Wie verdienen wir Schauspieler*innen in der Theaterlandschaft?

Heinrich Schafmeister
10. Januar 2022

Für die hierzulande rund 2.000 Schauspieler*innen, die als Spielzeitverpflichtete „fest“ zu einem Ensemble der Stadt-, Landes- und Staatstheater gehören, gilt zumeist der NV-Bühne-Tarifvertrag, der eine Mindestvergütung von 2.550 € brutto im Monat zusichert.

Der gleiche Tarifvertrag verspricht „freien“ Schauspieler*innen, die nur für ein bestimmtes Stück an solchen Theatern gastieren, eine Mindestgage von 255 € brutto je gespielter Vorstellung. Probentage werden mit 90 € bezahlt.

Die meisten Privat- und Tourneetheater haben kein „festes“ Ensemble und arbeiten nur mit Gastschauspieler*innen, die für bestimmte Stücke engagiert werden und diese en suite spielen, das heißt, möglichst täglich. Der NV-Bühne-Tarifvertrag gilt für solche Beschäftigungen nicht. Das heißt, je nach Größe des Theaters, der Menge der mitspielenden Schauspieler*innen und des eigenen Marktwertes bzw. der eigenen Verhandlungsmacht verdienen wir je gespielter Vorstellung unter 255 € oder darüber. Die „Zugpferde“ unter uns, mit denen das Stück beworben wird, deutlich darüber, die anderen weniger deutlich. Probentage werden von Privat- oder Tourneetheatern im Allgemeinen nicht extra vergütet. Die Vorstellungsgagen sollten nach Möglichkeit so bemessen sein, dass sie auch die Probenphase berücksichtigen. Die eigentliche Möglichkeit, bei Privat- oder Tourneetheatern mehr zu verdienen, liegt in der Masse der eng getakteten Vorstellungen in wenigen Monaten.

An den Privattheatern der freien Theaterszene ist der Verdienst eher noch geringer bis unterirdisch. Idealismus und Einnahmen stehen im umgekehrten Verhältnis. Wenn eine freie Theaterproduktion öffentliche Gelder erhält – das ist alles andere als selbstverständlich –, sollten sie die Produktionskosten bis zur Premiere abdecken und möglichst so bemessen sein, dass den mitwirkenden Schauspieler*innen zumindest eine Probengabe gezahlt werden kann, die sich an der Mindestvergütung des Tarifvertrags NV-Bühne orientiert. Denn wir Schauspieler*innen arbeiten in der freien Theaterszene häufig nur auf Rechnung. Ab Premiere werden wir an den kümmerlichen Einnahmen beteiligt und müssen davon auch noch selber unsere Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Weil wir in der freien Theaterszene oft wie Selbstständige behandelt werden, gibt es für uns dort keine Tarifverträge, die uns schützen würden. Das könnte sich – hoffentlich – in Zukunft ändern. Die EU-Politik hat im Juni 2022 die kartellrechtlichen Beschränkungen für bestimmte Gruppen von Solo-Selbstständige insoweit abgemildert, dass Gewerkschaften auch für sie Tarifverträge aushandeln dürfen. Ob dies rechtlich auch für Solo-Selbstständige in der freien Theaterszene gilt, muss juristisch noch geprüft werden, mal sehen …