Die beiden zuständigen Gewerkschaften für die Film- und Fernsehlandschaft, ver.di und Bundesverband Schauspiel (BFFS), haben den Mantel- und Schauspieltarifvertrag vor der Sommerpause rechtzeitig gekündigt und damit die formellen Voraussetzungen geschaffen, damit sie nun (wahrscheinlich Mitte Oktober) mit der Produzentenallianz über die Konditionen dieser Tarifverträge neu verhandeln können.
Im Sinne von uns Schauspieler*innen …
… fordert der BFFS unter anderem:
- eine dringend erforderliche Erhöhung der Einstiegsgage im Schauspieltarifvertrag,
- das Hinzuziehen von Intimacy Coordinatoren bei intimen und körpernahen Einsätzen,
- eine tarifliche Aufwertung der Themis Vertrauensstelle für sexuelle Belästigung und Gewalt, um ihren Wirkungsgrad in der Film- und Fernsehlandschaft zu stärken,
- eine Kostenregelung für E-Castings, damit Schauspielbewerber*innen den zunehmenden Aufwand nicht allein tragen müssen,
- und Vorsichtsmaßnahmen zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI), damit in der Zwischenzeit, in der noch keine gesetzlichen KI-Regelungen beschlossen sind, das Aussehen, die Stimmen, die Darbietung von Schauspieler*innen nicht missbräuchlich verwendet werden, um diese Schauspieler*innen künstlich zu animieren oder Systeme künstlicher Intelligenz zu trainieren.
Was die Anliegen aller Filmschaffenden anbelangt, …
… liegt der BFFS mit ver.di auf einer Linie. Die beiden Gewerkschaften fordern unter anderem:
- die tarifliche Stärkung der betriebliche Altersvorsorge über die Pensionskasse Rundfunk, so dass sie nicht nur bei ARD- bzw. ZDF-Produktionen, sondern bei allen ermöglicht wird,
- Arbeitszeitverkürzungen, die vor allem zu Entlastungen des Teams hinter der Kamera führen sollen,
- zwei zusammenhängende Ruhetage je Woche, um Arbeits- und Privatleben besser in Einklang bringen zu können,
- die tarifliche Öffnung für Job-Sharing-Modelle, damit familienfreundliches Arbeiten und der gesetzliche Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung ermöglicht wird,
- zur besseren Bekämpfung des Gender Pay Gap eine Klarstellung, dass in Arbeitsverträgen Vertraulichkeitsklauseln zum Stillschweigen über die Höhe der eigenen Gage unzulässig sind,
- und – ganz wichtig – nach Abschluss der Verhandlungen einen gemeinsamen Antrag der drei Tarifparteien, Produzentenallianz, ver.di und BFFS zur Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge, damit Tarifflucht und Tarifdumping durch Außenseiter besser eingedämmt werden kann.
Der Mantel- und der Schauspieltarifvertrag …
… sind für uns Schauspieler*innen die beiden Hauptbestandteile des Tarifvertrags für auf Produktionsdauer beschäftigte Film- und Fernsehschaffende – kurz „TV FFS“. Der Manteltarifvertrag enthält generelle Regelungen für alle Filmschaffende und der Schauspieltarifvertrag solche, die auf die besonderen Verhältnisse von uns Film- und Fernsehschauspieler*innen eingehen.
Von großer Bedeutung für unser Mitwirken bei Kinofilmen ist auch der Ergänzungstarifvertrag Erlösbeteiligung Kinofilm, der von BFFS und ver.di gemeinsam durchgesetzt wurde. Zum gesamten Regelwerk des TV FFS gehören noch weitere zwei Tarifverträge. Sie betreffen aber nicht uns Schauspieler*innen und liegen deswegen nicht im Zuständigkeitsbereich vom BFFS, sondern nur in dem von ver.di. Denn der Gagentarifvertrag gilt nur für Teammitglieder und der Tarifvertrag für Kleindarsteller und Kleindarstellerinnen nur für die Komparserie. Aktuell stehen für diese drei Tarifverträge keine Verhandlungen an, sondern nur für die gekündigten Mantel- und Schauspieltarifverträge.
Nun kann es losgehen
Die Forderungen der Gewerkschaften liegen auf dem Tisch. Die Gegenseite der Produzentenallianz wird ihre eigenen Vorstellungen haben. Sie hat mit Björn Böhning eine neue Führungsspitze. BFFS und ver.di sind gespannt und freuen sich, mit ihm und seinem Verhandlungsteam die vertrauensvolle Sozialpartnerschaft der vergangenen Jahre fortsetzen zu können. Beide Seiten müssen auf dem Weg fortschreiten, die Zukunft unserer Film- und Fernsehlandschaft zu sichern und sie zum Wohle aller Filmschaffenden sozial zu gestalten. Die Frage ist nur: Kommen wir mit kleinen oder großen Schritten voran?
Heinrich Schafmeister, 1957 im Ruhrgebiet geboren, dort sozialisiert, wurde Straßen- und Rockmusiker, studiert an der Folkwang-Hochschule Schauspiel und arbeitet seit 1984 als Schauspieler. Er war seit Gründung des BFFS 17 Jahre lang dort im Vorstand zuständig für Sozialpolitik und Tarifverhandlungen und kümmert sich auch nach seinem Ausscheiden aus dem Vorstand als Bevollmächtigter um Tarifverhandlungen.