Was bedeutet, „exklusiv“ oder „prioritär“ zur Verfügung zu stehen?

Heinrich Schafmeister
21. Januar 2022

Wir Schauspieler*innen sind Arbeitnehmer*innen und stehen wie alle von ihnen grundsätzlich unter dem Weisungsrecht (oder auch „Dispositionsrecht“ genannt) unserer Arbeitgeber*innen. Das heißt: Wir sind in ihre Arbeitsorganisation eingebunden und sie haben – innerhalb unserer Vertragszeit – das Recht zu bestimmen, wann wir wo zum Arbeitseinsatz kommen, ob wir währenddessen auch andere Engagements annehmen dürfen oder nicht.

Anders als bei normalen Arbeitnehmern sind unsere Schauspiel-Beschäftigungen mehr oder weniger kurz befristet, genau auf die Zeiträume zugeschnitten, die für die Erarbeitung und Abspielen unsere Rollen benötigt werden. Trotzdem brauchen unsere Arbeitgeber*innen für etwaige Vorstellungs- oder Drehplanänderungen etwas mehr Spielraum, „Stand-by“- oder Puffer-Zeiträume, in denen wir zwar – voraussichtlich – keine Vorstellungen oder Drehtage haben werden, aber dennoch allzeitbereit zur Verfügung stehen sollen. Denn was heißt in der Bühnen-, Film- und Fernsehlandschaft schon „voraussichtlich“? Jederzeit kann aus heiterem Himmel etwas passieren, das alle Pläne des Theaters oder der Filmproduktion über den Haufen wirft. Arbeitgeber*innen, die sich für solche Fälle keinen Puffer in unseren Vertragszeiten gesichert haben, riskieren den völligen Abbruch ihrer Produktion und ein finanzielles Desaster.

Nicht zuletzt deswegen erleben wir Schauspieler*innen immer wieder, dass sich unsere kurz befristeten Beschäftigungen zeitlich überlagern, nicht nur zwei, vielleicht sogar mehrere. Wer von unseren „Chefs“ hat dann das Sagen? Wie gehen sie damit um?

<strong>Entweder sie verpflichten uns exklusiv …</strong>

Einem Theater oder Filmproduktion „exklusiv“ zur Verfügung zu stehen, bedeutet, dass uns von vorneherein untersagt ist, während der Vertragszeit irgendein anderes Engagement in Erwägung zu ziehen oder gar anzunehmen. Das heißt, die Überlagerung von Vertragszeiten und das Problem von Terminkollisionen kann gar nicht erst entstehen.

<strong>… oder sie verpflichten uns mit Erster Priorität …</strong>

Hat z. B. ein Theater die erste Priorität, können wir während der Vertragszeit – aber nur mit Erlaubnis dieses Theaters – ein anderes Engagement annehmen. Die Termine des neuen Engagements müssen sich aber immer nach denen des Theaters richten – auch dann, wenn das Theater seine Planung ändert.

<strong>… während andere nachrangige Priorität bekommen …</strong>

Beansprucht ein Engagement die erste Priorität und kommt in seiner Vertragszeit ein zweites Engagement hinzu, hat dieses nur die zweite Priorität. Werden es noch mehr Engagements, erhalten sie entsprechend die dritte, vierte, fünfte Priorität usw. So entsteht eine Prioritätskette mit einer klaren Hierarchie.

<strong>… und arbeiten außerdem mit Sperrzeiten …</strong>

Ein Sperrtag ist – nach offizieller Lesart, wie die Produzentenallianz und der Bundesverband Schauspiel sich dazu verständigt haben – „ein Tag innerhalb einer Vertragszeit, an dem der Schauspieler auf eigenen Wunsch andere Verpflichtungen eingegangen ist oder eingehen will und deshalb dem Produzenten nicht zur Verfügung steht.“

Mit anderen Worten: Sperrzeiten oder Sperrtage sind Zeiträume, die von vornherein oder im Nachhinein – dann nur mit Zustimmung unserer Arbeitgeber*innen – aus der Vertragszeit herausgeschnitten werden. Zeiträume, in denen sie jedenfalls keine Priorität haben und nicht über uns verfügen können. Überlappungen werden auf diese Weise vermieden und die Frage, wer über uns wann das Sagen hat, vereinfacht.

Aber Vorsicht! Wenn wir für andere Engagements oder Privattermine frei haben wollen, die Arbeitgeber*innen uns die „Sperrtage“ gewähren, aber nur mit dem Vorbehalt, notfalls wieder über diese Zeitspanne verfügen zu können, dann behalten sie im Prinzip ihre Priorität. Dann sind diese Tage keine echten Sperrtage, sondern Zeiträume, in denen die anderen Termine nur mit nachrangiger Priorität stattfinden können.

Alle Arbeitgeber*innen – ob sie uns exklusiv, mit erster Priorität oder nachrangigen Prioritäten gebucht haben – müssen ihre Vertragszeiten mit uns sozialversichern.

Wenn unsere Vertragszeiten – wie es bei denen nach Priorität geordneten möglich ist – überlappen, kann das oft zu Beitragszahlungen führen, die über die Beitragsbemessungsgrenzen (BBG) hinausgehen. Wir und die Arbeitgeber*innen sollten darauf achten und die jeweilige Beitrags-Einzugsstelle (das sind die gesetzlichen Krankenkassen) auffordern, die überzahlten Beiträge wieder zurückzuzahlen.