Der Deutsche Schauspielpreis stellt sich neu auf

Hans-Werner Meyer
31. Januar 2022

Unserer Entscheidung, die Kategorien des Deutschen Schauspielpreises neu aufzustellen ging eine lebhafte, intensive und lange Debatte zwischen den Mitgliedern des Vorstandes, des Gestaltungsteams des Deutschen Schauspielpreises und den Mitgliedern des BFFS voraus. Am 24. Januar haben wir diese Entscheidung veröffentlicht und damit ein großes, überwiegend positives Echo ausgelöst.

„Es lebe die Inspiration“ schrieb etwa die Süddeutsche Zeitung und nahm damit jenen Begriff auf, der für den Deutschen Schauspielpreis zentral ist. Dieser feiert die Inspiration, die von der Arbeit unserer Kolleg*innen ausgeht und soll ausdrücklich kein Ranking der „Besten“ ihrer Zunft etablieren, da ein solches – im Gegensatz zur Inspiration – für unsere eigene Arbeit als Schauspieler*innen keine Bedeutung hat.

Deshalb war es für uns auch immer schon leichter als für andere Auszeichnungen, auf Entwicklungen innerhalb der Branche und der Gesellschaft zu reagieren, da diese Ausrichtung uns die Möglichkeit gibt, mit ihnen spielerisch umzugehen. Als die Berlinale sich vor zwei Jahren entschied, aus den Auszeichnungen für die „Beste Schauspielerin“ und den „Besten Schauspieler“ eine einzige genderneutrale zu machen, haben wir sie dafür zu Recht scharf kritisiert, weil damit die Chancen auf einen Preis halbiert werden.

Unsere Kritik richtete sich dabei natürlich nie auf die Absicht, nicht-binären Schauspieler*innen die Chance auf einen Preis zu ermöglichen, sondern auf die Tatsache, dass mit der Art, wie die Berlinale es getan hat, die berechtigten Interessen der cis-Schauspieler*innen gegen jene der nicht-binären Schauspieler*innen ausgespielt werden. Zwar wurde als zweite Auszeichnung noch ein, ebenfalls genderneutraler, Preis für die „Beste Nebenrolle“ eingeführt, aber der wirkt in dieser Hierarchisierung wie ein Trostpreis. Sinnvoller wäre gewesen, die Anzahl der Hauptpreise nicht zu reduzieren, sondern stattdessen die Vorgabe, dass es sich dabei zwingend um einen Preis für eine Schauspielerin und einen Schauspieler handeln muss, abzuschaffen. Dann hätte jede*r Schauspieler*in, unabhängig vom Gender, dieselbe Chance auf einen Preis erhalten wie bisher.

So sieht es nun die Neuausrichtung des Deutschen Schauspielpreises vor. Diese war in erster Linie motiviert von unserem Bedürfnis, unsere berufliche Realität und die Bedingungen abzubilden, unter denn sie stattfindet. So hat die Unterscheidung in „Hauptrolle“ und „Nebenrolle“ für unsere Arbeit keine Bedeutung, jene in „dramatische“ und „komödiantische“ Rolle dagegen schon. So wurde die Wichtigkeit unserer Spielpartner*innen bisher ignoriert und kam nur in den Dankesreden der Preisträger*innen vor. So hatten die Spieler*innen der vielen Episodenrollen bisher nie eine Chance, für ihre Arbeit ausgezeichnet zu werden.

Statt die Kategorien „Schauspieler in einer Hauptrolle“ und „Schauspielerin in einer Hauptrolle“ zu einer einzigen Kategorie mit 3 Nominierten und einer Preisträger*in zu machen, wie die Berlinale es getan hat, haben wir sie umbenannt in „Schauspieler*in in einer dramatischen Rolle“ und mit 6 Nominierten und zwei Preisträger*innen ausgestattet. Auf diese Weise werden nicht nur nicht-binäre Schauspieler*innen nicht mehr ausgeschlossen, sondern wird auch die ewige Diskussion darüber, wo genau die Hauptrolle aufhört und die Nebenrolle anfängt, umgangen.

Dass es gleichwohl weiterhin die Kategorie „Schauspieler*in in einer dramatischen Nebenrolle“ gibt, ist dem Umstand geschuldet, dass es im deutschsprachigen Raum unendlich viel mehr interessante dramatische Rollen in jeder Größe gibt, als komödiantische. Die Chance, in dieser Kategorie nominiert zu werden, wollten wir unseren Kolleg*innen nicht nehmen.

Die neue Kategorien „Duo“ soll endlich der Schauspielerwahrheit „Du bist nur so gut, wie Dein Partner es zulässt“ Rechnung tragen und die neue Kategorie „Schauspieler*in in einer episodischen Rolle“ die Lücke zwischen der „Nebenrolle“ und dem „Starken Auftritt“ schließen.

Das neue Kategoriengerüst des Deutschen Schauspielpreises im Einzelnen:

Schauspieler*in in einer dramatischen Rolle

2 Preisträger*in

6 Nominierte

Duo

1 Preisträger*innen-Paar

3 Nominierten-Paare

Schauspieler*in in einer dramatischen Nebenrolle

1 Preisträger*in

4 Nominierte

Schauspieler*in in einer komödiantischen Rolle

1 Preisträger*in

4 Nominierte

Schauspieler*in in einer episodischen Rolle

1 Preisträger*in

4 Nominierte

Nachwuchs

1 Preisträger*in

4 Nominierte

Starker Auftritt

1 Preisträger*in

4 Nominierte

Ensemblepreis

1 Preisträger*innen-Ensemble

Statt wie bisher 27 Nominierte in 9 Kategorien gibt es nun also 30 Nominierte in 8 Kategorien. Die Zahl der Kategorien wurde zwar um eine reduziert, jene der Nominierten und damit die Chance in einer Kategorie nominiert zu werden, dagegen sogar erhöht.

Folgende Kategorien bleiben unverändert:

Terese Giehse Theaterpreis

(Pat*innen-Preis, verliehen von einer herausragenden Schauspieler*innen-Persönlichkeit)

1 Preisträger*in

Synchronpreis „Die Stimme“

(verliehen von einer Synchronschauspieler*innen-Jury)

1 Preisträger*in

Ehrenpreis Inspiration

(verliehen vom Vorstand des Bundesverbands Schauspiel)

1 Preisträger*in

Deutscher Fairnesspreis

(Gemeinschaftspreis von ver.di und dem BFFS, verliehen von einer aus Branchenverbandsrepräsentant*innen bestehenden Jury)

1 Preisträger*in

Ehrenpreis Lebenswerk

(verliehen vom Vorstand des Bundesverbands Schauspiel)

1 Preisträger*in

en und die Auswahl der Nominierten beeinflussen wird. Ob durch dieses neue Kategoriengerüst die Chancenparität gewahrt bleibt, ob die Kategorien sich bewähren, werden wir sehen. Der Deutsche Schauspielpreis ist und bleibt ein „Work in Progress“. Was nicht funktioniert, wird eben wieder geändert. Aber eins ist klar: Es wird interessant werden.