Warum kursieren höchst unterschiedliche Zahlen zur Menge der Schauspieler*innen?

Heinrich Schafmeister
10. Januar 2022

Weil – je nachdem, wer gefragt wird – mehr oder weniger großzügige Maßstäbe zur Schauspieltätigkeit, zur Berufsbetrachtung und zum Erfassungsgebiet (deutscher oder der ganze deutschsprachige Raum) mehr oder weniger große Schauspielmengen projizieren. So gehen manche Branchenstimmen von deutlich mehr als den amtlichen 15.000 Schauspieler*innen aus und berufen sich dabei auf die ca. 30.000 Einträge in den gängigen Casting-Datenbanken.

Trotzdem ist – insbesondere im berufspolitischen Diskurs – die amtliche Statistik unbedingt vorzuziehen. Sie basiert auf soliden Quellen und arbeitet mit Kriterien, die im Vergleich mit den Zahlen anderer Berufe die zuverlässigsten und brauchbarsten sind. Die Schauspieltätigkeit ist mit der fünfstelligen 94214 (KldB 2010) codiert, die ziemlich genau nur die reine schauspielerische Ausübung umreißt (A verkörpert B, während C zuschaut). Mit dem Schauspiel verwandte oder betriebsnahe Tätigkeiten werden so nicht mitgezählt. Wie bei Zählung aller anderen Berufe ist nicht die Berufsausbildung entscheidend. Erfasst werden nur solche Erwerbstätige, die tatsächlich schauspielerisch zum Einsatz kommen – und zwar im Zeitraum eines Jahres und nur in Deutschland, nicht im ganzen deutschsprachigen Raum.

Casting-Datenbanken leben davon, einen entgegengesetzten Anspruch zu haben. Sie wollen nicht nur die tatsächlich schauspieltätigen, sondern möglichst alle Personen sammeln, die für die Übernahme von Rollen in Erwägung gezogen werden können. Damit wenden sich die Casting-Datenbanken an uns, die wir, nachdem wir mit dem Schauspielberuf einmal angefangen haben, uns zumeist ein Leben lang als Schauspieler*innen bezeichnen würden. Das ist aus unserer Perspektive völlig schlüssig, aber mit statistischen Gesichtspunkten nicht kompatibel.

Werden nun all diejenigen dazugezählt, die den Schauspielberuf mal erlernt haben oder sich als Schauspieler*innen verstehen, aber längere Zeit nur mit verwandten Tätigkeiten beschäftigt waren, nur im deutschsprachigen Ausland oder gar nicht mehr gespielt haben, steigt die Zahl der Schauspieler*innen leicht auf 30.000 und mehr an. Solch überhöhte Zahlen beschreiben eher die Größe unserer Liebe zum Schauspielberuf als die Größe der Menge, die ihn tatsächlich ausüben darf.