20240311 Bffs Stellungsnahme Zur Reformierung Der Filmförderung

BFFS-Stellungnahme zur Reformierung der Filmförderung

Seit Gründung der Schauspielgewerkschaft Bundesverband Schauspiel (BFFS) im Jahre 2006 fordert der BFFS von der Politik, dass soziale Mindeststandards bei der Beschäftigung von Filmschaffenden zur Herstellung eines Filmwerkes als Grundbedingung für den Erhalt und die Gewährung von Filmförderung aus öffentlicher Hand zwingend eingehalten worden sein müssen. Dies im Filmfördergesetz (FFG) gesetzlich zu verankern war immer schon die Forderung des Bundesverband Schauspiel (BFFS).

Mit dem von den Sozialpartnern ver.di, BFFS und Produktionsallianz vereinbarten Tarifvertrag für auf Produktionsdauer beschäftigte Film- und Fernsehschaffende, der den Manteltarifvertrag, den Gagentarifvertrag, den Schauspieltarifvertrag, den Kleindarstellertarifvertrag und den Kinoerlösbeteiligungstarifvertrag umfasst, gibt es in unserer Film- und Fernsehbranche ein Regelungswerk, das die Einhaltung nötiger sozialer Mindeststandards, auf die sich die Tarifparteien verständigt haben, regelt.

Mit der Pensionskasse Rundfunk existiert ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, der vor allem für die Mehrheit der in der Film- und Fernsehbranche kurz befristet Beschäftigten oder Solo-Selbstständigen eine wichtige betriebliche Altersvorsorge anbietet. Insbesondere für Schauspieler*innen mit ihrer wegen der vielen Beschäftigungslücken nur geringen gesetzlichen Rente bildet die Pensionskasse Rundfunk das eigentliche Standbein ihrer Altersvorsorge. Allerdings greift diese soziale Absicherung bisher nur bei Auftragsproduktionen der öffentlich-rechtlichen Sender und  bei Netflix-Produktionen.

Kinofilmproduzenten, Privatsender und Streaminganbieter, die Filmwerke entweder selbst herstellen bzw. zur Herstellung beauftragen, nehmen zwar öffentliche Fördergelder hierfür in Anspruch, verweigern den Filmschaffenden aber bis dato, für sie in die betriebliche Altersvorsorge bei der Pensionskasse Rundfunk einzuzahlen.

Leider sind bis in die jüngste Zeit die Erwartungen der Schauspieler*innen, nämlich eine Verankerung sozialer Mindeststandards im FFG als Voraussetzung zur Gewährung von Fördermitteln zu implementieren, immer wieder enttäuscht worden. Viel zu lange wurden viel zu viele Filme, bei deren Herstellung für die beschäftigten Filmschaffenden unterirdische Arbeitsbedingungen herrschten, mit öffentlichen Geldern ermöglicht: Geringe oder zurückgestellte Entlohnungen, unerträgliche, gefährliche und oft verbotene Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen und schließlich eine mangelhafte soziale Absicherung.

Die Debatten um die Novellierung des FFG wurden von Produktions-, Sender-, Streaming-Unternehmen dominiert. Die Situation von uns Filmschaffenden spielte über Jahrzehnte keine Rolle – so schien es.

Umso mehr begrüßen wir Schauspieler*innen, Filmschaffenden und Gewerkschaften den jetzt vorgelegten FFG-Referentenentwurf, insbesondere den in § 80 angelegten Anspruch auf angemessene Beschäftigungsbedingungen.

Der BFFS betrachtet diesen Entwurf als brauchbaren Ansatz, der allerdings noch verbessert werden kann – und muss.

Der BFFS schlägt folgende Verbesserungen vor …

1.)       für Satz 1 im Absatz (1), des § 80:

(1)            Bei mit Referenzmitteln herzustellenden Filmen müssen tarifvertragliche oder an Tarifverträge anlehnende Entlohnungen und Beschäftigungsbedingungen vorherrschen. …

2.)     für Satz 2 im Absatz (1) des § 80:

… Zudem muss der Hersteller ein die gesetzliche Altersvorsorge ergänzendes Angebot einer betrieblichen Altersvorsorge für die nur auf Produktionsdauer des Films Beschäftigten sowie für das unbefristet beschäftigte Personal gewährleisten. Gleichermaßen soll auch für die selbständig tätigen Film- und Fernsehschaffenden ein vergleichbares Altersvorsorgeangebot sichergestellt werden.

und regt an …

3.)     auch in den geplanten Gesetzen zur Filmförderungszulage und zur Investitionsverpflichtung Regelungen aufzunehmen, die die Vorzüge dieser Fördersäulen an die Einhaltung tariflicher Standards koppeln.

 

Begründung zu 1.)

Der Referentenentwurf hebt bisher nur die Entlohnung hervor, die „tarifvertraglich oder in Anlehnung an tarifvertragliche Regelungen erfolgen“ soll.

Die Entlohnung ist ein wichtiger, aber nicht der einzige zentrale Aspekt sozialer Mindeststandards, die es für Film- und Fernsehschaffende zu gewährleisten gilt. Im Tarifvertrag werden weitere Beschäftigungsbedingungen geregelt, die uns z. B. vor Überbelastungen schützen und uns – trotz aller Flexibilitätserfordernisse – wenigstens ein Mindestmaß an Familien- und Privatleben ermöglichen sollen. Letzteres ist zudem unabdingbar, um in unserer Film- und Fernsehbranche für mehr Geschlechtergerechtigkeit und beruflichen Nachwuchs zu sorgen.

Der Gesetzgeber sollte sich also zum Schutz aller nötigen sozialen Mindeststandards auf alle tarifvertraglichen Regelungen beziehen und nicht nur auf die Bestimmungen zur „Entlohnung des für die Produktion des Films beschäftigten Personals“.

Begründung zu 2.)

Die Formulierung im Referentenentwurf – „Zudem muss der Hersteller geeignete Maßnahmen zur Sicherung der Altersvorsorge des nur für die Produktionsdauer des Films beschäftigten Personals ergreifen.“ – lässt die Absicht des Entwurfs erahnen, ist aber zu unscharf. Jeder „Hersteller“, der sich darauf beschränkt, seine Film-Beschäftigten nur entsprechend der gesetzlichen Pflicht sozial zu versichern, könnte argumentieren, damit bereits „geeignete Maßnahmen zur Sicherung der Altersvorsorge“ ergriffen zu haben.

Der Gedanke des Referentenentwurfs ist aber sicherlich, den Film- und Fernsehschaffenden, die wegen ihrer Versicherungslücken durch spätere Rentenleistungen der Deutschen Rentenversicherung nicht ausreichend vor Altersarmut geschützt sind, eine zusätzliche Absicherungsmöglichkeit über eine betriebliche Altersversorgung zu eröffnen. Dieser Ansatz ist zielführend, sollte aber auch so im Gesetz konkret zum Ausdruck gebracht werden.

Begründung zu 3.)

Wenn die öffentliche Hand künftig die Filmwirtschaft im Wesentlichen dadurch fördern will, ihr steuerliche Rabatte zu gewähren und ihre Auftragslage durch eine Investitionsverpflichtung zu sichern, muss von den Empfängern dieser Förderung auch eingefordert werden, zum Schutz ihrer Filmschaffenden die notwendigen sozialen Mindeststandards – das heißt – tarifliche Standards zu gewährleisten.

Die Entwürfe zum Filmförderungszulagengesetz und zum Investitionsverpflichtungsgesetz scheinen noch „Diskussionsentwürfe“ zu sein und nicht den Anspruch zu erheben, alles und jedes bereits berücksichtigt zu haben.

Trotzdem möchten wir als Schauspielgewerkschaft dringend raten, gleich zu Anfang jeder Diskussion zum Thema Filmförderung – ob nun zum FFG oder zu den anderen Fördersäulen – nicht nur einseitig auf die Belange derjenigen zu schauen, die mit Filmen wirtschaften, sondern vor allem auch diejenigen im Blick zu haben, ohne die diese Filme nicht hergestellt und erschaffen werden könnten: Die Filmschaffenden, von den Drehbuchautor*innen, Filmmusiker*innen, Regisseur*innen, Kameraleuten, Beleuchter*innen, Szenen-, Kostüm- und Maskenbilder*innen, ihren jeweiligen Teams von Mitarbeiter*innen sowie dem Produktionsstab über uns Schauspieler*innen und Darsteller*innen im Stunt- und Komparseriebereich bis hin zu allen Mitwirkenden in der Postproduktion. Sie alle müssen bei jeder Filmförderungsdebatte mitbedacht werden.

Denn so erfreut wir sind, endlich in einem Referentenentwurf zum FFG das Wort „Tarif“ lesen zu dürfen, so sehr wünschen wir uns auch, nicht weitere Jahrzehnte immer wieder an das Selbstverständlichste erinnern zu müssen: Filme wollen nicht nur bezahlt, sondern auch gemacht werden – von uns.

In diesem Sinne will sich der BFFS als einzige und größte bundesdeutsche Schauspielgewerkschaft auch weiterhin an der Filmförderdebatte gerne beteiligen.