Wir sind sicherlich nicht Schauspieler*innen geworden, weil wir besondere Lust auf Papierkram, Behördengänge und Paragrafenreiterei hätten. Auch sind die Begleitumstände unseres Schauspielberufs – zu völlig unorthodoxen Tageszeiten arbeiten zu müssen, selten zuhause, oft unterwegs zu sein, auf dem Weg von einem Engagement zum anderen – keine idealen Voraussetzungen, diese Lästigkeiten abzuarbeiten.
Aber sie bleiben uns nicht erspart, ja, wir sind von ihnen sogar mehr geschlagen als andere Angestellte. Wir stecken nicht wie sie in einer unbefristeten Beschäftigung, sondern spielen unsere diversen Rollen an unterschiedlichen Orten, bei unterschiedlichen Arbeitgeber*innen, in zig Engagements, die mehr oder weniger kurz befristet sind. Dabei sind wir mit einem Dschungel von gesetzlichen Regelungen und Verordnungen konfrontiert, die nur wenig mit unserem Schauspielberuf kompatibel sind.
Wir als Schauspieler*innen müssen …
Wir arbeiten für verschiedene Theater, Film-, Synchron- oder Hörspielproduktionen, die in innerhalb ihrer Vertragszeiträume unsere Vorstellungen, Drehtage, Studiotermine ständig ändern dürfen – und von diesem Dispositionsrecht auch Gebrauch machen. Gleichzeitig sind wir laufend auf der Suche nach neuen Engagements.
Für welche Vertragszeiträume haben uns die Theater oder Produktionen prioritär oder exklusiv gebucht? Wann haben sie unsere Vorstellungen, Proben, Drehtage, Studiotermine etc. geplant? Welche Sperrtage würden sie uns für andere Engagements einräumen oder haben sie uns bereits erlaubt? Welche Zeiträume wollen neue Projekte gerne von uns beanspruchen, sind aber noch unverbindlich, ohne vertragliche Zusage? Welche privaten Termine sind unverzichtbar? Alles ist immer in Bewegung.
Wenn wir nicht den Überblick und unseren Ruf als seriöse Vertragspartner unserer Brötchengeber*innen verlieren wollen, müssen wir in unserem Kalender den Grad der Verbindlichkeit und die genaue Terminierung unserer Projekte, Optionen und Anfragen täglich auf dem neuesten Stand halten.
Maßtabellen zumindest mit den aktuellen eigenen Konfektionsgrößen, möglichst mit weiteren Körpermaßen gehören zur professionellen Ausstattung von Schauspieler*innen.
In unserer schnelllebigen Produktionslandschaft bleibt zumeist keine Zeit, erst anzureisen, sich von Kostümbildner*innen ausmessen zu lassen, bevor sie loslegen können, Kostüme zu entwerfen oder vorauszusuchen. Darum werden noch vor der ersten Kostümprobe zu einem neuen Projekt unsere – aktuellen! – Maße abgefragt.
In regelmäßigen Abständen sollten wir Schauspieler*innen die Gelegenheit suchen – z. B. in den Werkstätten von Bühnen, oder bei Gewandmeister*innen großer Kostümverleihfirmen –, unsere Konfektionsgrößen und andere für die Schneiderei interessanten Körpermaße nachmessen zu lassen und auf unseren Maßtabellen zu aktualisieren.
Zu Beginn eines jeden neuen Engagements schicken uns die Theater oder Filmfirmen Personalbögen, mit der Bitte diese ausgefüllt zurückzusenden.
Gefragt werden wir nach …
- unseren persönlichen Daten wie Name und Vorname, Adresse, Geburtsdatum, -ort und -land, Staatsangehörigkeit, Geschlecht- und Familienstand;
- unseren Sozialdaten wie Sozialversicherungsnummer, Privat- oder gesetzliche Krankenversicherung, Name der Krankenkasse;
- unseren Steuerdaten wie Steuer-ID, Finanzamt, Steuerklasse, Kinderfreibeträge, Religionszugehörigkeit;
- unserer jetzt in Frage stehenden Erwerbstätigkeit wie unserer Berufsbezeichnung (natürlich Schauspieler*in), Vertragszeiträume, Haupt- oder Nebenbeschäftigung;
- unserer Bankverbindung wie Name der Bank, IBAN und BIC
- und manchmal nach unserem Ausbildungsgrad wie unserem höchsten Schulabschluss und unsere höchste Berufsausbildung.
Die Arbeitgeber*innen brauchen von uns diese Informationen für die Gagenabrechnung, die Berechnung der Steuerabzüge und Sozialversicherungsbeiträge sowie dem entsprechenden elektronischen Datenaustausch …
- per ELStAM-Verfahren mit den Finanzämtern
- und per DEÜV-Meldungen mit den Sozialversicherungsträgern.
Das Ausfüllen solcher Personalbögen ist für uns zwar eine ständige und unvermeidliche Routine, bei der allerdings die kleinsten Nachlässigkeiten das größte Chaos bei der administrativen Abwicklung unseres Engagements anrichten können.
Wir sind viel unterwegs, leben im Hier und Jetzt und möchten uns ungern vom „Altpapier“ vergangener Projekte unseren Bewegungsdrang einschränken lassen. Am liebsten würden wir all sowas wegschmeißen. Aber dann stünden wir nackt da – in den alltäglichen Scharmützeln, die wir mit Ämtern, Krankenkassen, ehemaligen Arbeitgeber*innen etc. führen müssen.
Wie oft erleben wir, dass in unseren Abrechnungen gespielte Vorstellungen, absolvierte Drehtage, gesprochene Takes vergessen wurden? Unsere Vertragszeiten nicht komplett versichert wurden? Überhaupt vertragliche Vereinbarungen nicht eingehalten werden? Oder mit Verweis auf irgendwelche Vertragsklauseln unsere Gage vorenthalten wird? Wie oft haben wir Ärger mit den Arbeitsagenturen, mit Krankenkassen oder anderen Behörden, die unsere Arbeitswelt nicht verstehen und gegenüber denen wir belegen müssen, wie sich unsere Dinge wirklich abgespielt haben? Wie oft bekommen wir noch nach Jahren amtliche Schreiben oder wollen z. B. eine Kontenklärung bei der Rentenversicherung beantragen? Ob im Alleingang oder mit Hilfe von Juristen- oder Steuerprofis: Ohne unsere „Altpapiere“ im Keller wird das nichts!
Darum: Wir sollten grundsätzlich …
- von jedem Projekt die Arbeitsverträge zusammen mit den Vorstellungs- und Probeplänen, Drehdispos oder andere Arbeitsanweisungen bzw. dem Schriftverkehr mit den Arbeitgeber*innen, den Abrechnungen, den Kopien der Arbeitsbescheinigungen und den Sozialversicherungsnachweisen aufbewahren;
- alte Terminkalender und Emails abspeichern;
- Taxi-, Zug-, Flug-, Restaurantbelege sammeln.
Das mag uns nicht gefallen, aber das Motto für den Amtsstubennahkampf heißt: Nicht weniger, sondern mehr ist mehr!
Spätestens wenn wir unsere Rolle abgespielt, abgedreht oder zu Ende synchronisiert haben und unser mehr oder weniger kurz befristetes Engagement beendet ist, bekommen wir unsere Gagenabrechnung. Es ist nicht unbedingt böser Wille, aber manchmal sind diese Gagenabrechnungen fehlerbehaftet. Darum sollten wir einen prüfenden Blick drauf werfen:
Wurden alle Vorstellungen, alle Drehtage alle Takes berücksichtigt? Sind die Vertragszeiträume korrekt? Stimmen die Beitragshöhen zur Pensionskasse Rundfunk oder zur Bayerischen Bühnenversorgung? Überhaupt, sind alle Berechnungen richtig vorgenommen worden?
Zur Überprüfung der Beiträge in die unterschiedlichen Sozialversicherungszweige, sollten wir unsere Sozialversicherungsmeldungen näher studieren …
Das Entziffern der vielen Codes auf unseren Sozialversicherungsmeldungen ist nicht ganz leicht. Die für uns entscheidendste Frage ist aber schnell zu klären:
- Stimmen Anfang und Ende der Beschäftigungszeit mit dem Vertragszeitraum und der tatsächlichen Beschäftigungszeit überein? Da sollte eigentlich nichts schief gehen, weil heutzutage alles elektronisch verknüpft ist. Und wenn in diesem Punkt die Gagenabrechnung bereits korrekt war, sollte das auch bei der Sozialversicherungsmeldung der Fall sein.
Die anderen Codes geben uns Hinweise, wie die Beiträge zu den einzelnen Sozialversicherungszweige berechnet wurden:
- Ist der dreistellige Code für die Personengruppe korrekt? Es gibt insgesamt 32 Personengruppen, von denen uns als Schauspieler*innen typischerweise nur 5 interessieren: Die üblichste ist die Personengruppe 101 für Beschäftigungen ohne besondere Merkmale. Dazu gehören unsere Spielzeit-Engagements an Theatern, aber auch unsere kürzer befristeten Beschäftigungen, die allerdings nicht unter einer Woche dauern. Die Personengruppe 109 betrifft geringfügig entlohnte Beschäftigte (§ 8 Abs. 1, Nr. 1 SGB IV) und die Personengruppe 110 kurzfristig Beschäftigte (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV). Die Personengruppe 117 ist für nicht berufsmäßig unständige und die Personengruppe 118 für berufsmäßig unständige Beschäftigungen, die beide kürzer als eine Woche sind.
- Ist mit Ost oder West der richtige Ort der Betriebsstätte angekreuzt? Achtung, hier ist nicht unsere, sondern die Ortsansässigkeit der Betriebsstätte unserer Arbeitgeber*innen gefragt.
- Sind die Beitragsgruppenschlüssel oder – auch „SV-Schlüssel“ – genannt richtig codiert für KV (Krankenversicherung), RV (Rentenversicherung), AV (Arbeitslosenversicherung) und PV (Pflegeversicherung)? Für die Krankenversicherung bedeuten z. B. 0 = kein Beitrag, 1 = allgemeiner Beitrag, 3 = ermäßigter Beitrag, wenn kein Krankengeld-Anspruch besteht, 6 = Pauschalbeitrag für geringfügig Beschäftigte und 9 = für freiwillige Beiträge, die über die Firma erfolgen. Für die Rentenversicherung bedeuten 0 = kein Beitrag, 1 = voller Beitrag, 3 = halber Beitrag, den nur die Arbeitgeber*innen für Vollrentner*innen leisten, und 5 = Pauschalbeitrag für geringfügig entlohnte Beschäftigte. Für die Arbeitslosenversicherung bedeuten 0 = kein Beitrag, 1 = voller Beitrag und 2 = halber Beitrag, den nur die Arbeitgeber*innen für Vollrentner*innen leisten. Und für die Pflegeversicherung bedeuten 0 = kein Beitrag, 1 = voller Beitrag, 2 = halber Beitrag, der aber nur in Betracht käme, wenn wir einen Beihilfe-Anspruch hätten – als Beamt*innen!?
- Spiegeln die neun Ziffern die Angaben zur Tätigkeit richtig wider? Waren wir schauspielerisch unterwegs, müssten die ersten fünf Ziffern 94214 lauten. Das ist die Tätigkeitsnummer für Schauspieler*innen nach der Klassifizierung der Berufe (KldB 2010). An sechster Stelle ist der höchste schulische Abschluss codiert: 1 = ohne schulischen Abschuss, 2 = Haupt- / Volksschulabschluss, 3 = mittlere Reife oder gleichwertiger Abschluss, 4 = Abitur / Fachabitur, 9 = unbekannter schulischer Abschluss. An siebter Stelle steht die Ziffer für den höchsten beruflichen Ausbildungsabschluss: 1 = ohne beruflichen Abschluss, 2 = Abschluss einer anerkannten Berufsausbildung, 3 = Meister- / Techniker- oder gleichwertiger Fachschulabschluss, 4 = Bachelor, 5 = Diplom / Magister / Master / Staatsexamen, 6 = Promotion, 9 = unbekannter beruflicher Ausbildungsabschluss. An achter Stelle steht eine 2 für eine Arbeitnehmerüberlassung und eine 1 für keine solche. Weil wir keine Leiharbeiter*innen sind, sollte hier eine 1 stehen. Und an letzter, der neunten Stelle wird die Vertragsform codiert: 1 = unbefristet & Vollzeit, 2 = unbefristet & Teilzeit, 3 = befristet & Vollzeit, 4 = befristet & Teilzeit.
- Stimmt die Höhe des Beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelts für die Rentenversicherung? Hier müsste eigentlich unsere Bruttogage stehen, allerdings gekappt von der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) der Rentenversicherung. Aber wie hoch ist diese BBG? Handelt es sich etwa um eine Beschäftigung ohne besondere Merkmale (Personengruppe 101), gilt für die vollständig von der Beschäftigungszeit abgedeckten Kalendermonate jeweils die monatliche BBG (im Jahr 2022 im Westen: 7.050 €, im Osten: 6.750 €). Für die nicht vollständig abgedeckten Kalendermonate, in denen die Beschäftigungszeit begann oder endete, müssen die betreffenden Beschäftigungstage gezählt und mit dem Dreißigstel der monatlichen BBG multipliziert werden. Die Summe all diese BBGs ist die BBG, die unser Bruttoarbeitsentgelt gegebenenfalls kappt, bis zu der wir in der Rentenversicherung beitragspflichtig sind. Handelte es sich aber um eine – entweder berufsmäßige (Personengruppe 118) oder nicht berufsmäßige (Personengruppe 117) unständige Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche befristet war, gilt unabhängig von den wenigen Beschäftigungstagen stets die monatliche BBG in voller Höhe.
Wie gesagt, wir sollten alle wichtigen Unterlagen zu unseren Engagements archivieren – unsere Sozialversicherungsmeldungen sind mit die wichtigsten!
Frühestens, wenn wir unsere Vertragszeiten in unsere Kalender eintragen, spätestens, wenn wir unsere Sozialversicherungsmeldungen studieren, sollte uns auffallen, ob und für welche Zeiträume unsere unterschiedlichen Beschäftigungen und deren Sozialversicherungszeiträume sich überlappen und ob in diesen Überlappungsphasen unsere Bruttoarbeitsentgelte zusammengenommen die Beitragsbemessungsgrenzen (BBGs) überschreiten.
Das passiert bei uns sehr oft, vor allem bei unseren Synchronschauspieler*innen mit ihren zahlreichen unständigen Beschäftigungen, deren Sozialversicherungszeiträume sich dauernd überlagern. Das Dumme ist: In diesen Fällen zahlen wir viel zu viel Beiträge, ohne dass uns mehr Versicherungsansprüche entstehen würden. Und auf Dauer verlieren wir auf diese Weise Unsummen.
Unsere gesetzlichen Krankenkassen sind die zuständigen Einzugsstellen für die Sozialabgaben zu allen Versicherungszweigen. Sie haben eigentlich auch die Aufgabe, die überzahlten Sozialbeiträge von sich aus zu entdecken, auszurechnen und an uns bzw. unsere Arbeitgeber*innen zurückzuzahlen. Leider scheinen die gesetzlichen Krankenkassen zumeist überfordert zu sein, diese Aufgabe eigeninitiativ in Angriff zu nehmen.
Darum sollten wir bei solchen Überlappungen mit Überschreitungen der BBGs – sicherheitshalber! – von uns aus bei unserer gesetzlichen Krankenkasse einen Antrag auf Rückerstattung der überzahlten Beiträge stellen.
Unsere Arbeitsbescheinigungen sollten dieselben Versicherungszeiten ausweisen wie die Sozialversicherungsmeldung, wie unsere Abrechnungen, wie unsere vertraglichen und die tatsächlichen Beschäftigungszeiten. Das ist schnell zu überprüfen.
Im Zuge der Arbeitslosmeldung müssen wir unsere Arbeitsbescheinigungen an die Leistungsabteilungen der Agentur für Arbeit abgeben. Wir sollten vorsichtshalber zuvor von ihnen Kopien anfertigen und diese archivieren. Erfahrungsgemäß können die Mitarbeiter*innen der Agentur für Arbeit wie andere Behörden auch von unseren Patchwork-Arbeitsverhältnissen etwas überfordert sein. Da rutschen ab und zu mal ein paar Dinge durch. Dann sind wir mit den Kopien der Arbeitsbescheinigungen auf der sicheren Seite.
Wir sind als Arbeitnehmer verpflichtet, uns spätestens drei Monate vor Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden (§ 38 Abs. 1 SGB III). Damit soll keine Zeit für die Suche nach einer neuen Anstellung verschwendet werden. Wer sich nicht daran hält, dem drohen gewisse Sperrzeiten für die Leistungen der Agentur.
Für alle von uns, die nicht spielzeitverpflichtet am Theater arbeiten, ist diese Regelung natürlich sehr unpassend, weil wir nur befristete Beschäftigungen, meistens kürzer als drei Monate haben. Darum sollten wir uns regelmäßig im Drei-Monatsrhythmus bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend melden – unabhängig davon, ob wir gerade in Beschäftigung sind oder nicht.
Denn grundsätzlich ist es ratsam, sich zwischen unseren Engagements arbeitslos zu melden!
Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 haben (laut § 142 SGB III) diejenigen von uns, die in der Rahmenfrist von 2½ Jahren …
- entweder die normale Anwartschaftszeit von 360 sozialversicherten Tagen (zur Arbeitslosenversicherung),
- oder die – für uns geschaffene – verkürzte Anwartschaftszeit von 180 sozialversicherten Tagen erfüllen. Allerdings müssen bei dieser Variante die Mehrheit der gesammelten Tage aus Beschäftigung stammen, die nicht länger als 14 Wochen dauerten. Gleichzeitig dürfen wir dabei im Jahr vor der Arbeitslosmeldung als Arbeitnehmer nicht mehr als die anderthalbfache Bezugsgröße West verdient haben (also 59.220 €, Stand 2022).
Unter normalen Arbeitsmarktbedingungen werden viele von uns eine der beiden Anwartschaftsmodelle erfüllen können und Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 haben.
Während unseres Arbeitslosengeldbezuges fließen auch Pflichteiträge in die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Letztere ist für uns, die wir aufgrund unserer häufigen Versicherungslücken von Altersarmut bedroht sind, besonders wichtig. Schon aus diesem Grund ist es für uns ratsam, Arbeitslosengeld zu beantragen, selbst wenn wir meinen, unsere aktuelle Erwerbslücke mit unseren Rücklagen überbrücken zu können.
Aber auch diejenigen von uns, die sich ausrechnen können, keine der beiden Anwartschaftsmodelle zu erfüllen und deswegen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 zu haben, oder diejenigen von uns, die ihren Arbeitslosengeld-Anspruch schlicht nicht aufbrauchen wollen, sollten sich trotzdem überlegen, sich arbeitslos zu melden – allerdings ohne Antrag auf Leistungsbezug. Selbst dieses Vorgehen, bei dem keine Pflichtbeiträge in die Rentenversicherung fließen, verschafft uns einige Punkte für unsere Altersvorsorge.
Auf Hartz IV angewiesen zu sein, ist für niemanden angenehm, auch nicht für uns Künstler*innen. Aber falls wir keine andere Wahl haben, sollten wir keine falsche Scham kennen und die Grundsicherung beantragen.
Wir sind nicht Schauspieler*innen geworden, um ewig unbekannt zu bleiben. So müssen wir auch damit rechnen, mit Autogrammwünschen unserer Fans konfrontiert zu werden. Warum sollten wir sie enttäuschen, wenn wir doch andererseits ein immer größeres Publikum erreichen wollen? Viele Fans sind inzwischen mit einem Selfie zufrieden. Aber es gibt sie noch: die Autogrammjäger. Darum sollten wir …
- von uns Autogrammkarten herstellen lassen (sie müssen ja nicht unbedingt so aktuell sein wie unsere Bewerbungsfotos);
- sie zu passender Gelegenheiten wie Theatervorstellungen, Premieren, Festivals, Preisverleihungen etc. mitführen;
- eine Postadresse für Autogrammkarten bereithalten;
- in regelmäßigen Abständen postalische Autogrammkartenwünsche abarbeiten;
- aber uns nicht ausnutzen lassen. Es reicht schon, in Autogrammkarten investiert zu haben, wir müssen nicht auch noch Autogrammwünsche ohne frankierten Rückumschlag erfüllen. Autogrammjäger, die dutzende Karten erbitten, sind nicht an uns, sondern am Geschäft interessiert, sie zu verkaufen.
Wir Schauspieler*innen sind ausübende Künstler und gehalten, über die Datenbank „Artsys“ unserer Verwertungsgesellschaft, der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL), laufend mitzuteilen, in welchen Projekten wir mit wieviel Drehtagen oder Takes mitgewirkt haben – wenn wir unsere GVL-Gelder haben wollen.
Das kostet uns sehr viel Mühe und oft unendliche Geduld, weil wir z. B. keine Drehtage oder Takes eingeben können, solange die Projekte in Artsys noch nicht gelistet sind. Woher stammen unsere GVL-Gelder? Und warum braucht die GVL so viele Daten – von uns?
Wenn wir den Wahrnehmungsvertrag unterschrieben haben, sammelt die GVL in unserem Namen Gelder von den Branchen ein, die mit gesetzlicher Erlaubnis unsere Filme, Reihen, Serien, Hörspiele etc. verwerten dürfen. Zu diesen Verwertern gehören vor allem die Hotel- und Gastronomiebranche, sowie die Geräte- und Speichermedienindustrie. Die einen profitieren davon, ihren zahlenden Gästen den Luxus zu bieten, unsere Programme mit den aufgestellten TV-Geräten sehen zu können. Die anderen verkaufen Geräte oder Speichermedien, mit denen ihre Kunden unsere Programme in gewissem Maße privat kopieren dürfen. Und weil sie auch aufgrund unserer Leistungen profitieren, stehen uns diese GVL-Gelder zu.
Aber nach welchen Kriterien hat die GVL diese Gelder an uns zu verteilen? Eigentlich in dem Maße, wie die jeweiligen Filme, Reihen, Serien, Hörspiele etc. in der Hotel- und Gastronomiebranche gesehen bzw. mit Geräten oder Speichermedien kopiert werden. Aber das kann und darf – insbesondere auch wegen des Datenschutzes – nicht gemessen werden. Also wird schlicht angenommen, dass diese auf gesetzlicher Basis erlaubten Kopier- und Nutzungsvorgänge mit dem Konsumverhalten aller TV-Zuschauer und Radiohörer vergleichbar sind. Das ist der einzige Grund, warum die Sende-Daten erhoben werden, wann und wo welches Programm im Fernsehen oder im Radio ausgestrahlt wurde.
Dieses Messen um die Ecke führt bei uns oft zu Missverständnissen, woher unsere GVL-Gelder eigentlich stammen. Denn die Sender oder Streamingdienstanbieter selber sind Verwerter mit vertraglicher Erlaubnis und zahlen für uns Schauspieler*innen keinen einzigen Cent an die GVL, weil sie von Gesetzes wegen kein Fall für die GVL sind!
Nun müssen noch die Gelder für einen Film, eine Reihe, eine Serie, ein Hörspiel etc. gerecht an die jeweiligen mitwirkenden Schauspieler*innen aufgeteilt werden. Dafür braucht die GVL weitere Informationen: Wie groß waren unsere Rollen in den jeweiligen Projekten? Die Anzahl unserer Drehtage bzw. Takes sind dafür ein Indiz. Diese Daten kann die GVL – in der derzeitigen Praxis – nur von uns bekommen. Die GVL und der Bundesverband Schauspiel bemühen sich um Prozesse, bei denen diese Daten ohne viel Aufwand, elektronisch und direkt von den Produzenten eingeholt werden können.
Unsere Steuerberater*innen kennen sich schon aus und haben auch genügend Fantasie zu unserem umtriebigen Lebenswandel, aber sie können nichts für unsere Steuererklärung zaubern, wenn sie von uns nur einen Schuhkarton mit unbeschrifteten Quittungen und Belegen eines ganzen Jahres auf dem Schreibtisch haben.
Wir tun ihnen und uns einen großen Gefallen, wenn wir – solange wir uns noch erinnern können – alle Unterlagen, die für die Steuer potentiell relevant sein könnten, beschriften und im Laufe des Jahres regelmäßig diese Unterlagen nach Monaten und in der Reihenfolge der Tage sortieren.
Gewiss, bei unserem unruhigen Schauspielleben stapeln sich im Vergleich zu normal Beschäftigten wohl mehr Papiere, die unsere Fleißarbeit erfordern. Dafür sollte aber die Kunst unserer Steuerberater*innen sich auch besser entfalten können und uns am Ende belohnen können.
Werden wir Schauspieler*innen beim Erledigen all dieser umfangreichen Verwaltungsaufgaben unterstützt? Wohl kaum! Wer sollte uns da helfen? Die Künstlervermittlung der ZAV ist eine reine Vermittlungsstelle, die zudem neutral zwischen unseren Arbeitgeber*innen und uns steht. Einige Schauspielagenturen mögen uns vielleicht manche Management- oder Büroaufgaben abnehmen, aber in allen administrativen Angelegenheiten dürfen, können oder wollen sie uns nicht vertreten. Manche prominente Kolleg*innen engagieren persönliche Sekretär*innen, aber das dürfte aus finanziellen Gründen für den Großteil unserer Schauspieler*innen wohl nicht in Frage kommen.