Wo sollten wir Schauspieler*innen drin sein – uns zuliebe?

Heinrich Schafmeister
10. Januar 2022

Von nix kommt nix!

Ohne bestimmte Institutionen, ohne Vertretungen unserer Interessen wären wir von allen guten Geistern verlassen, wären unsere Arbeitsbedingungen, Verdienstmöglichkeiten und sozialen Schutzsysteme noch bescheidener, noch unsicherer als sie es ohnehin schon sind.

Darum reicht es nicht, nur im Elfenbeinturm der Schauspielkunst zu stecken. Wir müssen auch …

in die Gewerkschaft:

Der Bundesverband Schauspiel (BFFS) e.V. ist als Berufsverband und Gewerkschaft hierzulande die einzige und mit seinen über 4.100 Mitgliedern (Stand: Januar 2024) die wirkmächtige Vertretung eigens nur für uns Schauspieler*innen. Wer als Schauspieler*in arbeitet, hat hier oder da schon von den Errungenschaften unserer Gewerkschaft profitiert – vielleicht unbewusst. Als Mitglied kann ich mich daran beteiligen, kann ich meine eigene und die Lage aller Schauspieler*innen verbessern.

Weitere Gewerkschaften, die unter anderem auch Schauspieler*innen vertreten, sind die Genossenschaft der Bühnenangehörigen (GDBA), die sich für alle Gewerke im Bühnenbereich engagiert, und die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die sowohl im Film / Fernseh-, als auch im Bühnenbereich und generell in allen Dienstleistungsbranchen präsent ist. Der Bundesverband Schauspiel arbeitet mit diesen beiden Partner-Gewerkschaften eng zusammen.

in speziell für uns geschaffene soziale Versicherungen:

Um der Altersarmut zu entgehen, sollten wir, falls wir direkt oder indirekt für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten arbeiten, Mitglied der Pensionskasse Rundfunk sein. Keine Angst: Beiträge werden uns grundsätzlich nur dann abverlangt, wenn wir an Produktionen mitwirken, die für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten hergestellt werden.

Die Bayerische Bühnenversorgung ist für uns sogar Pflicht, wenn wir irgendwo Theater spielen. Wir sollten allerdings darauf achten, auch zwischen den Bühnenengagements wenigstens einen freiwilligen monatlichen Beitrag von wenigstens 12,50 € zu zahlen, damit wir den Versicherungsanspruch nicht verlieren.

In der Regel ist unsere schauspielerische Arbeit nicht selbstständig, sondern eine abhängige Beschäftigung. Aber schauspiel-verwandte Arbeiten oder mit dem Schauspiel kombinierte Mischtätigkeiten können – wie z. B. in der freien Theaterszene – durchaus selbstständiger Natur sein. Falls wir diese selbstständig-künstlerischen Erwerbstätigkeiten nicht nur vorübergehend haben, sind wir verpflichtet, Mitglied der Künstlersozialkasse (KSK) zu werden. Für diese Kolleg*innen läuft die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung über die KSK.

in die Verwertungsgesellschaft:

Die für alle ausübenden Künstler*innen und damit auch für uns Schauspieler*innen zuständige Verwertungsgesellschaft in Deutschland ist die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL).

Sie hat den gesetzlichen Auftrag, für uns Gelder von den Verwertern einzusammeln, die mit gesetzlicher Erlaubnis unsere Leistungen nutzen dürfen.

Dazu gehören nicht die Sender oder Streamingdienstanbieter, wie viele irrtümlich annehmen. Denn die haben diese Erlaubnis über die vertragliche Lizenzkette von uns erhalten.

Verwerter wie z. B. das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie die Geräte- und Speichermedienhersteller haben eine gesetzliche Lizenz und müssen dafür an die GVL zahlen. Im Anschluss verteilt die GVL diese Gelder an uns Berechtigte – aber nur, wenn wir den Vertrag der GVL unterschrieben und sie mit der Wahrnehmung unserer Leistungsschutzrechte bevollmächtigt haben.

in spezielle Netzwerke und Vereine:

Wer neben unseren beruflichen und gewerkschaftlichen Belangen (die bereits durch unsere Berufsgewerkschaft, den Bundesverband Schauspiel vertreten werden) noch bestimmte Anliegen besonders unterstützen möchte, der kann sich auch in anderen Organisationen engagieren.

  • Das ensemble-netzwerk ist im Jahr 2015 gegründet worden und kümmert sich als gemeinnütziger Verein vor allem um die Situation der deutschen Bühnen und der kreativen Kräfte, die dort arbeiten, seien es nun Schauspieler*innen, Dramturg*innen, Szenenbildner*innen, Regisseur*innen aber auch Theaterleiter*innen.
  • Die Deutsche Filmakademie ist im Jahr 2003 als gemeinnütziger Verein gegründet worden und quasi das deutsche Pendant zur Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS), die in den USA den Oscar verleiht. So sind in der Deutsche Filmakademie alle Filmgewerke in Sektionen vertreten: Dokumentarfilm, Drehbuch, Kamera, Szenenbild, Kostümbild, Maskenbild, Musik / Tongestaltung, Schnitt, Produktion, Regie, Schauspiel, Visual Effects, Casting und Animationsfilm. Die Deutsche Filmakademie verleiht jährlich die Goldene Lola und versteht sich darüber hinaus als Interessensvertretung für den deutschen Film.
  • Die Deutsche Akademie für Fernsehen (DAfF) ist im Jahr 2010 unter anderem auf Betreiben des Bundesverband Schauspiel ins Leben gerufen worden, um die Fernsehpreisverleihung in die Hand der Fernsehmacher*innen zu legen. Die DAfF ist ein gemeinnütziger Verein, in dem alle Fernsehgewerke organisiert sind: Agenturen, Bildgestaltung, Casting, Dokumentarfilm, Drehbuch, Fernseh-Journalismus, Fernseh-Unterhaltung, Filmschnitt, Kostümbild, Maskenbild, Musik, Produktion, Redaktion / Dramaturgie, Regie, Schauspiel, Stunt, Szenenbild, Tongestaltung und VFX / Animation. Die DAfF betreibt von daher auch eine politische Lobbyarbeit für die gesamte Fernsehbranche.
  • Pro Quote Film ist im Jahr 2014 aus ihrem Vorläufer Pro Quote Regie hervorgegangen. Ihr Name ist Programm. In ihr sind die wichtigsten Film- und Fernseh-Gewerke vertreten: Regie, Kamera, Filmton, Filmkomposition, Produktion, Montage, Drehbuch / Dramaturgie, Kostümbild, Szenenbild und Schauspiel.
  • Das Netzwerk Queer Media Society (QMS) will „mehr LSBTTIQ*-Themen und -Akteur*innen in den Medien“ durchsetzen „unter Berücksichtigung eines ‚Code of Practice‘ bei den Themen Geschlecht, Geschlechtsangleichung, Geschlechtsidentität und sexuelle Identität, ethnische Herkunft, Behinderung / Beeinträchtigung, Pody Positivity, Altersvielfalt, Religion und Weltanschauung, sozioökonomischer und kultureller Hintergrund.“ QMS deckt alle Medienbereiche ab: Bühne, Event, Film, TV, Web, Radio, Games, Journalismus, Literatur, Graphik Novel, Verlagswesen, Musik und Werbung.
in eine Vermittlungsagentur:

Als durchweg kurz befristet Beschäftigte, also unbefristet Arbeitsuchende, müssen wir im Vergleich zu anderen klassischen Angestellten einen enorm hohen Bewerbungsaufwand treiben, um einigermaßen in Arbeit zu sein.

Da können wir professionelle Vermittlungshilfe gut gebrauchen und sollten eine der beiden Arten von Vermittlungsagenturen für uns arbeiten lassen:

  • Die Künstlervermittlung der ZAV (eine Unterorganisation der Bundesagentur für Arbeit) führt neben anderen Bühnen- oder Filmschaffenden ca. 5.500 Schauspieler*innen und kümmert sich um ihre Vermittlung im Bühnen-, Film- und Fernsehbereich. Weil dieser Service der Bundesagentur für Arbeit zu ihrer Grundaufgabe gehört, Arbeitnehmer*innen bei der Suche nach Arbeitsverhältnissen zu unterstützen, ist diese Vermittlung kostenfrei. Eine darüber hinaus gehende Betreuung – z. B. von Büro- oder Management-Aufgaben – kann von der Künstlervermittlung nicht erwartet werden. Die Künstlervermittlung steht als staatliche Behörde neutral zwischen Arbeitgeber*innen und Schauspieler*innen. Insofern steht sie bei Vertragsverhandlungen nicht allein auf unserer Seite, sondern fungiert als Bote zur Übermittlung der Standpunkte der beiden Parteien.
  • Private Schauspielagenturen bzw. Schauspielmanagements gibt es hierzulande schätzungsweise über 300. Im Unterschied zur Künstlervermittlung der ZAV stehen sie parteiisch auf unserer Seite, werden von uns bezahlt und zwar im Rahmen der Vermittler-Vergütungsverordnung. Üblicherweise erhalten sie von unserer Bruttogage ca. 10% Agenturprovision bei Dreh- und 6% bei Bühnenarbeiten (50% davon zahlt das Theater) plus 19% MwSt. Der Anspruch der privaten Schauspielagenturen geht über die pure Vermittlung von Engagements hinaus. Je nach Absprache mit ihren Schauspieler*innen können sie auch Aufgaben übernehmen wie z. B. Karriere- und Buchberatung, Terminplanung, Büroarbeit, Management, Pressearbeit usw.

Ob für uns die Künstlervermittlung der ZAV oder eine der privaten Schauspielagenturen in Frage kommt und wenn letzteres, welche, hängt stark davon ab …

  • wie unsere individuellen Erwartungen an die Agenturen sind,
  • ob oder wie viel wir bereit sind, für die Vermittlungsleistung zu zahlen,
  • ob professionell, seriös, fachlich – insbesondere tarif-, arbeits- und sozialrechtlich – informiert
  • und uns gegenüber loyal gearbeitet wird,
  • ob die persönliche „Chemie“ stimmt
  • und ob die Schauspielagentur uns überhaupt haben will.

Manch private Agenturen, vor allem in der Werbebranche, sind „Diener zweier Herren“, sind Agentur und Casting-Büro in einem, kassieren von den Arbeitgeber*innen und uns Schauspieler*innen ab, nicht selten mehr als von der Vermittler-Vergütungsverordnung erlaubt. Solche Agenturen sind keine Schauspielagenturen in unserem Sinne!

Der Bundesverband Schauspiel rät, darauf zu achten, ob eine private Schauspielagentur entweder im Verband der Agenturen (VdA), im Verband der Schauspielagenturen (VDSA) oder im Verband der Nachwuchsagenturen (VDNA) organisiert ist. Erfahrungsgemäß sind organisierte private Schauspielagenturen und die Künstlervermittlung der ZAV besser über die für uns wichtigen Vertrags-, Arbeits-, Sozialversicherungs- und Tarifrechte informiert – nicht zuletzt, weil sie sich untereinander und mit dem Bundesverband Schauspiel fachlich beraten können.

in Casting- bzw. Stimm-Datenbanken:

Digital ist Glück und Qual.

Zum Glück müssen wir oder unsere Schauspielagenturen nicht mehr alle Nasen lang neue Toilettenrollen unserer Vita ausdrucken und sie zusammen mit unseren Bewerbungsfotos sowie Demobänder per Post verschicken oder sämtliche Besetzungs- und Castings-Büros überall in Deutschland persönlich abklappern. Das war sehr mühselig und teuer und ist längst vorbei.

Nun haben wir dafür Casting-Datenbanken, auf die Besetzung- und Casting-Büros zurückgreifen. Aber jetzt tippen wir uns die Finger wund, um in all den vielen Datenbanken unsere Daten aktuell zu halten. Umsonst sind solche Datenbanken zumeist auch nicht. Wenn wir vor lauter Existenzängste meinen, in jeder Datenbank präsent sein zu müssen, schmerzen nicht nur unsere Finger, sondern auch unsere Geldbörsen.

Darum rät der Bundesverband Schauspiel, wenn es sich schon nicht vermeiden lässt, nur für eine – möglichst viel frequentierte – Casting-Datenbank zu bezahlen und bei den anderen relevanten nur einen kostenlosen Basis-Account zu buchen. Die relevantesten Casting-Datenbanken sind:

  • castupload und filmmakers, die gerade miteinander fusionierten (erstere ist für uns übrigens kostenfrei),
  • CASTFORWARD, die mit der internationalen e-TALENTA zusammenarbeitet
  • und SCHAUSPIELERVIDEOS.

Synchronschauspieler*innen können ihre Stimmproben auf spezielle Stimm-Datenbanken hochladen. Eine solche ist z. B.

  • die Deutsche Synchronkartei.
(in Maßen) in die Presse und die Öffentlichkeit:

Nun sind wir Schauspieler*innen nicht gerade dafür bekannt, ungern von uns sehen und hören zu lassen. Trotzdem: Es kann wirklich nicht schaden, zusätzlich durch dosiertes Auftauchen in den Sozialen Medien, in der Presse, bei Branchen-Events, daran zu erinnern, dass wir noch unter den Lebenden sind (und immer noch fit genug wären, mit der Übernahme von Rollen betraut zu werden).

Wer es sich leisten kann, beauftragt PR-Profis für solche Aufgaben. Aber Vorsicht, alles in Maßen! Wer zu aufdringlich in der Öffentlichkeit herumwirbelt, zu allem und jedem meint, sein „Experten“-Wissen von sich geben zu müssen, macht sich schnell lächerlich. Und wer mit manchem Presseorgan den Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihm im Aufzug nach unten.

Wir sollten uns außerdem gut überlegen, inwieweit wir unser Privatleben in die Presse hereinziehen lassen wollen. Denn wir sollten Rücksicht nehmen auf die uns Nahestehenden. Sie sind nicht unbedingt so scharf auf Blitzlichtgewitter wie wir.

… und in Geborgenheit vertrauter Menschen leben:

Unser Schauspielleben treibt uns himmelhoch jauchzend zu Tode betrübt von einem Extrem ins andere, in rasender Geschwindigkeit. Mal können wir vor Kraft nicht laufen, Sekunden später fallen wir ins Seelenloch. Wir jetten durch die Welt, wir trauen uns nicht aus dem Haus, Applaus, Apathie – alles nah beieinander. Dieses Achterbahnleben ist aufregend, schmeißt uns aber ab und zu aus der Kurve. Wir brauchen Bodenhaftung, mehr als manch andere.

Klar, unser Schauspielberuf ist alles andere als beziehungs- und familienfreundlich, aber: Haben wir Familie? Freundschaften? Liebesleben? Menschenkinder, die uns den Kopf waschen und auffangen? Auch jenseits des Berufslebens?

Wir sollten dankbar sein, für sie da sein, sie festhalten!