesämter und der Bundesagentur für Arbeit stützt – arbeiten hierzulande rund 15.000 Schauspieler*innen, genau 16.000 im Jahr 2017, 14.930 im Jahr 2019. Diese Messungen basieren auf der Klassifizierung der Berufe (KldB 2010), die unseren Schauspielberuf mit der Ziffer 94214 codiert.

Die beiden Jahre 2017 und 2019 zusammenfassend betrachtet …

  • sind unter ihnen etwas mehr weibliche (54,8%) als männliche (45,2%) Schauspieler*innen (non-binäre Geschlechter werden leider nicht erfasst).
  • Schauspieler*innen machen neben Tänzer*innen (21%) und Sänger*innen (30%) knapp die Hälfte (49%) aller darstellenden Künstler*innen aus
  • und knapp 8% aller künstlerisch Berufstätigen in einem kulturrelevanten Wirtschaftszweig (ca. 190.000).
  • Schauspieler*innen sind etwa 15% aller Erwerbstätigen im Theaterbereich (ca. 101.000),
  • etwa 10% aller Erwerbstätigen bei Film-, Fernseh- und Hörfunkproduktionen (ca. 163.000),
  • etwa 1,12% aller Personen in Kulturberufen (ca. 1.331.100)
  • und etwa 0,036% aller Erwerbstätigen insgesamt in Deutschland (2017: 44.276.000, 2019: 42.378.000).

Soweit die amtlichen Zahlen.

Die strengen Kriterien der amtlichen Statistik, mit der die Angehörigen aller Berufe gemessen werden, mögen manch verdiente Kolleg*innen von uns nicht berücksichtigen, weil sie länger als ein Jahr nicht mehr gespielt haben, jedenfalls nicht in Deutschland, oder sie nur schauspiel-verwandten bzw. Misch-Tätigkeiten nachgegangen sind.

Aus diesem Grund spricht der Bundesverband Schauspiel von ca. 15.000 bis 20.000 Schauspieler*innen.

Weil – je nachdem, wer gefragt wird – mehr oder weniger großzügige Maßstäbe zur Schauspieltätigkeit, zur Berufsbetrachtung und zum Erfassungsgebiet (deutscher oder der ganze deutschsprachige Raum) mehr oder weniger große Schauspielmengen projizieren. So gehen manche Branchenstimmen von deutlich mehr als den amtlichen 15.000 Schauspieler*innen aus und berufen sich dabei auf die ca. 30.000 Einträge in den gängigen Casting-Datenbanken.

Trotzdem ist – insbesondere im berufspolitischen Diskurs – die amtliche Statistik unbedingt vorzuziehen. Sie basiert auf soliden Quellen und arbeitet mit Kriterien, die im Vergleich mit den Zahlen anderer Berufe die zuverlässigsten und brauchbarsten sind. Die Schauspieltätigkeit ist mit der fünfstelligen 94214 (KldB 2010) codiert, die ziemlich genau nur die reine schauspielerische Ausübung umreißt (A verkörpert B, während C zuschaut). Mit dem Schauspiel verwandte oder betriebsnahe Tätigkeiten werden so nicht mitgezählt. Wie bei Zählung aller anderen Berufe ist nicht die Berufsausbildung entscheidend. Erfasst werden nur solche Erwerbstätige, die tatsächlich schauspielerisch zum Einsatz kommen – und zwar im Zeitraum eines Jahres und nur in Deutschland, nicht im ganzen deutschsprachigen Raum.

Casting-Datenbanken leben davon, einen entgegengesetzten Anspruch zu haben. Sie wollen nicht nur die tatsächlich schauspieltätigen, sondern möglichst alle Personen sammeln, die für die Übernahme von Rollen in Erwägung gezogen werden können. Damit wenden sich die Casting-Datenbanken an uns, die wir, nachdem wir mit dem Schauspielberuf einmal angefangen haben, uns zumeist ein Leben lang als Schauspieler*innen bezeichnen würden. Das ist aus unserer Perspektive völlig schlüssig, aber mit statistischen Gesichtspunkten nicht kompatibel.

Werden nun all diejenigen dazugezählt, die den Schauspielberuf mal erlernt haben oder sich als Schauspieler*innen verstehen, aber längere Zeit nur mit verwandten Tätigkeiten beschäftigt waren, nur im deutschsprachigen Ausland oder gar nicht mehr gespielt haben, steigt die Zahl der Schauspieler*innen leicht auf 30.000 und mehr an. Solch überhöhte Zahlen beschreiben eher die Größe unserer Liebe zum Schauspielberuf als die Größe der Menge, die ihn tatsächlich ausüben darf.

Rechtliches

Urheberrechtlich sind wir Schauspieler*innen ausübende Künstler*innen, die mit den Urheber*innen viele Rechte teilen.

So haben wir z. B. das Recht auf angemessene Vergütung:

Vor allem als Film-, Fernseh- oder Synchronschauspieler*innen haben wir mit Blick auf die Wiederverwertung unserer Leistungen in Filmen, Reihen und Serien einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung – wie die Urheber*innen (§§ 32, 32a UrhG). Dieser Anspruch richtet sich an alle Verwerter, die über die vertragliche Lizenzkette das Recht zur Nutzung unserer Leistungen bekommen haben. Das heißt: Wir berechtigen mit unserem Arbeitsvertrag die Produktionsfirma unsere Leistung zu nutzen, die Produktionsfirma wiederum gibt die Rechte weiter an einen Verleih oder an den auftraggebenden Sender, der Sender wiederum an einen anderen Sender oder Sreamingdienstanbieter usw. Und die Nutzungen all diese Verwerter spielen eine Rolle bei der Frage, ob unsere Vergütung angemessen ist oder nicht. Leider legt sich der Gesetzgeber nicht fest, was „angemessen“ im konkreten Fall heißt. Wer angesichts vieler Wiederverwertungen seines Films, seiner Serie oder seiner Reihe Zweifel hat, entsprechend angemessen vergütet worden zu sein, dem bleibt nur der langwierige und kostspielige Gang vors Gericht (und das Risiko, nicht mehr besetzt zu werden). Oder aber …

Der Bundesverband Schauspiel handelt Folgevergütungen für uns aus:

Der Bundesverband Schauspiel (BFFS) e.V. ist die einzige repräsentative und daher urheberrechtlich legitimierte Vertretung für uns Schauspieler*innen. Er kann (nach § 36 UrhG) mit Produzenten, Sendern, Verleihern, oder Streamingdienstanbietern verhandeln und sich mit ihnen auf entsprechende Tarifverträge oder sogenannte Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR) einigen. Aufgrund dieser Regeln bekommen dann alle Schauspieler*innen, die bei Produktionen mitgewirkt haben, die bestimmte Erfolgskriterien erfüllen, je nach Größe der Rolle Folgevergütungen.

In diesem Sinne hat der Bundesverband Schauspiel zugunsten der Schauspieler*innen

  • mit der Produzentenallianz für Kinofilme,
  • mit ProSiebenSat1 für Spielfilme, Reihen und Serien,
  • mit Constantin Film und Studiocanal für Synchronisationen
  • mit dem Globalplayer Netflix für Serien und Spielfilme
  • und mit ARD sowie Degeto für Spielfilme von ca. 90 Minuten Lauflänge

Verträge ausgehandelt.

Und die GVL sammelt zusätzlich für uns Gelder ein:

Unser Recht auf angemessene Vergütung bezieht sich aber nicht nur auf die vertragliche, sondern auch auf die gesetzliche Lizenzkette – die wir nicht so sehr in Blickfeld haben. So profitieren das Hotel- und Gastgewerbe sowie die Geräte- und Speichermedienindustrie zwar indirekt, aber nicht unerheblich von unseren Leistungen. Auf welche Umsätze müssten diese Branchen verzichten, wenn es in Hotels und Gaststätten keine Fernsehgeräte gäbe bzw. dort unsere Filme, Reihen und Serien nicht gezeigt, oder sie nicht auf Smartphones, Tablets, DVDs und Festplatten kopiert werden dürften? Das Recht dazu haben diese Verwerter nicht auf vertraglichem Wege von uns erhalten. Vielmehr hat der Gesetzgeber ihnen die Erlaubnis erteilt, unsere Leistungen (in einem gewissen Rahmen) zu nutzen. Trotzdem: Auch solche gesetzlichen Nutznießer sind uns eine angemessene Vergütung schuldig. Doch wie sollten wir bei all diesen Hotels, Gaststätten, Geräte- und Speichermedienherstellern, aber auch Kabelweiterleitern, Videotheken vorstellig werden, um unser Geld einzufordern? Mit dieser Aufgabe hat der Gesetzgeber die Verwertungsgesellschaften betraut – in unserem Fall ist das die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL). Sie soll in unserem Namen mit allen Verwertern, die mit gesetzlicher Erlaubnis unsere Leistungen nutzen, Tarife aushandeln, das Geld von diesen Verwertern einsammeln und an uns verteilen.

Diese Verteilung an uns orientiert sich zwar nach Präsenz unserer Filme, Reihen und Serien in den Sendern: Aber – und darin liegt ein weitverbreitetes Missverständnis – die Sender oder Streamingdienstanbieter selber müssen für uns keinen einzigen Cent an die GVL zahlen. Sie sind von Gesetzes wegen kein Fall der GVL.

Diese Frage nach dem sogenannten Sozialstatus führt immer wieder zu heftigen Diskussionen. Die Antwort darauf ist aber hierzulande ziemlich eindeutig und kein Wunschkonzert.

Als Schauspieler*innen sind wir hierzulande in der Regel Arbeitnehmer*innen und keine Selbstständigen.

Nur in Ausnahmefällen ist unsere schauspielerische Tätigkeit eine selbstständige. Als Schauspielkünstler*innen sind wir zumeist in die Arbeitsorganisation eines Theaters, einer Drehproduktion, eines Synchronstudios eingebunden, unterliegen wir deren „Dispositionsrecht“, das heißt, der zeitliche und örtliche Einsatz unserer schauspielerischen Arbeit erfolgt nach betrieblichen Anweisungen, die sogar in Dispositionen, Dreh-, Proben- oder Vorstellungsplänen schriftlich festgehalten werden. Diese zeitliche und örtliche Weisungsgebundenheit war und ist bei den Gerichten das ausschlaggebende Argument für unsere Einstufung als abhängig Beschäftigte, als Arbeitnehmer*innen. Dass wir Schauspieler*innen uns außerdem auch inhaltlich den Weisungen etwa der Regie und den Vorgaben des Buches nicht völlig entziehen können – jedenfalls nicht im Normalfall –, ist zwar ein zusätzliches Argument, aber nicht der Kern unserer Weisungsgebundenheit.

Als Arbeitnehmer*innen genießen wir den besonderen Schutz des Sozialversicherungsrechts:

Wir sind für die Dauer unserer Beschäftigung kranken-, pflege-, renten- und – im Gegensatz zu selbstständigen Künstler*innen – auch noch arbeitslosen- sowie unfallversichert.

Leider nimmt das deutsche, eigentlich vorbildliche Sozialversicherungssystem nur sehr ungenügend Rücksicht auf atypische Beschäftigungsverhältnisse, wie z. B. wir Schauspieler*innen sie haben. Für uns gibt es so gut wie keine Festanstellungen, nur mehr oder weniger kurz befristete Arbeitsverhältnisse. Die für uns üblichen Beschäftigungslücken einerseits sowie komplizierte, ungeeignete und unsachgemäße Sozialversicherungsbestimmungen andererseits bereiten uns gehörige Nachteile gegenüber den anderen festangestellten Arbeitnehmer*innen und arge Probleme bei der administrativen Verwaltung unserer Engagements.

Kein Wunder, dass viele von uns diesen Ärger leid sind und manche sich wünschen, die Politik würde ihre befristeten Beschäftigungen als selbstständige Tätigkeiten einstufen. Dann könnten sie sich, so denken sie, unkompliziert über die Künstlersozialkasse versichern lassen. Eine Fata Morgana im doppelten Sinne. Erstens: Nicht die Politik, sondern Gerichte beurteilen den Sozialstatus. Und im Falle von Schauspieler*innen ist das regelmäßig der Status einer unselbstständigen Beschäftigung. Zweitens: Der Status der selbstständigen Künstler*innen ist nicht nur aus arbeitsrechtlicher, auch aus sozialer Sicht eher schwächer.

Die Künstlersozialkasse ist besser als gar keine Sozialversicherung, bietet aber im Großen und Ganzen geringere soziale Absicherung – vor allem im Alter und im Fall der Arbeitslosigkeit – als die „normale“ Sozialversicherung, auch wenn ihre beschriebenen Defizite eingepreist werden.

Als Arbeitnehmer*innen haben wir Schauspieler*innen arbeitsrechtliche Vorteile …

Das deutsche Arbeitsrecht beinhaltet viele Instrumente, um dem Gefälle zwischen mächtigen Unternehmen und abhängig beschäftigten Arbeitnehmer*innen rechtlich entgegenzuwirken. So tragen z. B. Selbstständige das Risiko, dass ihnen die Vergütung gekürzt oder gar verweigert wird, wenn sie die von ihnen erwartete Leistung nicht voll im Sinne der Auftraggeber*innen erbracht haben oder gar nicht erbringen konnten. Arbeitnehmer*innen haben dieses Risiko nicht. Es gibt also viele rechtliche Vorteile, auf die vor allem wir Schauspieler*innen rechtlich angewiesen sind. Schließlich hangeln wir uns von befristetem Engagement zu befristetem Engagement, müssen uns immer wieder neu um Arbeit bemühen. Insofern sind wir in besonderem Maße abhängig beschäftigt.

… und konnten eine eigene Berufsgewerkschaft gründen:

Nur aufgrund unseres Arbeitnehmerstatus konnten wir eine Berufsgewerkschaft gründen, den Bundesverband Schauspiel (BFFS) e.V., und mit ihm kollektiv-verbindliche, tarifliche Gagen-Untergrenzen wie die Einstiegsgage und weitere verbesserte Arbeitsbedingungen für uns durchsetzen. Das konnten Selbstständige bislang so nicht, weil sie laut Kartellrecht als „Unternehmen“ gelten, denen und deren Verbänden, von wenigen Ausnahmefällen mal abgesehen, kollektiv-verbindliche Preis- oder sonstige Absprachen verboten sind. Die EU-Politik hat dieses Problem zumindest für die Solo-Selbstständigen, die kaum auf Augenhöhe mit den mächtigen Branchenplayern verhandeln können, wohl erkannt und im Juni 2022 Leitlinien beschlossen. Diese EU-Leitlinien eröffnen nun den Gewerkschaften die Möglichkeit, für bestimmte Gruppen von Solo-Selbstständigen solche Tarifverträge abschließen zu dürfen. Dagegen bleiben aber wohl Gagenabsprachen, die einseitig von Solo-Selbstständigen getroffen und als Empfehlungen eine gewisse Verbindlichkeit entfalten sollen, nach wie vor kartellrechtlich bedenklich.

Unsere schauspielerischen Erwerbstätigkeiten werden – wie von der Arbeits- und der Sozialgerichtsbarkeit mit ähnlicher Argumentation – auch in der Finanzgerichtsbarkeit fast durchweg als abhängige Beschäftigung und damit unselbstständig eingestuft.

Diese Sozialstatus-Frage berührt hauptsächlich die Rechtsgebiete dieser drei Gerichtsbarkeiten, also das Arbeits-, das Sozialversicherungs- und das Steuerrecht. In allen drei Rechtsgebieten wird die Sozialstatus-Frage zu ca. 98% der Fälle gleich beurteilt. Aber es gibt auch einige Erwerbstätigkeiten, in denen die drei Gerichtsbarkeiten für ihre jeweiligen Rechtsgebiete zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Und für den Bereich der Kulturlandschaft ist das z. B die Synchrontätigkeit.

Während die Arbeits- und die Sozialgerichtsbarkeit auch bei Synchrontätigkeiten und -schauspieler*innen von abhängigen Beschäftigungen, von Anstellungen, von Arbeitnehmer*innen ausgeht, befindet die Finanzgerichtsbarkeit, dass Synchronschauspieler*innen steuerrechtlich selbstständig sind.

Das heißt in der Praxis: Als Synchronschauspieler*innen gelten für uns die Vorteile des Arbeitsrechts, wir sind sozialversicherungspflichtig – zumeist als „Unständige“ –, aber werden nicht über der Steuerkarte abgerechnet, sondern müssen eine Rechnung stellen. Diese rechtliche Diskrepanz führt in unserem Synchronalltag zu etlichen administrativen Schwierigkeiten, wie sich jeder denken kann – aber vor Gericht zählen nicht administrative Fragen, sondern rechtliche.

Vertragsverhandlungen sind grundsätzlich frei und werden nur von einem Recht beherrscht: vom Recht des Stärkeren – und das sind in der Regel die anderen, nicht wir als einzelne Arbeitnehmer*innen, Solo-Selbstständige, Urheber*innen, Schauspieler*innen usw.

Aus diesem Grund versuchen unsere Verbände und Gewerkschaften (wie der Bundesverband Schauspiel), mit unseren Theatern, Filmunternehmen, Sendern, Streamingdienstanbietern Kinoverleihern, etc. Kollektivverträge auszuhandeln. Diese Kollektivverträge beinhalten gewisse Mindeststandards zu unseren Gunsten und schaffen eine Basis, damit wir nicht von den mächtigeren Branchengrößen völlig übervorteilt werden.

Tarifverträge haben Verfassungsrang …

(Art. 9 Abs. 3 GG)  Wir sind Arbeitnehmer*innen. Tarifverträge sind verbindlich wie Gesetze und regeln die Arbeits-, Vertrags- und Entlohnungsbedingungen von Arbeitnehmer*innen – wie uns – im Verhältnis zu ihren Arbeitgeber*innen.

Gemeinsame Vergütungsregeln sind im Urheberrecht verankert …

(§ 36 UrhG) Wir sind ausübende Künstler. Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR) bestimmen die angemessene Vergütung für die Nutzung unserer Leistungsschutzrechte durch unsere Vertragspartner*innen (§ 32 UrhG), aber auch durch deren Auftraggeber*innen und weitere Lizenznehmer*innen (§ 32a UrhG).

Beides, Tarifverträge und Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR) sind Kollektivverträge …
  • Sie sind zunächst verbindlich für die Mitglieder der am Vertrag beteiligten Gewerkschaften oder Verbände und ihrem Gegenüber, z. B. für die im Deutschen Bühnenverein organisierten Theater, für die Filmfirma-Mitglieder in der Produzentenallianz, für verschiedene Sender, Streamingdienstanbieter oder Kinoverleiher.
  • Sie gelten auch, wenn Arbeits-, Dienst- oder Werkverträge auf solche Kollektivverträge verweisen.
  • Darüber hinaus strahlen sie auch auf die ganze Branche aus. Um z. B. beurteilen zu können, was bei unseren Arbeitsverhältnissen oder Vergütungen üblich und angemessen ist, beziehen sich Gerichte gerne auf solche Kollektivverträge.

Verbindlich für uns Schauspieler*innen sind …

… der Normalvertrag (NV) Bühne für Beschäftigungen an Stadt-, Landes- und Staatstheatern:
  • Vertragsart: Tarifvertrag;
  • Seit: Januar 2003, NV-Solo-Vorläufer: Mai 1924;
  • Vertragspartner für Bühnenbeschäftigte: Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger (GDBA), Verband der Opernchöre und Bühnentänzer e.V. (VdO), seit Juni 2022 Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS);
  • Vertragspartner für Theater: Deutsche Bühnenverein;
  • Regelungsinhalte: Mindeststandards zu Arbeits-, Ruhezeiten und Vergütungen der Bühnenangehörigen bei Stadt-, Landes- und Staatstheatern etc. …
  • aktuelle Fassung
… der Manteltarifvertrag (TV FFS) für Dreharbeiten:
  • Vertragsart: Tarifvertrag;
  • Seit: Dezember 1959, in jetziger Art: Mai 1996;
  • Vertragspartner für Filmschaffende: Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)  und seit April 2021 Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS);
  • Vertragspartner für Filmproduktionen: Produzentenallianz (PA);
  • Regelungsinhalte: Mindeststandards zu Arbeits-, Ruhezeiten aller Filmschaffenden und Filmschauspieler*innen etc. …
  • aktuelle Fassung
… der Schauspieltarifvertrag für Dreharbeiten:
  • Vertragsart: Tarifvertrag;
  • Seit: Dezember 2013;
  • Vertragspartner für Film- und Fernsehschauspieler*innen: Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS), Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di);
  • Vertragspartner für Filmproduktionen: Produzentenallianz (PA);
  • Regelungsinhalte: Einstiegsgage für Schauspielberufsanfänger*innen und Gagenuntergrenze für alle Filmschauspieler*innen, Garantierte Gage bei nur voraussichtlicher Anzahl der Drehtage etc. …
  • aktuelle Fassung
… der Kinoerlösbeteiligungstarifvertrag:
  • Vertragsart: Tarifvertrag;
  • Seit: Mai 2013;
  • Vertragspartner für Film-Urheber*innen und Schauspieler*innen: Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS);
  • Vertragspartner für Filmproduktionen: Produzentenallianz (PA);
  • Regelungsinhalte: Erlösbeteiligungen bei erfolgreichen Kinofilmen für Film-Urheber*innen und Filmschauspieler*innen …
  • aktuelle Fassung
… der Tarifvertrag Debüt- und Abschlussfilm:
  • Vertragsart: Tarifvertrag;
  • Seit: Juli 2018, war befristet bis Ende 2020;
  • Vertragspartner für Filmschaffende: Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS);
  • Vertragspartner für Filmproduktionen: Produzentenallianz (PA);
  • Regelungsinhalte: budgetabhängige Unterschreitungen der tariflichen Gagenuntergrenzen bei Debüt- und Abschlussfilmen etc. …
  • damalige Fassung
… der Kurzarbeitstarifvertrag für Dreharbeiten:
  • Vertragsart: Tarifvertrag;
  • Seit: März 2020, inzwischen ausgelaufen;
  • Vertragspartner für Filmschaffende: Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS);
  • Vertragspartner für Filmproduktionen: Produzentenallianz (PA);
  • Regelungsinhalte: Ermöglichung von Kurzarbeitergeld plus Aufstockung der Gagen bei (zu befürchtenden, Corona bedingten) Produktionsausfällen …
  • damalige Fassung
… der Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen bei Sprachproduktionen im Rahmen der COVID-19-Pandemie:
  • Vertragsart: Tarifvertrag;
  • Seit: September 2020, inzwischen gekündigt;
  • Vertragspartner  für Synchronschaffende: Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS), Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di);
  • Vertragspartner für Synchronstudios: Arena Synchron GmbH, Eclair Studios Germany GmbH, FFS Film & Fernseh-Synchron GmbH, Hermes Synchron GmbH, Interopa Film GmbH, Iyuno Germany GmbH, Münchener Synchron GmbH, Neue Tonfilm München Gesellschaft für Synchronproduktionen GmbH, RC Production GmbH & Co. KG, ScalaMedia GmbH, Splendid Synchron GmbH;
  • Regelungsinhalte: Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit, Sicherstellung handwerklicher Qualitätsstandards trotz COVID-19-Auflagen …
  • damalige Fassung
… die Gemeinsamen Vergütungsregeln mit ProSiebenSat.1 zu Filmen, Reihen und Serien:
  • Vertragsart: Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR);
  • Seit: Juli 2013;
  • Vertragspartner für Schauspieler*innen: Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS);
  • Vertragspartner für ProSiebenSat.1-Sender:1;
  • Regelungsinhalte: Folgevergütungen und Erlösbeteiligungen bei erfolgreichen ProSiebenSat.1-Filmen, -Reihen und -serien für Filmschauspieler*innen …
  • aktuelle Fassung

… die Gemeinsamen Vergütungsregeln mit Constantin Film und Studiocanal für Synchronisationen:
  • Vertragsart: Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR);
  • Seit: August 2019;
  • Vertragspartner für Synchron-Urheber*innen und Synchronschauspieler*innen: Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS), Bundesverband Regie (BVR), Bundesverband Synchronregie und Dialogbuch e.V. (BSD);
  • Vertragspartner für Filmverleiher: Constantin Film Verleih, Studiocanal;
  • Regelungsinhalte: Erlösbeteiligungen bei in Deutschland erfolgreichen internationalen Kinofilmen für Synchronschauspieler*innen, Synchronregisseur*innen und Dialogbuchautor*innen …
  • aktuelle Fassung
… die Gemeinsamen Vergütungsregeln mit Netflix zu Serien:
  • Vertragsart: Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR);
  • Seit: März 2020;
  • Vertragspartner für Film-Urheber*innen und Schauspieler*innen: Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS);
  • Vertragspartner für Streamingdienstanbieter Netflix: Netflix;
  • Regelungsinhalte: Folgevergütungen und Zweitverwertungsbeteiligungen je nach Erfolg der Netflix-Serien für Film-Urheber*innen und Filmschauspieler*innen …
  • aktuelle Fassung
… die Gemeinsamen Vergütungsregeln mit Netflix zu Spielfilmen:
  • Vertragsart: Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR);
  • Seit: Dezember 2021;
  • Vertragspartner für Film-Urheber*innen und Schauspieler*innen: Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS);
  • Vertragspartner für Streamingdienstanbieter Netflix: Netflix;
  • Regelungsinhalte: Folgevergütungen und Zweitverwertungsbeteiligungen je nach Erfolg der Netflix-Spielfilme für Film-Urheber*innen und Filmschauspieler*innen, Einstiegsgage für Filmschauspieler*innen …
  • aktuelle Fassung
… die „BFFS-ARD-Schauspiel-GVR – 90-Minüter“:
  • Vertragsart: Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR);
  • Seit: Februar 2022;
  • Vertragspartner für Schauspieler*innen: Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS);
  • Vertragspartner für alle ARD-Rundfunkanstalten: alle ARD-Rundfunkanstalten, Degeto;
  • Vertragspartner für die Filmproduktionen: Produzentenallianz (PA);
  • Regelungsinhalte: Folgevergütungen bei erfolgreichen linear-ausgestrahlten ARD-Spielfilmen für Filmschauspieler*innen …
  • aktuelle Fassung

… die „Limburger Lösung“ zur betrieblichen Altersvorsorge über die Pensionskasse Rundfunk bei Produktionen für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten:
  • Vertragsart: mehrseitiger Vertrag;
  • Seit: September 2016;
  • Vertragspartner für Filmschaffende: Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS), Vereinigte Dienstleistungsgesellschaft (ver.di);
  • Vertragspartner für alle öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten: alle ARD-Rundfunkanstalten, Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF);
  • Vertragspartner für Filmproduktionen: Produzentenallianz (PA);
  • Vertragspartner für die Pensionskasse Rundfunk: Pensionskasse Rundfunk;
  • Regelungsinhalte: Betriebliche Altersvorsorge bei öffentlich-rechtlichen Produktionen für die Filmschaffenden, Beitragszahlungen der Filmunternehmen an die Pensionskasse an die Pensionskasse Rundfunk und ihre Erstattung durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten …
  • aktuelle Fassung

… die „Pension Payment Promotion“ zur betrieblichen Altersvorsorge über die Pensionskasse Rundfunk bei Spielfilmproduktionen für Netflix:
  • Vertragsart: eigene Gattung;
  • Seit: Dezember 2021;
  • Vertragspartner für Filmschaffende: Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS);
  • Vertragspartner für den Streamingdienstanbieter Netflix: Netflix;
  • Regelungsinhalte: Betriebliche Altersvorsorge bei Netflix-Spielfilmen für die Filmschaffenden, Erstattung der Filmunternehmens-Beitragszahlungen an die Pensionskasse Rundfunk durch Netflix …
  • aktuelle Fassung

Daneben existieren in unserem Umfeld noch verschiedene Listen mit Gagenempfehlungen: z. B. die „Gagenliste deutscher Sprecher“, die „Velma Liste“ für Werbespots oder die „Empfehlungen zu Honoraruntergrenzen“ in der freien Theaterszene. Auch sie schaffen Orientierung, sind aber, wie gesagt, nur Empfehlungen, die zumeist allein von der Seite der Schutzbedürftigen aufgestellt wurden. Sie schrecken unsere „Ausbeuter“ nicht ab, nicht einmal die „Selbstausbeuter“ in unseren Reihen.

Wir Schauspieler*innen sind Arbeitnehmer*innen und stehen wie alle von ihnen grundsätzlich unter dem Weisungsrecht (oder auch „Dispositionsrecht“ genannt) unserer Arbeitgeber*innen. Das heißt: Wir sind in ihre Arbeitsorganisation eingebunden und sie haben – innerhalb unserer Vertragszeit – das Recht zu bestimmen, wann wir wo zum Arbeitseinsatz kommen, ob wir währenddessen auch andere Engagements annehmen dürfen oder nicht.

Anders als bei normalen Arbeitnehmern sind unsere Schauspiel-Beschäftigungen mehr oder weniger kurz befristet, genau auf die Zeiträume zugeschnitten, die für die Erarbeitung und Abspielen unsere Rollen benötigt werden. Trotzdem brauchen unsere Arbeitgeber*innen für etwaige Vorstellungs- oder Drehplanänderungen etwas mehr Spielraum, „Stand-by“- oder Puffer-Zeiträume, in denen wir zwar – voraussichtlich – keine Vorstellungen oder Drehtage haben werden, aber dennoch allzeitbereit zur Verfügung stehen sollen. Denn was heißt in der Bühnen-, Film- und Fernsehlandschaft schon „voraussichtlich“? Jederzeit kann aus heiterem Himmel etwas passieren, das alle Pläne des Theaters oder der Filmproduktion über den Haufen wirft. Arbeitgeber*innen, die sich für solche Fälle keinen Puffer in unseren Vertragszeiten gesichert haben, riskieren den völligen Abbruch ihrer Produktion und ein finanzielles Desaster.

Nicht zuletzt deswegen erleben wir Schauspieler*innen immer wieder, dass sich unsere kurz befristeten Beschäftigungen zeitlich überlagern, nicht nur zwei, vielleicht sogar mehrere. Wer von unseren „Chefs“ hat dann das Sagen? Wie gehen sie damit um?

Entweder sie verpflichten uns exklusiv …

Einem Theater oder Filmproduktion „exklusiv“ zur Verfügung zu stehen, bedeutet, dass uns von vorneherein untersagt ist, während der Vertragszeit irgendein anderes Engagement in Erwägung zu ziehen oder gar anzunehmen. Das heißt, die Überlagerung von Vertragszeiten und das Problem von Terminkollisionen kann gar nicht erst entstehen.

… oder sie verpflichten uns mit Erster Priorität …

Hat z. B. ein Theater die erste Priorität, können wir während der Vertragszeit – aber nur mit Erlaubnis dieses Theaters – ein anderes Engagement annehmen. Die Termine des neuen Engagements müssen sich aber immer nach denen des Theaters richten – auch dann, wenn das Theater seine Planung ändert.

… während andere nachrangige Priorität bekommen …

Beansprucht ein Engagement die erste Priorität und kommt in seiner Vertragszeit ein zweites Engagement hinzu, hat dieses nur die zweite Priorität. Werden es noch mehr Engagements, erhalten sie entsprechend die dritte, vierte, fünfte Priorität usw. So entsteht eine Prioritätskette mit einer klaren Hierarchie.

… und arbeiten außerdem mit Sperrzeiten …

Ein Sperrtag ist – nach offizieller Lesart, wie die Produzentenallianz und der Bundesverband Schauspiel sich dazu verständigt haben – „ein Tag innerhalb einer Vertragszeit, an dem der Schauspieler auf eigenen Wunsch andere Verpflichtungen eingegangen ist oder eingehen will und deshalb dem Produzenten nicht zur Verfügung steht.“

Mit anderen Worten: Sperrzeiten oder Sperrtage sind Zeiträume, die von vornherein oder im Nachhinein – dann nur mit Zustimmung unserer Arbeitgeber*innen – aus der Vertragszeit herausgeschnitten werden. Zeiträume, in denen sie jedenfalls keine Priorität haben und nicht über uns verfügen können. Überlappungen werden auf diese Weise vermieden und die Frage, wer über uns wann das Sagen hat, vereinfacht.

Aber Vorsicht! Wenn wir für andere Engagements oder Privattermine frei haben wollen, die Arbeitgeber*innen uns die „Sperrtage“ gewähren, aber nur mit dem Vorbehalt, notfalls wieder über diese Zeitspanne verfügen zu können, dann behalten sie im Prinzip ihre Priorität. Dann sind diese Tage keine echten Sperrtage, sondern Zeiträume, in denen die anderen Termine nur mit nachrangiger Priorität stattfinden können.

Alle Arbeitgeber*innen – ob sie uns exklusiv, mit erster Priorität oder nachrangigen Prioritäten gebucht haben – müssen ihre Vertragszeiten mit uns sozialversichern.

Wenn unsere Vertragszeiten – wie es bei denen nach Priorität geordneten möglich ist – überlappen, kann das oft zu Beitragszahlungen führen, die über die Beitragsbemessungsgrenzen (BBG) hinausgehen. Wir und die Arbeitgeber*innen sollten darauf achten und die jeweilige Beitrags-Einzugsstelle (das sind die gesetzlichen Krankenkassen) auffordern, die überzahlten Beiträge wieder zurückzuzahlen.

Für uns Schauspieler*innen ist die Einteilung in „feste“ und „freie“ Schauspieler*innen völlig einleuchtend – für Außenstehende, vor allem für die Politik eher irreführend.

„Fest“ sind nach unserem Verständnis unsere ca. 2.000 in festen Theaterensembles gebundenen Kolleg*innen. Sie haben sich für ein, manchmal zwei Jahre, an einem Stadt-, Landes- oder Staatstheater spielzeitverpflichtet und sind rund um die Uhr ziemlich fest in der Hand der dortigen Theaterleitung. Sie müssen mehr oder weniger alle Rollen spielen, die ihnen aufgetragen werden, haben bei einer tariflichen 5½-Tage-Woche – ½ Tage?! – kaum freie Zeit für ein Privatleben, auch nicht an Wochenenden. Sie haben sogar eine „Residenzpflicht“, das heißt, sie dürfen wegen eventuell plötzlich notwendig werdender Vorstellungsänderungen nicht ohne Weiteres die Stadt verlassen. Auf der anderen Seite bekommen sie dafür ein festes Monatsgehalt oder wie wir scherzhaft sagen: „Als ‚Feste‘ am Theater bekommen wir zwar nichts, aber das wenigstens regelmäßig.“ Mit einem Wort: Wenn das nicht „fest“ ist, was dann?

„Frei“ nennen wir alle anderen 13.000 bis 18.000 Schauspieler*innen, die außerhalb fester Theaterensembles arbeiten, die von Rolle zu Rolle sich „frei“ für ein neues Engagement an einer Bühne, für eine Dreharbeit, ein Hörspiel oder eine Synchronisation entscheiden dürfen – aber eben auch müssen, um die Miete bezahlen zu können. „Frei“ bezieht sich insofern auch auf unsere ständig begleitenden Existenzängste, im freien Fall zu sein.

„Fest“ und „frei“ sind für uns Schauspieler*innen also klare Himmelsrichtungen. Außenstehende werden aber eher aufs Glatteis geführt. Sie lesen diese Begriffe anders und stufen deswegen unsere Arbeitsverhältnisse falsch ein.

Denn „feste“ Schauspieler*innen im Sinne von festangestellt, also unbefristet beschäftigt, gibt es so gut wie keine. Auch als „feste“ Ensembleangehörige arbeiten wir auf Befristung und werden, falls man uns loswerden will, einfach nur nicht verlängert. Eine Kündigung ist gar nicht nötig und Kündigungsschutz ein Witz. Nur wer nach 15 Spielzeiten hintereinander an einem Theater vergessen wurde, nicht verlängert zu werden, ist unkündbar.

Und die „freien“ Schauspieler*innen sind zumeist nicht freischaffend im Sinne von selbstständig. Auch die kurz befristeten Engagements sind in der Regel Anstellungen.

Fazit: Die „Festen“ sind nicht fest(-angestellt) und die „Freien“ nicht frei(-schaffend). Wir sind weder das Eine noch das Andere, sondern alle dazwischen.

Wir sollten „fest“ und „frei“ in unserem Zusammenhang besser nur mit Anführungsstrichen verwenden!

Ausbildung

Talent ist für den Schauspielberuf eine notwendige Voraussetzung – aber noch lange keine hinreichende! Wer aus seinem Schauspieltalent einen Beruf machen will, muss ihn erlernen. In Ausnahmefällen mag vielleicht Learning by Doing reichen – und das ist bestimmt nicht der leichteste Weg. Quereinsteiger*innen, also solche, die aus anderen Berufsläufen ausbrechen und ohne Schauspielschule in unseren Beruf wechseln wollen, können vielleicht in der Synchron-, manchmal in der Dreh-Branche Fuß fassen, aber kaum in der Theaterszene.

Grundsätzlich sollte am Anfang der Laufbahn eine Schauspielschule besucht werden – das ist jedenfalls die dringende Empfehlung des Bundesverband Schauspiel.

… um die 60 private Schauspielschulen im deutschsprachigen Raum, die staatlich anerkannt sind,

und eine unbekannte Anzahl weiterer privater Schauspielschulen, die nicht staatlich anerkannt sind.

Private Schauspielschulen kosten ungefähr zwischen 300 € und 600 € monatlich – die staatlichen nichts. Aber dafür ist die Chance, bei einer staatlichen Schauspielschule aufgenommen zu werden, ungleich schwieriger als bei einer privaten.

Denn zuerst muss eine Aufnahmeprüfung bestanden werden. An den staatlichen Schauspielschulen werden von rund 500 bis 2.000 Bewerber*innen ca. 10 bis 20 aufgenommen. An den meisten Schauspielschulen findet nach jedem Ausbildungsjahr eine Zwischenprüfung statt. Sie ist entscheidend für das Verbleiben auf der Schule. Nach gewöhnlich vier Jahren wird die Ausbildung mit einer Abschlussprüfung abgeschlossen. Mit diesem Abschluss hatten wir früher unser Schauspieldiplom, heute erlangen wir einen Artist Diploma oder Bachelor, je nach Schauspielschule.

Die Ausbildung wurde schon immer je nach Schauspielschule, je nach Schauspiel-Zeitgeist sehr unterschiedlich ausgestaltet.

Klar, bestimmte Klassiker dürfen nicht fehlen: Atem-, Stimm- und Körpertraining, Rollenstudium, Ensemblespiel, Improvisation. Vielleicht Bühnenfechten, Gesangstraining, Akrobatikunterricht. Diese praxisnahen Stoffe bilden den Schwerpunkt der Schauspielausbildung. Aber manch wissenschaftliche Fächer gehören dazu: z. B. Theatergeschichte, Dramaturgie, Ästhetik, Medienkunde. Wie, oder nach welcher Methodik diese Stoffe vermittelt werden, ist stark davon abhängig, welche Dozentenpersönlichkeiten auf welche Schauspielschüler*innen treffen.

Aber ganz gleich, welche Wege beschritten wurden und werden – viele Wege führen nach Rom – drei Aufgaben muss eine Schauspielausbildung erfüllen:

  • Ich muss lernen, meine eigene individuelle „Bedienungsanleitung“ zu finden und weiterzuentwickeln, um mich mit meinem „Instrument“ – das bin ich selbst – meinen Rollen nähern zu können.
  • Ich muss mein „Handwerkzeug“ lernen, um auf der Bühne, vor der Kamera, vor dem Mikrophon meine Rolle „rüberzubringen“ und mich für den Beruf fit halten zu können.
  • Und letztendlich werde ich an einer Schauspielschule „geimpft“ für mein späteres fiebergeschütteltes Schauspiel-Berufsleben.

Vergütung

Das ist eine einfache Frage, die nur komplizierte Antworten kennt. Denn ein Wir gibt es beim Verdienen nicht, die Spanne geht so weit auseinander wie bei kaum einem anderen Beruf. Jede Schauspielpersönlichkeit hat einen unterschiedlichen Mix von Engagements, ist unterschiedlich stark gefragt und kann je nach Berufserfahrung und Marktwert unterschiedlich viel je Spielzeitmonat, je Vorstellung, je Drehtag, je Take heraushandeln. Und nichts steht fest. Wer gestern nach oben auf der Welle surfte, kann sich morgen vielleicht nicht mehr über Wasser halten.

Trotzdem: Der Bundesverband Schauspiel hat im Jahre 2010 zur Verdienstfrage und anderen Themen bei der Westfälischen Wilhelms-Universität eine Studie in Auftrag gegeben. Die sogenannte BEMA-Studie bestätigte unsere Annahme der weit auseinanderklaffenden Einkommenssituationen:

  • Bei 4,7% der Schauspieler*innen lag das Bruttojahreseinkommen über 100.000 €. So klein diese Gruppe ist, so sehr prägt sie aber das öffentliche Bild von uns.
  • 80,5% aller Schauspieler*innen hatten ein Bruttojahreseinkommen unter 50.000 €
  • und immerhin noch 55,5% von allen eines unter 20.000 €.

Stimmen diese Zahlen heute auch noch? Elf Jahre später? Wohl nicht mehr im Detail, aber nach allem, was wir zu hören bekommen, im Prinzip schon.

Noch etwas: Nach den Angaben der Bundesagentur für Arbeit verdienen Schauspielerinnen im Schnitt 8% weniger als ihre männlichen Kollegen.

Ganz egal, ob unsere Gage monatlich, je Vorstellung, je Drehtag oder je Take berechnet wird, mit unserer Vergütung wird nicht nur unser Schauspiel auf der Bühne, vor der Kamera oder dem Mikrofon entlohnt, sondern auch unsere …

… Vor-, Zusatz- und Nachbereitungen:

Unsere Mitwirkung an einem Projekt bzw. unser Rollenspiel sind untrennbar mit Vor-, Zusatz- und Nachbereitungen verbunden, die wir vor, zwischen und nach den Vorstellungen, Drehtagen oder Takes erledigen und von unserer Gage mit abgegolten werden.

… Stand-by-Zeiten:

Dreh- und Vorstellungspläne können sich ändern. Wir sind zumeist verpflichtet, für entsprechende Pufferzeiten „stand-by“ dem Theater oder der Filmfirma zur Verfügung zu stehen.

Entweder „prioritär“, das heißt, wir können in der fraglichen Zeit mit Erlaubnis und unter Vorbehalt unserer Arbeitgeber*innen noch bei anderen Projekten mitwirken.

Oder sogar „exklusiv“, das heißt, wir dürfen in der fraglichen Zeit auf gar keinen Fall anderen Projekten nachgehen.

Wie auch immer: Unsere Stand-by-Zeiten müssen von der Vertragszeit umfasst sein und sollte ihren Preis haben. Denn das Freihalten ist auch eine Leistung von uns, die mit unserer Gage bezahlt wird.

… und die Einräumung bzw. Übertragung von Nutzungsrechten:

Vor allem Filmfirmen und Synchronstudios würden uns Schauspieler*innen nicht für sie arbeiten lassen, wenn sie von uns nicht das Nutzungsrecht erhielten, unsere auf Film bzw. Tonspur gebannten Leistungen weiterverwerten zu dürfen. So brauchen sie von uns etwa die Erlaubnis, unsere Aufnahmen weiterverarbeiten, vorführen, senden, auf Mediatheken bereitstellen oder sie anderweitig nutzen zu können. Wie sonst sollte unsere schauspielerische Darbietung unser Publikum erreichen?

Das betrifft also weniger unsere Vorstellungen am Theater, an denen unsere Zuschauer*innen leibhaftig teilnehmen. Aber auch unsere Aufführungen könnten aufgezeichnet oder gestreamt werden und dazu bräuchte die Theaterleitung von uns die entsprechende Einräumung bzw. Übertragung der Nutzungsrechte.

… aber nicht eine grenzenlose Auswertung unserer Leistungen:

Mit unserer Gage erkaufen sich also unsere Arbeitgeber*innen das Recht, unsere Leistungen weiterverwerten zu dürfen – aber alles hat seine Grenzen! Und die setzt das Urheberrecht. Denn spätestens dann, wenn unsere Gage, die wir als Erst- oder Grundvergütung von der Produktionsfirma erhalten haben, sich als unverhältnismäßig niedrig erweist im Vergleich zu den Erträgen und Vorteilen, die von Dritten, sprich von den Sendern, Streamingdienstanbietern usw. aus der Nutzung unserer Leistungen erzielt werden, ist Schluss mit lustig. Das war im „Preis“ nicht inbegriffen. Ab jetzt können wir von ihnen eine Nach- oder Folgevergütung oder Erlösbeteiligung verlangen, je nachdem. Wenn wir diese als „Einzelkämpfer“ einklagen wollen, machen wir uns natürlich nicht gerade beliebt, das kostet auch viel Geduld und Geld, aber das Recht dazu haben wir (§ 32a UrhG).

Hier kommt unser Bundesverband Schauspiel ins Spiel. Als einzig repräsentative Vereinigung von Schauspieler*innen, also von ausübenden Künstler*innen, ist er dazu berufen (§ 36 UrhG) und gewillt, mit Produzenten, Sendern, Streamingdienstanbietern, Verleihern Tarifverträge oder sogenannte Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR) auszuhandeln, die uns Schauspieler*innen in solchen Fällen weitere Vergütungen zusichern.

Aufgrund solcher Verträge zahlen z. B. …

  • die Produzent*innen der Produzentenallianz bei erfolgreichen deutschen Kinofilmen,
  • ProSiebenSat1 bei erfolgreichen Filmen, Reihen und Serien,
  • Netflix bei erfolgreichen deutschen Serien und Spielfilmen,
  • Constantin Film und Studiocanal für die Synchronisation erfolgreicher internationaler Kinofilme

… Gesamtbeträge zugunsten der Film/Fernseh- oder Synchronschauspieler*innen an die deska Deutsche Schauspielkasse. Diese Schauspielkasse wurde vom Bundesverband Schauspiel eigens dafür gegründet und hat die Aufgabe, die Verteilung der Gesamtbeträge an die mitwirkenden Film / Fernseh- oder Synchronschauspieler zu organisieren.

Für die hierzulande rund 2.000 Schauspieler*innen, die als Spielzeitverpflichtete „fest“ zu einem Ensemble der Stadt-, Landes- und Staatstheater gehören, gilt zumeist der NV-Bühne-Tarifvertrag, der eine Mindestvergütung von 2.550 € brutto im Monat zusichert.

Der gleiche Tarifvertrag verspricht „freien“ Schauspieler*innen, die nur für ein bestimmtes Stück an solchen Theatern gastieren, eine Mindestgage von 255 € brutto je gespielter Vorstellung. Probentage werden mit 90 € bezahlt.

Die meisten Privat- und Tourneetheater haben kein „festes“ Ensemble und arbeiten nur mit Gastschauspieler*innen, die für bestimmte Stücke engagiert werden und diese en suite spielen, das heißt, möglichst täglich. Der NV-Bühne-Tarifvertrag gilt für solche Beschäftigungen nicht. Das heißt, je nach Größe des Theaters, der Menge der mitspielenden Schauspieler*innen und des eigenen Marktwertes bzw. der eigenen Verhandlungsmacht verdienen wir je gespielter Vorstellung unter 255 € oder darüber. Die „Zugpferde“ unter uns, mit denen das Stück beworben wird, deutlich darüber, die anderen weniger deutlich. Probentage werden von Privat- oder Tourneetheatern im Allgemeinen nicht extra vergütet. Die Vorstellungsgagen sollten nach Möglichkeit so bemessen sein, dass sie auch die Probenphase berücksichtigen. Die eigentliche Möglichkeit, bei Privat- oder Tourneetheatern mehr zu verdienen, liegt in der Masse der eng getakteten Vorstellungen in wenigen Monaten.

An den Privattheatern der freien Theaterszene ist der Verdienst eher noch geringer bis unterirdisch. Idealismus und Einnahmen stehen im umgekehrten Verhältnis. Wenn eine freie Theaterproduktion öffentliche Gelder erhält – das ist alles andere als selbstverständlich –, sollten sie die Produktionskosten bis zur Premiere abdecken und möglichst so bemessen sein, dass den mitwirkenden Schauspieler*innen zumindest eine Probengabe gezahlt werden kann, die sich an der Mindestvergütung des Tarifvertrags NV-Bühne orientiert. Denn wir Schauspieler*innen arbeiten in der freien Theaterszene häufig nur auf Rechnung. Ab Premiere werden wir an den kümmerlichen Einnahmen beteiligt und müssen davon auch noch selber unsere Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Weil wir in der freien Theaterszene oft wie Selbstständige behandelt werden, gibt es für uns dort keine Tarifverträge, die uns schützen würden. Das könnte sich – hoffentlich – in Zukunft ändern. Die EU-Politik hat im Juni 2022 die kartellrechtlichen Beschränkungen für bestimmte Gruppen von Solo-Selbstständige insoweit abgemildert, dass Gewerkschaften auch für sie Tarifverträge aushandeln dürfen. Ob dies rechtlich auch für Solo-Selbstständige in der freien Theaterszene gilt, muss juristisch noch geprüft werden, mal sehen …

In der Film- und Fernsehbranche hat der Bundesverband Schauspiel im Jahre 2014 für Schauspieler*innen einen Schauspieltarifvertrag durchgesetzt mit einer Einstiegsgage von 850 € je Drehtag (Stand 2021), die für alle als Gagenuntergrenze dient. Wie der Name schon sagt, orientiert sich die Einstiegsgage an Schauspielberuf-Einsteiger*innen, die gerade ihre Ausbildung beendet, aber noch keinen Namen oder Berufserfahrung haben. Kolleg*innen, die länger im Geschäft und bekannter sind, sollten entsprechend mehr verlangen können.

Nur in Ausnahmefällen – z. B. bei durchgehenden Rollen in einer Daily-Soap – erhalten wir eine Monatsgage, manchmal mit Zuschlägen je geleistetem Drehtag.

Wenn die Filme, Reihen oder Serien erfolgreich im Kino, bei ProSiebenSat.1, Netflix oder ARD laufen, gelten die vom Bundesverband Schauspiel ausgehandelten Gemeinsamen Vergütungsregeln bzw. der Kinoerlösbeteiligungstarifvertrag. Laut dieser Verträge werden uns Schauspieler*innen je nach Erfolg der Produktion und Größe unserer Rolle noch Folgevergütungen nachträglich ausgeschüttet. Das Einsammeln und die Verteilung dieser Ausschüttungen organisiert die deska Deutsche Schauspielkasse, die vom Bundesverband Schauspiel eigens dafür ins Leben gerufen wurde.

Hier herrscht leider der Wilde Westen. Tarifverträge oder Gemeinsame Vergütungsregeln gibt es noch nicht.

Auch für Werbespots werden die Dreharbeiten nach Anzahl unserer Drehtage vergütet. Allerdings bekommen wir Schauspieler*innen je Drehtag nicht selten Angebote unter dem Niveau der Einstiegsgage von 850 €.

Im Preis inbegriffen sind dann noch alle möglichen weitreichenden Einräumungen von Rechten: Die Werbekunden lassen sich zusichern, den Werbespot für eine geraume Zeit in zig Ländern platzieren zu dürfen.

Über den Tisch gezogen werden wir Schauspieler*innen oft auch von den Agenturen, die sich auf die Vermittlung von Schauspieler*innen für Werbespots spezialisiert haben. Sie verlangen von uns nicht nur überhöhte Vermittlungsgebühren von bis zu 20% unserer Gage ohne Mehrwertsteuer. Üblich sind ansonsten 10% und laut Vermittlungsvergütungsverordnung erlaubt maximal 18% inklusive Mehrwertsteuer. Sie halten auch noch bei den Werbeproduzenten ordentlich die Hand auf – kassieren also doppelt ab.

Wilder Westen eben!

Leider gelten für uns in der Synchronbranche – noch – keine Tarifverträge mit verbindlichen Mindeststandards.

Wir erhalten zunächst pro Tag und Projekt im Studio eine Pauschale von ca. 60 € bis 65 € und dann zusätzlich für jeden gesprochenen „Take“ ca. 3 € aufwärts. Ein „Take“ ist ein kurzer, nicht mehr als zweizeiliger Ausspruch, Teilsatz oder Satz, der in einem Rutsch – sprich: in einem Take – aufgenommen wird.

In Hamburg liegt der Verdienst – ohne, dass es dafür einen sachlichen Grund gäbe – um 30% niedriger.

Soziale Absicherung

Wir bestreiten unseren Lebensunterhalt ja oft nicht nur mit der reinen Schauspielerei, sondern tummeln uns auch in „verwandten“, „betriebsnahen“ oder mit dem Schauspiel „vermischten“ Erwerbstätigkeiten. Insofern sind wir „Hybride“ oder „sozialrechtliche Amphibienfahrzeuge“, mal befristet angestellt, mal selbstständig, mal dies, mal das …

Unsere typischen Schauspieltätigkeiten sind allerdings in der Regel nur befristete Anstellungen, in denen wir pflichtversichert sind! Das betrifft grundsätzlich die Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen-, Renten- und Unfallversicherung. Letztere ist uns oft nicht bewusst, weil sie allein von unseren Arbeitgeber*innen zu zahlen sind. Als Schauspieler*innen haben wir entweder …

… Jahresanstellungen in Theater-Ensembles:

Ca. 2.000 von uns haben Spielzeitverträge am Theater und sind auf ein oder zwei Jahre befristet beschäftigt. Wie alle anderen normalen Angestellte gehören sie zur Personengruppe 101, entrichten Pflichtbeiträge in die Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung, und zwar in der Höhe bestimmter Prozentsätze von der Bruttogage – aber nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze (BBG) der jeweiligen Versicherung. Für die ganzen Kalendermonate der Beschäftigung gelten die monatlichen BBGs. Belegt der Anfang oder das Ende der Beschäftigung nur 15 Tage eines Kalendermonats, gelten die Hälften der monatlichen BBGs, belegt der Anfang oder das Ende nur 1 Tag, gelten die Dreißigstel der monatlichen BBGs. Die Höhe der BBGs werden also auf den Tag der Beschäftigungsdauer genau abgerechnet.

Oder wir gehören zum großen Rest der ca. 13.000 bis 18.000 Schauspieler*innen. Dann wird es arg kompliziert. Als solche haben wir …

… kurz befristete Anstellungen, die eine Woche und länger dauern:

Das gilt überwiegend für Gastengagements am Theater oder für mittlere bis große Rollen bei Dreharbeiten. Auch in diesen Fällen zahlen wir wie alle anderen normalen Angestellte Pflichtbeiträge in die Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung mit Beitragsbemessungsgrenzen (BBGs), deren Höhe auf den Tag der Beschäftigungsdauer genau abgerechnet werden. Wir sind wieder in der normalen Personengruppe 101.

Das Problem ist nur, dass wir dazwischen ständig Versicherungslücken haben. Dazu erledigen wir viele Vor-, Zusatz- und Nachbereitungen und haben Standby-Zeiten. Beides liegt zumeist im „Schatten“ der Aufmerksamkeit der Arbeitgeber*innen und wird von ihnen nicht für unsere Beschäftigungszeit berücksichtigt. Diese Lücken und unversicherten „Schattentage“ summieren sich im Laufe der Zeit und verhindern so unseren Anspruch auf Arbeitslosengeld sowie eine ordentliche Rente im Alter.

… kurze befristete Anstellungen, die unter einer Woche lang dauern:

Synchronjobs sind meistens an einem Tag erledigt, aber auch kleinere Dreh-Rollen können unter einer Woche bemessen sein. Das sind sogenannte unständige Beschäftigungen.

Wird bei mir der betreffende Kalendermonat auch ansonsten von Anstellungen geprägt, die kürzer als eine Woche sind, gelte ich in dem Moment als „berufsmäßig unständig“ und gehöre zur Personengruppe 118. Das trifft vor allem bei Synchronschauspieler*innen zu. Für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung werden Pflichtbeiträge fällig, die kaum gekappt werden. Denn für diese Versicherungen gelten immer die Beitragsbemessungsgrenzen (BBGs) des ganzen Kalendermonats – auch wenn die tatsächliche Beschäftigungsdauer unter einer Woche, vielleicht nur einen Tag dauert. In die Arbeitslosenversicherung wird in dem Fall nichts gezahlt. Wir können so keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld erringen. Auf der anderen Seite behalten wir den Krankenversicherungsschutz noch mindestens drei Wochen nach der letzten berufsmäßig unständigen Beschäftigung.

Wenn stattdessen solch unständige Beschäftigungen mein Berufsleben im betreffenden Kalendermonat nicht dominieren, weil ich ansonsten noch andere Dreharbeiten habe, oder am Theater spiele – länger als eine Woche –, oder selbstständig mein eigenes Programm aufführe, gelte ich in dem Moment als „nicht berufsmäßig unständig“ und gehöre zur Personengruppe 117. Für diese nicht berufsmäßig unständige Beschäftigung zahle ich zwar ungebremst in die Rentenversicherung, weil für sie die Beitragsbemessungsgrenze (BBG) des ganzen Kalendermonats gilt. Aber für die Kranken-, Pflege- und auch die Arbeitslosenversicherung werden die BBGs auf die einzelnen unständigen Tage reduziert und entsprechend geringe Beiträge fällig.

„Berufsmäßig“ bezieht sich also nicht auf mein Berufsbild, hinterfragt nicht, inwieweit ich schauspielerisch unterwegs bin, sondern ob ich im betreffenden Kalendermonat berufsmäßig überwiegend Beschäftigungen unter eine Woche habe.

Die hohen Rentenbeiträge bei unständigen Beschäftigungen sind gut für meine spätere Rente, sorgen aber auch für hohe Abzüge von der Bruttogage.

… selbstständige Engagements:

Vor allem in der freien Theaterszene können wir Schauspieler*innen auch selbstständig tätig sein. Nämlich dann, wenn sich unsere schauspielerische Tätigkeit untrennbar etwa mit Regie-, Autorenschaft-, Unternehmer-Aufgaben verbunden ist und uns niemand Weisungen geben kann, wo und wann wir unserer Arbeit nachkommen müssen. Wenn diese selbstständigen Tätigkeiten künstlerisch und nicht nur vorübergehend sind, müssen wir uns über die Künstlersozialkasse (KSK) pflichtversichern. Die KSK organisiert für uns die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Wir haben aber keinen Versicherungsschutz bei Arbeitslosigkeit und bei Unfällen.

… schein-selbstständige Engagements:

Leider arbeiten nicht wenige Schauspieler*innen von uns an kleinen Bühnen schein-selbstständig. Das heißt, wir werden von unseren Arbeitgeber*innen regelwidrig wie Selbstständige behandelt, obwohl wir bei ihnen (unselbstständig) beschäftigt sind. Wird die Künstlersozialkasse (KSK) darauf aufmerksam, macht sie uns Ärger mit der Folge, dass sie uns nicht versichert und wir zwischen allen Stühlen landen.

… und jede Menge Probleme:

Unsere Versicherungsverläufe sind also sehr lückenhaft, oft überlappend, sehr verworren und sehr fehleranfällig. Dadurch ergeben sich erhebliche Nachteile bei der sozialen Absicherung im Falle von Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Arbeitslosigkeit, Berufsunfähigkeit und im Rentenalter.

Altersarmut ist für uns eine große Gefahr. Viele von uns haben kümmerliche Gagen und nicht die Chance, fürs Alter etwas zurückzulegen. Die Sozialversicherungsgesetzgebung nimmt zu wenig Rücksicht auf atypische und hybride Erwerbsverhältnisse, wie wir sie haben. Das hat viele Nachteile – auch für unsere Rente.

Ohne Zusatzversorgung sähe es für uns im Alter düster aus. Zum Glück haben wir zwei betriebliche Altersvorsorgesysteme:

Bühnenversorgung:

Bühnen-Schauspieler*innen sind zusätzlich pflichtversichert zur betrieblichen Altersvorsorge über die Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen (Bayerische Versorgungskammer). Sie wird wie die gesetzliche Sozialversicherung zu gleichen Teilen sowohl von uns als auch von den Theatern getragen.

Der Bundesverband Schauspiel empfiehlt allen Kolleg*innen, auch in Theater freien Zeiten darauf zu achten, weiterhin freiwillig einen monatlichen Beitrag von wenigstens 12,50 € in diese „Bühnenversorgung“ zu zahlen, um die Mitgliedschaft in der Versorgungskammer zu behalten.

Pensionskasse Rundfunk:

Jeder von uns, der ab und zu bei Produktionen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mitwirkt, sollte Mitglied der Pensionskasse Rundfunk werden.

Wir zahlen dann von unserer Bruttogage einen Beitrag von 4% (oder freiwillig 7%) und die Produktionsfirma ebenfalls 4%. Aufgrund des Vertrages zur „Limburger Lösung“, den der Bundesverband Schauspiel 2016 durchgesetzt hat, erstatten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Produktionsfirma nachträglich den Arbeitgeberanteil. Die Produktionsfirmen haben also durch unsere Mitgliedschaft keine wirtschaftlichen „Nachteile“ und keinen Grund, uns die Beitragszahlung zur Pensionskasse Rundfunk zu verweigern. Und die Rundfunkanstalten können sich auch nicht beschweren. Ein Teil der Rundfunkgebühren, die sie beanspruchen, ist ausdrücklich für die Altersvorsorge der nicht festangestellten Mitwirkenden ihrer Sendungen vorgesehen.

Wenn wir gerade nicht an einer Produktion für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beteiligt sind, zahlen wir auch keine Beiträge. Nur wenn für uns ein ganzes Jahr lang keine 490 € zur Pensionskasse Rundfunk eingegangen sein sollte, meldet sich die Pensionskasse Rundfunk bei uns und fordert uns auf, den fehlenden Beitrag nachzuzahlen.

Die Pensionskasse Rundfunk ist vor allem für die Film / Fernsehschauspieler*innen das eigentliche Standbein ihrer Altersvorsorge – wenn sie dort Mitglieder sind.

Unsere Schauspielengagements gelten zwar als künstlerische, aber in der Regel nicht als selbstständige Erwerbstätigkeiten, die dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) unterliegen würden. Insofern kann die Künstlersozialkasse für uns nicht die Patentlösung sein. Erstens ist sie für uns – wie gesagt – in der Regel nicht zuständig. Und zweitens müssen die Versicherten zur Bestimmung ihrer Beitragshöhe ihr Einkommen fürs kommende Jahr selbst einschätzen. Da sind sie oft zu bescheiden – mit bescheidenem Ergebnis für ihre Rente.

Aber so manche von uns üben schauspiel-verwandte Erwerbstätigkeiten aus, weil sie z. B. als Schauspielcoach, Comedians, Kabarettist*innen arbeiten. Oder wir sind in der freien Theaterszene unterwegs, in der wir mit dem Schauspiel kombinierte Mischtätigkeiten haben, also als Schauspieler*innen auch Mitunternehmer*innen, Autor*innen, Regisseur*innen usw. sind. Oder wir entwickeln und spielen unser eigenes Solo-Programm – haben also die Misch-Tätigkeiten Produktion, Autorenschaft, Regie und Schauspiel. In diesen Beispielen sind wir selbstständig tätig und – wenn diese Erwerbstätigkeit nicht nur vorübergehend ist – ein Fall für die Künstlersozialkasse.

Künstlersozialkasse (KSK):

Die Künstlersozialkasse (KSK) sitzt als Unterbehörde der Unfallversicherung Bund und Bahn in Wilhelmshafen und ist selbst kein Leistungsträger, sondern bedient drei Versicherungszweige: Die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Die restlichen Zweige – die Arbeitslosen- und Unfallversicherung – sind für die selbstständigen Künstler*innen und Publizist*innen nicht gedacht und gehören nicht zur KSK-Versicherung.

Die Beitragshöhe richtet sich nach dem jeweiligen Jahreseinkommen. Es darf nicht unter 3.900 € liegen und wird von den KSK-Versicherten vorab selbst eingeschätzt. Wie Arbeitnehmer*innen müssen sie nur die Hälfte ihres Beitrags aufbringen. 20% zahlt der Bund dazu und 30% werden durch Sozialabgaben der Unternehmen getragen, die Kunst oder Publizistik verwerten.

Die KSK ist – das ist vielen nicht bewusst – für „echte“ Künstler*innen und Publizist*innen eine Pflichtversicherung. Und alle jungen Kolleg*innen, die sich ins Abenteuer stürzen, künstlerisch „ihr eigenes Ding“ zu machen, sollten sich an die Achternbusch-Weisheit – „Nichts ist besser als gar nichts.“ – halten.

Und die KSK ist allemal besser als gar keine gesetzliche Sozialversicherung!

Sonstiges

Kaum ein Berufsstand steht so in der Öffentlichkeit, ist so sehr Gegenstand der Medien, wie wir Schauspieler*innen. Dennoch – oder gerade deswegen – herrschte (und herrscht immer noch) in unserer Gesellschaft eine völlig romantisch verzerrte Vorstellung von unserer Berufs- und Lebenswirklichkeit.

Einerseits prägen die glamourös retuschierten Hochglanzaufnahmen einiger weniger Schauspiel-Stars das Bild der reichen, sorglosen und über den roten Teppich wandelnden Schauspieler*innen. Andererseits hält sich im Bürgertum hartnäckig der schaurig schöne Aberglaube: Nur eine arme, einsame und leidende Künstler*in (die jung stirbt) wird von der Muse geküsst und ist eine wahre Künstler*in. Ein realistischer Blick hinter die Kulissen ist den meisten verwehrt. Das facht die Spekulationen über das Geheimnis des Künstler*innen-Daseins noch mehr an – und lässt sie ins Kraut schießen. Wie schnöde der Alltag im angeblichen heiligen Gral der Schauspielkunst tatsächlich aussieht, wird niemand wirklich wissen wollen.

Dazu kommt die Krux: Der wahre Akt des Schauspielens ist unsichtbar. Je besser uns die Verkörperung einer Rolle gelingt, desto weniger ist für Außenstehende der dazu notwendige immense Aufwand unserer Arbeit, Zeit und Überwindung spürbar. Wir sind scheinbar von Natur aus genau wie unsere Rolle. Und so wird gerätselt: Was treiben Schauspieler*innen eigentlich tagsüber, wenn alle anderen arbeiten? Wieso können sie sich so viel Text merken? Und wozu müssen Schauspieler*innen eigentlich Geld verdienen, wenn sie doch vom Applaus leben?

Von nix kommt nix!

Ohne bestimmte Institutionen, ohne Vertretungen unserer Interessen wären wir von allen guten Geistern verlassen, wären unsere Arbeitsbedingungen, Verdienstmöglichkeiten und sozialen Schutzsysteme noch bescheidener, noch unsicherer als sie es ohnehin schon sind.

Darum reicht es nicht, nur im Elfenbeinturm der Schauspielkunst zu stecken. Wir müssen auch …

in die Gewerkschaft:

Der Bundesverband Schauspiel (BFFS) e.V. ist als Berufsverband und Gewerkschaft hierzulande die einzige und mit seinen über 4.200 Mitgliedern (Stand: April 2024) die wirkmächtige Vertretung eigens nur für uns Schauspieler*innen. Wer als Schauspieler*in arbeitet, hat hier oder da schon von den Errungenschaften unserer Gewerkschaft profitiert – vielleicht unbewusst. Als Mitglied kann ich mich daran beteiligen, kann ich meine eigene und die Lage aller Schauspieler*innen verbessern.

Weitere Gewerkschaften, die unter anderem auch Schauspieler*innen vertreten, sind die Genossenschaft der Bühnenangehörigen (GDBA), die sich für alle Gewerke im Bühnenbereich engagiert, und die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die sowohl im Film / Fernseh-, als auch im Bühnenbereich und generell in allen Dienstleistungsbranchen präsent ist. Der Bundesverband Schauspiel arbeitet mit diesen beiden Partner-Gewerkschaften eng zusammen.

in speziell für uns geschaffene soziale Versicherungen:

Um der Altersarmut zu entgehen, sollten wir, falls wir direkt oder indirekt für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten arbeiten, Mitglied der Pensionskasse Rundfunk sein. Keine Angst: Beiträge werden uns grundsätzlich nur dann abverlangt, wenn wir an Produktionen mitwirken, die für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten hergestellt werden.

Die Bayerische Bühnenversorgung ist für uns sogar Pflicht, wenn wir irgendwo Theater spielen. Wir sollten allerdings darauf achten, auch zwischen den Bühnenengagements wenigstens einen freiwilligen monatlichen Beitrag von wenigstens 12,50 € zu zahlen, damit wir den Versicherungsanspruch nicht verlieren.

In der Regel ist unsere schauspielerische Arbeit nicht selbstständig, sondern eine abhängige Beschäftigung. Aber schauspiel-verwandte Arbeiten oder mit dem Schauspiel kombinierte Mischtätigkeiten können – wie z. B. in der freien Theaterszene – durchaus selbstständiger Natur sein. Falls wir diese selbstständig-künstlerischen Erwerbstätigkeiten nicht nur vorübergehend haben, sind wir verpflichtet, Mitglied der Künstlersozialkasse (KSK) zu werden. Für diese Kolleg*innen läuft die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung über die KSK.

in die Verwertungsgesellschaft:

Die für alle ausübenden Künstler*innen und damit auch für uns Schauspieler*innen zuständige Verwertungsgesellschaft in Deutschland ist die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL).

Sie hat den gesetzlichen Auftrag, für uns Gelder von den Verwertern einzusammeln, die mit gesetzlicher Erlaubnis unsere Leistungen nutzen dürfen.

Dazu gehören nicht die Sender oder Streamingdienstanbieter, wie viele irrtümlich annehmen. Denn die haben diese Erlaubnis über die vertragliche Lizenzkette von uns erhalten.

Verwerter wie z. B. das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie die Geräte- und Speichermedienhersteller haben eine gesetzliche Lizenz und müssen dafür an die GVL zahlen. Im Anschluss verteilt die GVL diese Gelder an uns Berechtigte – aber nur, wenn wir den Vertrag der GVL unterschrieben und sie mit der Wahrnehmung unserer Leistungsschutzrechte bevollmächtigt haben.

in spezielle Netzwerke und Vereine:

Wer neben unseren beruflichen und gewerkschaftlichen Belangen (die bereits durch unsere Berufsgewerkschaft, den Bundesverband Schauspiel vertreten werden) noch bestimmte Anliegen besonders unterstützen möchte, der kann sich auch in anderen Organisationen engagieren.

  • Das ensemble-netzwerk ist im Jahr 2015 gegründet worden und kümmert sich als gemeinnütziger Verein vor allem um die Situation der deutschen Bühnen und der kreativen Kräfte, die dort arbeiten, seien es nun Schauspieler*innen, Dramturg*innen, Szenenbildner*innen, Regisseur*innen aber auch Theaterleiter*innen.
  • Die Deutsche Filmakademie ist im Jahr 2003 als gemeinnütziger Verein gegründet worden und quasi das deutsche Pendant zur Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS), die in den USA den Oscar verleiht. So sind in der Deutsche Filmakademie alle Filmgewerke in Sektionen vertreten: Dokumentarfilm, Drehbuch, Kamera, Szenenbild, Kostümbild, Maskenbild, Musik / Tongestaltung, Schnitt, Produktion, Regie, Schauspiel, Visual Effects, Casting und Animationsfilm. Die Deutsche Filmakademie verleiht jährlich die Goldene Lola und versteht sich darüber hinaus als Interessensvertretung für den deutschen Film.
  • Die Deutsche Akademie für Fernsehen (DAfF) ist im Jahr 2010 unter anderem auf Betreiben des Bundesverband Schauspiel ins Leben gerufen worden, um die Fernsehpreisverleihung in die Hand der Fernsehmacher*innen zu legen. Die DAfF ist ein gemeinnütziger Verein, in dem alle Fernsehgewerke organisiert sind: Agenturen, Bildgestaltung, Casting, Dokumentarfilm, Drehbuch, Fernseh-Journalismus, Fernseh-Unterhaltung, Filmschnitt, Kostümbild, Maskenbild, Musik, Produktion, Redaktion / Dramaturgie, Regie, Schauspiel, Stunt, Szenenbild, Tongestaltung und VFX / Animation. Die DAfF betreibt von daher auch eine politische Lobbyarbeit für die gesamte Fernsehbranche.
  • Pro Quote Film ist im Jahr 2014 aus ihrem Vorläufer Pro Quote Regie hervorgegangen. Ihr Name ist Programm. In ihr sind die wichtigsten Film- und Fernseh-Gewerke vertreten: Regie, Kamera, Filmton, Filmkomposition, Produktion, Montage, Drehbuch / Dramaturgie, Kostümbild, Szenenbild und Schauspiel.
  • Das Netzwerk Queer Media Society (QMS) will „mehr LSBTTIQ*-Themen und -Akteur*innen in den Medien“ durchsetzen „unter Berücksichtigung eines ‚Code of Practice‘ bei den Themen Geschlecht, Geschlechtsangleichung, Geschlechtsidentität und sexuelle Identität, ethnische Herkunft, Behinderung / Beeinträchtigung, Pody Positivity, Altersvielfalt, Religion und Weltanschauung, sozioökonomischer und kultureller Hintergrund.“ QMS deckt alle Medienbereiche ab: Bühne, Event, Film, TV, Web, Radio, Games, Journalismus, Literatur, Graphik Novel, Verlagswesen, Musik und Werbung.
in eine Vermittlungsagentur:

Als durchweg kurz befristet Beschäftigte, also unbefristet Arbeitsuchende, müssen wir im Vergleich zu anderen klassischen Angestellten einen enorm hohen Bewerbungsaufwand treiben, um einigermaßen in Arbeit zu sein.

Da können wir professionelle Vermittlungshilfe gut gebrauchen und sollten eine der beiden Arten von Vermittlungsagenturen für uns arbeiten lassen:

  • Die Künstlervermittlung der ZAV (eine Unterorganisation der Bundesagentur für Arbeit) führt neben anderen Bühnen- oder Filmschaffenden ca. 5.500 Schauspieler*innen und kümmert sich um ihre Vermittlung im Bühnen-, Film- und Fernsehbereich. Weil dieser Service der Bundesagentur für Arbeit zu ihrer Grundaufgabe gehört, Arbeitnehmer*innen bei der Suche nach Arbeitsverhältnissen zu unterstützen, ist diese Vermittlung kostenfrei. Eine darüber hinaus gehende Betreuung – z. B. von Büro- oder Management-Aufgaben – kann von der Künstlervermittlung nicht erwartet werden. Die Künstlervermittlung steht als staatliche Behörde neutral zwischen Arbeitgeber*innen und Schauspieler*innen. Insofern steht sie bei Vertragsverhandlungen nicht allein auf unserer Seite, sondern fungiert als Bote zur Übermittlung der Standpunkte der beiden Parteien.
  • Private Schauspielagenturen bzw. Schauspielmanagements gibt es hierzulande schätzungsweise über 300. Im Unterschied zur Künstlervermittlung der ZAV stehen sie parteiisch auf unserer Seite, werden von uns bezahlt und zwar im Rahmen der Vermittler-Vergütungsverordnung. Üblicherweise erhalten sie von unserer Bruttogage ca. 10% Agenturprovision bei Dreh- und 6% bei Bühnenarbeiten (50% davon zahlt das Theater) plus 19% MwSt. Der Anspruch der privaten Schauspielagenturen geht über die pure Vermittlung von Engagements hinaus. Je nach Absprache mit ihren Schauspieler*innen können sie auch Aufgaben übernehmen wie z. B. Karriere- und Buchberatung, Terminplanung, Büroarbeit, Management, Pressearbeit usw.

Ob für uns die Künstlervermittlung der ZAV oder eine der privaten Schauspielagenturen in Frage kommt und wenn letzteres, welche, hängt stark davon ab …

  • wie unsere individuellen Erwartungen an die Agenturen sind,
  • ob oder wie viel wir bereit sind, für die Vermittlungsleistung zu zahlen,
  • ob professionell, seriös, fachlich – insbesondere tarif-, arbeits- und sozialrechtlich – informiert
  • und uns gegenüber loyal gearbeitet wird,
  • ob die persönliche „Chemie“ stimmt
  • und ob die Schauspielagentur uns überhaupt haben will.

Manch private Agenturen, vor allem in der Werbebranche, sind „Diener zweier Herren“, sind Agentur und Casting-Büro in einem, kassieren von den Arbeitgeber*innen und uns Schauspieler*innen ab, nicht selten mehr als von der Vermittler-Vergütungsverordnung erlaubt. Solche Agenturen sind keine Schauspielagenturen in unserem Sinne!

Der Bundesverband Schauspiel rät, darauf zu achten, ob eine private Schauspielagentur entweder im Verband der Agenturen (VdA), im Verband der Schauspielagenturen (VDSA) oder im Verband der Nachwuchsagenturen (VDNA) organisiert ist. Erfahrungsgemäß sind organisierte private Schauspielagenturen und die Künstlervermittlung der ZAV besser über die für uns wichtigen Vertrags-, Arbeits-, Sozialversicherungs- und Tarifrechte informiert – nicht zuletzt, weil sie sich untereinander und mit dem Bundesverband Schauspiel fachlich beraten können.

in Casting- bzw. Stimm-Datenbanken:

Digital ist Glück und Qual.

Zum Glück müssen wir oder unsere Schauspielagenturen nicht mehr alle Nasen lang neue Toilettenrollen unserer Vita ausdrucken und sie zusammen mit unseren Bewerbungsfotos sowie Demobänder per Post verschicken oder sämtliche Besetzungs- und Castings-Büros überall in Deutschland persönlich abklappern. Das war sehr mühselig und teuer und ist längst vorbei.

Nun haben wir dafür Casting-Datenbanken, auf die Besetzung- und Casting-Büros zurückgreifen. Aber jetzt tippen wir uns die Finger wund, um in all den vielen Datenbanken unsere Daten aktuell zu halten. Umsonst sind solche Datenbanken zumeist auch nicht. Wenn wir vor lauter Existenzängste meinen, in jeder Datenbank präsent sein zu müssen, schmerzen nicht nur unsere Finger, sondern auch unsere Geldbörsen.

Darum rät der Bundesverband Schauspiel, wenn es sich schon nicht vermeiden lässt, nur für eine – möglichst viel frequentierte – Casting-Datenbank zu bezahlen und bei den anderen relevanten nur einen kostenlosen Basis-Account zu buchen. Die relevantesten Casting-Datenbanken sind:

  • castupload und filmmakers, die gerade miteinander fusionierten (erstere ist für uns übrigens kostenfrei),
  • CASTFORWARD, die mit der internationalen e-TALENTA zusammenarbeitet
  • und SCHAUSPIELERVIDEOS.

Synchronschauspieler*innen können ihre Stimmproben auf spezielle Stimm-Datenbanken hochladen. Eine solche ist z. B.

  • die Deutsche Synchronkartei.
(in Maßen) in die Presse und die Öffentlichkeit:

Nun sind wir Schauspieler*innen nicht gerade dafür bekannt, ungern von uns sehen und hören zu lassen. Trotzdem: Es kann wirklich nicht schaden, zusätzlich durch dosiertes Auftauchen in den Sozialen Medien, in der Presse, bei Branchen-Events, daran zu erinnern, dass wir noch unter den Lebenden sind (und immer noch fit genug wären, mit der Übernahme von Rollen betraut zu werden).

Wer es sich leisten kann, beauftragt PR-Profis für solche Aufgaben. Aber Vorsicht, alles in Maßen! Wer zu aufdringlich in der Öffentlichkeit herumwirbelt, zu allem und jedem meint, sein „Experten“-Wissen von sich geben zu müssen, macht sich schnell lächerlich. Und wer mit manchem Presseorgan den Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihm im Aufzug nach unten.

Wir sollten uns außerdem gut überlegen, inwieweit wir unser Privatleben in die Presse hereinziehen lassen wollen. Denn wir sollten Rücksicht nehmen auf die uns Nahestehenden. Sie sind nicht unbedingt so scharf auf Blitzlichtgewitter wie wir.

… und in Geborgenheit vertrauter Menschen leben:

Unser Schauspielleben treibt uns himmelhoch jauchzend zu Tode betrübt von einem Extrem ins andere, in rasender Geschwindigkeit. Mal können wir vor Kraft nicht laufen, Sekunden später fallen wir ins Seelenloch. Wir jetten durch die Welt, wir trauen uns nicht aus dem Haus, Applaus, Apathie – alles nah beieinander. Dieses Achterbahnleben ist aufregend, schmeißt uns aber ab und zu aus der Kurve. Wir brauchen Bodenhaftung, mehr als manch andere.

Klar, unser Schauspielberuf ist alles andere als beziehungs- und familienfreundlich, aber: Haben wir Familie? Freundschaften? Liebesleben? Menschenkinder, die uns den Kopf waschen und auffangen? Auch jenseits des Berufslebens?

Wir sollten dankbar sein, für sie da sein, sie festhalten!