Diese Frage nach dem sogenannten Sozialstatus führt immer wieder zu heftigen Diskussionen. Die Antwort darauf ist aber hierzulande ziemlich eindeutig und kein Wunschkonzert.
Nur in Ausnahmefällen ist unsere schauspielerische Tätigkeit eine selbstständige. Als Schauspielkünstler*innen sind wir zumeist in die Arbeitsorganisation eines Theaters, einer Drehproduktion, eines Synchronstudios eingebunden, unterliegen wir deren „Dispositionsrecht“, das heißt, der zeitliche und örtliche Einsatz unserer schauspielerischen Arbeit erfolgt nach betrieblichen Anweisungen, die sogar in Dispositionen, Dreh-, Proben- oder Vorstellungsplänen schriftlich festgehalten werden. Diese zeitliche und örtliche Weisungsgebundenheit war und ist bei den Gerichten das ausschlaggebende Argument für unsere Einstufung als abhängig Beschäftigte, als Arbeitnehmer*innen. Dass wir Schauspieler*innen uns außerdem auch inhaltlich den Weisungen etwa der Regie und den Vorgaben des Buches nicht völlig entziehen können – jedenfalls nicht im Normalfall –, ist zwar ein zusätzliches Argument, aber nicht der Kern unserer Weisungsgebundenheit.
Wir sind für die Dauer unserer Beschäftigung kranken-, pflege-, renten- und – im Gegensatz zu selbstständigen Künstler*innen – auch noch arbeitslosen- sowie unfallversichert.
Leider nimmt das deutsche, eigentlich vorbildliche Sozialversicherungssystem nur sehr ungenügend Rücksicht auf atypische Beschäftigungsverhältnisse, wie z. B. wir Schauspieler*innen sie haben. Für uns gibt es so gut wie keine Festanstellungen, nur mehr oder weniger kurz befristete Arbeitsverhältnisse. Die für uns üblichen Beschäftigungslücken einerseits sowie komplizierte, ungeeignete und unsachgemäße Sozialversicherungsbestimmungen andererseits bereiten uns gehörige Nachteile gegenüber den anderen festangestellten Arbeitnehmer*innen und arge Probleme bei der administrativen Verwaltung unserer Engagements.
Kein Wunder, dass viele von uns diesen Ärger leid sind und manche sich wünschen, die Politik würde ihre befristeten Beschäftigungen als selbstständige Tätigkeiten einstufen. Dann könnten sie sich, so denken sie, unkompliziert über die Künstlersozialkasse versichern lassen. Eine Fata Morgana im doppelten Sinne. Erstens: Nicht die Politik, sondern Gerichte beurteilen den Sozialstatus. Und im Falle von Schauspieler*innen ist das regelmäßig der Status einer unselbstständigen Beschäftigung. Zweitens: Der Status der selbstständigen Künstler*innen ist nicht nur aus arbeitsrechtlicher, auch aus sozialer Sicht eher schwächer.
Die Künstlersozialkasse ist besser als gar keine Sozialversicherung, bietet aber im Großen und Ganzen geringere soziale Absicherung – vor allem im Alter und im Fall der Arbeitslosigkeit – als die „normale“ Sozialversicherung, auch wenn ihre beschriebenen Defizite eingepreist werden.
Das deutsche Arbeitsrecht beinhaltet viele Instrumente, um dem Gefälle zwischen mächtigen Unternehmen und abhängig beschäftigten Arbeitnehmer*innen rechtlich entgegenzuwirken. So tragen z. B. Selbstständige das Risiko, dass ihnen die Vergütung gekürzt oder gar verweigert wird, wenn sie die von ihnen erwartete Leistung nicht voll im Sinne der Auftraggeber*innen erbracht haben oder gar nicht erbringen konnten. Arbeitnehmer*innen haben dieses Risiko nicht. Es gibt also viele rechtliche Vorteile, auf die vor allem wir Schauspieler*innen rechtlich angewiesen sind. Schließlich hangeln wir uns von befristetem Engagement zu befristetem Engagement, müssen uns immer wieder neu um Arbeit bemühen. Insofern sind wir in besonderem Maße abhängig beschäftigt.
Nur aufgrund unseres Arbeitnehmerstatus konnten wir eine Berufsgewerkschaft gründen, den Bundesverband Schauspiel (BFFS) e.V., und mit ihm kollektiv-verbindliche, tarifliche Gagen-Untergrenzen wie die Einstiegsgage und weitere verbesserte Arbeitsbedingungen für uns durchsetzen. Das konnten Selbstständige bislang so nicht, weil sie laut Kartellrecht als „Unternehmen“ gelten, denen und deren Verbänden, von wenigen Ausnahmefällen mal abgesehen, kollektiv-verbindliche Preis- oder sonstige Absprachen verboten sind. Die EU-Politik hat dieses Problem zumindest für die Solo-Selbstständigen, die kaum auf Augenhöhe mit den mächtigen Branchenplayern verhandeln können, wohl erkannt und im Juni 2022 Leitlinien beschlossen. Diese EU-Leitlinien eröffnen nun den Gewerkschaften die Möglichkeit, für bestimmte Gruppen von Solo-Selbstständigen solche Tarifverträge abschließen zu dürfen. Dagegen bleiben aber wohl Gagenabsprachen, die einseitig von Solo-Selbstständigen getroffen und als Empfehlungen eine gewisse Verbindlichkeit entfalten sollen, nach wie vor kartellrechtlich bedenklich.