Arbeitslosengeld 1 – woran hakt’s?

BFFS Geschäftsstelle
3. Februar 2009

Hintergrundbericht zum Stand der Dinge

Der BFFS hat erfolgreich – im sogenannten „1. SCHRITT“ – geklärt, wie Film- und Fernsehschauspieler nach geltendem Recht korrekt sozialversichert werden müssen. Richtig und wichtig, aber reicht das? Nein! Für stets befristet Beschäftigte, für Kulturschaffende, insbesondere für uns Schauspieler sind die Sozialgesetze nicht kompatibel, sehr bürokratisch und letztendlich ungerecht. Darum gehen wir den „2. SCHRITT“ und kämpfen auf der politischen Bühne weiter. Ein mitunter mühsamer Prozess, der sich nur langsam entwickelt. Im letzten Jahr standen wir gleichwohl schon vor guten Entwicklungen, die dann mit einer konservativen Haltung gerade aus dem SPD-geführten Bundesarbeitsministerium aber wieder ins Stoppen kamen. Im Folgenden geben wir Euch einen kurzen Hintergrundbericht über Fakten und den Stand der Diskussion.

Arbeitslosengeld 1 – Die Ausgangslage.

Seit Einführung der Hartz 3-Regelung im Sommer 2004 gilt: Um Arbeitslosengeld 1 beanspruchen zu können, muss jeder Arbeitnehmer in 2 Jahren (statt vorher in 3 Jahren) 360 Tage sozialversicherungspflichtige Beschäftigungstage nachweisen. Das ist – wie auch unsere BFFS-Umfrage ergeben hat – für Film- und Fernsehschauspieler nahezu unmöglich! Schon bei der alten 3-jährigen Rahmenfrist konnten die meisten von uns allenfalls Arbeitslosenhilfe beanspruchen, die nun abgeschafft wurde. Das bedeutet: Obwohl wir Schauspieler während unserer Beschäftigungszeit in voller Höhe in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, erfüllen wir so gut wie nie die Anspruchsvoraussetzung, auch Arbeitslosengeld 1 zu erhalten. Die Folge: Wir überbrücken die erwerbslose Zeit (= Arbeitslosigkeit) mit „Erspartem“, zahlen voll in die Arbeitslosenversicherung ein, erhalten aber trotzdem kein Arbeitslosengeld 1 und verlieren zudem wichtige Anwartschaften zur Rentenversicherung.

BFFS-Gespräche zeigen Wirkung bei den Parteien.

Zahlreiche Gespräche, die der BFFS mit Politikern führte, zeigten ihre Wirkung. Die Fraktionen entwickelten unterschiedliche Modelle, um die Rahmenfrist gerechter zu gestalten:

  1. Die Linken übernahmen von Verdi das „5 statt 12 Modell“ als Sonderlösung für Kulturschaffende und stellten einen entsprechenden Antrag im Bundestag.
  2. Bündnis 90/Die Grünen schufen ein eigenständiges, sehr interessantes, stufenloses Modell. Ihr Antrag hieß „Neue Sicherheit für flexible Bezugzeiten“ und bezieht sich nicht nur auf Kulturschaffende, sondern auf alle Beschäftigte.
  3. Die CDU orientierte sich schon sehr früh an der Schweizer Gesetzeslage und setzte auf die Sonderlösung „Schweizer Modell“. Bei den Kulturschaffenden sollen demnach die ersten 30 Tage einer jeden Beschäftigung doppelt zählen. Da die Beschäftigungsdauer für uns Film- und Fernsehschauspieler meist unter 30 Tage liegt, müssten wir während der 2-jährigen Rahmenfrist nur insgesamt 6 Monate mit diversen Engagements anfüllen, um die Anspruchsvoraussetzungen für Arbeitslosengeld 1 zu erfüllen.

Die SPD und die FDP waren zwar interessiert, von unseren Problemen zu hören, entwickelten aber keine eigenen Vorstellungen.

Enquetekommission stellt Verfassungswidrigkeit fest.

Gleichzeitig legte die vom Deutschen Bundestag eingesetzte Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ (unter der Regie von Frau Gitta Connemann, CDU) nach vierjähriger Tätigkeit Ende 2007 dem Bundestag ihren Schlussbericht vor, der sogar feststellt, dass im Hinblick z. B. auf Film- und Fernsehschauspieler die verkürzte Rahmenfrist verfassungswidrig sei! Zur Beseitigung dieses verfassungswidrigen Zustands einigten sich alle Kommissionsmitglieder aller beteiligten Fraktionen und empfahlen das „Schweizer Modell“ zur Umsetzung.

Der BFFS hat grundsätzlich auch für die anderen Lösungsmodelle seine Zustimmung signalisiert. Denn alle Lösungen zielen letztlich darauf, den strukturell benachteiligten Künstlern und Kulturschaffenden im Falle der Beschäftigungslosigkeit die Möglichkeit einzuräumen, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 geltend machen zu können.

Gemeinsam mit auch anderen Kulturschaffendenverbänden unterstützt der BFFS insbesondere das „Schweizer Modell“, da es – getragen von den meisten Bundespolitikern, darunter die beiden entscheidenden Regierungsfraktionen – die größte Chance auf eine tatsächliche Umsetzung hat.

Olaf Scholz lehnt alternative Modelle ab.

Im letzten Jahr lehnte das SPD-geführte Bundesarbeitsministerium (BMAS) alle vorgeschlagenen Modelle vehement ab. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz äußerte rechtliche und administrative Bedenken gegen Sonderlösungen für bestimmte Berufsgruppen, wie z. B. für Kulturschaffende. Außerdem wird von Seiten seines Ministeriums schlicht die Notwendigkeit bestritten, überhaupt handeln zu müssen. Die Anzahl der arbeitslosen Schauspieler hätte sich nach der Rahmenfristverkürzung nicht geändert. In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres schlug Herr Minister Scholz zu unserer großen Enttäuschung lediglich vor, zur alten 3-jährigen Rahmenfrist für alle Beschäftigten zurück zu kehren. Daraufhin distanzierte sich auch die SPD-Fraktion wieder von der einmütigen „Schweizer-Modell“-Empfehlung der Enquetekommission, die die SPD ausdrücklich mitgetragen hatte.

BFFS intensiviert Gespräche mit der SPD.

Die alte 3-jährige Rahmenfrist lehnt der BFFS ab. Sie hilft den anderen Kulturschaffenden nur wenig, uns Film- und Fernsehschauspielern gar nicht. Außerdem hält die CDU/CSU diesen SPD-Vorschlag für nicht finanzierbar und ist strikt dagegen.

Um die SPD noch einmal umzustimmen, hat der BFFS seine Kontakte zu verschiedenen Verantwortlichen der SPD in den letzten Wochen und Monaten noch einmal intensiviert. So wurden von unserer Seite mit der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der SPD Andrea Nahles, der Sprecherin der SPD im Ausschuss für Arbeit und Soziales Angelika Krüger-Leißner, den SPD-Kulturpolitikern Siegmund Ehrmann und Monika Griefhahn, dem Generalsekretär der SPD Hubertus Heil sowie dem Staatsekretär im BMAS Klaus Brandner ausführliche Gespräche geführt, die in 2009 fortgesetzt werden. Unser Tenor: Alle bisher diskutierten Modelle sind besser als die phantasie- und nutzlose Rückkehr zur 3-jährigen Rahmenfrist – und mit gutem Willen sind auch andere Modelle denkbar. Der BFFS hat zur Anregung ein eigenes Konzept entwickelt, das grundsätzlichere Änderungen als die oben genannten Modelle vorsieht.

Nach intensivem Bemühen realisierte der BFFS einen Gesprächtermin mit Bundesarbeitsminister Olaf Scholz. Das ersehnte Gespräch kam am 31.10.2008 im BMAS in Berlin schließlich zustande. So freundlich der Minister im Ton war, so wenig rückte er jedoch von der bisherigen Position seines Hauses ab.

Wie geht es weiter in 2009?

Auch im Wahljahr 2009 wird der BFFS sein Ziel mit Hartnäckigkeit verfolgen: Kulturschaffende, insbesondere Film- und Fernsehschauspieler brauchen einen angemessenen sozialen Schutz. Der BFFS wird sich daher weiterhin für eine umfassende Novellierung der gesetzlichen Regelungen zum Bezug von Arbeitslosengeld 1 einsetzen.

Dabei wird die Durchsetzung unserer Interessen noch in dieser kurzen Legislaturperiode wahrscheinlich sehr schwierig, denn die verbleibende Zeit bis zu den nächsten Bundestagswahlen im Herbst dieses Jahres ist sehr knapp. Umso wichtiger ist es daher, unsere Positionen und Ziele möglichst breit in die Wahlprogramme der Parteien einzubringen. Unabhängig hiervon werden wir gemeinsam mit unseren Anwälten natürlich auch die bereits begonnenen Gespräche mit den zuständigen Ministerien fortsetzen. Denn die Ministerialbeamten werden auch nach der Wahl noch für uns zuständig sein. Kurzum: Wir werden weiter intensiv an einer Durchsetzung und Weiterentwicklung unserer eigenen Lösungsansätze arbeiten und den Politikern dabei, wenn nötig, immer wieder empfindlich auf die Füße treten.

Noch ein Hinweis.

Wir werden Euch in den nächsten Monaten über die politischen Entwicklungen auf dem Laufenden halten. Jedes BFFS-Mitglied soll zur Bundestagswahl unterscheiden können, welche Partei sich mit Kultur schmückt, und welche sich für die Menschen einsetzt, die davon leben, Kultur zu schaffen.

Positionspapier ALG1

Antrag für Flexible - Die Linke

Antrag Die Grünen - Neue Sicherheit für flexible Bezugszeiten

Enquete Kommission - Kultur in Deutschland Schlussbericht - Ausschnitte

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