Gastbeitrag von Micki Meuser

23. Februar 2019

Vor ca 9 Monaten hatte ich vor einer bevorstehenden massiven Desinformationskampagne durch die digitalen Plattformen gewarnt. Diese Kampagne ist nun im vollem Gange, und wer schon immer mal beobachten wollte, mit welcher Macht Milliarden schwere Wirtschaftsmonopole einer Gesellschaft eine verlogene Debatte aufzwingen und das Gehirn waschen können, kann das zu Zeit live tun. Es geht, Ihr ahnt es schon, um die EU Richtlinie zum Urheberrecht.

Als seit 2016 Beteiligter an der Entstehung der Richtlinie möchte ich hier ein paar Fakten zusammen stellen:

  1. Upload Filter gibt es JETZT! Alle relevanten digitalen Plattformen setzen sie ein. Damit wird millionenfach jeden Tag gefiltert, blockiert und abgemahnt. Es gab sie auch schon zu Zeiten der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages und es wird sie weiter geben, ob nun die Richtlinie kommt, oder nicht. Es ändert sich daran gar nichts. Ergo, selbst wenn die Richtlinie durch die im Moment stattfindende Histerie abgelehnt wird, sind Upload Filter da und werden weiter massenhaft angewendet. Eine Ablehnung der Richtlinie ist keine Verhinderung von Upload Filtern. Alle Behauptungen, sie kämen jetzt erst mit der Richtlinie, sind daher Heuchelei.
  2. Upload Filter können weder jetzt noch in naher Zukunft den Unterschied zwischen einem originalen kulturellen Werk und einer Parodie erkennen. Auch das ändert sich nicht durch die Richtlinie. Allerdings, wenn die Richtlinie kommt, wird es einfacher für die Uploader darauf hinzuweisen, dass es sich um eine Parodie handelt.
  3. Memes und Blogs sind von den Regelungen in der Richtlinie explizit ausgenommen. Also, Keine Panik Ihr Blogger.
  4. Die Verbraucher, die User und die Uploader sind JETZT in einer rechtlich unsicheren Position. Nur als Beispiel: Es gibt bei YouTube 5.000 bis 10.000 Clips, an denen ich die Rechte aus Komposition oder Produktion habe (Die Ärzte, Ina Deter, Silly, Ideal, Lassie Singers, alle meine Filmmusiken…). Ich könnte JETZT jeden einzelnen Uploader auf entgangene Lizenzen verklagen. YouTube muss mir die Mailadressen und IP Nummern heraus geben. Das ist mehrfach erfolgreich durchgeklagt. Wenn die Richtlinie kommt, sind Verbraucher auf der rechtssicheren Seite. Dafür übernimmt YouTube die rechtliche Verantwortung und zahlt an mich/uns Kreative eine geringe Lizenz. Nur fair, finde ich. Plattformen haben allein in Europa allein im Jahr 2017 laut Roland Berger Consulting 25 Mrd gemacht. Ich gar nichts!
  5. LIZENZIERUNG und nicht Blockade (oder Filterung) ist das wichtige Wort. Nichts Anderes postuliert Artikel 13: Verträge zwischen digitalen Plattformen und Urhebern, die in angemessene Lizenzzahlungen münden. Wo das nicht möglich ist, sind Pauschalzahlungen die zweite Lösung. Erst wenn all dies nicht möglich ist, können Rechteinhaber und Urheber in Zukunft blockieren. Die digitalen Plattformen müssen also nicht unbedingt Filter einsetzen. So steht es in der Richtlinie. JETZT, ohne Richtlinie, können wir jederzeit blockieren.
  6. Wir Kreativen schreiben unsere Musik und Bücher, machen unsere Filme und Fotos nicht um sie dann zu blockieren. Wir wollen damit die Menschen erreichen, gerne auch über digitale Plattformen. Wir sehen nur nicht ein, dass der gesamte Profit, der damit durch Werbung und Datenhandel gemacht wird, bei den Plattformen allein hängen bleibt. Wir wollen einen fairen Anteil. Das ermöglicht in Zukunft die Richtlinie.
  7. Für die, die an Ökonomie interessiert sind: Die meisten von uns Kreativen schaffen ihre Werke nicht aus kommerziellen Gründen oder um Geld zu verdienen. Es geht uns um Selbstverwirklichung. Es tut aber weh, wenn man ein oder mehrere erfolgreiche (also begehrte) Werke geschafft hat, und der Profit aus der großen Nachfrage geht an jemand Anderen. Die Wertschöpfung aus kulturellen Werken findet heute in großen Teilen auf den digitalen Plattformen statt. Die früheren Tonträgerfirmen haben uns wenigsten noch einigermassen angemessen beteiligt. Die Plattformen, und übrigens große Teile der Digitalwirtschaft, machen Kohle mit unseren Werken und geben uns nichts. Dies wird die Richtlinie ändern. Dies will die digitale Wirtschaft aber nicht, und deshalb fährt sie diese Desinformationskampagne mit Schlagworten, die der Komplexität der Debatte nicht gerecht werden, den Menschen aber Unheil suggerieren sollen.

Bitte glaubt nicht das Geschwätz von Zensur und Upload Filtern. Das ist Unsinn. Unsinn, der von den Plattformen massiv gestreut wird und Euch verunsichern soll. Die Freiheit im Internet ist auf keinen Fall gefährdet, wenn wir Kreativen einen geringen Anteil der immensen Profite der digitalen Plattformen bekommen. Das bedeutet auch nicht, dass Ihr in Zukunft zahlen müsst. Im Gegenteil, ihr könnt dann in Ruhe hoch laden und konsumieren, in Zukunft rechtssicher! Die Verantwortung wird von Euch, den Verbrauchern / Usern / Uploadern auf die Plattformen geschoben.

Über Micki Meuser:

Micki Meuser ist Filmkomponist, Musikproduzent und Songwriter.

Micki Meuser schrieb die Musik zu zahlreichen Filmen, darunter internationale Kinofilme mit Daniel Craig, Kirstin Dunst oder Lynn Redgrave, und vielen Spielfilmen für ZDF und ARD, außerdem Musik für TV Serien in Deutschland und USA.

Er produzierte Alben und schrieb Songs für Künstler wie Ideal, die Ärzte, Ina Deter (Neue Männer braucht das Land), Silly (Bataillon d’Amour), Lassie Singers und viele andere. Seine musikalische Karriere begann er als Bassist bei Charlie Mariano.

Meuser ist Vorsitzender der Deutschen Filmkomponistenunion – DEFKOM und im Vorstand des Deutschen Komponistenverband.