Die GVL-Kürzungen: Eine bittere Pille – Was sind die Hintergründe?

BFFS Geschäftsstelle
15. Januar 2010

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den letzten Wochen des ausgehenden Jahres 2009 erreichte die meisten von uns ein Brief der GVL, in dem sie einen Rückgang der jährlichen Vergütung um ungefähr die Hälfte ankündigte. Ein Blick auf das Konto Anfang Dezember ließ dies zur traurigen Wahrheit werden.

Für viele von uns war das geradezu ein Schock so kurz vor Weihnachten, die erwarteten Gelder waren fest eingeplant oder bereits verplant worden.

Wir haben seitdem versucht, bei den BFFS-Stammtischen und anderen Gelegenheiten über die Hintergründe dieser Kürzungen aufzuklären, aber natürlich auf diesem Wege längst nicht alle Kollegen erreicht.
Da die Fragen zu diesem Thema nicht abreißen, möchten wir versuchen, die recht komplexen Zusammenhänge, die zu den schmerzhaften Einschnitten bei der Ausschüttung geführt haben, möglichst verständlich darzustellen, auch auf die Gefahr hin, einige Sachverhalte deutlich zu vergröbern.

Eins vorweg:

Die Enttäuschung und der Unmut über die Kürzungen haben bei einigen Kollegen den Ruf nach Protesten und Einspruch laut werden lassen – all dies ist verständlich, nur ist die GVL hierfür die falsche Zielscheibe.

Um es einmal klar zu sagen: Die GVL vertritt die Interessen aller Leistungsschutzberechtigten, sie steht auf unserer Seite, wir haben den besten Kontakt zu ihr, sie ist keinesfalls unser Gegner.
Im Gegenteil: Wir sind ein Teil der GVL, Künstler aller Sparten sitzen im Beirat der GVL und bestimmen mit über Verteilungspläne und Ausschüttung – neben den Produzenten und Verwertern.
Denn das ist das Besondere an dieser Gesellschaft: In einem immer wieder auszutarierenden Verhältnis vereint die GVL Produzenten und Künstler mit ihren teils gegensätzlichen Interessen unter einem Dach und schafft es seit vielen Jahren, unter diesen fragilen Verhältnissen immer wieder einen Ausgleich zum Wohle aller herzustellen - unter der Mithilfe engagierter, ehrenamtlich tätiger Schauspieler, Musiker, Regisseure usw. Zur Geschichte der Verwertungsgesellschaften
Wahrlich keine kleine Tat - und das zu europaweit ungeschlagen niedrigen Verwaltungskosten.

Die 3 Hauptgründe für das Zurückgehen der Vergütung:

Grund 1:
aus den USA (Nicht-EU-Repertoire), sprich für Madonna und Co., die die GVL zu Rückstellungen in Höhe von 28,418 Mio. gezwungen haben.
Dies macht den Löwenanteil der Kürzungen aus, über 60%!!!, und war für uns nicht vorhersehbar.

Was bedeuteten diese Forderungen?

Die 3 Gründe der GVL-Kürzungen
Die 3 Gründe der GVL-Kürzungen

Die Forderung des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI) nach Vergütungen für Künstler

Salopp ausgedrückt: Bisher bekamen amerikanische Künstler in der Regel keine Vergütung für die Werke, die bei uns gespielt wurden, sondern das Geld floss u.a. in unsere Taschen.

Anders ausgedrückt:

Bisher wurde der Anteil der US-amerikanischen Tonträgerproduktionen, der in Deutschland einen Nutzungsanteil von ca. 45% hat (z.B. Songs amerikanischer Künstler, die auf allen Radiokanälen raufund runter gespielt werden), nicht durch die GVL vergütet. Es gab ja auch fast keine Wahrnehmungsverträge zwischen der GVL und den amerikanischen Künstlern. Stattdessen hat die GVL diese Verteilungssumme an die übrigen, hauptsächlich deutschen Künstler, ausgeschüttet.

Dieses seit Jahren praktizierte Verfahren wurde nun in Frage gestellt und kann so nicht länger aufrechterhalten werden. Die großen Plattenfirmen innerhalb des Bundesverband Musikindustrie (BVMI), insbesondere die deutschen Töchter internationaler Konzerne wie Universal, Sony, Warner und EMI verlangen von der GVL nämlich seit 2007 erstmals Ausschüttungen für die bei ihnen unter Vertrag stehenden Künstler. Sie berufen sich hierbei darauf, dass die Künstler aus den USA ihre Zweitverwertungsrechte wirksam an die Tonträgerhersteller abgetreten hätten. Dies ist nach dem amerikanischen Urheberrecht (Copyright) möglich – im Gegensatz zu Deutschland, wo Urheber- und Leistungsschutzrechte an die Person gebunden sind und die Zweitverwertungsrechte von Künstlern und Herstellern treuhänderisch von Verwertungsgesellschaften wie der GVL wahrgenommen werden
(http://de.wikipedia.org/wiki/Copyright).

Hiermit werden nun viele Fragen aufgeworfen:
Genießen diese Künstler überhaupt Rechte und Vergütungsansprüche nach dem deutschen Urheberrechtsgesetz?
Haben diese Künstler ihre gesetzlichen Vergütungsansprüche überhaupt wirksam an die Tonträgerhersteller übertragen? Und wenn für welches Repertoire?
Müssen diese Vergütungsansprüche an die mit der GVL durch Wahrnehmungsvertrag verbundenen Tonträgerhersteller – die deutschen Töchter der großen amerikanischen Multis – ausbezahlt werden, weil diese mit ihren Mutterfirmen über sog. Matrix-Agreements verbunden sind?
Und, und, und…

Kurz gesagt: Zu dieser Auseinandersetzung steht eine Entscheidung noch aus. Getroffen wird sie durch das Deutsche Patent- und Markenamt, der zuständigen Aufsichtsbehörde für die deutschen Verwertungsgesellschaften. Wann diese Entscheidung gefällt wird, steht in den Sternen, Scharen von Rechtsanwälten bombardieren sich z.Z. mit Gutachten.

Deshalb musste der Beirat der GVL beschließen, die entsprechende Summe zurückzustellen und nicht an die Kreativen auszuschütten (28,418 Mio., was über 60% der Kürzung ausmacht).
Schließlich kann die GVL ja im Falle einer negativen Entscheidung im Nachhinein schlecht an die einzelnen Künstler herantreten und Geld zurückfordern.

Einige haben gefragt, warum die Forderungen der Tonträgerhersteller auch Schauspieler betreffen.
Der Grund: Sie betreffen Vergütungen aus dem Topf „Öffentliche Wiedergabe“, der keine Aufsplittung in verschiedene Berechtigten-Gruppen aufweist. Schon aus einer übergeordneten Sichtweise sollte man nun dieses Solidarprinzip nicht in Frage stellen. Zudem ist unsere Berufsgruppe bisher sehr gut mit diesem Prinzip gefahren.

Grund 2:

Die Vergütungen für Privatkopien sind aufgrund der letzten Urheberrechtsnovelle erheblich gesunken. Hieraus resultieren ca. 30% der Kürzungen.

Worum geht es?

Eine Zweitverwertung ergibt sich u.a. aus der Annahme, dass unzählige Menschen im Lande privat z.B. Filme und Musik mittels Recordern, MP3-Playern, Computern, DVD- und CD-Rohlingen kopieren und aufzeichnen.
Logischerweise ein Ding der Unmöglichkeit für den Künstler, mit jedem dieser Menschen persönlich einen Vertrag zu machen. Damit er dennoch zu seinem Recht kommt, hatte der Gesetzgeber in der Vergangenheit für jedes Gerät und jedes Speichermedium einen festen Vergütungssatz gesetzlich festgelegt.

Mit der Urheberrechtsnovelle (dem sog. „Zweiten Korb“) von 2007 unter der Regierung Schröder wurden diese festen Vergütungssätze abgeschafft. Schröder hatte ein allzu offenes Ohr für die Argumente der Hersteller, die Vergütungssätze verschafften ihnen Wettbewerbsnachteile und seien angesichts fallender Gerätepreise viel zu hoch.

Eine ganze Reihe weiterer „Grausamkeiten“ (z.B. die ursprünglich vorgesehene 5 %-Obergrenze vom Verkaufspreis des Gerätes) konnte zwar damals durch den vehementen Einspruch der betroffenen Verbände (auch von Seiten des BFFS) abgewendet werden. Leider nicht in diesem Punkt.

Nach dem neuen Recht müssen daher die Beteiligten, also die Verwertungsgesellschaften und die Verbände der Geräte- und Speichermedienhersteller, seit dem 01.01.2008 die Vergütung für jeden einzelnen Gerätetyp und jedes einzelne Speichermedium selbst miteinander aushandeln (§ 54 a UrhG i.V.m.§13a Urheberrechtswahrnehmungsgesetz).
Die Verhandlungen für die Verwertungsgesellschaften, z.B. GVL, GEMA, VG Bild-Kunst, VG Wort u.a., führt die Zentralstelle für Private Überspielungsrechte (ZPÜ).

Diese Verhandlungen sind von Seiten der Gerätehersteller lange Zeit verschleppt worden.
Seitdem blieben Zahlungen entweder vollständig aus oder wurden nur in unzureichender Höhe geleistet.
Folge: Die Einnahmen der GVL sind für das Jahr 2008 im Vergleich zu 2007 erheblich gesunken, allein für die Künstler bewegt sich das in einer Größenordnung um die 12 Mio.

Grund zur Hoffnung:

Nach neuesten Informationen der GVL hat es mittlerweile bei den Verhandlungen einen Durchbruch gegeben und ein Abschluss, der auch rückwirkend neue Regelungen beinhaltet, rückt in greifbare Nähe. Damit wächst die Aussicht, dass es noch in diesem Jahr zu einer Sonderausschüttung kommen kann.

Grund 3:

Die europäischen Schwestergesellschaften haben für ihre Mitglieder einen höheren Anteil an den Künstlervergütungen gefordert. Auswirkung auf die uns betreffenden Kürzungen: etwa 7-8%.

Problem ist hier, dass die GVL als einzige Gesellschaft in Europa noch entgeltbezogen abrechnet - nach Höhe unserer Gage/Honorar, was für uns durchaus von Vorteil war - alle anderen bezogen auf die tatsächliche Nutzung. Sprich, nur das wird vergütet, was auch tatsächlich genutzt, also z.B. gesendet wurde.

Weil die Systeme nicht kompatibel sind, hat die GVL bisher - bis auf wenige und in der Summe geringe Ausgleichszahlungen - für die Werknutzung ausländischer Künstler in Deutschland keine Vergütungen für die Mitglieder europäischer Schwestergesellschaften ausgezahlt, sondern dieses Geld an die eigenen GVL-Mitglieder ausgeschüttet - und diese damit für deren Nutzung im Ausland
kompensiert - denn umgekehrt flossen aufgrund der inkompatiblen Systeme bis auf marginale Ausnahmen auch keine Gelder vom Ausland an die GVL.

Diese langjährige Praxis haben viele europäische Verwertungsgesellschaften nicht mehr akzeptiert – eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission ist anhängig - und für das Verteilungsjahr 2008 Ausgleichszahlungen für ihre Künstler gefordert. Wenn das deutsche System nicht kompatibel sei, sei das ein Problem der GVL. Folge ist eine pauschale Ausgleichszahlung im kleinen einstelligen Millionenbereich, die in ihrer Bedeutung für die diesjährige Kürzung der GVL-Vergütung aber nur ca. 7-8% ausmacht.

Mit der Umstellung ihres Verteilungssystems und dem derzeitigen Aufbau einer umfassenden Werkdaten- und Mitwirkenden-Datenbank (mit dem kompletten Repertoire der von der GVL vertretenen Künstler) schafft die GVL die Voraussetzung dafür, in Zukunft umgekehrt auch die Vergütungen für die Nutzung deutscher Künstler im Ausland von den Schwestergesellschaften einziehen zu können.

Ein großer Vorteil der GVL-Umstellung liegt darin, dass durch eine Vergleichbarkeit mit den anderen Systemen die Möglichkeit besteht, europaweit Gegenseitigkeitsverträge abzuschließen.
Damit wäre die GVL in der Lage, Vergütungen für deutsche Künstler einzuziehen und auszuschütten, egal ob der Film oder das Musikstück z.B. in Spanien oder in Frankreich gesendet worden ist.

Fazit und Ausblick:

Die Kürzung der Künstler-Vergütungen ist eine bittere Pille für uns.
Mit der Umstellung des Verteilungssystems der GVL kommen zudem weitere Umwälzungen und große Unwägbarkeiten auf uns zu.
Der BFFS begleitet diesen Prozess seit längerer Zeit und versucht, in konstruktiven Gesprächen zusammen mit der GVL einen fairen Modus für die Schauspieler zu erarbeiten, immer dem Grundgedanken folgend: so gerecht und so unbürokratisch wie möglich.
Wir werden Euch demnächst über den Stand der Dinge informieren.

Es bleibt zu hoffen, dass möglichst schnell, zumindest in einem gewissen Umfang,
Sonderausschüttungen durch die GVL erreicht werden können.

Unabhängig davon wird der BFFS alles in seiner Macht stehende tun, um gegenüber den politisch Verantwortlichen auf die Missstände beim derzeitigen Urheberrecht in der Informationsgesellschaft hinzuweisen.
In einem ersten Schritt ist dies bereits im letzten Jahr mit einer Stellungnahme des BFFS zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft an das Bundesministerium für Justiz erfolgt.
Weiterhin erwägen wir eine Stellungnahme und Beschwerde gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt bezüglich der Forderungen des BVMI.

In Zukunft wird es aber darauf ankommen, dass der GVL und damit allen Leistungsschutzberechtigten neue Zweitverwertungsrechte vom Gesetzgeber zugesprochen werden – vor allem im Bereich des Internets und unserer schönen digitalen Welt.

Die Auseinandersetzungen um die Künstlervergütungen der GVL sind nur ein Anzeichen dafür, dass auf dem Feld des Urheberrechts die entscheidenden Auseinandersetzungen der Zukunft geführt werden – mit beträchtlichen Auswirkungen auf unsere Berufsgruppe.

Es gibt viel Arbeit, packen wir´s an - wo immer möglich im Schulterschluss mit den befreundeten Verbänden unserer Branche.