Ein bisschen mehr auf Augenhöhe?

Bettina Zimmermann
1. März 2017

Das reformierte Urhebervertragsrecht tritt am 1. März in Kraft.

Nachdem im Jahr 2002 ein erster Versuch unternommen worden war, die Rechte von Urhebern und von uns ausübenden Künstlern im Urhebervertragsrecht zu stärken, mussten wir Kreative die Erfahrung machen, dass uns die damalige Reform zwar Rechte bot, aber ihr die Instrumente fehlten, diese auch tatsächlich durchzusetzen. Bei unserem Bemühen, angemessene Vergütungen durchzusetzen, konnten wir Kreative unseren Verwertern, wie in unserem Fall etwa den Produzenten und den übermächtigen Sendern, nach wie vor nicht auf Augenhöhe gegenübertreten, allenfalls,  um im Bild zu bleiben, auf Höhe der Schnürsenkel.

Die amtierende Große Koalition hatte sich schließlich unsere Kritik am Urhebervertragsrecht zu Herzen genommen und versprochen, uns ein bisschen mehr auf Augenhöhe zu hieven. Sie wollte rechtliche Hebel schaffen, die zwischen Kreativverbänden bzw. -gewerkschaften und Verwertern den Abschluss kollektiver Verträge begünstigt, also gemeinsame Vergütungsregeln oder Tarifverträge. Bundesjustizminister, Heiko Maas, verfolgte mit seinem Referentenentwurf den sogenannten „Burdensome“-Ansatz. Dahinter steckt die Idee, die Verwerter mit rechtlichen Auflagen zu beschweren, es sei denn, sie einigen sich gütlich mit den Organisationen der Kreativen auf gemeinsame Vergütungsregeln oder Tarifverträge.

Was ist davon im parlamentarischen Prozess übriggeblieben? Was bringt uns die Reform konkret, die heute, am 1. März in Kraft tritt? Setzt uns das neue Gesetz nun in die Lage, endlich auf Augenhöhe mit unseren Produzenten und Sendern über unsere angemessene Vergütung zu verhandeln?

Darüber habe ich mit unserem in Urheberrechtsfragen beratenden Rechtsanwalt, Brien Dorenz, gesprochen und möchte auf Grundlage   einen Überblick geben. Was war ursprünglich gewollt und was ist tatsächlich daraus geworden?

1. Verbandsklagerecht

Heiko Maas wollte Kreativverbänden bzw. -gewerkschaften eigentlich ermächtigen, immer dann mit einer Klage in die Bresche springen zu dürfen, wenn Kreative auf unangemessene Vergütungen runter gedrückt werden (und sie sich nicht selber trauen, gerichtlich dagegen vorzugehen).

Der Vorteil: Die Betroffenen müssen diese Auseinandersetzung mit Produzenten oder Sendern nicht mehr einzeln führen und damit auch nicht fürchten, als Querulanten auf eine „schwarze Liste“ gesetzt zu werden.

Letztendlich wurde dieses Verbandsklagerecht aber nur eingeschränkt eingeführt. Unsere Verbände und Gewerkschaften können nicht allgemein gegen unangemessene Vergütungen klagen, sondern nur bei Verstößen gegen bereits bestehende kollektive Vergütungsregeln.

Immerhin, denn unser BFFS hat in den letzten Jahren mit ProSiebenSat.1 und der Produzentenallianz wichtige kollektive Regelungen zur Vergütung abgeschlossen. Sollte im Einzelfall dagegen verstoßen werden, kann unser BFFS künftig solche unfaire Verträge ahnden.

2. Buyout / Pauschalvergütungen

Nach dem Entwurf des Bundesjustizministers sollte kein Kreativer mehr gezwungen sein, Buyout-Vergütungen zu akzeptieren. Also die Praxis, uns mit Einmalzahlungen abzufertigen, obwohl unsere Filme mehrfach wiederholt, auf Mediatheken platziert, auf DVD gepresst und sonst wo ausgewertet werden, sollte der Vergangenheit angehören. Lediglich im Zuge kollektiver Vereinbarungen sollten Buyout-Regelungen statthaft sein.

Von diesem Plan blieb nicht viel übrig. Das verabschiedete Gesetz erlaubt auch weiterhin Buyout-Vergütungen. Ob pauschal oder nicht, vorgeschrieben ist nur, dass die Bezahlung entsprechend der Dauer und Häufigkeit der Nutzung angemessen sein muss.

Eine Regelung, die sich nicht über das hinaus wagt, was ohnehin der bisherigen Rechtsprechung entsprach. Das ist keine Verbesserung für uns, da sind sich unser Urheberrechtsexperte, Brien Dorenz, und die übrige juristische Fachwelt einig.

3. Rückrufrecht von Nutzungsrechten

Aus einem ursprünglich vorgesehenen Rückrufrecht von Nutzungsrechten nach fünf Jahren ist nun ein Rückrufrecht nach Ablauf von zehn Jahren geworden. Und dieses gilt auch nur bei Verträgen mit pauschaler Vergütung.

Allerdings hilft uns Schauspielerinnen und Schauspieler diese Neuerung sowieso nicht, weil bei Filmwerken das Rückrufrecht von vorneherein ausgeschlossen wurde.

4. Auskunftsanspruch gegenüber Werknutzern

Der Anspruch auf Auskunft gegenüber unseren Vertragspartnern (Produzenten) und sogar Dritten (Sendern) ist durch die neue gesetzliche Regelung enorm gestärkt worden und bildet für uns den zentralen Punkt der Reform. Denn wie sollte beurteilt werden, ob Vergütungen angemessen sind, wenn uns die Auskunft fehlt, welche Nutzungen wie oft stattgefunden haben und welche Erlöse dabei erzielt wurden?

Zwar verpflichtet das Gesetz die Produzenten und Sender nicht, jedem einzelnen Kreativen unaufgefordert und regelmäßig solche Auskünfte zu geben. Und unsere Leute werden sich sicherlich auch hier nicht gerne einzeln nach vorne wagen und ein solches Recht auf Auskunft geltend machen, weil immer die Angst vor dem Blacklabeling besteht.

Aber das Auskunftsrecht gibt unseren Kreativverbänden und -gewerkschaften einen kräftigen Hebel an die Hand, unsere Gegenspieler an den Verhandlungstisch zu bekommen. Denn Produzenten und Sender können diesem für sie lästigen Auskunftsrecht nur entgehen, wenn sie sich z. B mit unserem BFFS auf gemeinsame Vergütungsregeln oder Tarifverträge einlassen, die uns angemessene Vergütungen garantieren.

Und unser BFFS wird sich auf einen solchen Handel gerne einlassen. Schließlich wollen unsere Leute nicht kistenweise Papierkram mit Auskünften, die sie kaum aufdröseln können, sondern Geld. Das Auskunftsrecht bietet unserem BFFS dazu den Schlüssel.

5. Vergütung für unbekannte Nutzungsarten

Vorgeschlagen war zudem ein Anspruch auf weitere angemessene Vergütung, wenn ein Werk auf vormals unbekannte Nutzungsarten genutzt wird.

Dieser Anspruch ist nun ebenfalls ausdrücklich auch für uns ausübende Künstlerinnen und Künstler gesetzlich festgeschrieben und auf ihn kann auch nicht verzichtet werden.

Etwas mehr auf Augenhöhe?

Fazit:

Bundesjustizminister, Heiko Maas, hat mit seinen politischen Mitstreitern uns Kreative ein paar Stufen nach oben befördert. Eindeutig! Das können wir ihm gar nicht genug danken und diesen Dank habe ich ihm auch persönlich im Namen des BFFS ausgesprochen. Aber bleiben wir realistisch: Wir brauchen mehr beherzte Politiker wie Heiko Maas mit Einfühlungsvermögen in unsere Kreativbranche. Die Verwerter sind mächtig, haben mächtige politische Verbündete. Gemeinsam haben sie mit aller Macht Wind gegen unsere Interessen gemacht und unsere größten Hoffnungen in die Reform platzen lassen. Das sollte uns nicht überraschen.

Das neue Urhebervertragsrecht bringt uns in unserer Verhandlungsposition gegenüber Sendern und Produzenten zwar nicht auf Augenhöhe, aber übersehen können sie uns nicht mehr. Jedenfalls müssen wir nicht länger in Bauchlage und Demut vor ihnen liegen und alles alternativlos hinnehmen, frei nach dem Motto, so oder gar nicht.

Im Übrigen sieht sich der BFFS als Gewerkschaft auch in der Lage, mit klassischen gewerkschaftlichen Argumenten seine Verhandlungsposition aufzuwerten.