Theaterpreis, Synchronpreis, Fairnesspreis
Mit dem Deutschen Schauspielpreis, den der BFFS in diesem Jahr bereits zum achten Mal verleihen wird, ist der Branche eine Institution erwachsen, die offenbar eine Lücke geschlossen hat. Das Selbstverständnis unseres Berufsstandes hat sich verändert. Dieser von kollegialer Wertschätzung durchdrungene Preis zeigt der interessierten Öffentlichkeit, den Menschen, die unser Spiel ermöglichen und finanzieren - also der Branche - vor allem aber auch uns selbst jedes Jahr aufs Neue, wie viel Spaß unser Beruf machen kann, wie schön, unfassbar und faszinierend er ist. Und er widerlegt das Vorurteil, dass sich Schauspieler untereinander nur als Konkurrenten empfinden.
Gezeugt aus einer Laune, geboren mit Enthusiasmus, hineingewachsen ins Chaos, die Kindheit trotz Kinderkrankheiten überlebt, ist er dank der kontinuierlichen, ehrenamtlichen und unglaublich engagierten Arbeit des Gestaltungsteams um Nadine Heidenreich, Christian Senger und Michael Ruscheinsky inzwischen in ein ruhigeres Lebensalter hineingewachsen. Vor allem die Entscheidung, die Organisation und die finanzielle Verantwortung aus der verbandseigenen, inzwischen liquidierten) „Deutsche Schauspielerpreis Gmbh“ auszulagern und die bis dato ausführende Agentur „La Maison“ damit zu beauftragen, hat dazu entscheidend beigetragen. Die drei Damen des Hauses führen seitdem die Geschäfte ganz wunderbar, die wir weder führen wollen noch können: Kerstin Schilly, Christine Bücken und Michelle Victor Adamsky.
Eine Mission der Würde
Inzwischen wird der Deutsche Schauspielpreis mit den wichtigsten Branchenpreisen in einem Atemzug genannt, wenn es darum geht, die Lebensleistung von Kolleginnen und Kollegen zu würdigen. Mit anderen Worten: Die Mission, die Deutungshoheit über unseren Beruf zurückzuholen, ist erfolgreich abgeschlossen.
Abgeschlossen? Wirklich? Die Deutungshoheit über unseren Beruf? Welcher Beruf denn? - Na, der Beruf der Schauspielerin, des Schauspielers, oder nicht? Aber wer oder was ist das? Wo finden wir diesen Beruf? Diese stolze Berufsbezeichnung, die so schwer zu fassen ist, so schwer zu schützen und so schwer zu begreifen, sie wird ja kaum noch verwendet! Was wurde nicht alles unternommen, um sich ihrer zu bemächtigen, sie zu banalisieren und greifbar zu machen. Aus Schauspieler*innen vor der Kamera wurden „Darsteller*innen“, aus Schauspieler*innen vor dem Mikrofon „Sprecher*innen“, aus sehr erfolgreichen Schauspieler*innen „Stars“. Selbst am Theater werden wir inzwischen häufig „Darsteller*innen“ genannt. So als ob das Mysterium der Verwandlung durch einen Begriff abgeschafft werden könnte, der nach einem Messestand klingt, auf dem etwas zur Schau gestellt wird.
Zu unserer Mission, dem Beruf die Würde zurückzugeben, die ihm von Natur aus eigen ist, gehört also auch, die Einheit wiederherzustellen. Ob wir auf der Bühne spielen, vor der Kamera oder vor dem Mikrofon, es ist ja immer dieselbe spielerische Kunst der Verwandlung nur eben mit anderen Mitteln. Aus diesem Grund haben wir im letzten Jahr schließlich auch den Zusammenschluss mit dem IVS, dem Interessenverband Synchronschauspieler, vollzogen. Aus diesem Grund wurde schon vor einigen Jahren aus dem Bundesverband der Film und Fernsehschauspieler BFFS der Bundesverband Schauspiel (Bühne Film Fernsehen Sprache) BFFS.
Erste Auszeichnung für das Spiel auf der Bühne und vor dem Mikrofon
Und genau aus diesem Grund wird es im Jahr 2019 zum ersten Mal beim Deutschen Schauspielpreis auch eine Auszeichnung für das Spiel auf der Bühne und für das Spiel vor dem Mikrofon geben. Jeder, der schon ein paar Preisverleihungen durchlebt hat, weiß, dass eine solche Veranstaltung kein Zuckerschlecken ist, kein rein unterhaltsames Vergnügen, sondern ein Ritual das verbindet, das durchgestanden werden muss, damit es die Gemeinschaft stiftet, von der es zeugen soll, bei aller Spannung, wer die Preise gewinnt, bei allen Versuchen, dieses Ritual so unterhaltsam wie möglich zu gestalten. Jede Preisverleihung ist zu lang. Wirklich jede. Jede, jede, jede. Ich jedenfalls habe es noch nie anders erlebt.
Aber auch wenn es ein Kampf gegen Windmühlen ist, wir geben ihn nicht auf; in jedem von uns steckt schließlich ein Don Quixote. Wir sind fest entschlossen, die Verleihung des Deutschen Schauspielpreises nicht ins Endlose auszudehnen und den unausweichlichen Schmerz in den Sitzknochen auf das absolut Unabdingbare zu reduzieren. Wie also das Spiel auf der Bühne und vor dem Mikro zusätzlich zu den bereits existierenden Kategorien würdigen, ohne einen Marathon daraus zu machen?
Das Spiel auf der Bühne: Für den Theaterpreis stehen künftig Kolleginnen und Kollegen als Paten
Die Wahrheit ist: Wir wissen es noch nicht. Verschiedene Kategorien für die Bühne und den Synchronbereich einzuführen, kommt nicht nur wegen der Überlänge nicht in Frage, die der Abend dann hätte. Sondern auch, weil jeder Versuch, alle relevanten Theaterproduktionen und alle synchronisierten Filme zu sichten, aufgrund ihrer schieren Masse zum Scheitern verurteilt ist. Also probieren wir mal was. Für die Bühne haben wir uns für einen Patenpreis entschieden. Wir haben einen Kollegen gewählt, dessen Expertise über jeden Zweifel erhaben ist und ihn gebeten, eine radikal subjektive Entscheidung zu fällen: Wer hat Sie im vergangen Jahr auf der Bühne in einer ganz besonderen Weise inspiriert? Und warum? Dieser Pate ist in diesem Jahr der hochgeschätzte Kollege - und seit kurzem Präsident der Filmakademie - Ulrich Matthes. Seine Wahl wird er am 13. September bei der Verleihung des Deutschen Schauspielpreises im Zoo Palast mit einer Laudatio begründen.
Das Spiel vor dem Mikro: Fünfköpfige Jury wählt den diesjährigen Preisträger des Synchronpreises
Für das Spiel vor dem Mikro haben die Kollegen von der Sektion Sprache, (dem jetzt zum BFFS gehörenden Synchronverband IVS), einen Aufruf unter ihren Mitgliedern gestartet, Vorschläge einzureichen, welcher Kollege, welche Kollegin sie im vergangen Jahr besonders begeistert hat. Aus diesen Vorschlägen wird eine fünfköpfige Jury die diesjährige Preisträgerin oder den diesjährigen Preisträger auswählen. Diese fünf Köpfe gehören den Kolleginnen und Kollegen Beate Gerlach, Hilke Flickenschildt, Maria Koschny, Frank Röth und Patrick Baehr.
Der Deutsche Fairnesspreis
Und noch eine Veränderung wird es geben: Aus dem Starken Einsatz, unserem Gemeinschaftspreis mit ver.di wird der Deutsche Fairnesspreis. Ja, die Branche braucht Fairness. Aber was genau ist eigentlich Fairness? Als wir den BFFS aus genau diesem Grund vor 13 Jahren gegründet haben, war einer unserer Grundsätze, immer über den Tellerrand der eigenen Partikularinteressen hinauszublicken und die Zusammenhänge im Auge zu behalten, von denen sie abhängen. Genau dafür wollen wir den Fairnesspreis nutzen. Zusammen mit allen relevanten Filmverbänden, die sich daran beteiligen möchten, suchen wir einen Film, der diese Frage für uns beantwortet oder zumindest in den größeren Zusammenhang stellt.
Dafür definieren der Vorstand des BFFS und ver.di Vertreter in jedem Jahr ein Thema, das unserer Wahrnehmung nach unsere Vorstellung von Fairness prägen sollte. In diesem Jahr ist es das Thema Diversität. In einer Zeit, in der es mehrheitsfähig zu werden droht, Menschen von einem fairen Umgang miteinander auszuschließen, weil sie anders sind, erscheint uns dieses Thema besonders drängend. Wir haben das Glück, einen Beruf auszuüben, mit dem wir in entscheidender Weise die Wahrnehmung der Menschen beeinflussen können. Und gerade weil wir dafür kämpfen, dass wir diesen Beruf unter fairen Bedingungen ausüben können, wollen wir die Chance, den Fokus darauf zu lenken, was Fairness eigentlich bedeutet, nutzen.
Diversität als Leitgedanke
Gesucht wird also ein Film, der entweder das Thema Diversität behandelt oder in selbstverständlicher Weise zeigt, indem das handelnde Personal vor und/oder hinter der Kamera divers ist, oder beides, wie unterschiedlich Menschen sind und damit
unsere Wahrnehmung prägt. Und in diese Suche wollen wir die anderen Filmschaffenden integrieren, weil Film bekanntlich Teamarbeit ist. Es wird ein Treffen stattfinden, bei dem die Verbandsvertreter über die Vorschläge diskutieren, und sie sind aufgefordert, ihren Vorschlag in diese Diskussion einzubringen. Aus von den Verbandsvertretern diskutierten Vorschlägen wird dann eine fünfköpfige Jury aus Vertretern des BFFS, von ver.di, Pro Quote Film, dem Verband Deutscher Drehbuchautoren (VDD) und der Bundesverband Casting (BVC) den Gewinnerfilm wählen, der natürlich selbst unter fairen Bedingungen entstanden sein muss.
Da nicht nur Film, sondern auch der Deutsche Schauspielpreis Teamarbeit und dieses Team inzwischen ziemlich groß ist, ist es naturgemäß unmöglich, all die wunderbaren und ehrenamtlichen Helfer namentlich zu erwähnen, die dazu beitragen, dass und wie er stattfinden kann, aber jene 7 Helden, die seit Monaten einen Film nach dem anderen sichten und sich die Köpfe darüber heiß reden, was inspirierendes Schauspiel ist, unserer diesjährigen Jury wollen wir schon im Vorfeld namentlich danken: Katja Weitzenböck, Anne Weinknecht, Aglaia Szyszkowitz, Sheri Hagen, Marcus Off, Anton Rattinger und Hans Jochen Wagner.
Verleihung des DSP am 13. September
Am 13. September wird die Verleihung über die Bühne des Zoo Palastes in Berlin gehen. Unsere Versuche, einen größeren Veranstaltungsort zu finden, um endlich mehr BFFS-Mitglieder einladen zu können, war in diesem Jahr leider noch nicht von Erfolg gekrönt, aber die Chancen, es im nächsten Jahr zu schaffen, sind greifbar nah. Nichtsdestotrotz ist es uns ein großes Anliegen, auch in den mit seinen knapp über 700 Plätzen viel zu kleinen Zoo Palast in diesem Jahr mit mehr Mitgliedern füllen zu können, als bisher. Die Wer-sich-zuerst-meldet-kommt-rein-Methode vom letzten Jahr hat sich insofern als Bumerang entpuppt, als dass der Andrang so groß war, dass das Kartenkontingent schon wenige Sekunden nach dem Start vergeben war.
Darum werden wir in diesem Jahr wieder auf das Losprinzip zurückgehen und versuchen, jene Mitglieder aus dem Los-Topf zu nehmen, die schon mal eingeladen wurden, damit auch die in den Genuss kommen, die es seit 8 Jahren immer wieder versuchen und nicht schaffen.
Wir werden bei inzwischen über 3400 Mitgliedern nie alle einladen können und auch bei dem Versuch, es trotzdem so gerecht wie möglich zugehen zulassen, nur scheitern, aber, um mit einem Schlingensief-Zitat zu enden: Scheitern, besser scheitern! Der Kampf gegen Windmühlen soll zumindest Spaß machen, und das tut er immer noch und immer wieder, dank des großartigen Teams, das dahinter steht.
Hans-Werner Meyer, aufgewachsen im Norden von Hamburg, gründete in seiner Jugend eine A-Capella-Gruppe, bevor er zur Schauspielerei kam. Er verbrachte die ersten Jahre nach der Schauspielschule am Bayerischen Staatsschauspiel und der Schaubühne Berlin und arbeitet seitdem in wechselnden Engagements bei Film, Fernsehen und im Theater. Im Jahr 2006 gründete er zusammen mit Michael Brandner und 5 weiteren Kolleg*innen den BFFS. Die A-Capella-Gruppe gibt es noch.