Woher rührt das große Miss- und Unverständnis über uns und unseren Schauspielberuf?

Heinrich Schafmeister
10. Januar 2022

Kaum ein Berufsstand steht so in der Öffentlichkeit, ist so sehr Gegenstand der Medien, wie wir Schauspieler*innen. Dennoch – oder gerade deswegen – herrschte (und herrscht immer noch) in unserer Gesellschaft eine völlig romantisch verzerrte Vorstellung von unserer Berufs- und Lebenswirklichkeit.

Einerseits prägen die glamourös retuschierten Hochglanzaufnahmen einiger weniger Schauspiel-Stars das Bild der reichen, sorglosen und über den roten Teppich wandelnden Schauspieler*innen. Andererseits hält sich im Bürgertum hartnäckig der schaurig schöne Aberglaube: Nur eine arme, einsame und leidende Künstler*in (die jung stirbt) wird von der Muse geküsst und ist eine wahre Künstler*in. Ein realistischer Blick hinter die Kulissen ist den meisten verwehrt. Das facht die Spekulationen über das Geheimnis des Künstler*innen-Daseins noch mehr an – und lässt sie ins Kraut schießen. Wie schnöde der Alltag im angeblichen heiligen Gral der Schauspielkunst tatsächlich aussieht, wird niemand wirklich wissen wollen.

Dazu kommt die Krux: Der wahre Akt des Schauspielens ist unsichtbar. Je besser uns die Verkörperung einer Rolle gelingt, desto weniger ist für Außenstehende der dazu notwendige immense Aufwand unserer Arbeit, Zeit und Überwindung spürbar. Wir sind scheinbar von Natur aus genau wie unsere Rolle. Und so wird gerätselt: Was treiben Schauspieler*innen eigentlich tagsüber, wenn alle anderen arbeiten? Wieso können sie sich so viel Text merken? Und wozu müssen Schauspieler*innen eigentlich Geld verdienen, wenn sie doch vom Applaus leben?